Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?

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Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
 die gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung
--- Ende Zitat ---

Wie schon mehrfach gesagt, gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung. Es gibt eine vertragliche Pflicht zur billigen Preisanpassung im Sinne einer gerichtlich überprüfbaren Ermessensentscheidung.

Wenn es eine gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung gäbe, dann könnte der Kunde ja auch direkt unter Berufung auf diese gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Tarifabsenkung klagen. Es bräuchte dann keines \"Umweges\" über § 315 BGB und die Überprüfung des vertraglich geschuldeten Ermessens.

RR-E-ft:
@Black



--- Zitat ---Original von Black
Niemand bestreitet die Pflicht zur Tarifsenkung bei sinkenden Kosten.
--- Ende Zitat ---

Sind Sie jetzt schon Niemand?!

Ab März ist Aalfangzeit. Da hilft kein tiefes Abtauchen.  Man erwischt die Räuber auch gut auf dem Grund, wenn man weiß, wo sie sind. ;)

Wie schon mehrfach vom Bundesgerichtshof entschieden, besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Tarifanpassung zugunsten der Kunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Das können Sie auch Tarifabsenkung nennen, wenn Sie möchten. Haben Sie ja auch nachweislich schon selbst erkannt und so genannt.


--- Zitat ---BGH KZR 2/07 Rn. 26

Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18

Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).
--- Ende Zitat ---

Ebenso ist vom BGH entschieden worden, dass der Versorger bei seiner Tarifbestimmung seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EnWG berücksichtigen muss (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Diese gesetzliche Verpflichtung besteht ausschließlich zum Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden.


--- Zitat ---Original von Black

Wenn es eine gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung gäbe, dann könnte der Kunde ja auch direkt unter Berufung auf diese gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Tarifabsenkung klagen.
--- Ende Zitat ---


Der Grundversorger stützt im Übrigen sein Recht auf rechtsgestaltende Leistungsneubestimmung gegenüber den betroffenen Kunden auf die gleiche gesetzliche Regelung.

Möglicherweise könnte er auch gleich auf Preisneubestimmung klagen, und ist unter Umständen sogar darauf angewiesen, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, auch wenn ihm dieser Umweg nicht passt.
Aber Gesetze sind nun einmal dafür da, um eingehalten zu werden.

Die gesetzlich geforderte Billigkeit ist jedenfalls nichts Beliebiges.
Weder für den betroffenen Kunden noch für den betroffenen Grundversorger, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die maßgeblichen Tatsachen lassen sich objektiv überprüfen, jedenfalls von Volljuristen in verschiedensten Funktionen.

Lothar Gutsche:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft am 14.02.2011 21:44
Zitat:

--- Zitat ---Original von Lothar Gutsche
Als Mathematiker erlaube ich mir, einen Vorschlag zur Messung der Billigkeit zu unterbreiten. Was halten die Volljuristen von einem konkreten Betrag in Cent/kWh oder eine konkrete Prozentzahl, um die ein Preis für Strom oder Gas nicht überhöht sein darf?
--- Ende Zitat ---
Auch Mathematiker bräuchten für einen solchen Vergleich wohl zunächst den richtigen Preis. Woher nimmt man den? Wo ruft man an?
Der Volljurist würde meinen, wenn man schon den richtigen Preis kennt, dann sollte man doch gleich den nehmen.
Es ist doch nicht wie bei der Fleischersfrau mit dem Daumen auf der Wagge und der Frage \"Darf´s ein bisschen mehr sein?\".
Wüsste der Metzger, dass 10 % Aufschlag in Ordnung gehen, eicht er die Waage gleich entsprechend um.
Möglicherweise hat er schon umgeeicht und seine Frau drückt immer noch mit dem Daumen.
Wir denken da ein bisschen anders. Augenzwinkern


So einfach ist es wirklich nicht. Es gibt keine einfache Messlatte.

Es geht um teilweise sehr unternehmensindividuelle Kosten, Spielräume und Ermessensentscheidungen, auch Prognosen (in Bezug auf den grundversorgungsspezifischen angemessenen Risikoaufschlag).

--- Ende Zitat ---

Was kann unternehmensindividueller sein als die interne Rechnungslegung oder der Jahresabschluss eines Energieversorgungsunternehmens? Im Handelsgesetzbuch sind Berichtspflichten für Kapitalgesellschaften und im EnWG besondere Berichtspflichten für Energieversorgungsunternehmen definiert. Nach den §§ 331 - 335 HGB sind unrichtige Darstellungen im Jahresabschluß und im Lagebericht mit Strafen und Bußgeld belegt. Natürlich gibt es gewisse Spielräume bei der Bilanzierung. Doch sobald diese überschritten werden, müsste der Wirtschaftsprüfer sein Testat verweigern.  


--- Zitat ---Original von Lothar Gutsche am 14.02.2011 21:25
In der internen Rechnungslegung je Geschäftssparte sollte nach § 10 EnWG für jedes Geschäftsjahr ein Gewinn in Cent/kWh ablesbar sein. Wenn dieser Gewinn die ebenfalls nach § 10 EnWG bekannten Kosten um einen bestimmten, prozentualen Wert überschreitet, dann ist der Preis nicht mehr mit der Forderung nach Preisgünstigkeit aus § 1, § 2 EnWG zu vereinbaren. Die übrigen Ziele aus § 1 EnWG wie Umweltverträglichkeit und Sicherheit wären überhaupt nicht beeinträchtigt, wenn dieser Gewinn begrenzt würde. Als Grenzwert würde ich in Anlehnung an § 7 Abs. 6 S. 2 StromNEV und § 7 Abs. 6 S. 2 GasNEV eine Rendite von maximal 10 % für akzeptabel halten.

