Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?

<< < (10/27) > >>

Maharik:
Auch ich will hier nicht in die fachliche Diskussion eingreifen, aber:


Ganz viele Versorge (auch meiner) hat die Kunden mit einem Privattestat (sog. Wirtschaftsprüfergutachen) zum Zahlen der Preise zu bewegen gesucht. Dieses Testat hat das Gericht in Dortmund erst gar nicht zur Beweisnahme zugelassen.

Nun ist es so: das Testat belegt über einen Zeitraum von 1,5 Jahren, dass der Versorger \'nur\' die Preissteigerungen weitergegeben hat. Dies wird an der \'Rohmarge\' bewiesen, also der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Während die Preise in diesem Zeitraum um 48% gestiegen sind, ist die Rohmarge bei allen Tarifen in dieser Zeit nur um 3% gefallen.

Was heißt das? Das heisst, das der Versorger seine Preise in dem genannten Zeitraum nur so gestaltet hat, dass er keine Minderung seiner Brutto-Differenz in Kauf genommen und damit ausschließlich nach eigenen Interessen den Preis gestaltet hat.

Im Judo ist es so, dass man den Schwung des Gegners nimmt, um ihn zu Fall zu bringen. In diesem Schreiben teilt der Versorger mit, dass er quasi aufgrund der Rechtsprechung berechtig sei, die Preise so zu gestalten, also quasi mit \'gesetzlicher Profitgarantie\'. Ist das eventuell ein Eigentor, so dass man ihm diese SAche jetzt um die Ohren schlagen kann?

RR-E-ft:
In einem geordneten, gesetzmäßigen Verfahren wird niemandem etwas um die Ohren geschlagen.

Bei vielen Versorgern wird wohl eine tiefgreifende Innenrevision der Tarifgestaltung anhand der energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen bisher noch nicht erfolgt sein.

Wir reden hier auch nicht von Beweismitteln in einem Zivilprozess, für welches die von den Unternehmen erkauften Wirtschaftsprüferbescheinigungen nicht taugen, sondern über vollkommen andere Beweismittel in ganz anderen Verfahren mit hochspezialisierten Kollegen.

So wie bisher kann es nicht weitergehen.
 
Staatliche Stellen haben mittlerweile bereits Gutachten eingeholt, die belegen, dass oftmals die gesetzliche Verpflichtung zur Tarifabsenkung
zu Lasten der betroffenen Kunden nicht eingehalten wurde (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Der heutige SPIEGEL- Titel lautet \"Wenn Ärzte irren- Risiko Fehldiagnose\".
Gravierend ist es auch, wenn Energieversorger und deren Verantwortliche bei der Tarifbildung irren.
So wie es bei der BSR der Fall war, der zu vom BGH bestätigten strafrechtlichen Verurteilungen führte.

Ärzte können sich bei Fehlbehandlungen wegen Körperverletzung strafbar machen,
Versorger wegen Vermögensverletzung infolge der zur Abrechnungstellung gesetzwidriger Tarife wegen Betruges.

Die Innenrevision der Unternehmen ist gefordert, Straftaten zu verhindern.
Compliance Officers haben einen besonderen Pflichtenkreis übernommen.
Unterslässt sie dies, kann dadurch eine Strafbarkeit beründet sein (BGH, Urt. v. 17.07.09 Az. 5 StR 394/08 Rn. 21 ff. (25, 27)).

Bestimmte Verantwortliche bei den Versorgern sollten deshalb langsam  den Valentins- Blues haben.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Mit §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 EnWG besteht eine besondere gesetzliche Tarifbestimmungspflicht des Grundversorgers, die gerade dem Schutz der Haushaltskunden vor überhöhten Strom- und Gaspreisen dient.  
--- Ende Zitat ---

In § 36 EnWG ist nur davon die Rede, dass Allgemeine Tarife anzubieten sind, nicht aber wie diese kalkuliert sein müssen.

Verschiedene Gericht betonen sogar, dass der Grundversorgungstarif eher teuer zu kalkulieren sei um darin ein Abgrenzungsmerkmal zu Sonderverträgen zu erkennen.


--- Zitat ---OLG Düsseldorf, VI 2 U (Kart) 14/08
Danach trifft den Grundversorger die Pflicht, alle Interessiert bis zur Grenze der Unzumutbarkeit anzuschließen. Der für die Grundversorgung maßgebliche Tarif muss daher auch diesesn Fallkonstellationen Rechnung tragen und daher - im Verhältnis zu anderen Tarifen - besonders hoch kalkuliert sein.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---Kammergericht Berlin, 21 U 160/06
Der Tarif muss schon wegen der Verpflichtung zur Versorgung in wirtschaftlich ungünstigen aber noch nicht unzumutbaren Fällen teurer als notwendig kalkuliert sein.
--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
@Black

Sie sind (noch) witzig.

Ein Tarif, der besonders hoch kalkuliert ist, geht nach der Rechtsprechung jedenfalls immer in Ordnung?

§ 36 Abs. 1 EnWG statuiert eine Tarifbestimmungspflicht.
§ 2 Abs. 1 EnWG ist bei der Tarifbestimmung zu beachten (BGH VIII ZR 240/90 unter III, BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Freilich ist es mit KG 21 U 160/06 und OLG Düsseldorf VI 2 U (Kart) 14/08 zutreffend,
dass im Gegensatz zu den Preisen, die im Rahmen der Vertragsfreiheit kalkuliert werden, grundversorgungsspezifische Risikoaufschläge eingepreist/ einkalkuliert werden können bzw. müssen.

Diese einzukalkulierenden Risikoaufschläge müssen sich nachvollziehbar und prüffähig in angemessenem Rahmen bewegen.

Nach der nachvollziehbaren und prüffähigen Einpreisung solcher grundversorgungsspezifischen Risikoaufschläge muss der einseitig bestimmte Tarif dann aber für die betroffenen Kunden nachvollziehbar und prüffähig eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten.

Unzulässig sind auf der nach oben hin offenen Richterskala besonders hoch kalkulierte Tarife, die den Kunden unter Berücksichtigung auch der Belange des Grundversorgers keine möglichst prreisgünstige Versorgung gewährleisten (so schon BGH VIII ZR 240/90 unter III).

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
§ 36 Abs. 1 EnWG statuiert eine Tarifbestimmungspflicht.
--- Ende Zitat ---

Ja. Es muss mindestens ein Grundversorgungstarif angeboten werden.



--- Zitat ---Original von RR-E-ft
§ 2 Abs. 1 EnWG ist bei der Tarifbestimmung zu beachten (BGH VIII ZR 240/90 unter III, BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
--- Ende Zitat ---

Aus dem Gesetz folgt dass  nicht direkt. Zu beachten sind zudem dann auch die übrigen Ziele des § 1 EnWG die insgesamt in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen (sehr schön bei Salje, EnWG zu § 1 und § 2). Aufgrund der Allgemeinheit des Grundversorgungstarifes ist dieser gerade nicht maximal preiswert zu kalkulieren (OG Düsseldorf, KG Berlin).


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Nach der nachvollziehbaren und prüffähigen Einpreisung solcher grundversorgungsspezifischen Risikoaufschläge muss der einseitig bestimmte Tarif dann aber für die betroffenen Kunden nachvollziehbar und prüffähig eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten.
--- Ende Zitat ---

Nein. Die Risikozuschläge sind nicht prüffähig, da der Anfangspreis und seine Bestandteile keiner Kontrolle unterliegt (BGH VIII ZR 36/06). Es besteht auch keine Pflicht den Tarif \"für den Kunden nachvollziehbar\" zu gestalten.

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