Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus
RR-E-ft:
--- Zitat ---Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nicht unmittelbar nach der - im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preiserhöhungen noch geltenden - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zur Preisänderung berechtigt, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV handelt. Der Senat hat entschieden, dass es für die Unterscheidung zwischen Tarifkundenverträgen im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 1 Abs. 1 AVBGasV (jetzt Grundversorgungsverträgen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG 2005) und Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden darauf ankommt, ob das Versorgungsunternehmen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – die Versorgung zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften anbietet oder ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit erfolgt. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich eindeutig, dass der Vertrag mit dem Kläger danach als Sonderkundenvertrag einzustufen ist. Eine einseitige Preisänderung durch die Beklagte hätte deshalb nur auf der Grundlage einer wirksamen Preisanpassungsklausel erfolgen können.
--- Ende Zitat ---
Bei Sonderverträgen bedarf es zu einseitigen Preisanpassungen der wirksamen Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel gem. Art. 229 § 5 EGBGB i.V.m. § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag, die zudem wirksam sein, insbesondere einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten muss.
Für die wirksame Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel in einen Sondervertrag muss eine als Preisanpassungsklausel/ Preisänderungsklausel überschriebene, als solche erkennbare Allgemeine Geschäftsbedingung des Versorgers dem Kunden vor Vertragsabschluss inhaltlich bekannt gewesen sein und der Kunde muss bei Vertragsabschluss mit deren Einbeziehung in den Vertrag einverstanden gewesen sein. Wenn eine wirksame Einbeziehung zwischen den Parteien streitig ist, muss der Versorger diese Umstände beweisen.
Eine Übersendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen erst nach Vertragsabschluss, etwa mit einem sog. Vertragsbestätigungsschreiben genügt für eine wirksame Einbeziehung regelmäßig nicht.
Liegt eine wirksame Einbeziehung vor, findet eine Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB statt.
Die Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus.
Möglicherweise hat sich das noch nicht überall herumgesprochen.
Black:
Machen Sie schnell vor der Veröffentlichung Urteilsbegründung der letzten BGH Urteile noch ein paar Threads mit überholten Thesen auf?
Der BGH hat festgestellt:
--- Zitat ---BGH Pressemitteilung 153/2009
Nach Auffassung des Senats hält allerdings eine Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsonderkundenvertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhaltskontrolle stand. Den Vorschriften in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV kommt insoweit eine \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" auch im Hinblick auf Preisanpassungsklauseln in Normsonderkundenverträgen zu. Der Gesetzgeber des AGB-Gesetzes (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, jetzt § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB) wollte es den Versorgungsunternehmen freistellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten, weil Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.
--- Ende Zitat ---
Im Bereich der Grundversorgung kann jede Preisanpassung der Kontrolle nach § 315 unterzogen werden (ständige Rechtsprechung des BGH)
In Sonderverträge kann das Preisanpassungsrecht der Grundversorgung übernommen werden. Eine solche Übernahme hält der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand (aktuelle Urteile des BGH)
Wenn das gesetzliche Preisanpassungsrecht in den Sondervertrag übernommen wurde gilt auch hier für Preisanpassungen § 315 BGB.
RR-E-ft:
@Black
Der BGH hat doch nichts festgestellt, wo schon nach den Anträgen der Parteien nichts festzustellen war, sondern nebenbei eine Auffassung kundgetan, wenn auch nicht eine gänzlich unbedeutende, wie etwa die, dass die Sommer früherer Jahre auch schon einmal beständiger waren.
Direkte Anwendung des § 315 BGB neben § 307 BGB?
Das halte ich aus den aufgezeigten Gründen für unzulässig.
Ich meine, eine Inhaltskontrolle setzt voraus, dass die Preisanpassungsklausel den Inhalt des Preisanpassungsrechts selbst festlegen muss.
Ich habe bei einem BGW - Seminar vom Referenten Graf v. Westphalen gelernt:
--- Zitat ---BGH Urt. v. 20.07.2005 (ZIP 2005, 1785)
\"Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht darf sich der Verwender durch Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich nur vorbehalten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Eine Befugnis zur einseitigen Festlegung kann ebenso wie eine solche zur einseitigen Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen nur dann formularmäßig begründet werden, wenn schwerwiegende Gründe dies rechtfertigen. Erforderlich ist weiterhin, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind\"
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 19.10.1999 (BGH NJW 200, 651)
\"Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, wenn sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben.\"
--- Ende Zitat ---
Was haben Sie denn ggf. gegen den von mir aufgezeigten möglichen Klauselinhalt einzuwenden?
Black:
§ 315 BGB ist dann anwendbar, wenn einer Partei vertraglich (oder gesetzlich) ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird.
