Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kartellrecht  (Gelesen 53875 mal)

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Offline tangocharly

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Kartellrecht
« Antwort #90 am: 25. April 2009, 23:40:17 »
@nomos

.... möchte nicht Schulmeistern, aber der Hinweis auf folgende Passage in BGH, 19.11.2008 in Tz. 47 erscheint mir, auch wenn man die Ansichten des VIII. Senats nicht stützen mag, wichtig:

Zitat
Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Vorgehen geeignet ist, den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu gewährleisten, insbesondere, weil es sich bei der Gegenpartei nicht um einen Wettbewerber der Beklagten, sondern um einen Kunden handelt und folglich nicht schon die Bekanntgabe der Geheimnisse selbst eine Geheimnisverletzung zur Folge hätte.


Sie sehen darin, dass der BGH, wenn es um die Verfassung geht, sehr sensibel reagiert und dort, wo sich das BVerfG bereits festgelegt hat, nicht \"am Rad dreht\". Dem BVerfG ist ja schon der Kartellsenat gefolgt, noch zeitens seines -vormaligen- Präsidenten, Dr. Hirsch.

Leider vermisse ich diese Sensibilität bei den unteren Instanzen. Denn wenn es einem Amtsrichter für die Billigkeit der Gaspreise ausreichen kann, ohne auch nur die geringste Datenmenge einer Kalkulation gesehen zu haben, dass \"offensichtlich die Gaspreise von der Ölpreisbildung bestimmt werden, dann werden Tautologen im Staatssalär zum Vollstrecker.

Aber bleiben wir auf der Sachebene. Dem effektiven Rechtsschutz steht der Geheimnisschutz gegenüber. Beides sind Positionen mit Grundrechtsrang. Wohin kommen wir, wenn eine der Parteien selbstherrlich darüber entscheidet, welcher dieser Positionen hier Vorrang eingeräumt werden muß. Wer, wenn nicht der weisungsungebundene Richter, hat hier die Kompetenz, diese Frage zu beleuchten und zu entscheiden.

Und dennoch, nomos ist unbedingt beizupflichten, wenn er seinen Kampf an dieser Front kämpft:
Die Stadtwerke sind keine Bananenhändler, sondern haben sich in die Daseinsvorsorge eingemischt. Weil die keine Bananen verkaufen, sondern Gas, fehlt es an einer rein gewinnorientierten Unternehmung. Wem die Gewinnsucht von Bananenhändlern nicht passt, der muß auch keine Bananen kaufen. Wenn Bananenhändler die Kalkulation nicht preisgeben wollen, dann müssen die halt damit leben, dass keiner mehr Bananen kauft. Wenn aber der Preis von Bananen dem von Melonen entspricht, dann wird es eng mit der Auswahl. Wenn dann aber Stadtwerke den Bananenhandel zur Daseinsvorsorge küren und Bananenhändler mit Kapitalanteilen beherrschen wollen, dann kann sich der von der öffentlichen Hand beherrschte Bananenhändler nicht mehr hinter Art. 12 GG verstecken.
Die öffentliche Hand operiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist Bürgervertretungen rechenschaftspflichtig.  Nun geht es aber im Zivilprozeß nicht um die Kollektivkontrolle. Dann ist halt im Individualprozeß die Individualkontrolle gefragt. So könnte man auch effektiven Rechtsschutz definieren: \"Versagt das System, versagt gleichwohl nicht das Individuum\".
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline nomos

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Kartellrecht
« Antwort #91 am: 26. April 2009, 10:02:57 »
Zitat
Original von tangocharly
.... möchte nicht Schulmeistern, aber der Hinweis auf folgende Passage erscheint mir wichtig:

Zitat
Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Vorgehen geeignet ist, den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu gewährleisten, insbesondere, weil es sich bei der Gegenpartei nicht um einen Wettbewerber der Beklagten, sondern um einen Kunden handelt und folglich nicht schon die Bekanntgabe der Geheimnisse selbst eine Geheimnisverletzung zur Folge hätte.

