Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus
RR-E-ft:
@reblaus
Wenn Sie nur ein Argument gelten lassen können, dann müssen Sie wohl mit dieser gewissen persönlichen Einschränkung leben und zurecht kommen.
Sehen Sie es mir nach, dass es mir eher um die vertragliche Verpflichtung zu Preissenkungen bei rückläufigen Kosten geht, die nicht im Kapitalismus, sondern bei Verwendung entsprechender Klauseln offenbar in der Vertragsfreiheit wurzelt. (Kleine Anmerkung am Rande: Das BGB und mit ihm § 315 BGB galt m. E. bis 1975 auch in der DaDaR)
Möglicherweise konnten Sie sich bereits in anderem Zusammenhang die E wie einfach AGB Stand 06/09 zum EinPreisTarif Strom ansehen. Siehste hier.
Dort ist der Strompreis für ein Jahr nach Vertragsabschluss fest vereinbart, danach kann er jährlich verändert werden in entsprechender Anwendung von § 5 GVV, wobei selbstverständlich eine Verpflichtung besteht, gesunkenen Kosten nach gleichen Maßstäben Rechnung zu tragen, wie für sog. Internet- Ausdrucker auf geduldigem Papier zu lesen steht.
--- Zitat ---Original E WIE EINFACH Strom & Gas GmbH
9. Preismodell und Preisanpassung
(1) Der Kunde zahlt im EinPreisTarif Strom nur einen Arbeitspreis. Einen Grundpreis hat der Kunde nicht zu entrichten. Der im Stromliefervertrag vereinbarte Arbeitspreis gilt für die Laufzeit von einem Jahr als fest vereinbart. Preisänderungen können nur zum Ende eines Vertragsjahres erfolgen und richten sich nach Abs. 2. Erfolgt keine Preisänderung zum Ende eines Vertragsjahres, so ist E WIE EINFACH für jeweils ein weiteres Vertragsjahr an den Arbeitspreis gebunden, sofern weder der Kunde noch E WIE EINFACH von ihrem ordentlichen Kündigungsrecht gemäß Ziff. 4 Gebrauch machen.
(2) Für Änderungen des Strompreises gelten § 5 Abs. 2 und 3 der StromGVV entsprechend, auf die im Auftragsformular Bezug genommen wird und die dem Kunden bei Auftragserteilung vorgelegen hat. Dies bedeutet: Preisanpassungen werden nur im Rahmen des billigen Ermessens im Sinne von § 315 BGB durchgeführt, wobei E WIE EINFACH verpflichtet ist, in Ausübung des Ermessens sowohl bei Preiserhöhungen als auch bei Preissenkungen die gleichen sachlichenund zeitlichen Maßstäbe anzuwenden. Die jeweilige Preisanpassung wird dem Kunden mit einer Ankündigungsfrist von sechs Wochen im Voraus brieflich mitgeteilt, wobei Textform ausreicht, und dann zum jeweils angegebenen Monatsbeginn wirksam. Dem Kunden steht im Fall einer Preisanpassung das Recht zu, den Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende jenes Monats in Textform zu kündigen, der dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der an gekündigten Preisanpassung vorangeht. E WIE EINFACH wird den Kunden im Fall einer Preisanpassung auf dieses Kündigungsrecht in Text form besonders hinweisen. Preisanpassungen werden nicht wirksam, sofern der Kunde bei einer fristgemäßen Kündigung des Vertrags die Einleitung eines Wechsels des Ver sorgers durch entsprechenden Vertragsschluss innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung gegenüber E WIE EINFACH nachweist.
--- Ende Zitat ---
E wie einfach schließt täglich eine Vielzahl dieser Verträge ab.
Demnach müsste das Unternehmen verpflichtet sein, für jeden Kunden individuell nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu ermitteln, ob die spezifischen Kosten nach Vertragsabschluss zwischenzeitlich gestiegen oder gesunken sind, ob eine Berechtigung zur Preiserhöhung oder aber eine vertragliche Verpflichtung zur Preisabsenkung besteht.
Wenn dieses Unternehmen nun die eigene AGB- Preisänderungsklausel ernst nehmen wollte, dann hätte es spätestens ein Jahr nach Produkteinführung wohl monatlich für Bestandskunden die jeweils etwa 46 Wochen zuvor den Vertrag abgeschlossen hatten, geänderte Preise zu veröffentlichen, undzwar bundesweit, möglicherweise in der FAZ oder der taz oder in welcher bundesweit vertriebenen Tageszeitung auch immer. Ich denke nicht unbedingt, dass das wirklich praktikabel ist und funktionieren kann.
