Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus

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RR-E-ft:
Ich meine, die GVV schaffe einen ausgewogenen Ausgleich der Interessen des Grundversorgers und seiner grundversorgten Kunden. Die Interessenlage ist dabei geprägt von der Versorgungspflicht gegenüber Bestands- und Neukunden zu den gleichen einseitig aufgestellten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung und den Ausschluss des Rechts zur ordnungsgemäßen Kündigung durch den Grundversorger. Ausdrücklich nur für diesen Bereich der Grundversorgung wurden deshalb die Bestimmungen der GVV getroffen, nicht aber für den Bereich der Sonderverträge, insbesondere nicht für den Bereich der Sonderverträge mit Haushaltskunden (vgl. nur § 41 II EnWG).

Ich habe versucht darzulegen, warum diese Interessenlage auf Sonderverträge nicht übertragbar ist, weshalb dort eine andere Interessenlage besteht, die dann auch einen anderen Interessenausgleich erfordert. Deshalb meine ich, dass der Interessenausgleich, der für den Bereich der Grundversorgung ausgewogen ist, nicht auf den Bereich der Sonderverträge übertragen werden kann mit der Annahme, er sei auch für diesen Bereich dann ausgewogen.

Ich meine, dass ein Lieferant, der darauf hingewiesen hat, dass seine Preisanpassungen in Sonderverträgen keiner Billigkeitskontrolle unterliegen, damit unzweifelhaft zu erkennen gegeben hat, dass nach seiner Vorstellung vom Vertragsinhalt durch die Verwendung bestimmter AGB kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt werden sollte, das zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt.

Für den Kunden war die Einräumung eines solchen Rechts, das mit der Verpflichtung zur Preisanpassung einhergeht, wenn diese den Kunden günstig sind, erst recht nicht erkennbar. Der Kunde wurde über die bestehende vertragliche Rechte- und Pflichtenlage deshalb bewusst im Unklaren gelassen. Es handelt sich um einen Zustand, den die §§ 305 ff. BGB im Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen gerade verhindern sollen.

In einem solchen Fall, so meine ich, muss sich der betreffende AGB- Verwender nach Treu und Glauben jedenfalls so behandeln lassen, als sei ihm kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, das einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt, eingeräumt worden. Schließlich hatte er dies seinen Kunden wiederholt schriftlich mitgeteilt. Der Kunde eines entsprechenden Sondervertrages hatte wohl in der Vergangenheit  nur deshalb darauf verzichtet, eine Preisanpassung wegen rückläufiger Kosten, die ihm günstig ist, zu verlangen. Dies gerade, wenn er irrig der Auffassung war, der Anfangspreis sei bei diesen Verträgen fest vereinbart, weshalb eine Verpflichtung zur Preisanpassung nach billigem Ermessen nicht zur Unterschreitung des Anfangspreises führen könne. Waren indes bei bestehendem Leistungsbestimmungsrecht nach Vertragsabschluss die Kosten rückläufig, so bestand aus einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht  gerade eine Verpflichtung zur Anpassung zu Gunsten des Kunden, undzwar unter die Entgelthöhe bei Vertragsabschluss. Wird die Entgelthöhe bei rückläufigen Kosten nach Vertragsabschluss  nicht nach unten angepasst, führt dies zur nachträglichen  Margenerhöhung im konkret betroffenen Vertragsverhältnis, die jedoch bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicher ausgeschlossen sein soll und muss.

Dass auch zweifelhaft ist, dass Grundversorger ihrer Anpassungspflicht zu Gunsten der grundversorgten Kunden immer jeweils vollumfänglich entsprochen haben und ihre Margen in den konkret betroffenen Vertragsverhältnissen nicht nachträglich erhöht haben, steht wieder auf einem anderen Blatt.

Aufgrund der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung können grundversorgte Kunden bei rückläufigen Kosten eine Anpassung zu ihren Gunsten verlangen, ohne dass der Grundversorger wegen eines solchen Verlangens berechtigt wäre, den Grundversorgungsvertrag zu kündigen, § 20 Abs. 1 Satz 3, § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV.

Ronny:

--- Zitat --- Ich meine, die GVV schaffe einen ausgewogenen Ausgleich der Interessen des Grundversorgers und seiner grundversorgten Kunden. Die Interessenlage ist dabei geprägt von der Versorgungspflicht gegenüber Bestands- und Neukunden zu den gleichen einseitig aufgestellten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung und den Ausschluss des Rechts zur ordnungsgemäßen Kündigung durch den Grundversorger. Ausdrücklich nur für diesen Bereich der Grundversorgung wurden die Bestimmungen der GVV getroffen, nicht aber für den Bereich der Sonderverträge, insbesondere nicht für den Berich der Sonderverträge mit Haushaltskunden (vgl. nur § 41 II EnWG).

Ich habe versucht darzulegen, warum diese Interessenlage auf Sonderverträge nicht übertragbar ist, weshalb dort eine andere Interessenlage besteht, die dann auch einen anderen Interessenausgleich erfordert. Deshalb meine ich, dass der Interessenausgleich, der für den Bereich der Grundversorgung ausgewogen ist, nicht auf den Bereich der Sonderverträge übertragen werden kann mit der Annahme, er sei auch für diesen Bereich dann ausgewogen.

--- Ende Zitat ---
Dazu werden Sie in sehr absehbarer Zeit die Meinung des VIII. Zivilsenates lesen können. Da er sich laut Pressemeldung für die Anwendbarkeit des Leitbildes des § 5 Abs. 2 GasGVV in Sonderkundenverträgen ausgesprochen hat, dürfte Ihre Rechtsauffassung beim BGH allem Anschein nach nicht auf Verständnis gestoßen sein.