Sie sehen darin, dass der BGH, wenn es um die Verfassung geht, sehr sensibel reagiert und dort, wo sich das BVerfG bereits festgelegt hat, nicht \"am Rad dreht\".
........
Leider vermisse ich diese Sensibilität bei den unteren Instanzen.
........
Die öffentliche Hand operiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist Bürgervertretungen rechenschaftspflichtig.
    @tangocharly, Ihr Hinweis trifft den Kern und ist keine Schulmeisterei. Mein Hinweis wegen der mangelnden \"Sensibilität\" war jetzt nicht auf die Judikative, sondern in erster Linie auf die Executive gerichtet.
    Hier nochmal der Antwortauszug des BW-Wirtschaftsministers in Bezug auf kommunale Stadtwerke:
    Zitat
    Daneben hat die Landeskartellbehörde aufgrund einer erweiterten Enqueteabfrage Stand Dezember 2008, die jedoch noch nicht vollständig ausgewertet ist, Erkenntnisse u. a. zu den konkreten Einkaufspreisen, zu der Kundenstruktur und zur Preiskalkulation erhalten. Sie stellen ganz überwiegend Geschäftsgeheimnisse dar, die es zu wahren gilt.
    [/list]Mit der Auslagerung kommunaler Aufgaben in Beteiligungen mit privater Rechtsformen wurde in der praktischen Auswirkung zunehmend die \"Rechenschaftspflicht\", die Kontrolle und die Entscheidungen den Bürgervertretern entzogen. Die Städte und Gemeinden, konkret die Bürgermeister und Oberbürgermeister, die Verwaltungen,  haben sich hier zunehmend neben dem kommunalen Haushalt Spielräume geschaffen, die so nach meiner Meinung vom Kommunalrecht nicht vorgesehen und nicht gedeckt sind.

    Wenn man sich mit der Praxis beschäftigt, stellt man fest, dass die gewählten Vertreter (Gemeinderäte) schlicht nicht informiert sind, delegierte Aufsichtsratsmitglieder eingeschlossen. Man lässt die Verwaltung walten, Abstimmungen erfolgen kenntnis- und informationsarm pro forma am laufenden Band. Der Bürger findet hier eher eine - unkontrollierte, eine versteckte \"nicht öffentliche\" Hand statt einer öffentlicher Hand im Sinne von offen!

    Eigentlich ist das in unserer demokratischen Ordnung ja so vorgesehen:
      Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger. Als Hauptorgan der Gemeinde hat er die Gemeindeverwaltung zu überwachen, über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschliessen, den Haushalt zu verabschieden und zu kontrollieren.
      \"Nebenhaushalte\" in Beteiligungen und  diversen Holdingkonstrukten sind da eingeschlossen!
    siehe hier[/list]

    Offline reblaus

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    Kartellrecht
    « Antwort #92 am: 26. April 2009, 10:17:45 »
    @tangocharly, nomos
    Wie sieht Ihre Theorie eigentlich bei den Sparkassen aus? Müssen wir uns da auch auf mehr Offenheit einstellen? Mich würde brennend interessieren was mein Nachbar so auf dem Konto hat. Ob er etwa E.on-Aktien besitzt oder nur auf langweiliges Festgeld setzt.

    Ich weiß ja, dass es Ihr Lieblingsthema ist, nomos. Aber eine kleine ketzerische Frage hierzu konnte ich mir nicht verkneifen.

    Dass Sie sich für Kartellrecht nicht so sehr begeistern, habe ich eingesehen :D.

    Offline nomos

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    Kartellrecht
    « Antwort #93 am: 26. April 2009, 10:46:02 »
    Zitat
    Original von reblaus
    @tangocharly, nomos
    Wie sieht Ihre Theorie eigentlich bei den Sparkassen aus? Müssen wir uns da auch auf mehr Offenheit einstellen? Mich würde brennend interessieren was mein Nachbar so auf dem Konto hat. Ob er etwa E.on-Aktien besitzt oder nur auf langweiliges Festgeld setzt.

    Ich weiß ja, dass es Ihr Lieblingsthema ist, nomos. Aber eine kleine ketzerische Frage hierzu konnte ich mir nicht verkneifen.

    Dass Sie sich für Kartellrecht nicht so sehr begeistern, habe ich eingesehen :D.
      @reblaus, mit Ihrer \"kleinen ketzerischen Frage\" liegen Sie aber schon sehr weit weg vom Schuss.

      Es geht hier nicht um das Bankgeheimniss bzw. ich will ja nicht den Gasverbrauch des Oberbürgermeisters oder meines Nachbarn von den Stadtwerken erfahren, sondern die Kalkulationsgrundlagen und die Mittelverwendung für den zu bezahlenden Gaspreis.

      Was das Thema angeht, die Bürgervertreter (Gemeinderäte, Kreisräte etc) dürfen sich schon die Frage stellen, was denn in der Vergangenheit mit den Gewinnen der Sparkassen geschehen ist. Hier geht es nicht um Energieversorgung, aber wurden da Gewinne auch im gleichen Verhältnis ausgeschüttet und zweckfremd verwendet?  

      Und wenn Sie schon die Sparkassen erwähnen. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eben auf die Verbandsklagen eines Verbraucherschutzverbandes gegen zwei Sparkassen entschieden, dass eine Klausel der AGB, im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB unwirksam ist. Hier im Forum wurde darauf schon hingewiesen, auch auf die Bedeutung für uns Verbraucher im Allgemeinen.