Dass es praktikabel ist und überhaupt funktionieren kann, wäre aber vielleicht doch für beide Vertragsteile gleichermaßen wichtig, auch wenn Sie es weder als problematisch ansehen wollen noch als Argument gelten lassen können. Ersichtlich ist, dass dabei die Kunden, abhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses und der jeweiligen Kostenentwicklung seither zu unterschiedlichen Preisen beliefert werden müssen.
Jeder einzelne Kunde hat jeweils nach einem Jahr Vertragslaufzeit die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle bezüglich des Preises für das Folgejahr, sofern der Vertrag nicht zuvor ordnungsgemäß gekündigt wird. Im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen einer vertraglichen Verpflichtung zur Preisabsenkung wird E wie einfach wohl den Vertrag zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit ordnungsgemäß kündigen, was der Vertrag ja zulässt. Die vertragliche Verpflichtung zur Preisabsenkung gegenüber den Kunden geht damit regelmäßig ins Leere....
--- Zitat ---Original E WIE EINFACH Strom & Gas GmbH
4. Ordentliche Kündigung des Stromliefervertrags
(1) Dieser Stromliefervertrag ist für den Kunden und für E WIE EINFACH erstmals nach einer Laufzeit von einem Jahr kündbar.
(2) Der Vertrag verlängert sich für E WIE EINFACH und für den Kunden um jeweils ein weiteres Jahr, sofern er nicht zum Ende des jeweiligen Vertragsjahres gekündigt wird.
(3) Die Kündigung dieses Stromliefervertrags hat mit einer Frist von einem Monat zum Ende des jeweiligen Vertragsjahres in Textform zu erfolgen.
--- Ende Zitat ---
Das ist bei allen Sonderverträgen ähnlich, so dass auch die gleiche Problematik besteht, die sich nicht jedem erschließt.
§ 5 GVV schafft eben nur dort einen ausgewogenen Interessenausgleich, wo das Recht des Versorgers zur ordnungsgemäßen Kündigung gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV ausgeschlossen ist, nicht aber bei Verträgen, die vom Versorger ordnungegemäß gekündigt werden können. Nur wenn das Recht des Versorgers zur ordnungsgemäßen Kündigung ausgeschlossen ist, kann der Kunde eine bestehende Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten auch über § 315 BGB durchsetzen.
Und deshalb ist ein Preisänderungsrecht entsprechend § 5 GVV ohne gleichzeitigen Ausschluss des Rechts zur ordnungegemäßen Kündigung durch den Lieferanten gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV m. E. immer eine einseitige Konstruktion zu Lasten des Kunden.
Und nochmals, weil es womöglich untergegangen ist.
Mit den Worten des BGH gesprochen:
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08 Tz. 38
Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer.
Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag.
Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).
--- Ende Zitat ---
Das hat nichts mit Wettbewerbsintensität auf einem Markt zu tun. Wirklich nicht.
reblaus:
@RR-E-ft
Diese Klausel hat einen gedanklichen Webfehler, da es wie ich sie verstehe für jeden Kunden ein individuelles Vertragsjahr gibt. Dann kann das gar nicht funktionieren. Wäre vereinbart, dass das Vertragsjahr für alle Kunden zum gleichen Zeitpunkt endet, und für Neukunden ein Rumpfvertragsjahr besteht, wäre an der Klausel nichts auszusetzen.
Bei E.on scheint man hauptsächlich an der Rechtsberatung zu sparen.
In dem Moment wäre auch für jeden Neukunden erkennbar, dass zu diesem Termin die Kostensteigerungen des Vorjahres weitergereicht werden, so dass ich noch nicht einmal an einer verspäteten Geltendmachung der Kosten rummäkeln würde.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von reblaus
@RR-E-ft
Diese Klausel hat einen gedanklichen Webfehler, da es wie ich sie verstehe für jeden Kunden ein individuelles Vertragsjahr gibt. Dann kann das gar nicht funktionieren. Wäre vereinbart, dass das Vertragsjahr für alle Kunden zum gleichen Zeitpunkt endet, und für Neukunden ein Rumpfvertragsjahr besteht, wäre an der Klausel nichts auszusetzen.
Bei E.on scheint man hauptsächlich an der Rechtsberatung zu sparen.
