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Autor Thema: Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?  (Gelesen 186158 mal)

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Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #390 am: 03. September 2009, 20:02:42 »
Das beeindruckt mich nicht wirklich.

Natürlich liegt es im Interesse der Verbraucherseite aufzuzeigen, dass zwischen der Zahlung einer unberechtigten Forderung aus der Grundversorgung  und der Zahlung einer unberechtigten Forderung im Sondervertragein ein wahnwitzig hoher Unterschied besteht.  Nur so kann man sich gegen eine Übertragung der BGH Rechtsprechung stellen.

Ich halte diesen Unterschied aber nicht für entscheident, da das Einverständnis des Kunden laut BGH ja die Unzulässigkeit unbeachtlich werden lässt. Da ist es egal ob das EVU grundsätzlich zwar ein Preisänderungsrecht hätte aber im konkreten Fall nicht berechtigt war (unbillig) oder generell nicht berechtigt war.

Der BGH spricht auch nicht vom deklaratorischen Schuldanerkenntnis sondern einer Preisneuvereinbarung.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #391 am: 03. September 2009, 20:46:34 »
Fakt ist, dass der BGH die Preisneuvereinbarung allein aus den Erfüllungshandlungen des Kunden für einen bereits bestehenden Vertrag herausliest. Wenn es sich dabei um eine Willenserklärung handeln soll, muss dem Kunden bewusst sein, dass er mit der Zahlung bzw. Gasentnahme eine vertragliche Regelung treffen will. Deshalb kann aus Erfüllungshandlungen nur dann eine Willenserklärung herausgelesen werden, wenn damit eine dem Kunden bekannte unklare Rechtssituation geregelt wird. Dem Kunden ist  bei Zahlung der Abrechnung aber nur bekannt, dass der Versorger seine Preise zuvor einseitig erhöht hat. Die unklare Rechtssituation liegt daher ausschließlich in der Frage, ob die Preiserhöhung der Billigkeit entsprach oder nicht. Nur über diese Frage kann der Kunde mit der Zahlung eine Erklärung abgeben.

Der Kunde sagt mit der Zahlung \"ich akzeptiere, dass die Preiserhöhung der Billigkeit entspricht. Er sagt nicht \"wir vereinbaren jetzt einen neuen Preis\". Würde er nämlich letzteres sagen wollen, wäre damit die einseitige Preisanpassungsmöglichkeit des Versorgers für die Zukunft abbedungen. Da der Versorger aber auch danach seine Preise einseitig anpasst, dokumentiert dies, dass die Erklärung des Kunden beim Versorger eben nicht als Zustimmung zu irgendeinem Preis gewertet wurde, sondern nur als Billigung der vertraglich vereinbarten einseitigen Preisanpassung.

Wenn dem Versorger ein Recht zur einseitigen Preisanpassung gar nicht zusteht, geht die Billigung einer konkreten Preisanpassung ins Leere, weil eine solche gar nicht wirksam vorgenommen wurde.

Die Gegenauffassung geht davon aus, dass der Kunde ohne eigenen Willen durch die Zahlung umfangreiche vertragliche Erklärungen abgegeben würde. Tatsächlich können Handlungen nur solche Erklärungen darstellen, bei denen der Erklärungswille aus der Handlung heraus erkennbar ist.

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #392 am: 04. September 2009, 00:00:15 »
Sie fügen damit der BGH Rechtsprechung eigenmächtig ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal hinzu, dass der BGH selbst nicht angeführt. Eine vertragliche Regelung ist nicht von einer vorherigen \"Unsicherheit\" o.Ä abhängig.

Sie können natürlich selbst der Meinung sein, dass es ein solches Zusatzmerkmal geben sollte, aber damit stehen sie dann ohne den BGH da.

Nach Ihrer Lesart wäre die Billigkeit einer Preisanpassung dann aber etwas subjektives, vom Parteiwillen abhängiges, dass der Kunde akzeptieren kann um damit eine Rechtsunsicherheit beseitigen zu können.

Dem steht entgegen, dass die Billigkeit durch ein unabhängiges Gericht nach mitlerweile vorgegebenen Kriterien überprüfbar ist und damit eben nicht von subjektiven Elementen der jeweiligen abhängt. Eine unbillige Forderung ist dann auch schon per Gesetz unwirksam, egal was die Partei davon hält.

