Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährungsbeginn der Rückforderung: Abrechnung oder Abschlagszahlungen maßgeblich?
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von PLUS
Es werden auch in Klageschriften einfach Rechnungsalden eingefordert, die sich z.B. aus der Abrechnung von Wasser-, Abwasser-, Strom-, und Gasabschlägen mit den jeweiligen Verbräuchen ergeben.
--- Ende Zitat ---
Saldoklagen sind gem. § 253 ZPO grundsätzlich unzulässig.
Sie müssen im Falle ihrer Unzulässigkeit deshalb
vom Gericht als unzulässig abgewiesen werden
und dürfen nicht als unbegründet abgewiesen werden.
Besteht hingegen eine Kontokorrentabrede,
steht dem gesonderten Einklagen einzelner Ansprüche die Kontokorrenteinrede entgegen.
Es wäre bei bestehender Kontokorrentabrede unmöglich,
dass der Versorger einzelne Abschläge, auf die er vertraglich Anspruch hat,
oder einzelne Rechnungsbeträge, auf die er vertraglich Anspruch hat,
einzeln einklagt.
So ist es aber offensichtlich nicht.
Kontokorrent
--- Zitat ---Wirkung
Die Rechtsnatur der in das Kontokorrent einzustellenden einzelnen Forderungen ändert sich nicht, ihre isolierte Geltendmachung ist aber nicht mehr möglich. Dementsprechend können sie einzeln auch nicht mehr Gegenstand einer Zession, Verpfändung, Kontopfändung oder Aufrechnung sein[15]. Die Verjährung der Forderungen ist gemäß § 205 BGB analog gehemmt. Wird gleichwohl ein Anspruch selbstständig eingeklagt, so steht dem die Einwendung der Kontokorrentbindung entgegen[16]. Mit dem durch Verrechnung ermittelten Saldo, der durch Rechtsgeschäft anerkannt werden muss, entsteht eine eigenständige Forderung, die selbstständig abgetreten, verpfändet oder gepfändet werden kann.
Saldoanerkenntnis
Das Saldoanerkenntnis ist ein Rechtsgeschäft, bei dem eine Partei am Ende einer Periode die Verrechnung durchführt (die Forderungen werden saldiert) und den ermittelten Saldo zur Annahme anbietet. Nach heute herrschender Auffassung stellt das Saldoanerkenntnis ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB dar[17]. Die turnusmäßige Mitteilung des Saldos gilt zugleich als Antrag auf Abschluss eines abstrakten Schuldanerkenntnisvertrages über den mitgeteilten Saldo. Dieser Antrag wird von der anderen Vertragspartei durch die Erklärung der Anerkennung des Saldos angenommen. Da das Saldoanerkenntnis gemäß § 780 BGB, § 350 HGB nicht formgebunden ist, kann die Zustimmung auch konkludent erfolgen[18]. Mit Abschluss dieses neuen Vertrages erlöschen die bisher bestehenden Forderungen im Wege der Novation, und an ihre Stelle tritt der abstrakte Saldoanspruch, welcher aufgrund ausdrücklicher Anordnung des § 355 Abs. 1 HGB verzinslich ist. Er ist sowohl abtretbar, verpfändbar als auch pfändbar.
--- Ende Zitat ---
Die einzelnen Jahresrechnungen des Versorgers
für die einzelnen Sparten
betreffen jeweils einzelne vertragliche Zahlungsansprüche,
die einzeln einklagbar sind und ebenso einzeln
der regelmäßigen Verjährung unterliegen.
Auch vertraglich vereinbarte Abschläge sind einzeln einklagbar.
Die Zahlung des Kunden auf einzelne vertraglich vereinbarte Abschläge
führt deshalb auch jeweils zu deren Tilgung.
reblaus:
@Plus
Sie zitieren die Legaldefinition des Kontokorrents aus § 355 HGB. Da Sie diese Legaldefinition als Lösungsansatz für die Bestimmung der Rechtsnatur einer Gasabrechnung heranziehen, gehe ich davon aus, dass Ihnen möglicherweise nur nicht klar war, dass man eine gegenseitige Lieferung auf laufende Rechnung mit in der Regel jährlicher Abrechnung und Saldenbestimmung im kaufmännischen Bereich als Kontokorrent bezeichnet.
Jedenfalls sind Sie intuitiv auf der richtigen Fährte.
Bei RR-E-ft ist dies anders. Er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und da er prinzipiell die Gegenansicht zu meiner Position einnimmt, ist es ihm schon physisch nicht möglich, sich eine neutrale Meinung zu dem Thema zu bilden. Deshalb bemühe ich mich, die Fragen der Praxis so zu formulieren, dass eine Benennung des Rechtsinstituts nicht erforderlich wird.
Vielleicht sollte dieses hässliche K-Wort generell aus dem deutschen Wortschatz verbannt werden.
@RR-E-ft
Ist Ihrer Ansicht nach die Verjährung der Abschlagszahlungen beim Energieliefervertrag, sowie der Anspruch auf Bezahlung der Energielieferung solange gehemmt, bis Abschläge mit Kaufpreis verrechnet wurden? Und was passiert Ihrer Ansicht nach mit den Abschlägen, wenn der Versorger die Abrechnung einfach nicht erstellt? Hat der Verbraucher bei Verzug mit der Abrechnungspflicht einen Anspruch darauf, bezahlte Abschläge zurückfordern zu dürfen?
PLUS:
--- Zitat ---Original von reblaus
@Plus
Sie zitieren die Legaldefinition des Kontokorrents aus § 355 HGB. Da Sie diese Legaldefinition als Lösungsansatz für die Bestimmung der Rechtsnatur einer Gasabrechnung heranziehen, gehe ich davon aus, dass Ihnen möglicherweise nur nicht klar war, dass man eine gegenseitige Lieferung auf laufende Rechnung mit in der Regel jährlicher Abrechnung und Saldenbestimmung im kaufmännischen Bereich als Kontokorrent bezeichnet.
Jedenfalls sind Sie intuitiv auf der richtigen Fährte.
--- Ende Zitat ---
@reblaus, was ein Kontokorrent ist, ist mir sehr klar, ob das Kontokorrent ein Lösungsansatz bei Energieverbraucherabrechnungen bietet ist mir dagegen gar nicht klar.
Die Abrechnungen enthalten in der Regel nicht nur eine Leistungsart und sehen so wie in diesem Beispiel aus: Rechnungsbeispiel
Oft ist auch noch Abwasser mit enthalten, eine völlig andere Rechtsgrundlage (Gebührenbescheid)!
Jahresabrechnung des VU:
Strom 100
Gas 100
Wasser 100
Abwasser (Gebührenbescheid!) 100
-------------------------------------------
Summe
./. gezahlte Abschläge 380
-------------------------------------------
Unsere Forderung 20
In der Einzelbetrachtung könnte das aber so aussehen:
Strom 100
- Abschlag 110
-------------------------------------------
zuviel bezahlt 10
Gas 100
- Abschlag 90
-------------------------------------------
noch zu zahlen laut VU 10
aber gekürzt (§315 BGB) 30
-------------------------------------------
zuviel bezahlt laut Verbraucher 20
Wasser 100
- Abschlag 100
-------------------------------------------
exakt 0
Abwasser 100
- Abschlag 80
-------------------------------------------
noch zu zahlen 20Den § 355 HGB als Rechtsgrundlage für diese Saldenbildung sehe ich nicht. Ich sehe jede einzelne Position trotz Saldenbildung separat, auch was die Verjährung angeht. Im Beispielsfall geht es bei der Frage der Verjährung und streitigen Forderung lediglich um die Kürzung (30). So mancher Saldo dürfte aber schon geltend gemacht worden sein. Die Verbraucher und ihre Anwälte sollten die Saldenbildung prüfen. Vielleicht wär so manche Klage wegen Saldoziehung vor Gericht als unzulässig abzuweisen. Es ist wie so manches im sogenannten Energierecht nicht klar geregelt. Der Gesetz- und Verordnungsgeber ist die Quelle des Übels. Der Verbraucher muss sich in jedem Einzelfall mit dem VU vor Gericht auseinandersetzen. Ein Armutszeugnis dieses \"Energieverbraucherrecht\"![/list]