      Es geht hier um das Thema faire angemessene Energiepreise und nicht nicht um Lieblingsrechtsgebiete. Das Wettbewerbsrecht bzw. das Kartellrecht hat seine Zweckbestimmung und seinen Stellenwert. Das gilt auch auch für das öffentliche Recht (kommunales Wirtschaftsrecht), das eben für Stadtwerke und wenn Sie wollen auch für Sparkassen eine Rolle spielt.  usw...
    PS:
    Und dass der Bürger auch auf \"seine\" Sparkasse achten sollte kann man hier erfahren.
     Der kommunale Klüngel:  MONITOR

    Offline reblaus

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    Kartellrecht
    « Antwort #94 am: 27. April 2009, 10:01:39 »

    Offline RR-E-ft

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    « Antwort #95 am: 06. Mai 2009, 17:21:54 »
    Prof. Schwintowski- Schadensersatz für Kartellgerschädigte

    Zitat
    Schadensersatz kann zweierlei bedeuten. Entweder fordert der Geschädigte die Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpfichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB – Naturalrestitution). Danach wäre der auf dem überhöhten Kartellpreis beruhende Vertrag gar nicht erst geschlossen worden, folglich nunmehr rückabzuwickeln. Dem Geschädigten ist das ursprünglich vereinbarte Entgelt zurückzuzahlen, während er selbst nur den tatsächlichen Wert der empfangenen Leistungen zu ersetzen hat. Dieser Wert ist im Vergleich zu dem überhöhten Kartellpreis regelmäßig deutlich niedriger. Alternativ kann der Geschädigte Schadensersatz in Geld verlangen.

    Das gilt auch im Verhältnis Versorger/ Vorlieferant bei einem infolge Kartellrechtswidrigkeit bzw. Verstoß gegen Art. 81 EG nichtigen Bezugsvertrag.

    Der tatsächliche Wert der empfangenen Leistung wird sich bei Gas nach den Erdgasimportpreisen bemessen, nicht jedoch mit diesen identisch sein. Sind die Erdgasimportpreise variabel, so ist es der tatsächliche Wert der Ware Erdgas im Inland ebenso.

    Siehste hier.

    Zitat
    Original von RR-E-ft 15.04.2009 14:59

    Wäre ein Vorlieferantenvertrag infolge Kartellrechtswidrigkeit vollständig nichtig, so könnte der aus dem Vertrag resultierende Kaufpreisanspruch des Vorlieferanten gegen den Versorger als Rechtsgrund vollständig entfallen. Die Lieferbeziehung zwischen Vorlieferant und Versorger wäre dann ggf. nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen für den betroffenen Zeitraum (rück-)abzuwickeln.

    Der Versorger könnte deshalb trotzdem nicht die an den Vorlieferanten auf (nichtiger) vertraglicher Grundlage erbrachten Zahlungen für über die Jahre tatsächlich erfolgte Erdgaslieferungen vollständig zurückfordern, sondern müsste sich den Wert der Bereicherung der aufgrund des (nichtigen) Vertrages gelieferten Erdgasmengen entgegenhalten lassen.

    Auch dabei wäre der objektive Wert der gelieferten Erdgasmengen, der sich zum einen nach dem objektiven Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze und zum anderen nach den Kosten der Netznutzung der vorgelagerten Netze bemisst, zu berücksichtigen. Der Versorger wäre also auch bei einem nichtigen Vorlieferantenvertrag nicht so gestellt, als dass er die gelieferten Erdgasmengen wegen \"nichtiger Preisbestimmung\" gar als vollständig unentgeltlich oder auch nur zu einem stabilen Preis geliefert verbuchen könnte.

    Das muss sich wohl in der einen oder anderen Weise auch auf die Letzverbraucherpreise bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht niederschlagen.

    Offline reblaus

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    Kartellrecht
    « Antwort #96 am: 29. August 2009, 17:26:22 »
    Nachdem die Urteilsbegründung von BGH Beschl. v. 10.02.2009 Az. KVR 67/07 nun veröffentlicht wurde, ergibt sich für kartellrechtswidrige Gasbezugsverträge folgender Tatbestand.

    Ein Vertrag muss eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren haben und eine Bezugsmenge von mindestens 80% des Gesamtbezuges umfassen,
    oder die Laufzeit muss mehr als vier Jahre betragen und der Vertrag eine Bezugsmenge von mindestens 50% des Gesamtbezuges umfassen.
    Es muss auf dem sachlich und örtlich maßgeblichen Markt ein Bündel solcher Verträge, die mindestens 30% Marktanteil ausmachen, abgeschlossen worden sein.
    Sachlich maßgeblich ist der Markt zur Belieferung von Orts- und Regionalgasunternehmen zur Belieferung an Endverbraucher.
    Örtlich maßgeblich ist das Marktgebiet der Ferngasunternehmen, der durch deren Leitungsnetz bestimmt wird.

    Liegen diese Voraussetzungen vor, verstößt jeder einzelne Vertrag gegen Art. 81, 82 EG, § 1 GWB, und ist nichtig.