Einem Verbraucher sind diese Daten als interne Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Versorgungsunternehmens nicht bekannt. Doch ersatzweise kann der Verbraucher bei publizitätspflichtigen Unternehmen die Eigenkapitalrendite des Energieversorgers über alle Produkte heranziehen. Wenn die Eigenkapitalrendite 10% übersteigt, dann sollte der Preis unbillig sein. Falls es sich bei dem Energieversorger sogar um ein Kommunalunternehmen handelt, können auch niedrigere Eigenkapitalrenditen als 10 % aus Kommunalvorschriften wie Gemeindeordnungen oder aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen zur Kommunalfinanzierung abgeleitet werden.

Mit einem solchen Messverfahren für die Billigkeit spielt die Diskussion um ein Ermessen des Versorgers keine Rolle mehr. Die äußerste Grenze des Ermessens wäre bei Überschreiten des Referenzwertes von z. B. 10 % Eigenkapitalrendite überschritten.

--- Ende Zitat ---

Ohne einen objektiven, von außen überprüfbaren Maßstab zur Billigkeit von Preisen sehe ich beim \"Aalfang\" hier wenig Erfolgsaussichten. Mein Vorschlag, sich auf eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zu beziehen, die jedermann auf Grundlage öffentlich zugänglicher Daten leicht ermitteln kann, erfordert gerade nicht die Kenntnis eines \"richtigen Preises\". Allerdings muss man auf ungefälschte, korrekte Jahresabschlüsse der Energieversorgungsunternehmen vertrauen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Goetz-lebt:
Meiner bescheidenen Meinung nach geht es bei der Frage nach der \"Angemessenheit\" nicht nur um die eigentlichen Entgelte für Energielieferungen (also der eigentliche Gas- o. Strompreis etc.), sondern auch um die in den AGBs der Versorger versteckten \"Entgeltklauseln\" für angeblich zusätzlich angefallene Kosten !!!

Nicht nur die pauschalen Mahnkosten (im Falle meines ehem. Gaslieferanten, die gute alte Entega) v. 11,-- €, sondern die vielfältigen Klauseln in den AGBs, die formal auf Gas- o. StromGVV gestützt werden, aber faktisch den Umsatz steigern sollen.

Ein Beispiel: für die Überwachung von Fristen o. Zahlungseingängen werden Fallpauschalen verlangt, die jeder Billigkeit spotten (bis zu 297,50 €).
Allerdings dürfen Unternehmen für \"Tätigkeiten\", die auch in ihrem Eigeninteresse erfolgen, keine Kosten in ihren AGBs verstecken.

Wenn also eine Fremdfirma mit diesen Aufgaben betraut wird, was bei der o.g. Firma E. der Fall ist, dann dürfen solche Kosten nicht einfach neben den Energiepreisen zusätzlich über AGB-Klauseln den betroffenen Kunden aufs Auge gedrückt werden. Wenn die nämlich beim eigenen Personal sparen u. bestimmte Aufgaben (wie die Buchhaltung) outsourcen, stellt dies eine normale Kostenposition dar, die vom Preis gedeckt werden muss, aber nicht über AGB-Pauschalen.

Im Bereich der Sparkassen-AGB ist dies definitiv seit April 09 vom BGH ausgeurteilt. Und bei ausschließlich vertragsrechtlichen Klauseln, die unabhängig v. der Branche sind, kann es daher auch keinen Unterschied machen, ob es Zinswucherer o. Energiepreiswucherer sind.

RR-E-ft:
Bei den zur gesetzlich zur Tarifbestimmung und -anpassung verpflichteten Unternehmen ist bekannt, dass Tariferhöhungen nur im Umfange tatsächlich gestiegener Kosten erhöht werden dürfen und rückläufige Kosten durch Tarifanpassungen zugunsten der Kunden in mindestens gleichem Umfange weitergegeben werden müssen. Ob dieser gesetzlichen Verpflichtung Rechnung getragen wurde ist sowohl in den Unternehmen selbst objektiv überprüfbar, als auch auf entsprechende Veranlassung von außen. Somit sind die bestehenden getroffenen Tarifbestimmungen jedenfalls objektiv daraufhin kontrollierbar, ob sie in gesetzmäßiger Weise getroffen wurden oder nicht.
Eine Prozentzahl braucht man dafür gerade nicht.

Auch kommt es für eine Betrugsstrafbarkeit gerade nicht darauf an, ob die betroffenen Kunden die maßgeblichen Grundlagen der Tarifbestimmung kennen bzw. kennen können (BGH 5 StR 394/08]. Entscheidend ist allein, ob die betroffenen Kunden  durch die mit den Abrechnungen stillschweigend verbundenen Tatsachenbehauptungen über die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung auf der Grundlage einer ordnungsgemäß getroffenen Tarifbestimmung getäuscht werden oder nicht. Für eine Betrugsstrafbarkeit spricht dabei gerade, wenn die betroffenen Kunden die entsprechende Täuschung nicht erkennen können.

Wenn also eine Staatsanwaltschaft schreibt, dass sie eine Betrugsstrafbarkeit wegen einer monierten bestehenden Quersubventionierung nicht erkennen könne, wenn die entsprechende Quersubventionierung aus öffentlichen Stellungnahmnen des Unternehmens klar hervorgeht und somit für die betroffenen Kunden ersichtlich sei, dann liegen die Kollegen bei der Staatsanwaltschaft damit nicht daneben. Es ist dann eben nicht ersichtlich, dass die betroffenen Kunden über die Tatsache einer bestehenden Quersubventionierung überhaupt getäuscht wurden.

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