Hätte der BGH die Zustimmung des Kunden nur für den Fall einer \"unsicheren Rechtslage\" zugelassen hätte er nicht auf vertragliche Neuvereinbarung sondern auf Verwirkung der Billigkeitskontrolle nach treu und Glauben o.Ä. abstellen müssen.

Im letzten Teil ihrer Argumentation zweifeln Sie dann wieder, ob im Bezahlen überhaupt eine solche Vereinbarung gesehen werden kann. Das ist aber wieder die Ansicht derjenigen, die wiederum schon die BGH Rechtsprechung generell ablehnen.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #393 am: 04. September 2009, 00:09:38 »
@Black

reblaus müht sich hier angestrengt, die Preisneuvereinbarung bei Tarifkunden sich und anderen zu erklären.

Fakt ist nun einmal, dass die einseitige Leistungsbestimmung in Ausübung eines gesetzlichen Preisbestimmungsrechts kein auf Annahme gerichtetes Angebot sein kann, weil eine Willenserklärung, mit der ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, schon kein auf Annahme gerichteter Antrag im Sinne von § 145 BGB sein kann. Die Wirksamkeit/ vertragliche Geltung  hängt nämlich nicht von der fristgerechten Annahme ab, sondern richtet sich ausschließlich nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Worin Sie dabei die für eine Einigung notwendigen Willenserklärungen (Angebot und Annahme) sehen wollen, ist auch nicht ersichtlich. Würde es sich um ein Angebot handeln, könnte der Kunde dieses durch einfaches Schweigen nicht annehmen oder durch ausdrücklichen Widerspruch sogar endgültig ablehnen. Die Rechtsprechung des VIII.Zivilsenats ist von einer Art Verklärung geprägt.

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #394 am: 04. September 2009, 08:03:13 »
@RR-E-ft
Der BGH sieht das Angebot nicht in der einseitigen Leistungsbestimmung sondern in der Jahresabrechnung, in der die einseitig bestimmten Preise enthalten sind. Sie machen hier den gleichen Denkfehler wie das LG Dresden.

@Black
Der BGH hat entschieden, dass eine Neuvereinbarung des Preises nur dann zustande kommt, wenn der Kunde der Abrechnung nicht widerspricht. Einer Abrechnung kann der Kunde aber nicht dadurch widersprechen, indem er sagt \"ich will diesen Preis nicht haben\", sondern nur dadurch dass er sagt \"die Preisfestsetzung ist unbillig\". Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Vereinbarung dahin geht, dass nicht der Preis vereinbart wird, sondern dass die Preisfestsetzung der Billigkeit entsprechen soll.

Wenn die Frage der Billigkeit der Preisanpassung noch nicht höchstrichterlich geklärt wäre, läge eine objektive Ungewissheit vor. Denn niemand könnte sagen, wie die Rechtsfrage entschieden wird. Da aber nur die Vertragsparteien nicht wissen, ob die Berechnungen alle richtig vorgenommen wurden, liegt nur eine subjektive Ungewissheit vor. Über diese subjektive Ungewissheit kann eine Vereinbarung getroffen werden, dass die Preisfestsetzung der Billigkeit entsprechen soll, und auf eine objektive Überprüfung der Billigkeit verzichtet wird.

Sie betreiben ansonsten wie RR-E-ft Fundamentalopposition gegen die Rechtsprechung des 8. Zivilsenats.

Zitat
BGH Urt. v. 11.11.2008, Az. VIII ZR 265/07 Tz. 11 f.

Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt vielmehr in der Regel eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann namentlich darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen zu entziehen (BGHZ 66, 250, 255; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93, WM 1995, 402, unter II 2 g; Urteil vom 11. Juli 1995, aaO; Urteil vom 11. Januar 2007, aaO). Dazu ist indessen nichts festgestellt.

Für die Bezahlung einer Rechnung ohne Erhebung von Einwendungen ist hiervon keine Ausnahme zu machen Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen. Das gilt auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale. Zwar wird es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ausgeschlossen angesehen, der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung zugleich eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der zu Grunde liegenden Forderung beizumessen. Dies erfordert aber stets ein Vorliegen weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen. Solche Umstände sind hier nicht festgestellt. Für sich genommen rechtfertigt die Bezahlung der Rechnung nicht die Annahme eines Anerkenntnisses (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007, aaO, Tz. 9).

