Beim genauen Lesen der Entscheidungsgründe erschließt sich, dass dieses Urteil auf viele Fälle gar nicht anwendbar ist. Im Verfahren beim BGH lag, anders als in vielen Rückforderungsklagen, eine andere Ausgangskonstellation zugrunde: Im Verfahren VIII ZR 113/11 gab es ausweislich des Tatbestandes des Urteils eine vertragliche Preisänderungsklausel, so dass die Parteien des Vertrages davon ausgehen konnten, dass der Gaspreis sich ändert und kein feststehender Preis ist.
Aus den Entscheidungsgründen geht dann desweiteren folgendes hervor:
Weder in der Zahlung der Abrechnungen, noch in dem Weiterbezug von Gas nach Ankündigung der Preiserhöhungen liegt eine konkludente Zustimmung des Versorgungsnehmers zur Erhöhung der Gaspreise. Zu diesem gewollten Preisänderungslomplex wird von den Versorgern seitenweise vorgetragen, so dass diesem Verteidigungsvorbringen zum Abschluss eines konkludenten Preisänderungsvertrages oder eines Anerkenntnisses keinerlei Bedeutung beikommt. Es fehlt an einer entsprechenden übereinstimmenden Willenserklärung der vertragsschließenden Parteien (Rn. 16 und 17 des Urteils).
Auf die öffentliche und individuelle Bekanntgabe der Preise an alle Kunden, behauptet in individuellen Schreiben an die Versorgungsnehmer, kommt es gar nicht an. Nach eigenem Vortrag der Beklagten im dortigen Verfahren hat sie Preiserhöhungen lediglich bekannt gemacht. Hierfür spricht auch der Text der vorgelegten Musterschreiben in vielen Fällen. Viele Versorger behaupten, dass in diesen individuellen Preisänderungsschreiben ein für den Versorgungsnehmer ablehnbares Angebot zur einvernehmlichen Vertragsanpassung zu sehen ist. Nach objektiver Empfängerwertung lehnt der BGH dies ab. Aus der Sicht des Kunden stellt die Mitteilung des Versorgers die Ausübung des vertraglich geregelten einseitigen Preisbestimmungsrechtes dar und nicht das Angebot, den Preis einvernehmlich zu ändern. Dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Auch das Verteidigungsvorbringen bzw. Klagevorbringen der Versorger zu einer einvernehmlichen Vertragsanpassung ist daher falsch (Rn. 18 des Urteils)
Dies führt dazu, dass dem dortigen Versorgungsnehmer grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch zustand, begründet aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB.
Das Gericht gibt dann die Grundzüge in den Randziffern 20. ff. vor, wann bei sehr langfristigen Versorgungsverhältnissen eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist, um Rückforderungsansprüche zu begrenzen. Diese ergänzende Vertragsauslegung ist nach den Entscheidungsgründen des BGH-Urteils jedoch nur dort möglich, wo eine Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss aufgenommen ist in den Vertrag. Nur dann lassen sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein leiten, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer künftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist.
Der BGH dann weiter in Randziffer 20: „Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Artikel 229, § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteil vom 01.02.1994 –VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74 und VIII ZR 106/83, Juris Randnummer 27)“. Diese Lücke im Vertrag soll dann im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden können. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass dort, wo eine vertragliche Preisänderungsklausel in der Vertragskonstellation nicht vorgesehen ist, selbstverständlich auch im „Regelungsplan der Parteien“ eine Lücke nicht eingetreten ist. Denn dort konnte und durfte der Versorgungsnehmer davon ausgehen, dass, weil weder ein Preisänderungsrecht wirksam einbezogen ist, noch ein vertragliches Preisänderungsrecht in irgendeiner Form begründet wurde, von einem Festpreis auszugehen ist. Der Versorgungsnehmer konnte und durfte dann in diesen Fällen davon ausgehen, dass zur Änderung des Preises ein individueller Vertrag jeweils nochmals geschlossen werden muss. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall liegt damit in den vertraglichen Versorgungsfällen ohne eine Preisänderungsklausel gerade keine Lücke im Regelungsplan der Parteien vor. Nur diese Lücke musste nämlich dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.
24.04.2012 mathaub