Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von Black
@RR-E-ft
Ja, diese Passage existiert, sie zeigt wenn ich mich recht erinnere eine Abweichung der selbst gewählten Klausel vom Leitbild auf.
--- Ende Zitat ---
reblaus:
Nach dem die Urteile nun jedermann zugänglich sind, frage ich mich, wo denn die große Katastrophe für die Verbraucher zu finden ist.
Halten wir doch mal ein paar Fakten fest.
1. Die unveränderte Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechtes in Sonderverträge ist zulässig.
2. Zur unveränderten Übernahme gehört zwingend die Übernahme des Kündigungsrechtes spätestens zum Zeitpunkt der Preiserhöhung.
3. Die beiden streitgegenständlichen Klauseln sind unwirksam, weil sie das gesetzliche Preisänderungsrecht zwar weitgehend aber nicht unverändert übernommen haben.
4. In aller Regel haben die Altverträge das gesetzliche Preisänderungsrecht nicht unverändert übernommen, sondern mit geringen aber entscheidenden Abweichungen.
5. Die Regelung wird daher erst für neu abzuschließende Verträge von Bedeutung sein.
6. Die Monopolsituation dürfte in fast ganz Deutschland der Vergangenheit angehören, da zahlreiche neue Anbieter darunter ausgesprochen günstige Unternehmen in den Markt eingetreten sind.
7. Vor allem die neuen Anbieter dürften ganz wild darauf sein, Kunden zu gewinnen, sie haben ja noch keine (und den ganzen Tag Däumchen drehen im Büro ist auf Dauer auch langweilig).
8. Bei zukünftigen Preisänderungen ist es daher ganz einfach, den Vertrag vor der Preiserhöhung zu beenden und zu einem der vielen neuen Anbietern mit günstigen Tarifen zu wechseln.
9. Wenn das ganz viele Verbraucher machen, werden die Altversorger ganz schnell überlegen, ob das mit der Ölpreisbindung eine so gute Sache ist.
10. Sie werden sich auch überlegen, wie die neuen Anbieter an die günstigen Bezugskonditionen kommen, und deren Einkäufer abwerben.
11. Sie werden selbst günstigere Tarife anbieten und ihre Kunden zukünftig umsorgen, statt sie nur zu melken.
12. Jetzt habe ich noch immer das Problem für die Verbraucher nicht gefunden.
Black:
@ reblaus
Es ist ja auch kein Problem für Verbraucher, sondern für Verbraucheranwälte. Denen droht ein bisher ewiges Einfalltor - unwirksame Anpassungsklausel im Sondervertrag - zugeschlagen zu werden.
Es ist auch ein Problem für den Kundentypus, der gerne zum günstigen Sonderanbieter wechselt und dann nach Jahren plötzlich auf die Idee kommt, dass es doch viel schöner wäre statt VOR einer Erhöhung zu wechseln NACH der Erhöhung die gezahlten Gelder zurück zu verlangen UND am besten noch der nachfolgenden Kündigung durch den Versorger zu widersprechen um quasi dauerhaft einen niedrigen Festpreis zu bewahren.
RR-E-ft:
@reblaus
Viele Ihrer \"Fakten\" erscheinen nicht nachvollziehbar. Haben Sie sich die selbst ausgedacht? (Abwerbung von Einkäufern usw.)
Vielleicht liegt das Problem z.B. darin, dass der Verbraucher u.a. die Einhaltung einer bestehenden Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten nicht hinreichend kontrollieren kann.
Mit den Worten des BGH gesprochen:
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08 Tz. 38
Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer.
Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag.
Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).
--- Ende Zitat ---
Wenn das bereits bei öffentlich- rechtlichen Sparkassen, die in ihrem Bereich in einem harten Wettbewerb stehen, problematisch ist, dann wird es bei privatwirtschaftlichen Energieversorgungsunternehmen, die weiter auf Märkten mit erheblichen Wettbewerbsdefiziten tätig sind, wohl erst recht zutreffen.