    Verbraucher deren Gasversorger im Marktgebiet der E.on Ruhrgas ansässig ist, müssen damit nur noch die individuellen Voraussetzungen des einzelnen Bezugsvertrages nachweisen. Für die Voraussetzung der Marktdurchdringung solcher Verträge können sie sich auf die Verfügung des Bundeskartellamts in Verbindung mit der BGH-Entscheidung berufen.

    Preiserhöhungen, die auf solchen unzulässigen Verträgen beruhen, sind nicht nur unbillig sondern nichtig. Dies hat zur Folge, dass sie auch Kunden gegenüber, die nicht rechtzeitig widersprochen haben, keine Wirkungen erzeugen.

    Diesen Verbrauchern steht auch eine Schadensersatzklage gegen die E.on Ruhrgas offen.

    Bei allen Verbrauchern außerhalb des Marktgebietes der E.on Ruhrgas erhöhen sich die Beweisschwierigkeiten aufgrund der 30%-Grenze beim Marktanteil solcher Verträge. Soweit eine Verpflichtung des Bundeskartellamtes zur Offenlegung der allgemeinen Marktverhältnisse im jeweiligen Marktgebiet nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht durchgesetzt werden kann, dürfte eine erfolgreiche Beweisführung ausgeschlossen sein.

    Allenfalls im Marktgebiet der Gasversorgung Süddeutschland bestehen geringe Aussichten die Marktverhältnisse nachzuweisen, da dieses Marktgebiet mit dem Land Baden-Württemberg nahezu identisch ist, und deshalb auf Daten des Landeskartellamtes zurückgegriffen werden kann. Auch haben die beiden größten regionalen Gasversorger Badenova und EnBW zusammen einen Marktanteil von über 30%. Bei der Badenova ist nachweisbar, dass sie bis zum 30.09.2007 über einen solchen lang laufenden Bezugsvertrag über ihre Gesamtmenge verfügte. Ob sich dies bei der EnBW ebenso verhält steht zwar zu vermuten, konkrete Nachweisquellen sind im Internet aber nicht zu finden.

    Abgesehen von der Frage der Nichtigkeit von Preiserhöhungen führt ein kartellrechtswidriger Bezugsvertrag zur Nichtigkeit der Preisänderungsklausel im Bezugsvertrag. Hierzu hat der BGH Urt. vom 9.07.2009 Az. VIII ZR 314/07 folgendes ausgeführt

    Zitat
    Tz. 28
    Dafür, dass es sich bei den von der Beklagten geltend gemachten Bezugskostensteigerungen um im vorgenannten Sinne \"unnötige\" Kosten handelt, ergeben sich aber keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Wenn sich die Beklagte, wie sie vorträgt, als kommunales Gasversorgungsunternehmen mit geringer Nachfragemacht der - branchenüblichen - Ölpreisbindung nicht entziehen konnte, scheidet die Möglichkeit eines Gasbezugs ohne eine solche Preisbindung als günstigere Beschaffungsalternative aus, sofern eine solche nach den Marktgegebenheiten überhaupt besteht. Ob die Ölpreisbindung in dem Vorlieferantenverhältnis korrekt umgesetzt worden ist, die Beklagte die von ihr geltende gemachte Preiserhöhung durch den Vorlieferanten nach den Bezugsverträgen also tatsächlich schuldete, wird im Rahmen der Beweisaufnahme über die von der Beklagten behauptete Bezugskostensteigerung zu klären sein (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 44).

    Diese Aussage lege ich dahingehend aus, dass die Beweislast, ob der Versorger die behauptete Bezugskostensteigerung überhaupt schuldete, beim Versorger liegt. Will er seine Bezugskosten weiterreichen, hat er nachzuweisen, dass der Bezugsvertrag kartellrechtskonform vereinbart wurde. Eine rechtskonforme Vertragsgestaltung wird gesetzlich nicht vermutet.

    Der Verbraucher wird jedoch gehalten sein, seine Zweifel an der kartellrechtskonformen Ausgestaltung substantiiert darzulegen. Behauptungen ins Blaue hinein dürften unbeachtlich bleiben.

    Hierzu ist ein Hinweis auf die Verfügung des Bundeskartellamtes gegen E.on Ruhrgas vom 13.01.2006 Az. B 8 – 113/03 – 1 hilfreich. Unter III. Vertragssituation Nr. 1 haben die Untersuchungen von Bezugsverträgen, die 75% der belieferten Unternehmen und 90% des an diese Unternehmen insgesamt gelieferten Erdgases ausmachen, ergeben, dass 70% dieser Verträge Gesamtbezugsverträge mit Laufzeiten von mehr als zwei Jahren sind. Somit sind 67,5% der in diesem Bereich abgesetzten Gasmengen mit potentiell kartellrechtswidrigen Verträgen abgesetzt worden.

    Selbst wenn dem Verbraucher der Nachweis der Kartellrechtswidrigkeit nicht gelingt, dürfte sich diese rechtswidrige Vertragspraxis in vielen Fällen als erfolgreicher Einwand gegen die Billigkeit von Preisfestsetzungen herausstellen.

