Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Kann es nicht sein, dass ein Versorger, der auf Zahlung klagt und dabei stolz behauptet, seine tarife wären entsprechend gesetzlicher Verpflichtung gebildet worden - ohne dies zuvor genau geprüft zu haben- sich wegen zumindest versuchten Prozessbetruges strafbar machen kann?
--- Ende Zitat ---
Nicht unbedingt.
Wie ich bereits mit der Kommentierung versucht habe aufzuzeigen ist diese \"gesetzliche Verpflichtung\" ja mehr als schwammig.
Genauer gesagt muss man ja das OB und das WIE der tariflichen Bestimmung unterscheiden. Natürlich besteht eine gesetzlich vorgegebene Pflicht zu Preisanpassungen in allg. Tarifen (=OB) gleichzeitig besteht die Pflicht nicht nur irgendwie anzupassen, sondern \"billig\" (=WIE).
Während also das \"OB\" unstreitig ist, besteht über das \"WIE\" ein Ermessen und keine klare gesetzliche Vorgabe.
Der Gesetzgeber hat weder in § 36 EnWG noch in § 315 BGB geregelt, wann denn eine billige Festsetzung vorliegt und wann nicht. Diese Kriterien hat erst die Rechtsprechung (und auch nicht abschließend) aufgestellt.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von Black
Nicht unbedingt.
--- Ende Zitat ---
Bedingter Vorsatz genügt.
§ 36 Abs. 1 EnWG betrifft eine gesetzliche Tarifbestimmungspflicht, die den betroffenen Kunden eine möglichst sichere, preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten muss.
Es handelt sich um die Umsetzung der Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Richtlinie 2003/54/EG und 2003/55/EG in nationales Recht, welche den Kleinkunden einen besonderen Schutz gewähren muss.
Der Versorger muss selbst ständig kontrollieren, ob seine getroffene Tarifbestimmung (überhaupt und ggf. noch) seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG entspricht bzw. neujustiert werden muss.
Die nach gesetzlicher Verpflichtung zu treffende Tarifbestimmung darf nicht nach Belieben erfolgen, sondern innerhalb eines Ermessensspielraums undzwar nach Maßstäben, die sich gem. § 315 BGB auch gerichtlich kontrollieren lassen.
Es muss also fortlaufend eine interne Kontrolle darüber stattfínden, ob und wie die Tarifbestimmung neu getroffen werden muss, um der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG zu entsprechen.
Nicht anders war es bei der BSR, die ihre Tarife auch immer wieder zu kontrollieren und nach dem Ergebnis dieser Kontrolle insgesamt neu festzulegen hatte.
Die Frage war, nach welchen Kriterien und Maßstäben (Richtlinien) die Versorger ihre gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung treffen und kontrollieren.
Ihre Antwort darauf war doch nicht etwa: \"schwammig\"?!
Denn diese Kriterien und Maßstäbe (Richtlinien), nach welchen die Versorger selbst ihre gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung treffen und kontrollieren, gilt es ja - ggf. auch gerichtlich - zu kontrollieren, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Bereits seit Inkrafttreten des EnWiG 1935 schon trifft die Energieversorger eine gesetzliche Tarifbestimmungspflicht, die sie schon immer zu erfüllen hatten.
Und schon immer war die getroffene Tarifbestimmung dabei unter Beachtung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 1 EnWG zu treffen und gerichtlich kontrollierbar, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 unter III 2).
Das Urteil wurde bekanntlich veröffentlicht in NJW-RR 1992, 183.
Hat sich bisher keiner drum geschert?
Wir reden von ernsten strafrechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen gesetzwidriger Tarifbestimmungen!
Und Sie kommen immer noch mit Larifari?
Sie kennen doch auch mittlerweile die wirtschaftlichen Konsequenzen gesetzwidriger Preisbestimmungen im Sonderkundenbereich, siehe EWE und Main-Kinzig-Gas.
Bei EWE ist mittlerweile in der Presse von Rückforderungen in Milliardenhöhe die Rede, bei der Main-Kinzig-Gas ist von Rückforderungen in Höhe von 46 Mio. € und Existenzgefährdung die Rede.
Beide Unternehmen wurden womöglich nicht nur glücklos beraten und vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer, um genauer zu sein besonders von den Kollegen Dres. Bernd Kunth und Stefan Tüngler, EWE darüber hinaus von Clifford Chance, die bei Rückforderungprozessen der Kunden bisher ersichtlich keine Chance hat.