--- Zitat ---dpa/AFP 04.08.2009
Der Endverbraucher trägt die Kosten:
Experten rügen Wettbewerbsdefizit bei Energie
Der deutsche Strom- und Gasmarkt ist nach Angaben eines Expertengremiums nach wie vor weit von einem funktionierenden Wettbewerb entfernt. «Wir sind sehr unzufrieden mit der Wettbewerbssituation», sagte der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap, am Dienstag in Berlin.
--- Ende Zitat ---
Vielleicht liegt das Problem auch darin:
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16
Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.
--- Ende Zitat ---
Vielleicht liegt das Problem auch darin:
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz.26
Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu. Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.
--- Ende Zitat ---
Möglicherweise liegt das Problem aber auch darin,
dass der Lieferant gar nicht in der Lage ist, zu sagen, wie sich seine spezifischen Kosten nach dem konkreten Vertragsabschluss mit einem konkreten Sondervertragskunden entwickelt haben (nach oben oder nach unten) und der Lieferant deshalb selbst nicht zutreffend beurteilen kann, ob er gegenüber dem konkreten Kunden gerade zur Preiserhöhung berechtigt oder aber gerade zur Preisabsenkung verpflichtet ist... Wie sollte es dann erst der betroffene Kunde wissen können?!
Erfasst der Lieferant den Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses und die nachfolgende Entwicklung der spezifischen Kosten nicht exakt, ist er von Anfang an nicht in der Lage, das konkrete Äquivalenzverhältnis zu wahren, obschon er dazu (nicht nur pro forma) vertraglich verpflichtet ist. Die Wahrung des konkreten Äquivalenzverhältnisses ist dabei wesentliche Vertragspflicht des Lieferanten.
reblaus:
@RR-E-ft
Das einzige Argument das ich gelten lassen kann, ist die mangelnde Fähigkeit des Kunden, die Berechtigung einer Preisänderung abschätzen zu können. Wird eine Billigkeitskontrolle korrekt durchgeführt, führt sie aber zu einem fairen Ergebnis. Dieses Problem ist aber vom Gesetzgeber verursacht. Er mutet diesen Missstand den Grundversorgungskunden seit Jahr und Tag zu.
In Ihrem Zitat der Monopolkommission unterschlagen Sie, dass der Wettbewerb vor allem deshalb nicht in Gang kommt, weil nur 1% der Kunden den Versorger wechseln. Man kann die Verbraucher halt nicht zu marktgerechtem Verhalten zwingen. Aber 5 oder 10% Marktanteilsverlust hinterlassen bereits üble Bremsspuren in so mancher Bilanz, die der bisherigen Selbstbedienungsmentalität einen Riegel vorschieben dürfte.
Nur weil Sie den Urteilsausschnitt vom 19.11.08 verkürzt und wiederholt wiedergeben, ändert das noch nichts daran, dass dieser Passus sich nur auf den Anfangspreis und nicht auf spätere Preisänderungen bezog.
Das Urteil vom 29.04.2008 ist kein Widerspruch zu den Urteilen vom 15.07.2009. Es bedeutet einfach, dass diese Vorgabe auch im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu beachten ist. Eine billige Preisfestsetzung kann keinesfalls mit einer Beliebigkeit des gewählten Zeitpunktes einhergehen. Man muss dabei gar nicht soweit gehen wie ich, der die zeitgleiche Weiterreichung von Kostensteigerungen zumindest dann fordert, wenn der Neukunde durch andere Umstände nicht erkennen kann, dass er einen vorübergehend günstigeren Tarif abschließt, als es die Kostenstruktur eigentlich gestattet.
Wer nicht in der Lage ist, seine Preise nach billigem Ermessen zu erhöhen, ist dauerhaft nicht in der Lage sein Geschäft zu betreiben und wird früher oder später aus dem Markt austreten müssen. So einfach kann Kapitalismus sein, wenn man ihn lässt.
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