    Offline Lothar Gutsche

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    Kartellrecht
    « Antwort #97 am: 29. August 2009, 19:40:21 »
    @ reblaus

    Ich wende mich an Sie als den Kartellrechtsexperten im Forum. Sie schreiben
    Zitat
    Preiserhöhungen, die auf solchen unzulässigen Verträgen beruhen, sind nicht nur unbillig sondern nichtig. Dies hat zur Folge, dass sie auch Kunden gegenüber, die nicht rechtzeitig widersprochen haben, keine Wirkungen erzeugen.
    ...
    Abgesehen von der Frage der Nichtigkeit von Preiserhöhungen führt ein kartellrechtswidriger Bezugsvertrag zur Nichtigkeit der Preisänderungsklausel im Bezugsvertrag.
    Wenn nun ein Gasbezugsvertrag kartellrechtswidrig ist, weil die Bedingungen aus dem BGH-Urteil KVR 67/07 vom 10.2.2009 alle erfüllt sind, so ist doch der Gesamtpreis im Vorlieferantenverhältnis zwischen Stadtwerken und Ferngasunternehmen nichtig. Die Stadtwerke rügten jedoch bei ihrem Vorlieferanten die überhöhten Vorleistungskosten im allgemeinen nicht als unbillig oder gar als kartellrechtswidrig. Vielmehr wälzten die Stadtwerke die überhöhten Vorleistungskosten einfach auf ihre Endkunden über.

    Nun habe ich drei Fragen an Sie:
    [list=1]
    • Ist das Nichtrügen der überhöhten Vorleistungspreise und das Überwälzen dieser vermeidbaren Mehrkosten nicht selbst ein Beleg für den Missbrauch einer regional marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 GWB, und zwar ein Missbrauch der Stadtwerke gegenüber ihren Endkunden?
    • Falls sich die Stadtwerke durch ihr Verhalten gegenüber Endkunden demnach selbst kartellrechtswidrig verhalten, sind dann nicht nur die Preiserhöhungen der Endkunden nichtig, sondern die Gesamtpreise, die von Endkunden verlangt wurden?
    • Wenn das Preisverhalten zwischen Vorlieferant und Stadtwerk sogar abgestimmt wurde, z. B. durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Vorlieferanten an dem Stadtwerk, handelt es sich dann nicht sogar um ein Hardcore-Kartell im Sinne des § 1 GWB?
      [/list=1]
      Auf Ihre Antworten freue ich mich.

      Mit freundlichen Grüßen
      Lothar Gutsche

    Offline reblaus

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    Kartellrecht
    « Antwort #98 am: 30. August 2009, 07:39:11 »
    @Lothar Gutsche

    Ich bin kein Kartellrechtsexperte. Ich habe mich mit dem Thema nur etwas mehr befasst als andere.

    Wenn solche Verträge im Bündel vorliegen, verstößt jeder einzelne Vertrag auch gegen Art. 82 EG. Das ist die europarechtliche Entsprechung des § 19 GWB. D.h. das Ferngasunternehmen beutet mit dem Abschluss solcher Verträge seine marktbeherrschende Stellung aus. Das Gleiche muss nach meiner Ansicht auch für das Regionalgasunternehmen gelten, wenn es weiß, dass sein Vertrag Teil eines solchen Vertragsbündels ist.

    Wenn das Regionalgasunternehmen solche unwirksamen Bezugskostensteigerungen zum Anlass eigener Preiserhöhungen benutzt, so sind diese Preiserhöhungen nach EuGH aber schon von der Nichtigkeit des Bezugsvertrages umfasst, und allein deshalb ebenfalls nichtig.

    Der Gesamtpreis wäre nur dann nichtig, wenn das kartellrechtswidrige Verhalten sich auf den Gesamtpreis bezöge. Das kartellrechtswidrige Verhalten bezieht sich aber nur auf die Bezugskostenfrage. Es sind daher nur die auf Bezugskostensteigerungen beruhenden Preissteigerungen nichtig. Sie müssen bedenken, dass diese Praxis bis zum 28.04.1998 legal war.

    Wenn Unternehmen Verbindungen eingehen, indem sie in erheblichem Umfang Kapitalbeteiligungen aufbauen, wird kein Kartell gebildet, sondern eine marktbeherrschende Stellung geschaffen, erweitert oder gar ein Monopol gebildet. Dies kann nur mit der Fusionskontrolle verhindert werden.

    Offline Cremer

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    « Antwort #99 am: 30. August 2009, 09:45:48 »
    @reblaus,

    so geschehen mit den alten Tarifen der SW KH \"Kreuznacher Stadtgas\" und \"Kreuznacher Stadtstrom\"

    Diese verstießen in ihrer Form im \"Kreuznacher Energieclub\" gegen Artikel 82 der EG, da sie im Kreuznacher Energieclub miteinander verkoppelt waren.