Die genannten Summen sind jeweils die Beträge, welche die extern beratenen Unternehmen von den Kunden rechtsgrundlos vereinnahmt haben sollen, also als Nichtschuld den Kunden zur Abrechnung gestellt und von den gutgläubigen Kunden eingezogen bzw. von diesen gezahlt worden sein sollen. Es entspricht wohl zugleich den Schäden, die den Kunden bisher durch rechtswidrige Praktiken allein dieser Versorger entstanden sein sollen.
Nicht minder wirtschaftlich schwerwiegend kann sich die Situation für Kunden und Versorger bei gesetzwidrigen, unbilligen Tarifbestimmungen aufgrund gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht erweisen, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Da verwundert es schon, wenn gerade Sie als Spezialist für § 315 BGB im Versorgerlager, der Sie selbst die Folgen unbilliger Tarifbestimmungen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nachweislich klar und eindeutig erkannt haben, nach wie vor eher leichtfüßig dahergehen und meinen, es sei halt alles irgendwie etwas \"schwammig\".
A bisserl was geht alleweil....
Sowohl für die Versorger wie auch für deren Kunden geht es um Milliardenbeträge!
Es gibt klare gesetzliche Regeln und klare persönliche Verantwortlichkeiten, durchaus auch externer Berater der Versorger.
Die strafrechtlichen Konsequenzen erarbeiten Sie sich wohl gerade erst noch.
RR-E-ft:
@Black
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
6.
Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG berücksichtigt werden.
--- Ende Zitat ---
Bereits bestätigt durch BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a), VIII ZR 138/07 Rn. 43.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Karl-Heinz Feldmann
Chief Compliance Officer
E.ON AG
E.ON Platz 1
D-40479 Düsseldorf
per Fax: 0211/ 45 79 446
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Feldmann,
ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als Chief Compliance Officer der E.ON AG.
Die strengen internen Compliance- Richtlinien der E.ON AG sind mir bekannt und werden von mir begrüßt.
Leider haben sich bisher noch nicht alle Energieversorger solch strenge Regeln auferlegt.
Mich und viele andere sorgen Bedenken, ob die E.ON AG, und deren Market Units die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG tatsächlich einhalten.
Konkret geht es um die Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG
aber auch um die damit einhergehende gesetzliche Preisbestimmungspflicht gem. § 36 Abs. 1 EnWG, ausgeübt u.a. von E.ON Thüringer Energie AG und E.ON Vertrieb Deutschland GmbH für deren Gliederungen.
Ich habe meine juristische Ausbildung auch im E.ON Konzern bzw. der Bayernwerk- Gruppe absolviert und war auch in der Rechtsabteilung von Konzernunternehmen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts beruflich tätig.
Nach meiner fachlichen Einschätzung verhält es sich mit der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht folgendermaßen:
1.
In Deutschland gibt der Gesetzgeber die materielle Rechtslage vor.
2.
Auch Gerichte sind daran gebunden.
3.
Grundversorger trifft gesetzlich eine Tarifbestimmungspflicht, § 36 Abs. 1 EnWG.
4.
Die getroffene Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht unterliegt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB, denn dieser gilt auch für gesetzliche Leistungsbestimmungspflichten.
5.
Auch Grundversorger sind als Energieversorger gesetzlich verpflichtet, eine möglichst preisgünstige, effiziente leitunsgsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen zu gewährleisten, § 2 Abs. 1 EnWG.
6.
Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG berücksichtigt werden.
7.
Die getroffene Tarifbestimmung darf wegen § 2 Abs. 1 EnWG für den Grundversorger nicht vorteilhaft sein.
Sie muss vielmehr für die Kunden möglichst vorteilhaft sein, § 1 Abs. 1 EnWG, weil sie diesen entsprechend des Schutzzweckes der gesetzlichen Bestimmung eine möglichst preisgünstige Versorgung gewährleisten muss.
8.
a)
Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung aufgrund seiner gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht keine Tarife bestimmen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.
b)
Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung keine Tarife zur Abrechnung stellen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.
c)
Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden keine individuellen Preisvereinbarungen treffen, § 36 Abs. 1 EnWG.
d)
Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden insbesondere keine Preise individuell vereinbaren, die gesetzwidrig sind, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung des Grundversorgers aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.
9.
Die Billigkeitskontrolle der infolge gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht getroffenen Tarifbestimmung des Grundversorgers richtet sich nach § 315 Abs. 3 BGB.
Diese kann gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nur ergeben, dass die getroffene Tarifbestimmung entweder der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres verbindlich ist oder nicht der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres unverbindlich ist.