Wir befinden uns hier beim Thema Willenserklärungen. Sie müssten für Ihre Ansicht dann schon darlegen, dass der BGH vom Verbraucher völlig andere Formen der konkludenten Willenserklärungen verlangen würde, nur weil es sich um ein Gaseinkauf handelt. Ersteht der gleiche Verbraucher jedoch Gemüse auf dem Markt würden wieder die allgemeinen Regeln des Schuldrechts zur Anwendung kommen. Das funktioniert so nicht. Das Ergebnis wäre, dass es beim Gaseinkauf auf den Willen des Verbrauchers gar nicht ankäme.

Offline Ronny

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« Antwort #395 am: 04. September 2009, 08:55:14 »
Zitat
Original von Cremer
@reblaus,

Goldgas Stadtwerke dürfen sich diese nicht mehr nennen, da sie kein Stadtwerk sind, sodern nur eine Vertriebsgesellschaft, welche eine Tochter der Stadtwerke Nürnberg sind.

Haben Sie eine Quelle hierfür? (Ich will´s Ihnen gerne glauben, ich hätte nur gerne einen Beleg dafür.)

Offline Opa Ete

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« Antwort #396 am: 04. September 2009, 09:53:16 »
@Ronny

Erster Akt: Die Stadtwerke Bad Homburg haben vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eine einstweilige Verfügung gegen die “Goldgas Stadtwerke” aus Nürnberg erwirkt. Das Gericht untersagte dem verglichsweise jungen Gasanbieter, weiterhin unter dem Namen “Stadtwerke” zu firmieren. Der Name sei geeignet, Verbraucher in die irre zu führen, so das Gericht.
Die Goldgas Stadtwerke GmbH wollen die Entscheidung nicht akzeptieren. “Wir werden Widerspruch einlegen”, sagte gestern Geschäftsführer Michael Notzon. Man überlege aber, bis zu einer Entscheidung eines Obergerichts den Namen vorübergehend in “Goldgas SW” zu ändern.

Zweiter Akt: zwei Wochen, nachdem Goldgas die einstweilige Verfügung zugestellt bekam, haben die Stadtwerke Bad Homburg beim selben Landgericht jetzt einen so genannten “Bestrafungsantrag” gegen Goldgas gestellt. Die Hessen drohen dem Gaswettbewerber mit einem Bußgeld in Höhe von 250 000 Euro. Wie Stadtwerkedirektor Eller mitteilte, habe das Unternehmen immer noch nicht die Bezeichnung “Stadtwerke” aus seinem Namen gestrichen.

Quelle: Frankfurter Rundschau

Offline Black

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« Antwort #397 am: 04. September 2009, 10:13:39 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

reblaus müht sich hier angestrengt, die Preisneuvereinbarung bei Tarifkunden sich und anderen zu erklären.

Das ist schön. Allerdings hatte ich gar nicht darum gebeten, die BGH Rechtsprechung nochmal zu \"erklären\". Insbesondere wenn diese Erklärung darin mündet zusätzliche Sondervoraussetzungen zu unterstellen, die der BGH nicht benennt. Und schon gar nicht, wenn diese Erklärung von einer Meinungsfraktion stammt, die  primär diese BGH Rechtsprechung ohnehin als falsch ablehnt.

Das wäre ungefähr so, als ob ich einem Verbraucher ihre Rechtsauffassung \"erkläre\" obwohl ich sie ausdrücklich für falsch halte, dabei noch einige Dinge unterstelle, die Sie nie gesagt haben und dann (oh wunder) ein Ergebnis erhalte, das mir sehr nützlich ist.

Es geht auch gar nicht um die Frage, was der BGH sich bei den Tarifkunden dachte, sondern ob bei Sonderkunden eine vergleichbare Situation vorliegt.

Reblaus lehnt das ab, weil die von ihm kreierten zusätzlichen \"Voraussetzungen\" der Rechtsunsicherheit nicht vorliegen. Kann man vertreten, überzeugt mich aber nicht. Erst recht nicht, wenn dann noch einmal schwammig in subjektive und objektive Unsicherheit unterschieden werden soll.