    Die Landeskartellbehörde Rheinland-Pfalz ging im Januar 2006 mit einem Mißbrauchsverfahren gegen die SW KH vor.

    Daraufhin wurde der alte Tarif \"Kreuznacher Stadtstrom zum 30.6.06 und \"Kreuznacher Stadtgas\" zum 30.9.06 beendet und dann als eigenenständige Tarife weiterhin angeboten.
    MFG
    Gerd Cremer
    BIFEP e.V.

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    Offline reblaus

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    « Antwort #100 am: 30. August 2009, 11:00:38 »
    @Cremer
    Wenn an diesen Tarifen lediglich die Stadtwerke Kreuznach beteiligt waren, handelte es sich mit Sicherheit um einen Verstoß gegen § 19 GWB. Dann hat dieses einzelne Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung auf dem örtlichen Markt missbraucht.

    Immer wenn es sich um Vereinbarungen zwischen zwei Unternehmen handelt, die nicht dem gleichen Konzern angehören, spricht man von Kartellen. Solche Vereinbarungen sind nach Art. 81 EG, bzw. § 1 GWB (deutsche Entsprechung) verboten. Sollten die beteiligten Unternehmen zusätzlich über eine marktbeherrschende Stellung verfügen, so kann gleichzeitig ein Missbrauch derselben vorliegen.

    Offline Lothar Gutsche

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    « Antwort #101 am: 30. August 2009, 11:19:53 »
    @ reblaus

    Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Sie sind hier unbestritten der Kartellrechtsexperte, zumindest für mich als Nicht-Jurist.

    Ihre Antwort verstehe ich noch nicht ganz, zumindest was die Schlussfolgerung für Endkundenpreise angeht. Denn Sie übertragen die vom 8. Zivilsenat des BGH begründete Aufspaltung des Gesamtpreises in einen Preissockel und spätere Preiserhöhungen auch auf kartellrechtliche Auseinandersetzungen.

    Bei wirksamen Wettbewerb hätte das Stadtwerk die überhöhten Vorleistungspreise des Ferngaslieferanten nicht an die Endkunden überwälzen können. Indem das Stadtwerk das aber tut, nutzt es seine regional marktbeherrschende Stellung missbräuchlich aus: es fordert Entgelte, \"die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden\". Wenn sich das regionale Stadtwerk im Sinne von § 19 Absatz 4 GWB selbst kartellrechtswidrig verhält, dann ist der Vertrag des Stadtwerks mit den Endverbrauchern und mit ihm die Gesamtpreisforderung nichtig. Der Kartellsenat des BGH hat sich bislang deutlich gegen die Auffassung ausgesprochen, dass der Gesamtpreis sich in eine kartellrechtskonformen Preissockel und kartellrechtswidrige Preiserhöhungen aufspalten ließe. Statt dessen hielt der Kartellsenat eine solche Aufspaltung für künstlich und für die Ursache von Zufallsergebnissen, siehe z. B. das BGH-Urteil KZR 36/04 vom 18.10.2005.

    Auf welche Gesetzesgrundlage oder auf welche Rechtsprechung also stützen Sie Ihre Aufspaltung eines kartellrechtswidrigen Gesamtpreises in einen angeblich  kartellrechtskonformen Preissockel und kartellrechtswidrige Preiserhöhungen?


    Ihre Ansicht zu den Kapitalbeteiligungen überzeugt mich nicht, denn die meisten Stadtwerke, an denen sich potentielle Vorlieferanten beteiligt haben, kaufen ihre Vorleistungen \"zufällig\" bei diesem Minderheits- oder Mehrheitsgesellschafter zu überteuerten Konditionen ein. Das Bundeskartellamt stellt in dem Beschwerdeverfahren E.ON/Stadtwerke Eschwege fest:

    Bei jeweils über 70 % ihrer Minderheitsbeteiligungen im Strombereich hatten die Verbundunternehmen E.ON, RWE und EnBW in 2003 und 2004 eine Vorlieferantenposition inne, lediglich Vattenfall weicht mit einem Prozentwert von rd. 50 % davon ab. Dieser Abweichung darf aber durch die geringe Zahl der von Vattenfall gehaltenen Minderheitsbeteiligungen im Strombereich keine besondere Bedeutung beigemessen werden. Damit wird auch deutlich, dass E.ON und RWE in besonderem Maße aber auch EnBW und Vattenfall Strategien der Absatzsicherung über die Beteiligung an Elektrizitäts- bzw. Gasversorgungsunternehmen verfolgen und nutzen.

    Quelle: „Die Strommärkte in Deutschland 2003 und 2004- Erhebung des Bundeskartellamtes im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren E.ON Mitte / Stadtwerke Eschwege (B 8 – 21/03 – B)“, Seite 345 – 356 in der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER), Heft 4/2008

    Deshalb bleibt meine Frage nach einem Hardcore-Kartell im Sinne des § 1 GWB weiter im Raum, das durch die Kapitalbeteiligung und gleichzeitige Abstimmung zum Einkauf von Vorleistungen geschaffen wird.

