Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?

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RR-E-ft:
Würden die betroffenen Versorger  ihren Abrechnungen für die betroffenen Kunden ausdrückliche Erklärungen beifügen, wonach  sie die Tarife nicht in ordnungsgemäßer Weise gebildet haben, ihre Abrechnungen deshalb auch jedenfalls nicht ordnungegmäß sein können, so läge auch insoweit kein Betrug vor. Und mag die Tarifüberhöhung auch 160 Prozent betragen.  Auf die Prozentzahl kommt es dabei überhaupt nicht an.

Keiner der betroffenen Kunden würde dann in dem Vertrauen darauf, dass die Abrechnungen ordnungsgemäß erfolgten, vollständig oder auch nur vorbehaltlos seine Zahlungen auf die betroffenen Verbrauchsabrechnungen leisten, § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV.

Einigkeit sollte darüber bestehen, dass der Betrug bzw. dessen Versuch strafbar ist und man nicht allein dafür bestraft wird, dass man sich hat erwischen lassen.

RR-E-ft:
Wird eine Betrugsstrafbarkeit gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, 13 StGB festgestellt, mag sich mancher Verantwortliche denken, dies \"auf einer Backe abzusitzen\". Mag sogar sein.

Vergessen wird dabei jedoch oft, dass die Verantwortlichen im Falle einer Verurteilung den Geschädigten (also den betroffenen Kunden) dann gem. §§ 823 Abs. 2 iVm. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 13 StGB, 249, 421 BGB gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz haften. Die Schadensersatzansprüche sind naturgemäß genauso hoch wie der eingetretene Schaden bei den betroffenen Kunden.

Und dabei kommen naturgemäß  leicht Millionenbeträge zusammen, die viele der strafrechtlich Verantwortlichen nicht eben mal haben oder wenn sie solche schon haben, dann jedenfalls  persönlich oft nicht flüssig haben und eben mal erübrigen können. Das kann also ganz schnell in den wirtschaftlichen Bankrott und den Verlust von sämtlichen wirtschaftlichen Hab und Gut und zur Zerstörung der gesamten persönlichen Lebensplanung führen.

Verantwortliche sind deshalb gut beraten, durch strikte interne Kontrollen dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Abrechnungsbetrügereien, wo sie bestehen, unverzüglich abgestellt werden.

Denn mit jedem Tag wird der angerichtete wirtschaftliche Schaden bei den betroffenen Kunden größer und kann sich ins \"Unermessliche\" auswachsen.

Die persönliche wirtschaftliche Haftung stellt wohl die größere Strafe für eine böse Tat da. Wobei sich die Frage stellt, wie man die Taten zu zählen hat.

Geht man davon aus, dass jede einzelne betroffene Verbrauchsabrechnung einen eigenen Betrugsfall darstellen könnte, so kann man es bei einzelnen Tätern schnell mit hunderttausendfachem Betrug zu tun haben, für den es in Strafverfahren jedoch entsprechenden \"Rabatt\" geben kann.

Keinen Rabatt gibt es bei den Schadensersatzansprüchen der Kunden aus §§ 823 II, 249, 421 BGB.

Lothar Gutsche:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Geht man davon aus, dass jede einzelne betroffene Verbrauchsabrechnung einen eigenen Betrugsfall darstellen könnte, so kann man es bei einzelnen Tätern schnell mit hunderttausendfachem Betrug zu tun haben, für den es in Strafverfahren jedoch entsprechenden \"Rabatt\" geben kann.

--- Ende Zitat ---

Bei hunderttausendfachem Betrug handelt der Täter in der Absicht, \"durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen\", wie es § 263 StGB in Absatz 2 Nr. 2 formuliert. Im übrigen ist zu erwarten, dass bei hunderttausendfachem Betrug die Schadenhöhe 50.000 Euro überschreitet, das ist der Betrag, ab dem der BGH einen Vermögensverlust „großen Ausmaßes“ im Sinne von § 263 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB annimmt, siehe BGH-Urteil 1 StR 274/03 vom 7.10.2003. In solchen Fällen spricht das Gesetz von einem \"besonders schweren Fall\" des Betrugs. Der \"Rabatt\" besteht in einer Erhöhung des Strafmaßes von maximal fünf Jahren auf bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Bei hunderttausendfachem Betrug über mehrere Jahre mit vielen Geschädigten ist auch eine \"Bande\" im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB denkbar. Für Banden in besonders schweren Betrugsfällen besteht der \"Rabatt\" darin, dass sich die Mindeststrafe von sechs Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

RR-E-ft:
Aus meiner Erfahrung durch meine Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft weiß ich, dass es für Mehrfachtäter immer \"Rabatt\" gibt. Es gibt bei 1.000 Fällen deshalb nicht das tausendfache Strafmaß dessen, was für die einzelne Tat ausgeworfen wird, sondern vielleicht nur das 20 bis 50fache. Soweit ich als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an Strafverhandlungen teilgenommen habe, wurde bei der Antragstellung gegen Mehrfachtäter immer ein entsprechender Rabatt berücksichtigt.

Goetz-lebt:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft

 Es gibt bei 1.000 Fällen deshalb nicht das tausendfache Strafmaß dessen, was für die einzelne Tat ausgeworfen wird, sondern vielleicht nur das 20 bis 50fache. Soweit ich als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an Strafverhandlungen teilgenommen habe, wurde bei der Antragstellung gegen Mehrfachtäter immer ein entsprechender Rabatt berücksichtigt.
--- Ende Zitat ---

Dafür hat das StGB ja in § 46 verschiedene Strafzumessungsgründe vorgesehen, die natürlich jeder Richter anders anwendet...

Was mir mehr auf den Nägeln brennt, ist die Frage nach der Verpflichtung der Versorger ihr \"Sonderwissen\" zu offenbaren (sollte diese Problematik hier schon angesprochen worden sein, dann bitte nachsehen).

Soll konkret heißen, da die betriebswirtschaftlichen Zahlen zunächst nur den Firmen bekannt sind (z.B. ob und wieweit der Einkauf/Bezug billiger geworden ist), ist es den Kunden u. anderen Außenstehenden gar nicht möglich, die Abrechnungen und Preisbestimmungen zu überprüfen.

Gleiches gilt bei Gestzesänderungen o. Änderungen der höchstrichterlichen Rspr. (das Heer der Vertragsanwälte sitzt wohl eher bei den Versorgern als  bei den Verbraucherschützern o. -beratern).

Somit existiert immer ein Ungleichgewicht (zumindest ein Wissensvorsprung) auf Seitens der Unternehmen.

Als Besonderheit kommt hinzu, dass die Energieversorgung (zumindest früher bzw. idealtypisch) sog. Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand ist bzw. gewesen ist. Daher sind viele Versorgungsunternehmen ja mal reine Stadtwerke gewesen - mit einem klaren politischen Auftrag.
Nun sind bekanntlich viele der ehemaligen Statdwerke u.ä. privatisiert oder noch schlimmer als Eigenbetriebe ausgelagert worden.
Resultat: es gelten nicht mehr die Vorschriften des öffentlichen Dienstes, sondern Privatrecht bzw. die Marktgesetze.

Allerdings sind die Leitungspositionen in vielen dieser Eigenbetriebe bzw. privatrechtlich organisierten Unternehmen oft parteipolitisch und nicht fachlich besetzt.
Davon abgesehen, bleibt meine persönliche Frage nach der Verpflichtung der Versorger, ihr \"Sonderwissen\" (s.o.) zu offenbaren, um gleichsam Waffengleichheit mit dem Verbraucher herzustellen.

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