In dem Moment wäre auch für jeden Neukunden erkennbar, dass zu diesem Termin die Kostensteigerungen des Vorjahres weitergereicht werden, so dass ich noch nicht einmal an einer verspäteten Geltendmachung der Kosten rummäkeln würde.
--- Ende Zitat ---
@reblaus
Was ist los?
Womöglich haben Sie deren Preismodell (= Warentermingeschäft?) nicht verstanden, welches ein individuelles Vertragsjahr gerade voraussetzt.
Rumpfgeschäftsjahre mag es geben, Rumpfvertragsjahre eher nicht.
Es kommt gerade auf die Kostenentwicklung nach Vertragsabschluss mit dem konkreten Kunden an, weil das konkrete Äquivalenzverhältnis nach Vertragsabschluss durch eine Preisänderungsklausel gewahrt werden muss, was dazu führt, dass auch Kostensenkungen nach Vertragsabschluss weitergegeben werden müssen. E.ON spart gewiss nicht an Rechtsberatungskosten. Zudem verfügen die selbst über exzellente Kollegen.
--- Zitat ---Original von reblaus
Wer nicht in der Lage ist, seine Preise nach billigem Ermessen zu erhöhen, ist dauerhaft nicht in der Lage sein Geschäft zu betreiben und wird früher oder später aus dem Markt austreten müssen. So einfach kann Kapitalismus sein, wenn man ihn lässt.
--- Ende Zitat ---
Diese These ist vollkommen verfehlt. Wie kommen Sie denn darauf?
Jeder Sondervertrag ist, wenn er keine feste Vertragslaufzeit hat, für den Lieferanten ordnungsgemäß kündbar, so dass mit Änderungskündigungen jeweils vollkommen neue Preismodelle auf dem Markt geworfen werden können, ohne dass überhaupt auf bestehende Preisvereinbarungen und Äquivalenzverhältnisse Rücksicht genommen werden muss. Ein wirtschaftliches Risiko, bei gestiegenen Kosten bestehende unbefristete Sonderverträge zu unveränderten Preisen weiter bedienen zu müssen, besteht deshalb noch nicht einmal dann, wenn in einem befristeten Sondervertrag keine Preisänderungsklausel einbezogen wurde.
Die so auf den Markt geworfenen neuen Preismodelle haben eine Chance, wenn sie der Marktlage und der aktuellen Wettbewerbssituation entsprechen. Sonst freilich nicht.
Das bestätigen die Kaufleute in den Vertrieben ebenso, wie die Kautelar- Juristen in den Rechtsabteilungen der Energiekonzerne darum wissen.
Ich habe an Konzern- Beratungen zu verschiedensten Vertragsgestaltungen teilgenommen. Auf Vertragsgestaltungen nach der Liberalisierung der Energiemärkte hatte ich einen Schwerpunkt gelegt.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ich habe an Konzern- Beratungen zu verschiedensten Vertragsgestaltungen teilgenommen. Auf Vertragsgestaltungen nach der Liberalisierung der Energiemärkte hatte ich einen Schwerpunkt gelegt.
--- Ende Zitat ---
Und nun? Rächer der Enterbten?
RR-E-ft:
@Black
Jeder Wirtschaftsjurist weiß wohl, dass reblaus´ These vollkommen verfehlt ist:
--- Zitat ---Original von reblaus
Wer nicht in der Lage ist, seine Preise nach billigem Ermessen zu erhöhen, ist dauerhaft nicht in der Lage sein Geschäft zu betreiben und wird früher oder später aus dem Markt austreten müssen. So einfach kann Kapitalismus sein, wenn man ihn lässt.
--- Ende Zitat ---
Ich bezweifle schon sehr, dass sich Kapitalismus wenn man ihn lässt, durch der Billigkeit entsprechende Preiserhöhungen auszeichnet. An den Börsen dieser Welt zeichnet sich wohl immerhin ein anderes Bild.
Nach reblaus´ These müssten wohl schon viele Märkte in Deutschland zusammengebrochen sein, gerade weil der weite Spielraum der Billigkeit regelmäßig nicht den Anforderungen genügt, die an die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB zu stellen sind [vgl. nur BGH, Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06; Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08]. Ich bezweifle insbesondere sehr, dass jene Entscheidung vom 21.04.2009 nun das Ende des deutschen Sparkassenwesens bedeutet. Fest steht wohl jedenfalls, dass jene Entscheidung des BGH nicht für die weltweite Finanzkrise verantwortlich zeichnet. ;)
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