Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Kartellrecht

<< < (19/23) > >>

tangocharly:
@nomos

.... möchte nicht Schulmeistern, aber der Hinweis auf folgende Passage in BGH, 19.11.2008 in Tz. 47 erscheint mir, auch wenn man die Ansichten des VIII. Senats nicht stützen mag, wichtig:


--- Zitat ---Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Vorgehen geeignet ist, den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu gewährleisten, insbesondere, weil es sich bei der Gegenpartei nicht um einen Wettbewerber der Beklagten, sondern um einen Kunden handelt und folglich nicht schon die Bekanntgabe der Geheimnisse selbst eine Geheimnisverletzung zur Folge hätte.
--- Ende Zitat ---


Sie sehen darin, dass der BGH, wenn es um die Verfassung geht, sehr sensibel reagiert und dort, wo sich das BVerfG bereits festgelegt hat, nicht \"am Rad dreht\". Dem BVerfG ist ja schon der Kartellsenat gefolgt, noch zeitens seines -vormaligen- Präsidenten, Dr. Hirsch.

Leider vermisse ich diese Sensibilität bei den unteren Instanzen. Denn wenn es einem Amtsrichter für die Billigkeit der Gaspreise ausreichen kann, ohne auch nur die geringste Datenmenge einer Kalkulation gesehen zu haben, dass \"offensichtlich die Gaspreise von der Ölpreisbildung bestimmt werden, dann werden Tautologen im Staatssalär zum Vollstrecker.

Aber bleiben wir auf der Sachebene. Dem effektiven Rechtsschutz steht der Geheimnisschutz gegenüber. Beides sind Positionen mit Grundrechtsrang. Wohin kommen wir, wenn eine der Parteien selbstherrlich darüber entscheidet, welcher dieser Positionen hier Vorrang eingeräumt werden muß. Wer, wenn nicht der weisungsungebundene Richter, hat hier die Kompetenz, diese Frage zu beleuchten und zu entscheiden.

Und dennoch, nomos ist unbedingt beizupflichten, wenn er seinen Kampf an dieser Front kämpft:
Die Stadtwerke sind keine Bananenhändler, sondern haben sich in die Daseinsvorsorge eingemischt. Weil die keine Bananen verkaufen, sondern Gas, fehlt es an einer rein gewinnorientierten Unternehmung. Wem die Gewinnsucht von Bananenhändlern nicht passt, der muß auch keine Bananen kaufen. Wenn Bananenhändler die Kalkulation nicht preisgeben wollen, dann müssen die halt damit leben, dass keiner mehr Bananen kauft. Wenn aber der Preis von Bananen dem von Melonen entspricht, dann wird es eng mit der Auswahl. Wenn dann aber Stadtwerke den Bananenhandel zur Daseinsvorsorge küren und Bananenhändler mit Kapitalanteilen beherrschen wollen, dann kann sich der von der öffentlichen Hand beherrschte Bananenhändler nicht mehr hinter Art. 12 GG verstecken.
Die öffentliche Hand operiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist Bürgervertretungen rechenschaftspflichtig.  Nun geht es aber im Zivilprozeß nicht um die Kollektivkontrolle. Dann ist halt im Individualprozeß die Individualkontrolle gefragt. So könnte man auch effektiven Rechtsschutz definieren: \"Versagt das System, versagt gleichwohl nicht das Individuum\".

nomos:

--- Zitat ---Original von tangocharly
.... möchte nicht Schulmeistern, aber der Hinweis auf folgende Passage erscheint mir wichtig:


--- Zitat ---Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Vorgehen geeignet ist, den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu gewährleisten, insbesondere, weil es sich bei der Gegenpartei nicht um einen Wettbewerber der Beklagten, sondern um einen Kunden handelt und folglich nicht schon die Bekanntgabe der Geheimnisse selbst eine Geheimnisverletzung zur Folge hätte.
--- Ende Zitat ---

Sie sehen darin, dass der BGH, wenn es um die Verfassung geht, sehr sensibel reagiert und dort, wo sich das BVerfG bereits festgelegt hat, nicht \"am Rad dreht\".
........
Leider vermisse ich diese Sensibilität bei den unteren Instanzen.
........
Die öffentliche Hand operiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist Bürgervertretungen rechenschaftspflichtig.
--- Ende Zitat ---
@tangocharly, Ihr Hinweis trifft den Kern und ist keine Schulmeisterei. Mein Hinweis wegen der mangelnden \"Sensibilität\" war jetzt nicht auf die Judikative, sondern in erster Linie auf die Executive gerichtet.Hier nochmal der Antwortauszug des BW-Wirtschaftsministers in Bezug auf kommunale Stadtwerke:

--- Zitat ---Daneben hat die Landeskartellbehörde aufgrund einer erweiterten Enqueteabfrage Stand Dezember 2008, die jedoch noch nicht vollständig ausgewertet ist, Erkenntnisse u. a. zu den konkreten Einkaufspreisen, zu der Kundenstruktur und zur Preiskalkulation erhalten. Sie stellen ganz überwiegend Geschäftsgeheimnisse dar, die es zu wahren gilt.
--- Ende Zitat ---
[/list]Mit der Auslagerung kommunaler Aufgaben in Beteiligungen mit privater Rechtsformen wurde in der praktischen Auswirkung zunehmend die \"Rechenschaftspflicht\", die Kontrolle und die Entscheidungen den Bürgervertretern entzogen. Die Städte und Gemeinden, konkret die Bürgermeister und Oberbürgermeister, die Verwaltungen,  haben sich hier zunehmend neben dem kommunalen Haushalt Spielräume geschaffen, die so nach meiner Meinung vom Kommunalrecht nicht vorgesehen und nicht gedeckt sind.

Wenn man sich mit der Praxis beschäftigt, stellt man fest, dass die gewählten Vertreter (Gemeinderäte) schlicht nicht informiert sind, delegierte Aufsichtsratsmitglieder eingeschlossen. Man lässt die Verwaltung walten, Abstimmungen erfolgen kenntnis- und informationsarm pro forma am laufenden Band. Der Bürger findet hier eher eine - unkontrollierte, eine versteckte \"nicht öffentliche\" Hand statt einer öffentlicher Hand im Sinne von offen!

Eigentlich ist das in unserer demokratischen Ordnung ja so vorgesehen:
Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger. Als Hauptorgan der Gemeinde hat er die Gemeindeverwaltung zu überwachen, über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschliessen, den Haushalt zu verabschieden und zu kontrollieren.
\"Nebenhaushalte\" in Beteiligungen und  diversen Holdingkonstrukten sind da eingeschlossen! siehe hier[/list]

reblaus:
@tangocharly, nomos
Wie sieht Ihre Theorie eigentlich bei den Sparkassen aus? Müssen wir uns da auch auf mehr Offenheit einstellen? Mich würde brennend interessieren was mein Nachbar so auf dem Konto hat. Ob er etwa E.on-Aktien besitzt oder nur auf langweiliges Festgeld setzt.

Ich weiß ja, dass es Ihr Lieblingsthema ist, nomos. Aber eine kleine ketzerische Frage hierzu konnte ich mir nicht verkneifen.

Dass Sie sich für Kartellrecht nicht so sehr begeistern, habe ich eingesehen :D.

nomos:

--- Zitat ---Original von reblaus
@tangocharly, nomos
Wie sieht Ihre Theorie eigentlich bei den Sparkassen aus? Müssen wir uns da auch auf mehr Offenheit einstellen? Mich würde brennend interessieren was mein Nachbar so auf dem Konto hat. Ob er etwa E.on-Aktien besitzt oder nur auf langweiliges Festgeld setzt.

Ich weiß ja, dass es Ihr Lieblingsthema ist, nomos. Aber eine kleine ketzerische Frage hierzu konnte ich mir nicht verkneifen.

Dass Sie sich für Kartellrecht nicht so sehr begeistern, habe ich eingesehen :D.
--- Ende Zitat ---
@reblaus, mit Ihrer \"kleinen ketzerischen Frage\" liegen Sie aber schon sehr weit weg vom Schuss.

Es geht hier nicht um das Bankgeheimniss bzw. ich will ja nicht den Gasverbrauch des Oberbürgermeisters oder meines Nachbarn von den Stadtwerken erfahren, sondern die Kalkulationsgrundlagen und die Mittelverwendung für den zu bezahlenden Gaspreis.

Was das Thema angeht, die Bürgervertreter (Gemeinderäte, Kreisräte etc) dürfen sich schon die Frage stellen, was denn in der Vergangenheit mit den Gewinnen der Sparkassen geschehen ist. Hier geht es nicht um Energieversorgung, aber wurden da Gewinne auch im gleichen Verhältnis ausgeschüttet und zweckfremd verwendet?  

Und wenn Sie schon die Sparkassen erwähnen. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eben auf die Verbandsklagen eines Verbraucherschutzverbandes gegen zwei Sparkassen entschieden, dass eine Klausel der AGB, im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB unwirksam ist. Hier im Forum wurde darauf schon hingewiesen, auch auf die Bedeutung für uns Verbraucher im Allgemeinen.

Es geht hier um das Thema faire angemessene Energiepreise und nicht nicht um Lieblingsrechtsgebiete. Das Wettbewerbsrecht bzw. das Kartellrecht hat seine Zweckbestimmung und seinen Stellenwert. Das gilt auch auch für das öffentliche Recht (kommunales Wirtschaftsrecht), das eben für Stadtwerke und wenn Sie wollen auch für Sparkassen eine Rolle spielt.  usw...PS:
Und dass der Bürger auch auf \"seine\" Sparkasse achten sollte kann man hier erfahren.
 Der kommunale Klüngel:  MONITOR

reblaus:
Für Kartellopfer steigen die Chancen auf Schadensersatz

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln