Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
tangocharly:
--- Zitat ---Der Fall liegt jedoch noch bedeutend anders als bei einer gesetzlichen Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht zugunsten der Kunden, die dem Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden dient, die betroffenen Kunden für den Grundversorger erkennbar nur im Vertrauen auf die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung und der getroffenen Tarifbestimmung vorbehaltlos und vollständig Zahlungen auf die inkrimnierten Abrechnungen leisten.
--- Ende Zitat ---
Staun! Wird hier jetzt Betrug (§ 263 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) diskutiert ?
Seit wann hat der Grundversorger eine Vermögensbetreuungspflicht?
Der Gedanke wäre zwar nicht schlecht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB), dann bräuchte man auch sich nicht ständig mit der dämlichen Widerspruchsproblematik auseinander zu setzen, die offensichtlich nur der \"Sicherung der Ertrags- und Erlöslage\" der Versorgungswirtschaft dient (BGH, VIII 36/06).
Jagni:
Im Moment geht es nur um die Täuschung. Wer von einer Unrechtmäßigkeit Kenntnis hat, wird wohl nicht mehr vorbringen können, dass er dahingehend getäuscht wurde. Anders bei dem Millionenheer von Verbrauchern in der Grundversorgung, die alle nur deswegen brav zahlen, weil sie wissen, dass die Versorger einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht unterliegen und darauf vertrauen können und müssen, dass ihr gefolgt wird. Diese Verbraucher werden tatsächlich in die Irre geführt.
Insoweit sehe ich auch in der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht einen Schutz für das Vermögen der Verbraucher, in das ungerechtfertigt eingegriffen werden soll.
Hinsichtlich einer Täuschung stellt sich jedoch auch die Frage, ob gegenüber bestehenden Tatsachen in die Irre geführt, also getäuscht wird, und das ist ebenso entscheidend.
Dazu die Argumentation aus der Versorgerwelt:
Der Versorger bestreitet, dass das Gesetz entsprechende Tatsachen parat hält. Er weiß nur, dass er seiner Preisbestimmungspflicht der Billigkeit entsprechend nachkommen muss. Und was die Rechtsprechung zur Billigkeit entwickelt hat, z.B. die Rechtspflicht zur Kostenabsenkung usw., sind Erkenntnisse, die sich aus der Rechtsanwendung heraus gebildet haben - also Rechtsfragen und somit keine wahren Tatsachen. Solche Tatsachen wird man vergeblich im Gesetz suchen.
Mir stellt sich somit die Frage, ab wann diese Rechtsfragen mit ihren von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Merkmalen in den Zustand von Tatsachen im Sinne § 263 StGB übergehen, weil nur im Hinblick auf Tatsachen getäuscht werden kann.
--- Zitat ---Zitat von RR-E-ft
Mit der Abrechnung sind stillschweigend objektiv prüffähige Tatsachenbehauptungen verbunden.
Gerade darin liegt ja der Abrechnungsbetrug begründet (BGH Az. 5 StR 394/08]
--- Ende Zitat ---
Für die angezogene BGH-Entscheidung wird das wohl zutreffen. Denn hier waren die Tatsachen im Straßenreinigungsgesetz konkret umschrieben und es konnte schon aus dem Gesetz heraus erkannt werden, wie mit den Kosten umzugehen ist.
In der Grundversorgung wird das aus Versorgersicht jedoch bestritten werden. Die mit der Abrechnung stillschweigend verbundene Behauptung werden Versorger immer nur darauf beziehen wollen, dass sich ihre Preisbildung und danach auch die Abrechnung ausschließlich im Rahmen von billigem Ermessen vollzogen hat. Diese Aussage verankern Versorger sogar in ihren AGB, gewissermaßen als ein Gütesiegel dafür, wie pflichtbewusst und gesetzestreu sie bei ihrer Preisbildung vorgehen.
Wird irgendwann einmal ihr tatsächliches Preisgehabe durch ein Gericht ans Licht gezerrt, nach dem Maßstab billigen Ermessens verworfen und hinsichtlich des Preises eine Ersatzbestimmung vorgenommen, dann werden sie nach ihren Aussagen nur geirrt, möglicherweise eine fehlerhafte Handlung begangen, aber niemals getäuscht oder gar betrogen haben.