Das mag ja eine in sich geschlossen stimmige Theorie sein, aber sie ist doch sehr vom Ergebnis her (Ziel: keine Neuvereinbarung beim Sonderkunden) zurechtgezimmert und gibt dabei nur vor sich auf den BGH stützen zu können.
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Offline Ronny

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« Antwort #398 am: 04. September 2009, 10:14:27 »
@ Opa Ete

Danke für den Artikel!

3. Akt: Goldgas heißt inzwischen offiziell \"Goldgas SW GmbH\".


Haben Sie auch eine verbindliche Info, wer der Gesellschafter der Goldgas SW ist?

Offline reblaus

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« Antwort #399 am: 04. September 2009, 11:38:42 »
@Ronny
Im Internet habe ich gefunden, dass \"private Investoren\" hinter der SW Goldgas GmbH stünden. Privat könnte natürlich auch die n-ergie sein. Auf ihrer Internetseite ist ein Link auf eine Seite vorbereitet, die später einmal den Investoren gewidmet sein soll. Inhalt ist dort aber noch keiner vorhanden.

Den Vorwurf der Irreführung halte ich für berechtigt. Ich habe mich wegen der Bonität im Internet zu informieren versucht, wer hinter dem Unternehmen steckt. Ein Stadtwerk hat die nötige Bonität, ein Start-up möglicherweise nicht. Das ist bei der Auswahl eines Versorgers ein wichtiges Kriterium. Deshalb rate ich jedem von Vorauskasse- oder Kautionsangeboten ab.

@Black
Ich führe für meine Argumentation zwei BGH-Entscheidungen an, von denen die letztere lediglich die ständige Rechtsprechung aller BGH-Senate zu den Voraussetzungen wiedergibt, die Erfüllungshandlungen haben müssen, um eine Willenserklärung darzustellen.

Sie hingegen stehen mit Ihrer Gegenmeinung mit leeren Händen da.

Ok, da wären die Urteile der OLG Oldenburg und Frankfurt. Die begründen ihre Ansicht damit, dass der BGH das so entschieden hätte. Warum das was der BGH entschieden hat, auch auf Sonderverträge mit unwirksamer Preisanpassungsklausel übertragen werden kann, erklären sie mit keinem Wort.

Dem OLG Koblenz ist immerhin aufgegangen, dass diese Übertragung auf Sonderverträge gar nicht funktioniert. Daher konstruieren sie flugs eine Pflicht des Verbrauchers diesen Preis als Vertragspreis anzuerkennen, die sich aus Treu und Glauben ergeben soll. Sie vergessen dabei, dass das Bereicherungsrecht die Folgen eines treuwidrigen Verhaltens bereits abschließend klärt und die Generalklausel damit gar nicht anwendbar ist. Dass das OLG Koblenz die Rechtsprechung des BGH überhaupt nicht anwendet, sondern ein völlig anderes Rechtskonstrukt verwendet, sei nur noch am Rande erwähnt.

Dann wäre da noch die ominöse Entscheidung des LG Dresden zu erwähnen. Die meinen doch tatsächlich aus der Erklärung des EVU \"wir passen den Preis einseitig ohne Dich vorher zu fragen an\" lediglich das Flehen des Versorgers herauslesen zu können, der Kunde möge dies als Angebot zu einer Preisänderung verstehen, und diesem bitte zustimmen.

Sie haben hoffentlich bessere Argumente in der Hinterhand als diese Instanzgerichte.

Man kann gar nicht oft genug wiederholen, was der BGH tatsächlich entschieden hat.


Zitat
BGH Urt. 13.06.2007, Az. VIII ZR 36/06
Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a). Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage  einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.

\"auf der Grundlage  einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung\" = subjektive Ungewissheit

\"eine (...) Jahresabrechnung\" = Angebot des Versorgers

\"akzeptiert hat\" = Zahlung, Anerkenntnis der Billigkeitsbestimmung

\"ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden\" = Verzicht auf Unbilligkeitseinwand

\"indem er weiterhin Gas bezogen hat\" = Annahme des Angebots durch den Verbraucher

Der BGH sagt auch klar und unmissverständlich, dass eine Vereinbarung über den Preis nur dann zustande kommen kann, wenn der Preis eindeutig bestimmt ist. Das ist bei einer unwirksamen Preisänderungsklausel nun aber gerade nicht der Fall.

Ich halte mich mit meiner Interpretation Wort für Wort an die Begründung des BGH. Wenn Sie eine bessere Interpretation dieser Begründung haben, interessiert mich diese brennend.

Zwischen subjektiver und objektiver Ungewissheit zu unterscheiden, ist nicht schwammig, sondern notwendig. Wenn die Parteien eine objektive Ungewissheit über die Entscheidung einer Rechtsfrage mittels Parteivereinbarung klären könnten, wäre das die Privatisierung der Justiz. Parteien können sich nur über subjektive Ungewissheiten einigen.

Offline Gas-Rebell

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« Antwort #400 am: 04. September 2009, 11:51:15 »
@ Ronny

siehe hier:

Zitat
Gründung
Die goldgas Stadtwerke GmbH ist ein im September 2008 neu gegründetes Energieversorgungsunternehmen für die Versorgung von Haushalten, gewerblichen Kunden und kleineren Industriekunden mit Erdgas. goldgas Stadtwerke ist unabhängig.  

Erfahrung
Die Mitgesellschafterin Gold Gas GmbH (nachfolgend „goldgas“ genannt) ist ein 2006 gegründetes Energieversorgungsunternehmen für die Versorgung von Weiterverteilern, großen Industriekunden und örtlichen Gasversorgungsunternehmen mit Erdgas. Dagegen tritt goldgas nicht als Anbieter für Haushaltskunden auf. Dieses Geschäft liegt bei goldgas Stadtwerke. Sitz der Gesellschaft ist Südwestpark 63, 90449 Nürnberg.

Team
goldgas Stadtwerke verfügt intern über ein sehr kleines und sehr qualifiziertes Team von drei Managern unterschiedlicher Fachrichtungen und Managementerfahrungen. Durch dieses Team werden externe Dienstleitungsmitarbeiter für die Gassteuerung (Dispatching), den Vertrieb (Internetplattform) sowie das Kundenmanagement einschließlich Call Center eingesetzt. Dadurch erringt das Unternehmen einen wichtigen Kostenvorsprung und klare Kostenkontrolle vor allen anderen, etablierten Anbietern.

Weitere Daten: Creditreform-Nr. 8190656447 oder Handelsregister (Dazu müssten Sie als Versorgeranwalt doch leichten Zugang haben, oder?)

Offline reblaus

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« Antwort #401 am: 04. September 2009, 12:04:06 »
Oh je, die Gold Gas GmbH hat 25.000 € Eigenkapital. Ich hoffe das ist etwas mehr geworden.

Offline tangocharly

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« Antwort #402 am: 04. September 2009, 12:13:44 »
Zitat
Original von reblaus
[...] Der Kunde sagt mit der Zahlung \"ich akzeptiere, dass die Preiserhöhung der Billigkeit entspricht. Er sagt nicht \"wir vereinbaren jetzt einen neuen Preis\". Würde er nämlich letzteres sagen wollen, wäre damit die einseitige Preisanpassungsmöglichkeit des Versorgers für die Zukunft abbedungen. Da der Versorger aber auch danach seine Preise einseitig anpasst, dokumentiert dies, dass die Erklärung des Kunden beim Versorger eben nicht als Zustimmung zu irgendeinem Preis gewertet wurde, sondern nur als Billigung der vertraglich vereinbarten einseitigen Preisanpassung.

Wenn dem Versorger ein Recht zur einseitigen Preisanpassung gar nicht zusteht, geht die Billigung einer konkreten Preisanpassung ins Leere, weil eine solche gar nicht wirksam vorgenommen wurde.

Die Gegenauffassung geht davon aus, dass der Kunde ohne eigenen Willen durch die Zahlung umfangreiche vertragliche Erklärungen abgegeben würde. Tatsächlich können Handlungen nur solche Erklärungen darstellen, bei denen der Erklärungswille aus der Handlung heraus erkennbar ist.

Obgleich ich Sie in dieser Auffassung mental unterstütze, muß ich doch darauf hinweisen, dass Sie damit gegen die \"Sockel-Preis-RSpr.\" des VIII. Senats auflaufen.