--- Zitat --- Ich meine, dass ein Lieferant, der darauf hingewiesen hat, dass seine Preisanpassungen in Sonderverträgen keiner Billigkeitskontrolle unterliegen, damit unzweifelhaft zu erkennen gegeben hat, dass nach seiner Vorstellung vom Vertragsinhalt durch die Verwendung bestimmter AGB kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt werden sollte, das zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt.

--- Ende Zitat ---
Jetzt weiss ich wenigstens worauf Sie hinauswollen. Aber Ihre Argumentation ist derart an den Haaren herbeigezogen, dass ich Ihnen einfach nur Spaß vor dem nächsten Amtsrichter damit wünsche.

RR-E-ft:
Der Kartellsenat des BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07) ebenso darauf abgestellt, dass im Bereich der Tarifkundenversorgung eine andere Interessenlage als bei Sonderverträgen herrscht, die deshalb einen anderen Interessenausgleich erfordert. Dessen Rechtsauffassung kann man ja schon länger nachlesen. Dieser Senat sagt u.a. , dass die Zeitpunkte für Preisrevisionen bereits im Sondervertrag festgelegt sein müssen.


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 21

Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Einstandskosten umgehend, niedrigeren Einstandskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, aaO., Tz. 25 f.
Entgegen der Auffassung der Revision steht der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel schließlich auch nicht entgegen, dass sie dem gesetzlichen Leitbild des (bis zum 7. November 2006 geltenden) § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entspräche.

Allerdings kann den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ebenso wie den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden, obwohl sie für Sonderverträge nicht gelten, \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" zukommen (BGHZ 138, 118, 126 ff.). Indessen ist eine solche Funktion den Vorschriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden nicht pauschal beizumessen, sondern jeweils für die einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen. Damit wird auch dem Umstand angemessen Rechnung getragen, dass nach § 310 Abs. 2 BGB zwar die §§ 308, 309 keine Anwendung auf Verträge über die Versorgung von Sonderabnehmern mit Gas finden, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden abweichen, die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB jedoch nicht ausgeschlossen ist.

Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu. Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.
--- Ende Zitat ---


Dass es dem BGH nicht gelingt, in entscheidenden Punkten mit einer Stimme zu sprechen, ist bedauerlich.

nomos:

--- Zitat ---Original von Ronny
...
Hier geht es (zumindest mir) auch gar nicht um einen juristischen Disput, sondern um die Frage, ob die Forumsteilnehmer ein Interesse daran haben, dass einseitige Preiseinpassungen auf ihre Billigkeit überprüft werden sollen.
...
Ist es denn wirklich aus Ihrer Sicht verbraucherfeindlich, wenn der Verbraucher die Unbilligkeitseinrede erheben kann?

Seit Jahren wettern alle Engagierten hier im Forum, dass sie Kalkulationen der Versorgungsunternehmen sehen wollen. Und jetzt will das auf einmal niemand mehr?
--- Ende Zitat ---
@Ronny, schön, dass es um die Sache und nicht um den juristischen Disput geht. Man sollte darauf ab und zu wenigstens zurückkommen. Ja, ich habe ein Interesse daran, dass einseitige Preisanpassungen auf ihre Billigkeit überprüft werden. Das sollte bereits aufgrund einer gesetzlichen Regelung oder einer Verordnung regelmässig erfolgen. Dass jeder Verbraucher die Unbilligkeit selbst rügen muss und dann eine Prüfung durch kaum sachkundige Amtsrichter erfolgt, das kann es nicht sein.

Nein, es ist nicht grundsätzlich verbraucherfeindlich, wenn der Verbraucher die Unbilligkeitseinrede erheben kann. Es kommt auf die Bedingungen an. Die Auseinandersetzung mit ungleichen Mitteln ist es nicht s.o. .

Bemerkenswert finde ich eher,  wie sich die Ziele auf Versorgerseite ergebnisorientiert verändern. Man ging doch dort der Billigkeitsprüfung nach Möglichkeit aus dem Wege in dem man Sonderverträge offeriert hat. Im Fall des Falles hat man sich nach Möglichkeit der Billigkeitsprüfung durch Weigerung der Offenlegung der relevanten Daten entzogen. Dann wurden die Schwierigkeiten mit den Anpassungsklauseln immer deutlicher und da will man nun Sonderverträge mit ein bisschen Grundversorgungsbedingungen mischen.  Manche wollen nur noch befristete Festpreisverträge anbieten.

Eine hinreichende Verbraucherfreundlichkeit und Offenheit sehe ich noch nicht. Der Zustand im verbraucherorientierten Energierecht ist eher erbärmlich. Auch wenn das einige hier nicht hören wollen. Die wesentliche Schuld daran trägt der Gesetz- und Verordnungsgeber.

courage:

--- Zitat ---Original von Ronny
Dazu werden Sie in sehr absehbarer Zeit die Meinung des VIII. Zivilsenates lesen können. Da er sich laut Pressemeldung für die Anwendbarkeit des Leitbildes des § 5 Abs. 2 GasGVV in Sonderkundenverträgen ausgesprochen hat, ....

--- Ende Zitat ---

Wünschen sich also die Versorger, dass für alle Kunden die gleichen Preisfindungs-, Preisfestsetzungs- und Preisänderungsregeln gelten sollen.

Dann bin ich gespannt, wie sich die vielen unterschiedlichen Tarife vor dem Hintergrund \"gleiches Recht für Alle\" begründen lassen.

Vereinheitlichung der Tarife ist doch schlicht der Horror für die Versorger, denn dann könnte der Wettbewerb so richtig los gehen.

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