Diese Einräumung eines vertraglichen Leistungsbestimmungsrechtes kann im Massengeschäft auch in AGB vereinbart werden.
Damit diese Vereinbarung aber auch wirksam ist, muss sie § 307 BGB standhalten.
Der BGH sagt eine unveränderte Übernahme des gesetzlichen einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes aus der GVV hält § 307 BGB stand.
Daraus ergibt sich ein wirksam vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (bezogen auf Neufestsetzungen des vereinbarten Anfangspreises) in AGB des Sondervertrages.
Mit dem Ergebnis § 315 BGB NACH § 307 BGB.
RR-E-ft:
@Black
Möglicherweise waren Sie nicht mit dabei. Ich habe bei einem BGW - Seminar [Fortbildungsveranstaltung der Gaswirtschaft] vom Referenten Graf v. Westphalen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (immer Massengeschäft!) gelernt:
--- Zitat ---BGH Urt. v. 20.07.2005 (ZIP 2005, 1785)
\"Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht darf sich der Verwender durch Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich nur vorbehalten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Eine Befugnis zur einseitigen Festlegung kann ebenso wie eine solche zur einseitigen Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen nur dann formularmäßig begründet werden, wenn schwerwiegende Gründe dies rechtfertigen. Erforderlich ist weiterhin, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind\"
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 19.10.1999 (BGH NJW 200, 651)
\"Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, wenn sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben.\"
--- Ende Zitat ---
Eine tatbestandlich nicht hinreichend konkrete Änderungsklausel führt mithin schon nicht zur wirksamen Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, auf welches dann § 315 BGB allenfalls Anwendung finden könnte.
Im Übrigen habe ich mir Folgendes erschlossen:
Der Inhalt und Umfang des gesetzlichen Preisanpassungsrechts, der in die Klausel aufgenommen werden muss, damit sie einer Inhaltskontrolle anhand eines Leitbildes standhalten könnte, ergibt sich aus keinem Verordnungstext, sondern erst aus der dazu ergangenen Rechtsprechung des BGH (VIII ZR 36/06, KZR 2/07, VIII ZR 138/07). Der Senat verweist wohl nicht umsonst auf die entsprechenden Entscheidungen.
Wenn Sie das nicht nachvollziehen können, dann lesen Sie ggf. nur noch einmal die umfangreichen Veröffentlichungen der Kollegen auf Versorgerseite zum Tarifbestimmungsrecht gem. § 4 AVBGasV, die vor den entsprechenden Entscheidungen des BGH veröffentlicht wurden (etwa Kollege Dr. Schulz- Gardyan).
Wenn die Klausel inhaltlich von diesem Inhalt und Umfang des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts zu Lasten des Kunden abweicht, soll sie einer Inhaltskontrolle nicht standhalten können.
--- Zitat ---Wenn eine Preisanpassungsklausel den Inhalt des Preisanpassungsrechts tatbestandlich nicht hinreichend konkret und für den durchschnittlichen Verbraucher verständlich ausgestaltet, hält sie einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB nicht stand.
Der Umfang und Inhalt des Preisanspassungsrechts darf also nicht zweifelhaft, sondern muss eindeutig geregelt sein.
Wenn die Preisanpassungsklausel aber das vertragliche Preisanpassungsrecht inhaltlich tatbestandlich hinreichend konkret ausgestaltet, besteht schon kein \"Zweifel\" über den Umfang/ Inhalt des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, der eine einseitige Leistungsbestimmung noch \"nach billigem Ermessen\" zuließe (§ 315 Abs. 1 BGB).
§ 315 BGB findet unzweifelhaft auch keine direkte Anwendung, wenn sich die Parteien bei Abschluss des Vertrages auf einen Preis geeinigt haben.
Es gibt für Sonderverträge unzweifelhaft auch kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht, dass zur direkten Anwendung des § 315 BGB führen könnte.
--- Ende Zitat ---
Eine einseitiges Preisänderungsrecht lässt sich nicht unter § 315 Abs. 1 BGB subsumieren, weil bereits zuvor eine wirksame Preisvereinbarung besteht.
--- Zitat --- § 315 Abs. 1 BGB
Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
--- Ende Zitat ---
Das hat der BGH wiederholt zurm Ausdruck gebracht.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16
Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.
--- Ende Zitat ---
Deutlicher lässt es sich nicht formulieren. Es besteht keinerlei Anlass zur Annahme, dass der Senat hiervon Abstand nehmen will. Im Gegenteil wird auf diese Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen.
Lassen Sie uns das bitte an anderer Stelle weiterdiskutieren, weil sonst womöglich Argumente untergehen.
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