Bekanntlich ist dem VIII.Senat die innere Willenshaltung des Vertragspartners diesbezüglich völlig Wurst. Das können Sie auch daran erkennen, dass der gleiche Senat am 11.11.2008 eine ganze Reihe von Vorerkenntnissen zitiert, die sich mit etwaigen Fiktionen durch Zahlung befaßt haben.

Aber gerade deshalb, weil Sie halt gegen die \"Sockel-Preis-RSpr.\" des VIII. Senats auflaufen, kann sich @black dann wiederum völlig entspannt zurück lehnen und lakonisch kontern \"mit uns der BGH\".

Dass diese Sockel-Geschichte natürlich falsch ist, darüber haben wir ja in vielfäliger Form ausgiebig diskutiert (will mich da hier auch nicht wiederholen).

Nur, so Ihr Gedanke weitergedacht, wenn sich mit dem \"vereinbarten\" Sockel eine Preisvereinbarung ergeben hätte, die dem EVU die Möglichkeit zur einseitigen Preisanpassung nimmt (so habe ich Sie hoffentlich richtig verstanden), dann könnte auch der BGH hier nicht weiter (mit all den bekannten Problemen: Preiskalkulation in die Zukunft, Sicherung des Äquivalenzverhältnisses, Notwendigkeit der Kündigung, etc.)

Also blieb natürlich nur wieder die Krücke über § 36 Abs. 1 EnWG, §§ 1 u.  5 Abs. 2 GasGVV wegen der (gesetzlichen) Besonderheiten dieses Vertragsverhältnisses, in dem nicht der Kunde über die Berechtigung zur einseitigen Preisanpassung (mit-)entscheidet, sondern (für diesen) der Herr zu Guttenberg bzw. seine Vorgänger im Amte - auch und trotz Preisvereinbarung, Sockel, etc.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Gas-Rebell

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« Antwort #403 am: 04. September 2009, 12:13:55 »
@ reblaus

Zitat
Amtsgericht Nürnberg Aktenzeichen: HRB 24598:   Bekannt gemacht am: 17.04.2009 12:00 Uhr  Veränderungen 14.04.2009  goldgas Stadtwerke GmbH, Nürnberg, Südwestpark 63, 90449 Nürnberg.Die Gesellschafterversammlung vom 20.03.2009 hat die Erhöhung des Stammkapitals um 20.000,00 Euro und die Änderung der §§ 4 (Stammkapital), 6 (Geschäftsführer) und 8 (Gesellschafterbeschlüsse) der Satzung beschlossen. Neues Stammkapital: 60.000,00 EUR.

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #404 am: 04. September 2009, 13:03:51 »
@tangocharly

Bei der Vereinbarung eines neuen Preises nach dem Sockelpreisprinzip gibt der Versorger mit der Übersendung der Jahresabrechnung folgendes Angebot ab:
\"Die Jahresabrechnung habe ich mit den neuen von mir einseitig nach bestem Wissen in billiger Weise festgelegten Preisen berechnet. Dir Kunde biete ich an, dass Du anerkennst, dass der Preis in vertraglich vereinbarter Weise von mir bestimmt wurde, und er für die Zukunft gelten soll.\"

Der Kunde bezahlt den Saldo und erhebt keine Unbilligkeitseinrede. Damit sagt er: \"ok, ich glaube Dir, Versorger, dass die Preiserhöhung in vertraglich vereinbarter Weise berechnet wurde.\"

Danach entnimmt der Kunde weiterhin Gas. Damit bringt er zum Ausdruck \"ich kaufe dieses Gas zu dem neuen von Dir, Versorger einseitig festgelegten Preis, dessen vertraglich korrekte Bestimmung ich zuvor anerkannt habe.\"

Mehr kann aus den Handlungen des Kunden nicht herausgelesen werden.

Der Sockelpreis ist damit nicht der Knüppel mit dem die Versorger jede Preisvereinbarung durchprügeln können, die ihnen gerade in den Sinn kommt. Wenn nur ein Teil der Erklärung nicht abgegeben wurde oder ins Leere läuft, kommt keine vertragliche Vereinbarung zustande. Das Sockelpreisprinzip ist eher ein schlecht ausbalanciertes Florett, dessen Umgang grobmotorische Versorger überfordert.

@Gas-Rebell
60.000 € Eigenkapital ist auch noch nicht übertrieben viel, um Millionenumsätze zu finanzieren.

 

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