    Mit freundlichen Grüßen
    Lothar Gutsche

    Offline reblaus

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    Kartellrecht
    « Antwort #102 am: 30. August 2009, 12:32:41 »
    @Lothar Gutsche
    Zitat
    Original von Lothar Gutsche Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Sie sind hier unbestritten der Kartellrechtsexperte, zumindest für mich als Nicht-Jurist.

    Wenn das so sein sollte, wünsche ich Ihnen, dass Sie nie einen Kartellrechtsrechtsstreit führen müssen. Das ist tatsächlich ein hochkomplexes Thema bei dem es vermutlich nur eine Handvoll Experten in Deutschland gibt.

    Die Aufteilung in Sockelpreis und Preisänderung hat nichts mit der Rechtsprechung des BGH zur Billigkeitskontrolle zu tun.

    Zitat
    Art. 81 EG-Vertrag
    (1) Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere
       a)    die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
       b)    die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
       c)    die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
       d)    die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
       e)    die an den Abschluß von Verträgen geknüpfte Bedingung, daß die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.

    (2) Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.
    (...)

    Verboten sind daher nur Vereinbarungen oder Verhaltensweisen zwischen Unternehmen. Diese Verträge sind insgesamt nichtig. Zwischen dem Vorlieferanten und dem Regionalgasunternehmen wurde überhaupt kein Preis für das gelieferte Gas vereinbart.

    Der zwischen dem Regionalgasunternehmen und dem Verbraucher abgeschlossene Vertrag fällt aber nicht unter Art. 82 EG. Er ist daher auch nicht nichtig. Der EuGH hat aber entschieden, dass die Nichtigkeit des zwischen den Unternehmen abgeschlossenen Vertrages alle Wirkungen umfasst, die aus dieser verbotenen Vereinbarung resultieren. Wenn daher das Regionalgasunternehmen die (nichtige) Bezugskostensteigerung zum Anlass nimmt, seine Endkundenpreise anzuheben, so ist diese Preiserhöhung ein Resultat des nichtigen Vertrages und ebenfalls nichtig. Erhöht das Regionalgasunternehmen seine Endkundenpreise hingegen, weil die Personalkosten gestiegen sind, hat dies mit dem verbotenen Treiben des Unternehmens nichts zu tun. Diese Preisänderung ist wirksam.

    Wird zwischen dem Verbraucher und dem Regionalgasunternehmen ein neuer Vertrag abgeschlossen, und der Versorger hat den vereinbarten Tarif aufgrund seiner nichtigen Bezugskostenvereinbarung kalkuliert, halte ich es für denkbar, dass dann die gesamte Preisvereinbarung nichtig ist, da die Preisfestsetzung des Versorgers teilweise auf den nichtigen Bezugspreisen basiert. Rechtsprechung gibt es hierzu aber mit Sicherheit nicht, so dass das nur Theorie ist.

    Wurde der Vertrag mit dem Verbraucher bereits vor dem 28.04.1998 abgeschlossen, zu einem Zeitpunkt als diese Bezugsverträge noch erlaubt waren, kann sich das verbotene Treiben nur auf spätere Vertragsänderungen bzw. Preisänderungen auswirken.

    Nimmt man nun an, dass die Abwälzung solcher nichtigen Bezugskostensteigerungen gleichzeitig eine Ausbeutung einer marktbeherrschenden Stellung darstellt, ist die Rechtsfolge die gleiche. Nur die Rechtshandlungen, die ursächlich auf der verbotenen Handlung beruhen, sind nichtig.

    Bei Art. 82, § 19 GWB folgt die Nichtigkeit im übrigen \"nur\" aus dem § 134 BGB.

    Sie müssen beim Kartellrecht strikt zwischen dem Kartell und der marktbeherrschenden Stellung unterscheiden. Das Kartell kann von mehreren Unternehmen verabredet werden, die jedes für sich keine marktbeherrschende Stellung innehaben. Durch ihr gemeinsames Handeln nutzen sie eine gemeinsame starke Marktposition, um den Markt zu manipulieren. Ein Hardcore-Kartell wird ausschließlich durch Absprachen zwischen unterschiedlichen Unternehmen gegründet. Es kommt nicht darauf an, ob diese Unternehmen kapitalmäßig miteinander verbunden sind. Kapitalbeteiligungen nutzen solchen Absprachen natürlich indirekt. Man kennt sich.

