Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?

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Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Betrugsstrafbarkeit im Falle BSR gründete bei Lichte betrachtet darauf, dass die Abrechnunegn stillschweigend die Erklärung enthielten

 \"Die Tarife haben wir in gesetzmäßiger Weise [unserer gesetzlichen Verpflichtung entsprechend] der Billigkeit entsprechend festgesetzt, deshalb ist auch diese Abrechnung ordnungsgemäß\".
--- Ende Zitat ---

Fast. Was genau billig ist, dass ergibt sich eben nicht direkt aus dem Gesetz, sondern ist eine Ermessensentscheidung im Einzelfall. Es existieren derzeit nur Richtlinien zur Billigkeit die die Rechtsprechung entwickelt hat.

Daher lautet die Erklärung vielmehr:

\"Die Tarife haben wir aufgrund unseres gesetzlichen Rechtes/unserer gesetzlichen Pflicht neu festgesetzt. DBei dieser Festsetzung haben wir billiges Ermessen i.S.d. § 315 BGB ausgeübt, deshalb ist auch diese Abrechnung nach unserer Überzeugung ordnungsgemäß\"

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von Black
Das eine unbillige einseitige Festlegung unwirksam ist, hindert nicht daran, dass sie als vertragliches Angebot gelten kann. Denn die Unwirksamkeit beseitigt ja nur die zustimmungsfreie Bindungswirkung. Ein vertragliches Angebot wird anders als eine einseitige Festlegung erst durch Zustimmung wirksam.

Das ist auch nur konsequent, denn Billigkeit ist ja eine Wertungsfrage und dient dem Schutz des Vertragspartners. Wenn dieser Vertragspartner die Festlegung als \"für gut befunden\" anerkennt, dann besteht keine Notwendigkeit eine Festlegung mit der beide Parteien einverstanden waren für unwirksam zu erklären.
--- Ende Zitat ---

@Black

Ich sehe schwarz. (Nicht in Bezug auf die GEZ)

Bei der BSR gab es keinen Betrug.
Schließlich hatten die Kunden die Rechnungen der BSR bezahlt, weil sie mit den Tarifen einverstanden waren.
Deren Zahlungen zeigten ja gerade, dass sie diese für \"gut\" befanden, anerkannten.
Die Kunden hatten deshalb jedenfalls keinen Schaden erlitten.
Die Verantwortlichen waren deshalb vollkommen unschuldig.
Unschuldige wurden deshalb rechtskräftig abgeurteilt.

Gewiss ist Ihre Beschwerde an Amnesty International deshalb schon raus.

Im Strafrecht scheinen Sie nicht zu Hause zu sein.


==================================================

Wir wollen es uns bei Lichte betrachten und sehen, was sich wohl aus dem Gesetz ergibt.

1.

In Deutschland gibt der Gesetzgeber die materielle Rechtslage vor.

2.

Auch Gerichte sind daran gebunden.

3.

Grundversorger trifft gesetzlich eine Tarifbestimmungspflicht, § 36 Abs. 1 EnWG.

4.

Die getroffene Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht unterliegt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des  § 315 BGB, denn dieser gilt auch für gesetzliche Leistungsbestimmungspflichten.

5.

Auch Grundversorger sind als Energieversorger gesetzlich verpflichtet, eine möglichst preisgünstige, effiziente leitunsgsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen zu gewährleisten, § 2 Abs. 1 EnWG.

6.

Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG  berücksichtigt werden.

7.
 
Die getroffene Tarifbestimmung darf wegen § 2 Abs. 1 EnWG für den Grundversorger nicht vorteilhaft sein.
Sie muss vielmehr für die Kunden möglichst vorteilhaft sein, § 1 Abs. 1 EnWG, weil sie diesen entsprechend des Schutzzweckes der gesetzlichen Bestimmung eine möglichst preisgünstige Versorgung gewährleisten muss.

8.

a)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung aufgrund seiner gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht keine Tarife bestimmen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

b)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung keine Tarife zur Abrechnung stellen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

c)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden keine individuellen Preisvereinbarungen treffen, § 36 Abs. 1 EnWG.

d)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden insbesondere keine Preise individuell vereinbaren, die gesetzwidrig sind, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung des Grundversorgers aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

9.

Die Billigkeitskontrolle der infolge gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht getroffenen Tarifbestimmung des Grundversorgers richtet sich nach § 315 Abs. 3 BGB.

Diese kann gem. § 315 Abs. 3 BGB nur ergeben, dass die getroffene Tarifbestimmung entweder der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres verbindlich ist oder nicht der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres unverbindlich ist.

Ist sie unverbindlich, kann nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung getroffen werden.
Dies setzt einen entsprechenden Antrag an das ordentliche Gericht voraus (Klageantrag gem. § 308 ZPO).  

Bis zur Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils verbleibt es dabei, dass das Versorgungsunternehmen keinen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kunden hat (BGH X ZR 60/04 unter II.1).  

10.

Der betroffene Kunde kann selbst nicht erkennen, ob die gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung des Versorgers unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in gesetzmäßiger Weise getroffen wurde, der Billigkeit entspricht oder jedoch eine gesetzwidrige Tarifbestimmung vorliegt, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB  zur Unverbindlichkeit und Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB führt.

11.

Erkennt der Versorger, dass seine gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung bisher in gesetzwidriger Weise getroffen wurde, weil sie ihm und nicht den Kunden vorteilhaft ist, so ist er gesetzlich verpflichtet, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Tarifbestimmung zu treffen, die tatsächlich seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht.

12.

Für die Zeit davor ist er wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht mehr berechtigt, die unbilligen Tarife von den Kunden weiter zu fordern.
Er kann nur eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen.

Schlag 13.

a)

Stellt der gesetzlich zur Tarifbestimmung verpflichtete Versorger seinen betroffenen Kunden weiter unbillige Tarife zur Abrechnung, deren Unbilligkeit und Unverbindlichkeit er bzw. dafür besonders verantwortliche Mitarbeiter erkannt haben, lässt man alles wie bisher weiter laufen, so kann darin eine Betrugsstrafbarkeit begründet liegen.

b)

Eine Beteiligung an der Haupttat der Verantwortlichen durch Compliance Officers des Unternehmens und andere juristische Berater ist möglich. Wurden externe sachverständige Berater vom Versorger mit der Beurteilung der Billigkeit der getroffenen Tarifbestimmung besonders beauftragt, können diese in diejenige Garantenstellung einrücken, welche die Strafbarkeit begründet (Ingerenz).  


Resümee:

Die Verantwortlichen aller betroffenen Energieversorgungsunternehmen und auch deren Compliance Officers sollten darüber unverzüglich informiert werden, auch durch externe Berater.

Abmahnungen durch Verbraucherverbände nach UWG deshalb erscheinen möglich.

@Black

Sie sollten ggf. Ihre eigene Verantwortlichkeit kritisch hinterfragen und sich auch vor juristischer Bedenkenträgerei nicht scheuen.
Sonst kneift Sie ggf. auch die Zange.

Es wird Frühling und Ihr tanzt einfach immerfort  weiter auf dünnem Eis.

Black:
Diese beeindruckende und raumfüllende Auflistung ändert nichts daran, dass die Ausübung des § 315 BGB eine Ermessensentscheidung ist.

Billigkeit ist nämlich eine Rechtsfrage. Eine betrugsrelevante Täuschung ist jedoch nur über Tatsachen möglich (Tröndle/Fischer, StGB, § 263, 4).

Die Ausübung von fehlerhaftem Ermessen stellt daher im Regelfall keine betrugsrelevante Täuschung dar. (Für diesen Umstand dürften im übrigen sämtliche Angestellte der Verwaltung dankbar sein).

Im übrigen überschätzen Sie die Stärke der Verpflichtungswirkung aus § 2, 1 EnWG.


--- Zitat ---Säcker, Kommentar zum EnWG, § 2, 1)
 Die (...) Vorschrift des § 2 verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu einer Energieversorgung beizutragen, die den Zielen des § 1 Rechnung trägt. Die Verpflichtung besteht nach dem Wortlaut des § 2 aber nur \"im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes\". Die Regierungsbegründung erläutert dahingehend, dass damit die nachfolgenden Vorschriften gemeint sind, die den Programmsatz des § 1 ausführen. § 1 gehört daher nicht zu den Vorschriften, die unmittelbar verpflichtende Wirkung für Unternehmen haben (..)
 
§ 2 hat nur klarstellende Bedeutung, denn die ihm nachfolgenden Gesetzesbestimmungen sind ihrerseits sanktionsbewährt und sämtlich als Verpflichtungsnorm ausgestaltet (...) Die vorstehende Interpretation gewährleistet, dass sich § 2 nicht zu einer das Gesetz überwuchernden Generalbevollmächtigung entwickelt.
--- Ende Zitat ---



--- Zitat ---Salje, Kommentar zum EnWG, § 2, 8 ff)
Der Systemschwäche versucht der Gesetzgeber mit Hilfe von § 2 zu begegnen, wobei die Gesetzesbegründung bereits die \"Ohnmacht des Gesetzgebers\" deutlich hervortreten läßt. Denn immer wenn insofern eine bloße \"Erwartung\" zum Ausdruck gebracht wird, hat der Gesetzgeber seine beschränkten Mittel zutreffend eingeschätzt und quasi kapituliert. Aus dieser Einschätzung folgt für § 2 Abs. 1

Weil die Vorschrift lediglich auf andere Normen des EnWG verweist, sind es nur diese zuletzt genannten Regelungsbereiche, die rechtlich bindend in der Lage sind, die zukünftige energieversorgung sicherzustellen.
(...)
Weil der Gesetzgeber seine \"Versorgungserwartungen\" kraft europäischer Vorgaben nicht in allseits verbindliche EVU Betriebsverpflichtungen umsetzen durfte, wird die zukünftige Energieversorgug nur dann funktionsfähig bleiben, wenn die Marktkräfte ausreichen. Weil insofern Zweifel nicht bestehen, ist § 2 Abs. 1 schlichtweg überflüssig.
--- Ende Zitat ---



--- Zitat ---Britz, Kommentar zum EnWG, § 2, 2
Der Bestimmung kommt im wesentlichen deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu. Nach der Begründug des Gesetzentwurfes soll namentlich in § 2 I die wirtschaftliche Eigenverantwortung der EVU besonders betont werden. Das ist der Bestimmung freilich kaum, allenfalls in dem Vorbehalt zugunsten der weiteren Vorschriften des Gesetzes zu entnehmen. Vielmehr geht es dem Regelungsgehalt des § 2 I eher darum, vor dem Hintergrund der EnWG durch Liberalisierungs- und Entflechtungsregelungen begründeten Eigenverantwortung der EVU die grundsätzliche Versorgungsverpflichtung der EVU appelativ hervorzuheben.
--- Ende Zitat ---



Interessant auch die Kommentierung zu § 1 EnWG


--- Zitat ---Britz, Kommentar zum EnWG, § 1, 28

Das frühere Ziel einer möglichst billigen Energieversorgung findet sich seit dem EnWG 1998 sprachlich etwas verändert im Gesetzeszweck der Preisgünstigkeit wieder. (...) zielt Preisgünstigkeit jedenfalls nicht einfach nur auf möglichst billigen Energiebezug für die Endkunden. Vielmehr verlangt mit Blick auf den Gesetzeszweck ebenso auch die individuelle Leistungsfähigkeit des jeweiligen EVU, wie auch die Notwendigkeit der Erhaltung von Investitionskraft und -bereitschaft und der Erzielung von angemessenen Gewinnen Beachtung.
--- Ende Zitat ---



--- Zitat ---Salje, Kommentar zum EnWG, § 1, 67 ff. 74

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit § 1 offenbar auch eine Bindung der Marktteilnehmer. (...) Es fehlt wiederum ein Konfliktregelungsmechanismus, der die Inbezugnahme von § 1 optional handhabbar macht. Die Konfliktlage könnte aufgelöst werden, wenn man den EVU einen Beurteilungsspielrau in Bezug auf die Balance der Ziele einräumt.

(...)

Ist eine operationelle Entscheidung wegen der § 1 Abs. 1 immanenten Zilkonflikte nicht möglich, bleibt also § 1 ein bloßer Programmansatz ohne Verbindlichkeit, kann versucht werden die Ziele des § 1 über Marktentscheidungen zu verwirklichen. Wie preisgünstig, wie umweltverträglich und wie sicher ud effizient die Versorgung mit Elektrizität oder Gas im konkreten Fall erfolgt, entscheidet dnn der Kunde indem er entsprechende Angebote der EVU wahrnimmt.
--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
Kann es nicht sein, dass ein Versorger, der auf Zahlung klagt und dabei stolz behauptet, seine Tarife wären entsprechend gesetzlicher Verpflichtung gebildet worden - ohne dies zuvor genau geprüft zu haben- sich wegen zumindest  versuchten Prozessbetruges strafbar machen kann?

RR-E-ft:
@Black

§ 2 Abs. 1 EnWG verpflichtet die Versorger im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, also auch in Bezug auf die gesetzliche Tarifbestimmungspflicht des § 36 Abs. 1 EnWG, welche wiederum der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt.

Haltet Ihr denn den Gesetzgeber für vollkommen blöde?

Wirtschaftliche Eigenverantwortung heißt, dass die Unternehmen zur Erfüllung selbst Sorge zu tragen haben und dafür wirtschaftlich einzustehen haben.
 
Eigenverantwortung bedeutet eigene Haftung.

Wenn der Gesetzgber klare gesetzliche Verpflichtungen regelt, sind diese einzuhalten.

Selbstverständlich  ist die Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht eine Ermessensentscheidung, die deshalb ihererseits gem. § 315 BGB auch  zur gerichtlichen Kontrolle gestellt werden kann, mit zwei möglichen Prüfungsergebnissen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, entweder verbindlich oder unverbindlich.

Der dafür gesetzlich verantworliche Versorger muss selbst die Gesetzeskonfirmität seiner getroffenen Tarifbestimmung kontrollieren.

Sportsfreunde sagt doch mal, wonach Ihr die Ermessensausübung überhaupt intern trefft und intern wie extern auf deren Richtigkeit kontrollieren lasst!

Oder findet gar keine entsprechende, notwendige Kontrolle statt?

Wenn eine interne Kontrolle diesbezüglich gar nicht stattfinden sollte, nimmt man jedenfalls billigend in Kauf, dass gesetzwidrig gebildete Tarife zur Abrechnung gebracht werden.

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