Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährungsbeginn der Rückforderung: Abrechnung oder Abschlagszahlungen maßgeblich?
RR-E-ft:
BGH PM Nr. 145/2010 zu VIII ZR 246/08
--- Zitat ---Nr. 145/2010 Bundesgerichtshof zu Preiserhöhungen in Erdgas-Sonderverträgen
Der Bundesgerichtshof hat heute über eine weitere Klage von Erdgas-Sonderkunden gegen Gaspreiserhöhungen entschieden.
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit es die Klage von 46 Kunden teilweise abgewiesen hat, weil sie die auf den einseitigen Preiserhöhungen basierenden Jahresabrechnungen ohne Beanstandung in angemessener Zeit akzeptiert hatten. Bei einer einseitigen Preiserhöhung eines Gasversorgungsunternehmens aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die unwirksam oder – beispielsweise mangels ordnungsgemäßer Einbeziehung – nicht Vertragsbestandteil ist, kann die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden. Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält grundsätzlich über seinen Charakter als Erfüllungshandlung hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen.
Allerdings hält der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle (§ 315 Abs. 3 BGB***) von einseitigen Preiserhöhungen fest. Danach ist das Verhalten des Kunden, der nach Übersendung einer auf einer einseitigen Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, dahin auszulegen, dass er die Billigkeit der Preiserhöhung nicht in Frage stellt und ihr unter diesem Aspekt zustimmt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – VIII ZR 36/06, Pressemitteilung Nr. 70/2007). Dieser bisher nur für Tarifkundenverträge geltende Grundsatz ist auch bei einer unveränderten Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechts gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt: § 5 Abs. 2 GasGVV) in einen Sonderkundenvertrag anzuwenden, soweit der Kunde geltend macht, die umstrittenen Preiserhöhungen seien unbillig im Sinne des § 315 BGB. Eine weiter gehende Auslegung des Kundenverhaltens dahin, dass er nicht nur die Billigkeit der jeweiligen einseitigen Preisänderung, sondern – soweit es darauf ankommt – auch die Berechtigung des Versorgungsunternehmens zur einseitigen Preisänderung an sich akzeptiert, kommt jedoch nicht in Betracht.
--- Ende Zitat ---
Gas-Rebell:
Wann ist da mit einer Veröffentlichung der genauen Urteilsgründe zu rechnen?
RR-E-ft:
Erfahrungsgemäß dauert es vier bis sechs Wochen.
RR-E-ft:
Die Lösung der Ausgangsfrage durch den BGH wie erwartet.
Für den Beginn der Verjährung kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung eines Abschlages, sondern auf den Zeitpunkt der nachfolgenden Jahresrechnung an.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 07.12.10 Az. KZR 41/09 Rn. 3 f.
Entgegen der Revision steht dem Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB i.V.m. § 315 BGB kein Anspruch auf anteilige Rückzahlung der einzelnen Vorauszahlungen zu.
Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB bezieht sich auf die (einheitliche) Forderung der Beklagten aus der Netznutzung für das Jahr 2002.
Nach dem Netznutzungsvertrag der Parteien war jeweils eine Jahresabrechnung über die erbrachten Durchleitungsleistungen zu erstellen, auf die monatliche Abschlagszahlungen zu erbringen waren.
Bei den Vorauszahlungen der Schuldnerin handelt es sich lediglich um (unselbständige) Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Teilleistungen der Beklagten bezogen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2002 - X ZR 125/00, WM 2002, 2257, 2259 und vom 15. April 2004 - VII ZR 471/01, ZIP 2004, 1507, 1508]. Rechtsgrund der Zahlungen war die vertragliche Abrede der Parteien über die Vorauszahlungen (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2002- X ZR 125/00, WM 2002, 2257, 2259). Soweit sich die Revision auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2007 (VII ZR 268/05, BGHZ 171, 364 Rn. 19, 31) stützt, kann sie damit keinen Erfolg haben, weil dieser Entscheidung ein anders gelagerter Sachverhalt, nämlich die Nichtigkeit der Abrede über die Vorauszahlungen, zugrunde lag. Ebenfalls geht der Hinweis der Revision auf § 95 Abs. 1 Satz 3, § 96 Abs. 1 Satz 3 InsO fehl; diese Vorschriften setzen eine Aufrechnungslage voraus, die bei der Berücksichtigung von Abschlagszahlungen wegen deren Charakter als (unselbständige) Rechnungsposten nicht vorliegt.
Dem Kläger kann daher nur ein auf das Gesamtjahr bezogener Rückzahlungsanspruch zustehen.
--- Ende Zitat ---
reblaus:
Da haben Sie vollkommen Recht. Erst mit Abrechnung von Verbrauch und geleisteten Abschlägen errechnet sich ein Saldo. Über diesen Saldo wird ein Anerkenntnis geschlossen, so dass mit Abschluss des Anerkenntnis eine Saldoforderung entsteht. Mit dem Entstehen wird sie zur Zahlung fällig. Und mit der Fälligkeit beginnt die die Verjährungsfrist zu laufen.
Allerdings habe ich das hier schon immer vertreten. Weil ich nach wie vor der Auffassung bin, dass ein solcher Energieliefervertrag eine Kontokorrentabrede beinhaltet. Und dort funktioniert die Sache exakt so.
In dem Zusammenhang gibt es übrigens eine interessante Fallkonstellation. Wie wäre die Verjährung zu beurteilen, wenn der Versorger nur zwei einzelne Jahressalden rechtshängig gemacht hätte, z. B. um beim Amtsgericht Klage einreichen zu können. Nach neuester Rechtssprechung wäre der Vertragspreis für die noch offenenen Abrechnungen der Preis von 2003. Nehmen wir an, ihm stünde nach diesem Preis für das Jahr 2008 noch eine Nachzahlung zu, die aber verjährt wäre. Aus dem Verfahren würde sich ergeben, dass er für 2007 einen Betrag erstatten müsste, und für 2006 noch eine Nachzahlung zu erhalten hätte. Aus dem nicht eingeklagten Saldo für 2005 würde dem Versorger eine Nachzahlung, die Salden für 2004 und 2003 Erstattungen zustehen.
Da der Versorger seine Abrechnungen aber mit den falschen Preisen erstellt hätte, würde keine Abrechnung den richtigen Saldo ausweisen.
Hier stellen sich folgende Fragen.
Sind die fehlerhaften Salden überhaupt zur Zahlung fällig geworden? Wenn ja, kann man die Salden einfach korrigieren, ohne dadurch in den Verjährungsablauf einzugreifen? Wenn nein, muss man alle fehlerhaften Abrechnungen neu erstellen, damit die Salden zur Zahlung fällig werden? Wie verhält es sich dann aber mit den Salden, die mangels Klageerhebung längst verjährt sind? Ist dann etwa der Anspruch des Versorgers, vom Verbraucher das Anerkenntnis des korrekten Saldos zu verlangen, verjährt? Mit der Folge, dass er seinen Anspruch auf Auszahlung des Saldos nicht mehr fällig stellen kann?
Und schließlich, wie sind denn die unterschiedlichen Ansprüche auf Erstattung und Nachzahlung miteinander zu verrechnen?
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