Ist sie unverbindlich, kann nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung getroffen werden.
Dies setzt einen entsprechenden Antrag an das ordentliche Gericht voraus (Klageantrag gem. § 308 ZPO).
Bis zur Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils verbleibt es dabei, dass das Versorgungsunternehmen keinen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kunden hat (BGH X ZR 60/04 unter II.1).
10.
Der betroffene Kunde kann selbst nicht erkennen, ob die gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung des Versorgers unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in gesetzmäßiger Weise getroffen wurde, der Billigkeit entspricht oder jedoch eine gesetzwidrige Tarifbestimmung vorliegt, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zur Unverbindlichkeit und Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB führt.
11.
Erkennt der Versorger, dass seine gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung bisher in gesetzwidriger Weise getroffen wurde, weil sie ihm und nicht den Kunden vorteilhaft ist, so ist er gesetzlich verpflichtet, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Tarifbestimmung zu treffen, die tatsächlich seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht.
12.
Für die Zeit davor ist er wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht mehr berechtigt, die unbilligen Tarife von den Kunden weiter zu fordern.
Er kann nur eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen.
Schlag 13.
a)
Stellt der gesetzlich zur Tarifbestimmung verpflichtete Versorger seinen betroffenen Kunden weiter unbillige Tarife zur Abrechnung, deren Unbilligkeit und Unverbindlichkeit er bzw. dafür besonders verantwortliche Mitarbeiter erkannt haben, lässt man alles wie bisher weiter laufen, so kann darin eine Betrugsstrafbarkeit begründet liegen.
b)
Eine Beteiligung an der Haupttat der Verantwortlichen durch Compliance Officers des Unternehmens und andere juristische Berater ist möglich. Wurden externe sachverständige Berater vom Versorger mit der Beurteilung der Billigkeit der getroffenen Tarifbestimmung besonders beauftragt, können diese in diejenige Garantenstellung einrücken, welche die Strafbarkeit begründet (Ingerenz).
Bitte lassen Sie kontrollieren, ob die aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungspflicht in Ihrem Konzern getroffenen Preisbestimmungen mit der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1 , 1 Abs. 1 EnWG tatsächlich im Einklang stehen und den betroffenen Kunden tatsächlich eine möglichst preisgünstige leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten oder nicht doch vielleicht gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für die betroffenen Kunden bis zur gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB unverbindlich sind.
Sichergestellt werden muss jedenfalls, dass gegenüber den betroffenen Kunden nicht etwa infolge von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB zur Abrechnung gestellt wird, was nach der Rechtsprechung des BGH eine Betrugsstrafbarkeit zur Folge haben kann (BGH 5 StR 394/08].
Auch soweit in Sonderverträgen Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt wurden, dürfen die unwirksam einseitig erhöhten Preise den Kunden nicht mehr zur Abrechnung gebracht werden, da auch insoweit eine Nichtschuld vorliegt.
Bitte informieren Sie mich über das Ergebnis der entsprechenden internen Kontrollen.
Weitere Hintergründe können Sie hier lesen: Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
Freundliche kollegiale Grüße
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
--- Ende Zitat ---
Freshfields Bruckhaus Deringer steht jetzt wohl ein Prüfauftrag ins Haus.
@all
Ich lade jeden Energieverbraucher ein, den Text zu kopieren und die Geschäftsführung des eigenen Versorgers schriftlich per Einschreiben/ Rückschein/ per Fax aufzufordern, eine entsprechende Kontrolle über die Einhaltung der Bestimmungen des Energiewirtschaftgesetzes dringend zu veranlassen.
@Black
Wenn Sie die Unternehmen nicht entsprechend beraten wollen, informiere ich diese gern bzw. lasse informieren.
kamaraba:
Ich mische mich ja ungern in Fachgespräche ein, aber hier mal eine konkrete Frage:
Wenn der örtliche Grundversorger im Grundversorgungstarif die Grundpreise um 40% erhöht (er gehörte zuvor schon in Baden-Württemberg zu den Versorgern, die mit die höchsten Grundpreise verlangt), diese Erhöhung öffentlich in Kundenanschreiben und in der hiesigen Stadtzeitung als moderate Preisanpassung bezeichnet und im Folgejahr die Gewinne vor Steuern von 8,5 auf 11,4 Mio. steigert (so ziemlich genau die Summe die ich bei der Grundpreiserhöhung errechnet habe).
Ist dies bereits an strafrechtlicher Tatbestand und wenn ja – welcher – Betrug? Ungerechtfertigte Bereicherung? Wucher?
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