    Wenn aber ein Unternehmen eine beherrschende Stellung durch die Kapitalmehrheit besitzt, treten diese beiden Unternehmen als einheitlicher Konzern am Markt auf. Das Mutterunternehmen darf dem Tochterunternehmen genau vorschreiben, mit wem und zu welchen Konditionen es Geschäfte zu betreiben hat. Erst wenn der Konzern mit Dritten unerlaubte Abreden trifft, stellt sich wieder die Kartellfrage. Oft hat es lediglich organisatorische Gründe, dass ein Energieversorger z. B. eine separate Vertriebsgesellschaft gründet und seine Kraftwerkskapazitäten in einer anderen Gesellschaft bündelt. Nach außen dürfen diese Gesellschaften als einheitliches Unternehmen tätig werden.

    Offline Münsteraner

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    Kartellrecht
    « Antwort #103 am: 30. August 2009, 16:46:14 »
    @ reblaus

    Sie schreiben weiter oben:

    Zitat
    Es sind daher in der Vergangenheit nur in wenigen Fällen Entscheidungen zu zivilrechtlichen Auswirkungen von Kartellverstößen ergangen, so dass die Erfolgsaussichten einer Argumentation mit kartellrechtswidrigen Bezugsverträgen bisher nicht seriös prognostiziert werden kann.  
    Als Verbraucher würde ich mich beim derzeitigen Stand der Diskussion daher nicht auf ein Verfahren einlassen, bei dem ein Rückforderungsanspruch gegen den Versorger allein auf Basis eines kartellrechtswidrigen Bezugsvertrages geltend gemacht werden soll.

    Wenn ich das recht verstehe, hielten Sie es gleichwohl für sinnvoll, bei einer eigenen Rückforderungsklage den Anspruch nicht nur auf die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel zu stützen, sondern zumindest hilfsweise auch auf kartellrechtliche Gründe. Mir ist allerdings nicht ganz klar, wie genau da die Argumentation wäre.

    Frage ebenfalls: Man munkelt, im Münsteraner Raum habe man im Hinblick auf das dortige Marktgebiet der E.ON Ruhrgas AG gute Chancen mit kartellrechtlichen Einwänden. Könnten Sie das näher erläutern?

    Offline reblaus

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    Kartellrecht
    « Antwort #104 am: 30. August 2009, 18:21:13 »
    @münsteraner
    Eine ordentliche Verteidigung gegen die Zahlungsklage eines Versorger sollte grob so aufgebaut sein.

    1. Sie bestreiten, dass der Versorger überhaupt berechtigt ist, seine Preise zu erhöhen, weil ein Sondervertragsverhältnis vorliegt und die Preisanpassungsklausel entweder gar nicht vorhanden oder aber unwirksam ist.

    2. Sie legen dar, dass die vorgenommenen Preisanpassungen nichtig sind, weil die Preiserhöhungen aus Bezugskostensteigerungen resultieren, die kartellrechtswidrig vereinbart wurden. Das müssen Sie beweisen. Wenn es sich um das Marktgebiet der Eon Ruhrgas handelt, und Ihre Lieferantin keine Tochter der Eon ist, reicht es aus, dass Sie nachweisen, dass der Versorger einen langlaufenden Bezugsvertrag mit der Eon hatte, der mindestens 50% bzw. 80% der gesamten bezogenen Gasmenge ausmachte. Weiterhin legen Sie dann die Verfügung des Bundeskartellamtes gegen E.on Ruhrgas vor, verweisen auf die höchtsrichterliche Entscheidung zu dieser Verfügung und legen dar, dass nach § 33 GWB der Tatrichter an diese Feststellungen gebunden ist. In allen anderen Marktgebieten haben die Ferngasgesellschaften freiwillige Verpflichtungszusagen abgegeben, die als Beweis nicht taugen.

    3. Sie bestreiten, dass die Preiserhöhungen der Billigkeit entsprechen. Da der Versorger nur Kostensteigerungen weiterreichen darf, und ihm wegen des nichtigen Bezugsvertrages überhaupt keine Bezugskostensteigerungen entstanden sind, ist die Preiserhöhung unbillig. In diesem Punkt muss der Versorger beweisen, dass er einen wirksamen Bezugsvertrag hat. Schließlich tragen Sie vor, dass die Preiserhöhungen auch deshalb unbillig gewesen sind, weil der Versorger seine Rabatte, Marketingzuschüsse etc. bei der Kostenberechnung nicht berücksichtigt hat, die Kalkulation auf der nominalen Kostenentwicklung und nicht auf der mengenmäßigen Gewichtung beruht, er lediglich das bezogene Kommunalgas zu Grunde gelegt hat, statt den gesamten Gasbezug incl. Industriegas zu berücksichtigen, dass er sich nicht um billigere Lieferanten gekümmert hat etc. etc.

    In der Theorie ganz einfach. In der Praxis sind die meisten Klagen so es auf die Billigkeit ankam bisher gescheitert, weil die Versorgerbuchhalter mit den Verbrauchern Schlitten fahren, man sich darauf beruft, dass alles außer dem Namen des Unternehmens sowieso geheim sei, und so weiter.

     

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