Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus
Black:
--- Zitat ---Original von courage
Nehmen wir mal an, ein Versorger hat vier Tarifvarianten im Angebot und die Tarifpreise müssten alle billigkeitshalber mindestens monatlich den schwankenden Kosten angepasst werden. Nehmen wir weiter an, die Verbraucher bleiben vorerst misstrauisch. Dann wären vom Versorger jährlich 4 mal 12 = 48 nachprüfbare Billigkeitsnachweise zu erbringen.
Ich kann mir vorstellen, dass den Versorgern dann doch eine Preisanpassugsklausel angenehmer wäre, selbst wenn sie ausgewogen, klar und verständlich ist.
--- Ende Zitat ---
Die Bezugskosten schwanken in der Regel nicht monatlich. Da man die einzelnen Preisanpassungen auch jährlich oder sogar rückwirkend für alle 3 Jahre einklagen kann, kann man das Ganze auch in einem Verfahren (pro Tarif) erledigen.
Bei nachgewiesener Billigkeit trägt die Kosten der Kunde, sonst das EVU.
reblaus:
@Courage
Eine ausgewogene Preisanpassungsklausel ohne Billigkeitskontrolle kann ich mir sehr schwer vorstellen.
Als Denkmodelle kommen nur befristete Festpreisverträge oder Preisanpassungsklauseln mit Billigkeitskontrolle in Frage.
@Black
Die Zukunft sieht vor, dass solche Prozesse gar nicht mehr geführt werden. Idealerweise wollen wir Kunden nicht in die Bücher der Versorger schauen, sondern in die Listen von Verivox, ob da nicht einer günstiger ist, als der eigene.
tangocharly:
--- Zitat ---@reblaus
Das LG Köln Hinweisbeschl. v. 7.01.2009 Az. 90 O 41/07 hat bereits entschieden, dass ein Vorziehen von bereits bekannten aber erst später wirksamen Bezugskostensteigerungen unbillig ist, da dadurch Verbraucher benachteiligt werden, die ihren Vertrag vor der Wirksamkeit der Bezugskostensteigerung beenden. Das gleiche muss im Umkehrschluss auch für das Ansparen von bereits erfolgten Bezugskostensteigerungen für eine spätere hohe Preiserhöhung gelten. Hierdurch werden Neukunden ungerechtfertigt benachteiligt. Diese vereinbaren mit Vertragsbeginn einen Preis mit dem die gesamte Kostenstruktur des Versorgers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgegolten wird. Dem Neukunden dürfen daher sämtliche Kostensteigerungen, die vor seinem Vertragsschluss entstanden sind, nicht mehr entgegen gehalten werden. Da die allgemeinen Tarife für Jedermann gelten, bedeutet dies, dass wegen der Rücksichtnahme auf Neukunden und abwandernde Kunden Kostensteigerungen nur zeitgleich mit ihrem Entstehen weitergereicht werden dürfen. Ansonsten verfällt der Anspruch.
--- Ende Zitat ---
Haben Sie dies wirklich aus dem Beschluß LG Köln so heraus gelesen. Hört sich zwar elegant an, weil man den Verbraucher ja anders herum auch mit seinem fehlenden Widerspruch in die Pfanne hauen will. Ist aber betriebswirtschaftlich nicht unbedenklich. Denn das Streben nach Deckungsbeiträgen ist ja zunächst nichts Verwerfliches.
Gehen Sie mal davon aus, der (Grund-)Arbeitspreis lag im Dezember bei 5,0 ct. Im Januar steigt der Bezug um 0,2 ct. Im April um weitere 0,2, ct. Im Juli um weitere 0,2 ct. Im Oktober will das EVU anpassen, weil eine weitere Bezugssteigerung von 0,2 ct eintritt.
Wie sieht das Ergebnis Ihrer Meinung dann aus:
(1) neuer Arbeitspreis ab Oktober: 5,2 ct
oder
(2) neuer Arbeitspreis ab Oktober: 5,8 ct
Konsequenz: der Versorger muß alle Vierteljahr anpassen und schafft aus seiner Sicht den erwünschten Deckungsbeitrag. Macht er dies nicht, gewinnt der Verbraucher 0,6 ct.
(Anm.: das mit dem \"Gewinn\" ist natürlich nur ein rhetorisches Plasphem 8) ).
War das so gemeint ?
nomos:
--- Zitat ---Original von Black
Bei nachgewiesener Billigkeit trägt die Kosten der Kunde, sonst das EVU.
--- Ende Zitat ---
Nein, so nicht, auch wenn man jetzt die Billigkeitsprüfung auf Versorgerseite propagiert! Es geht hier nicht um ein Gerichtsverfahren, sondern um eine faire Regelung und das ist keine faire Regelung. Der Nachweis der Billigkeit ist grundsätzlich zu führen. Nicht erst wenn ein Verbraucher Widerspruch wegen vermuteter Unbilligkeit einlegt und die Rechnung kürzt. Das ist nicht die Lösung.
Der Verbraucher hat keine Möglichkeit, die Billigkeit der einseitig festgelegten Leistung zu überprüfen. Die Daten und Fakten kennt der Versorger alleine, das ist einseitig und nicht fair. Der Nachweis der Billigkeit mit geeigneten Mitteln ist per Gesetz oder Verordnung zu regeln. Man könnte die Prüfung ja z.B. im Rahmen jeder Jahresabschlußprüfung verpflichtend durch Wirtschaftsprüfer vorgeben und den Nachweis zum Beispiel gegenüber den Kartellbehörden führen lassen. *)
Die Regelung kann nur lauten:
Die Beweislast und die Pflicht zum Nachweis der Billigkeit hat der, der die Leistung bestimmt.
Das wäre eine faire Regelung. [/list]*) In anderen Wirtschaftsbereichen kann der Gesetz- und Verordnungsgeber das auch.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von reblaus
@RR-E-ft
Sie kommen einfach nicht davon los, bestehende Sonderverträge mit zukünftig den Vorgaben des 8. Zivilsenats entsprechenden Sonderverträgen zu vermischen.
Bei Altverträgen mögen Ihre Ausführungen vollständig zutreffen. Nur bei Altverträgen sind diese Ausführungen überflüssig, da diese in aller Regel keine den Vorgaben des 8. Zivilsenats entsprechenden Preisänderungsklauseln beinhalten. Die dort vorliegenden Klauseln dürften größtenteils wegen § 307 BGB unwirksam sein.
Eine für jeden Sonderkunden individuelle Preisfestsetzung ist mit den Vorgaben des BGH an Preisänderungsklauseln nicht vereinbar. Das gesetzliche Preisänderungsrecht wird nur dann unverändert in Sonderverträge übernommen, wenn ihm auch dort ein allgemeines für Jedermann gültiges Preissystem zugrunde liegt. Eine unveränderte Übernahme liegt dann nicht vor, wenn die Klausel zwar wortgleich aber in ihrer Auslegung ungleich übernommen werden soll. Dadurch ist die Rechtsprechung zu den Grundversorgungsverhältnissen auf die Sonderverträge 1 : 1 übertragbar.
--- Ende Zitat ---
@reblaus
Ich kann Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen, was nichts heißen muss.
Vor allem komme ich nicht von den Inhalten meiner - maßgeblich auch in den Rechtsabteilungen von Energieversorgungsunternehmen - absolvierten juristischen Ausbildung los, wofür ich um Nachsicht bitte.
Ich dachte, Sie hätten die Entscheidungen VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07 und KZR 2/07 gelesen, aus denen Ihnen gerade noch eine Synthese vorschwebte. Gerade KZR 2/07 zeigt doch die Unterschiede zwischen (grundversorgten) Tarifkunden und Sondervertragskunden deutlich auf.
Ein vereinbarter Sondervertragspreis wird auch im Falle einer vereinbarten Preisänderungsklausel unbestreitbar nicht zu einem Allgemeinen Tarif. Sonderpreise unterliegen der Vertragsfreiheit und werden zuweilen bereits vor Vertragsabschluss sehr individuell kalkuliert. Wer in der Energiewirtschaft an entsprechender Stelle tätig ist, weiß das.
Splittet man einen Sondervertragspreis gedanklich in einen vereinbarten Anfangspreis und eine der Billigkeitskontrolle unterliegende Preisänderung, die das bestehende Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis wahren soll und muss, dann kann der Maßstab der Billigkeitskontrolle nur ein individueller sein.
Es dürfen nur solche Kostenerhöhungen für eine Preiserhöhung gegenüber dem konkreten Sondervertrags- Kunden herangezogen werden, die tatsächlich erst nach dem individuellen Vertragsabschschluss mit dem entsprechenden Kunden eingetreten sind. Schließlich geht es doch um das Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis, das durch eine Preisänderungsklausel gewahrt werden muss. Für Preisanpassungen zugunsten des Kunden gilt spiegelbildlich Entsprechendes.
Daran ändert auch nichts, wenn man es als zulässig erachtet, dass der Lieferant den Sondervertragspreis durch öffentliche Bekanntgabe nach billigem Ermessen abzuändern gleichermaßen berechtigt und verpflichtet sein soll. Die öffentliche Bekanntgabe wird wohl eben etwas differenzierter als bei der öffentlichen Bekanntgabe einer Neufestsetzung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung ausfallen müssen.
Ob das bei Vertragsabschluss durch die Preisvereinbarung konkret gebildtete Äquivalenzverhältnis noch gewahrt ist oder aber durch eine vorgenommene Preisänderung zu Gunsten des Lieferanten oder aber eine unterlassene Preisänderung zu Gunsten des Kunden nachträglich zu Gunsten des Lieferanten und somit zu Lasten des Kunden verschoben wurde, hätte eine Billigkeitskontrolle in Bezug auf das konkrete Vertragsverhältnis dabei erst zu erbringen.
Es darf nicht der Fehler begangen werden, ein gesetzliches Leistungsbestimmunsgrecht mit einem vertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrecht oder einer Preisänderungsklausel gleichzusetzen.
Sowohl ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht als auch ein vertraglich vereinbartes Leistungsbestimmungsrecht, das die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB zur Folge hat, führen zwar zur Billigkeitskontrolle, jedoch ist der Prüfungsmaßstab dabei zwangsläufig ein anderer, was gerade der VIII. Zivilsenat aufzeigt (VIII ZR 138/07 Tz. 16).
Ich habe es so verstanden, dass Black und Ronny es in Sonderverträgen, bei denen bei Vertragsabschluss kein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht vereinbart wurde, das zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt (VIII ZR 138/07), für möglich halten, dass ein vereinbarter Sonderpreis unter Zugrundelegung einer bestimmten Preisänderungsklausel nach billigem Ermessen gleichermaßen nachträglich abgeändert werden kann und muss, um das Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis nach Vertragsabschluss zu wahren, was gerichtlich kontrolliert werden können soll...
Wird eine Kostenerhöhung nach Vertragsabschluss durch eine Preisänderung dabei nicht vollständig an den Kunden weitergegeben, verschiebt sich das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis zu Gunsten des Kunden. Wird dieses neue Äquivalenzverhältnis etwa zwischen den Parteien vereinbart, ist dieses und nicht etwa das ursprünglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis durch zukünftige Preisanpassungen fortan zu wahren...
Bei Sondervertragskunden müssen nachträgliche Kostensenkungen unverzüglich und vollständig preiswirksam werden, die Preise zugunsten der Kunden angepasst werden, um das konkret vereinbarte Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis zu wahren.
Bei grundversorgten Tarifkunden ist es selbstverständlich auch unzulässig, bereits absehbare zukünftige Kostenerhöhungen vor dem tatsächlichen Eintritt der Kostenerhöhungen einzupreisen. Jedoch ist es dort ausdrücklich zulässig, Kostenerhöhungen nicht sofort, sondern erst mit zeitlicher Verzögerung einzupreisen.
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