Auch die danach vorgenommenen Abrechnungen werden sie immer mit der Erklärung verbinden, dass sie „ausschließlich nach Maßgabe der Billigkeit“ erfolgt sind.
So lange das Gesetz und die dazugehörigen Verordnungen die verpflichtenden Tatsachen derart dürr und matt ausgestalten und es ausschließlich einer Billigkeitsbetrachtung im Rahmen der Rechtsprechung überlassen, die dazugehörigen Merkmale im weiten Spielraum dieses Ermessens aufzutreiben, so lange werden die Versorger die Billigkeit wie ein Bollwerk benutzen, um dahinter ihrem ureigensten Interesse zu folgen. Black hat das erkennbar gemacht.
Es wird nun interessant sein, wie die sogenannten CCO’s aus ihren Stellenbeschreibungen heraus mit diesem Billigkeitsgebaren in ihren Unternehmen umgehen und wie sie dabei das Gehör ihrer Vorstandskollegen finden.
Gruß
Jagni
RR-E-ft:
Es geht hier um die mögliche Betrugsstrafbarkeit hinsichtlich der Grundversorgung.
Konkret geht es um die gesetzliche Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht zugunsten der Kunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].
--- Zitat ---BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18:
Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist
--- Ende Zitat ---
Diese gesetzliche Pflicht der Grundversorger dient offensichtlich dem Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden.
Die stillschweigende Erklärung, die deshalb mit den Abrechnungen der Grundversorger in Bezug auf die Ordnungegemäßheit der Abrechnung und die Ordnungsgemäßheit der getroffenen Tarifbestimmung verbunden sind, wurde weiter oben bereits konkret aufgezeigt. Diese stillschweigende Erklärung betrifft keine Rechtsfragen, sondern immer objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die stillschweigende Erklärung, die mit jeder Abrechnung des Grundversorgers verbunden ist, lautet:
\"Wir haben unserer gesetzlichen Tarifanpassungspflicht entsprochen. Wir haben immer wieder eigenverantwortlich neu umfassend geprüft, ob eine Tarifanpassung zu Ihren Gunsten möglich ist. Wir sind dabei jeweils eigenverantwortlich zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auch nach Ausschöpfung aller unserer Möglichkeiten für Sie nichts Günstigeres ergeben konnte.\"
Das ist die in jeder Verbrauchsabrechnung des Grundversorgers stillschweigend verkörperte Tatsachenbehauptung. Diese steht auch in Zusammenhang mit der gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG.
Und diese Tatsachenbehauptung lässt sich jedenfalls objektiv daraufhin überprüfen, ob sie zutreffend ist oder aber falsch ist.
Schließlich muss es über die entsprechenden fortlaufenden Prüfungen bei jedem Grundversorger im Hause entsprechende Dokumentationen geben, welche die durchgeführten Prüfungen und deren jeweiliges Ergebnis auch für Dritte nachvollziehbar und überprüfbar belegen.
Wenn sie falsch ist, kann deshalb eine Betrugsstrafbarkeit der Verantwortlichen begründet sein.
Eine andere stillschweigende Erklärung ist mit der Verbrauchsabrechnung jedenfalls nicht verbunden, insbesondere kein auf Annahme gerichteter Antrag auf Entgeltneuvereinbarung gem. §§ 145 ff. BGB. Denn dann könnte der Kunde in Abweichung von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB jedenfalls darüber entscheiden, ob er die Preise ablehnt und jedenfalls allein deshalb nicht vertraglich zur Zahlung verpflichtet ist. Dies aber liefe der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG ganz offensichtlich zuwider.
Denn bereits aus § 36 Abs. 1 EnWG ergibt sich zwingend, dass in diesem Bereich ausnahmslos alle Haushaltskunden zu dem vom Grundversorger infolge dessen gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht eigenverantwortlich festgelegten Tarif versorgt werden müssen, anderweitige Preisvereinbarungen deshalb jedenfalls gesetzlich unzulässig sind.
Die betroffenen Kunden zahlen die Verbrauchsabrechnungen nur dann vorbehaltlos und vollständig, wenn sie der o. g. stillschweigenden Erklärung des Grundversorgers vertrauen. Ihre vorbehaltlosen und vollständigen Zahlungen dokumentieren deshalb nur dieses Vertrauen, welches der Grundversorger weder enttäuschen, noch missbrauchen darf.
--- Ende Zitat ---
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