userD0003:
@reblaus
Zum Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses hat z.B. die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam – Urteil vom 25.03.2010, Az 51 O 15 / 10 - entschieden:
„Soweit die Klägerin (EWE) einen Zahlungsanspruch auf der Grundlage der Kontokorrentabrechnung vom 26.08.2009 ( Anlage K 8 ) – also einen Saldoanspruch – geltend macht, fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung hierfür, nämlich an der Kontokorrentabrede gemäß § 355 HGB zwischen den Parteien. Eine Kontokorrentabrede enthält eine Vereinbarung über Inrechnungstellung, Verrechnung und Saldofeststellung (vgl Baumbach/Hueck, HGB-Komm., 32. Aufl., § 355 Rn. 5).\"
reblaus:
@h\'berger
Na das ist doch mal eine grandiose Bestätigung für mich. RR-E-ft hat über Monate so getan, als sei meine Theorie vom Kontokorrent ein völlig abwegiges Konstrukt. Dass Clifford Chance die gleiche Theorie vertritt, befriedigt mich ungemein. Immerhin handelt es sich dabei um eine der zehn besten Anwaltskanzleien der Bundesrepublik.
Übrigens führt das LG Potsdam in der Entscheidung weiter aus: EineKontokorrentabrede enthält eine Vereinbarung über Imechnungstellung, Verrechnung und Saldofeststellung (vgL BaumbachlHueck, HGB-Komm., 32. AufI., § 355 Rn. 5). Hierzu hat die Klagepartei keinerlei Sachvortrag gebracht.
Mit anderen Worten, das LG Potsdam hat das Vorliegen eines Kontokorrents keineswegs generell verneint, sondern im vorliegenden Fall nur nicht als erwiesen angesehen.
Wenn Sie die damalige Diskussion verfolgt haben, so habe ich argumentiert, dass in einem üblichen Gasliefervertrag alle drei Anforderungen vereinbart und enthalten sind. Die Inrechnungstellung erfolgt durch die Anforderung der Abschläge durch den Versorger. Der Gasverbrauch wird dem Kunden durch den Zähler in Rechnung gestellt. Die Verrechnung ist vereinbart, weil der Gasversorger entweder durch GasGVV oder mittels Sondervertrag verpflichtet ist, den Verbrauch mit den Abschlägen zu verrechnen. Zur Überprüfung des Saldos wird dem Verbraucher entweder durch GasGVV oder Sondervertrag eine 14tägige Prüfungsfrist eingeräumt. Erst danach wird der Saldo zur Zahlung fällig. Er wird übrigens nicht zur Zahlung fällig, wenn die Abrechnung einen offensichtlichen Fehler hat.
Jedenfalls gibt es nur zwei Alternativen. Entweder handelt es sich um ein Kontokorrent oder aber für die Energieabrechnungen wurde ein eigenes Rechtsinstitut geschaffen, das die Fälligkeit eines Zahlungsanspruchs an die Erstellung dieser Energieabrechnung bindet. Dieses Energieabrechnungsrechtsinstitut ist einem Kontokorrent dann aber derart ähnlich, dass ich nicht die geringsten Skrupel hätte, die für das Kontokorrent entwickelten Theorien ebenso auf das Energieabrechnungsrechtsinstitut anzuwenden.
@Plus
Bei Ihrem Fall handelt es sich einfach um drei unterschiedliche Abrechnungen, die auf einem Stück Papier abgedruckt wurden. Den Lieferungen liegen auch drei unterschiedliche Verträge zugrunde. Die Abwassergebühr ist zwar eine öffentlich-rechtliche Gebühr wird aber von einem zivilrechtlich organisierten Versorger in Rechnung gestellt. Das ist so ähnlich wie mit der Mehrwertsteuer. Die treibt auch der Lieferant für das Finanzamt ein.
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