Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Kartellrecht
RR-E-ft:
Prof. Schwintowski- Schadensersatz für Kartellgerschädigte
--- Zitat ---Schadensersatz kann zweierlei bedeuten. Entweder fordert der Geschädigte die Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpfichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB – Naturalrestitution). Danach wäre der auf dem überhöhten Kartellpreis beruhende Vertrag gar nicht erst geschlossen worden, folglich nunmehr rückabzuwickeln. Dem Geschädigten ist das ursprünglich vereinbarte Entgelt zurückzuzahlen, während er selbst nur den tatsächlichen Wert der empfangenen Leistungen zu ersetzen hat. Dieser Wert ist im Vergleich zu dem überhöhten Kartellpreis regelmäßig deutlich niedriger. Alternativ kann der Geschädigte Schadensersatz in Geld verlangen.
--- Ende Zitat ---
Das gilt auch im Verhältnis Versorger/ Vorlieferant bei einem infolge Kartellrechtswidrigkeit bzw. Verstoß gegen Art. 81 EG nichtigen Bezugsvertrag.
Der tatsächliche Wert der empfangenen Leistung wird sich bei Gas nach den Erdgasimportpreisen bemessen, nicht jedoch mit diesen identisch sein. Sind die Erdgasimportpreise variabel, so ist es der tatsächliche Wert der Ware Erdgas im Inland ebenso.
Siehste hier.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft 15.04.2009 14:59
Wäre ein Vorlieferantenvertrag infolge Kartellrechtswidrigkeit vollständig nichtig, so könnte der aus dem Vertrag resultierende Kaufpreisanspruch des Vorlieferanten gegen den Versorger als Rechtsgrund vollständig entfallen. Die Lieferbeziehung zwischen Vorlieferant und Versorger wäre dann ggf. nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen für den betroffenen Zeitraum (rück-)abzuwickeln.
Der Versorger könnte deshalb trotzdem nicht die an den Vorlieferanten auf (nichtiger) vertraglicher Grundlage erbrachten Zahlungen für über die Jahre tatsächlich erfolgte Erdgaslieferungen vollständig zurückfordern, sondern müsste sich den Wert der Bereicherung der aufgrund des (nichtigen) Vertrages gelieferten Erdgasmengen entgegenhalten lassen.
Auch dabei wäre der objektive Wert der gelieferten Erdgasmengen, der sich zum einen nach dem objektiven Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze und zum anderen nach den Kosten der Netznutzung der vorgelagerten Netze bemisst, zu berücksichtigen. Der Versorger wäre also auch bei einem nichtigen Vorlieferantenvertrag nicht so gestellt, als dass er die gelieferten Erdgasmengen wegen \"nichtiger Preisbestimmung\" gar als vollständig unentgeltlich oder auch nur zu einem stabilen Preis geliefert verbuchen könnte.
Das muss sich wohl in der einen oder anderen Weise auch auf die Letzverbraucherpreise bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht niederschlagen.
--- Ende Zitat ---
reblaus:
Nachdem die Urteilsbegründung von BGH Beschl. v. 10.02.2009 Az. KVR 67/07 nun veröffentlicht wurde, ergibt sich für kartellrechtswidrige Gasbezugsverträge folgender Tatbestand.
Ein Vertrag muss eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren haben und eine Bezugsmenge von mindestens 80% des Gesamtbezuges umfassen,
oder die Laufzeit muss mehr als vier Jahre betragen und der Vertrag eine Bezugsmenge von mindestens 50% des Gesamtbezuges umfassen.
Es muss auf dem sachlich und örtlich maßgeblichen Markt ein Bündel solcher Verträge, die mindestens 30% Marktanteil ausmachen, abgeschlossen worden sein.
Sachlich maßgeblich ist der Markt zur Belieferung von Orts- und Regionalgasunternehmen zur Belieferung an Endverbraucher.
Örtlich maßgeblich ist das Marktgebiet der Ferngasunternehmen, der durch deren Leitungsnetz bestimmt wird.
Liegen diese Voraussetzungen vor, verstößt jeder einzelne Vertrag gegen Art. 81, 82 EG, § 1 GWB, und ist nichtig.
Verbraucher deren Gasversorger im Marktgebiet der E.on Ruhrgas ansässig ist, müssen damit nur noch die individuellen Voraussetzungen des einzelnen Bezugsvertrages nachweisen. Für die Voraussetzung der Marktdurchdringung solcher Verträge können sie sich auf die Verfügung des Bundeskartellamts in Verbindung mit der BGH-Entscheidung berufen.
Preiserhöhungen, die auf solchen unzulässigen Verträgen beruhen, sind nicht nur unbillig sondern nichtig. Dies hat zur Folge, dass sie auch Kunden gegenüber, die nicht rechtzeitig widersprochen haben, keine Wirkungen erzeugen.
Diesen Verbrauchern steht auch eine Schadensersatzklage gegen die E.on Ruhrgas offen.
Bei allen Verbrauchern außerhalb des Marktgebietes der E.on Ruhrgas erhöhen sich die Beweisschwierigkeiten aufgrund der 30%-Grenze beim Marktanteil solcher Verträge. Soweit eine Verpflichtung des Bundeskartellamtes zur Offenlegung der allgemeinen Marktverhältnisse im jeweiligen Marktgebiet nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht durchgesetzt werden kann, dürfte eine erfolgreiche Beweisführung ausgeschlossen sein.
Allenfalls im Marktgebiet der Gasversorgung Süddeutschland bestehen geringe Aussichten die Marktverhältnisse nachzuweisen, da dieses Marktgebiet mit dem Land Baden-Württemberg nahezu identisch ist, und deshalb auf Daten des Landeskartellamtes zurückgegriffen werden kann. Auch haben die beiden größten regionalen Gasversorger Badenova und EnBW zusammen einen Marktanteil von über 30%. Bei der Badenova ist nachweisbar, dass sie bis zum 30.09.2007 über einen solchen lang laufenden Bezugsvertrag über ihre Gesamtmenge verfügte. Ob sich dies bei der EnBW ebenso verhält steht zwar zu vermuten, konkrete Nachweisquellen sind im Internet aber nicht zu finden.
Abgesehen von der Frage der Nichtigkeit von Preiserhöhungen führt ein kartellrechtswidriger Bezugsvertrag zur Nichtigkeit der Preisänderungsklausel im Bezugsvertrag. Hierzu hat der BGH Urt. vom 9.07.2009 Az. VIII ZR 314/07 folgendes ausgeführt
--- Zitat ---Tz. 28
Dafür, dass es sich bei den von der Beklagten geltend gemachten Bezugskostensteigerungen um im vorgenannten Sinne \"unnötige\" Kosten handelt, ergeben sich aber keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Wenn sich die Beklagte, wie sie vorträgt, als kommunales Gasversorgungsunternehmen mit geringer Nachfragemacht der - branchenüblichen - Ölpreisbindung nicht entziehen konnte, scheidet die Möglichkeit eines Gasbezugs ohne eine solche Preisbindung als günstigere Beschaffungsalternative aus, sofern eine solche nach den Marktgegebenheiten überhaupt besteht. Ob die Ölpreisbindung in dem Vorlieferantenverhältnis korrekt umgesetzt worden ist, die Beklagte die von ihr geltende gemachte Preiserhöhung durch den Vorlieferanten nach den Bezugsverträgen also tatsächlich schuldete, wird im Rahmen der Beweisaufnahme über die von der Beklagten behauptete Bezugskostensteigerung zu klären sein (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 44).
--- Ende Zitat ---
Diese Aussage lege ich dahingehend aus, dass die Beweislast, ob der Versorger die behauptete Bezugskostensteigerung überhaupt schuldete, beim Versorger liegt. Will er seine Bezugskosten weiterreichen, hat er nachzuweisen, dass der Bezugsvertrag kartellrechtskonform vereinbart wurde. Eine rechtskonforme Vertragsgestaltung wird gesetzlich nicht vermutet.
Der Verbraucher wird jedoch gehalten sein, seine Zweifel an der kartellrechtskonformen Ausgestaltung substantiiert darzulegen. Behauptungen ins Blaue hinein dürften unbeachtlich bleiben.
Hierzu ist ein Hinweis auf die Verfügung des Bundeskartellamtes gegen E.on Ruhrgas vom 13.01.2006 Az. B 8 – 113/03 – 1 hilfreich. Unter III. Vertragssituation Nr. 1 haben die Untersuchungen von Bezugsverträgen, die 75% der belieferten Unternehmen und 90% des an diese Unternehmen insgesamt gelieferten Erdgases ausmachen, ergeben, dass 70% dieser Verträge Gesamtbezugsverträge mit Laufzeiten von mehr als zwei Jahren sind. Somit sind 67,5% der in diesem Bereich abgesetzten Gasmengen mit potentiell kartellrechtswidrigen Verträgen abgesetzt worden.
Selbst wenn dem Verbraucher der Nachweis der Kartellrechtswidrigkeit nicht gelingt, dürfte sich diese rechtswidrige Vertragspraxis in vielen Fällen als erfolgreicher Einwand gegen die Billigkeit von Preisfestsetzungen herausstellen.
Lothar Gutsche:
@ reblaus
Ich wende mich an Sie als den Kartellrechtsexperten im Forum. Sie schreiben
--- Zitat ---Preiserhöhungen, die auf solchen unzulässigen Verträgen beruhen, sind nicht nur unbillig sondern nichtig. Dies hat zur Folge, dass sie auch Kunden gegenüber, die nicht rechtzeitig widersprochen haben, keine Wirkungen erzeugen.
...
Abgesehen von der Frage der Nichtigkeit von Preiserhöhungen führt ein kartellrechtswidriger Bezugsvertrag zur Nichtigkeit der Preisänderungsklausel im Bezugsvertrag.
--- Ende Zitat ---
Wenn nun ein Gasbezugsvertrag kartellrechtswidrig ist, weil die Bedingungen aus dem BGH-Urteil KVR 67/07 vom 10.2.2009 alle erfüllt sind, so ist doch der Gesamtpreis im Vorlieferantenverhältnis zwischen Stadtwerken und Ferngasunternehmen nichtig. Die Stadtwerke rügten jedoch bei ihrem Vorlieferanten die überhöhten Vorleistungskosten im allgemeinen nicht als unbillig oder gar als kartellrechtswidrig. Vielmehr wälzten die Stadtwerke die überhöhten Vorleistungskosten einfach auf ihre Endkunden über.
Nun habe ich drei Fragen an Sie:
[list=1]
[*]Ist das Nichtrügen der überhöhten Vorleistungspreise und das Überwälzen dieser vermeidbaren Mehrkosten nicht selbst ein Beleg für den Missbrauch einer regional marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 GWB, und zwar ein Missbrauch der Stadtwerke gegenüber ihren Endkunden?
[*]Falls sich die Stadtwerke durch ihr Verhalten gegenüber Endkunden demnach selbst kartellrechtswidrig verhalten, sind dann nicht nur die Preiserhöhungen der Endkunden nichtig, sondern die Gesamtpreise, die von Endkunden verlangt wurden?
[*]Wenn das Preisverhalten zwischen Vorlieferant und Stadtwerk sogar abgestimmt wurde, z. B. durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Vorlieferanten an dem Stadtwerk, handelt es sich dann nicht sogar um ein Hardcore-Kartell im Sinne des § 1 GWB?
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Auf Ihre Antworten freue ich mich.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
reblaus:
@Lothar Gutsche
Ich bin kein Kartellrechtsexperte. Ich habe mich mit dem Thema nur etwas mehr befasst als andere.
Wenn solche Verträge im Bündel vorliegen, verstößt jeder einzelne Vertrag auch gegen Art. 82 EG. Das ist die europarechtliche Entsprechung des § 19 GWB. D.h. das Ferngasunternehmen beutet mit dem Abschluss solcher Verträge seine marktbeherrschende Stellung aus. Das Gleiche muss nach meiner Ansicht auch für das Regionalgasunternehmen gelten, wenn es weiß, dass sein Vertrag Teil eines solchen Vertragsbündels ist.
Wenn das Regionalgasunternehmen solche unwirksamen Bezugskostensteigerungen zum Anlass eigener Preiserhöhungen benutzt, so sind diese Preiserhöhungen nach EuGH aber schon von der Nichtigkeit des Bezugsvertrages umfasst, und allein deshalb ebenfalls nichtig.
Der Gesamtpreis wäre nur dann nichtig, wenn das kartellrechtswidrige Verhalten sich auf den Gesamtpreis bezöge. Das kartellrechtswidrige Verhalten bezieht sich aber nur auf die Bezugskostenfrage. Es sind daher nur die auf Bezugskostensteigerungen beruhenden Preissteigerungen nichtig. Sie müssen bedenken, dass diese Praxis bis zum 28.04.1998 legal war.
Wenn Unternehmen Verbindungen eingehen, indem sie in erheblichem Umfang Kapitalbeteiligungen aufbauen, wird kein Kartell gebildet, sondern eine marktbeherrschende Stellung geschaffen, erweitert oder gar ein Monopol gebildet. Dies kann nur mit der Fusionskontrolle verhindert werden.
Cremer:
@reblaus,
so geschehen mit den alten Tarifen der SW KH \"Kreuznacher Stadtgas\" und \"Kreuznacher Stadtstrom\"
Diese verstießen in ihrer Form im \"Kreuznacher Energieclub\" gegen Artikel 82 der EG, da sie im Kreuznacher Energieclub miteinander verkoppelt waren.
Die Landeskartellbehörde Rheinland-Pfalz ging im Januar 2006 mit einem Mißbrauchsverfahren gegen die SW KH vor.
Daraufhin wurde der alte Tarif \"Kreuznacher Stadtstrom zum 30.6.06 und \"Kreuznacher Stadtgas\" zum 30.9.06 beendet und dann als eigenenständige Tarife weiterhin angeboten.
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