@bolli
Das Ergebnis dieses Diskurses ist eindeutig. Die Musterbriefe des BdEV werden nach bestem Wissen erstellt, so dass sie von jedermann risikolos verwendet werden können. Jedem Leser steht die Möglichkeit offen, sich über die Motive der Gegenansicht ein eigenes Urteil zu bilden.
Thema dieses Threads ist, inwieweit die Rückforderungsansprüche bei Sonderverträgen verjährt sind.
Hier ist der Stand der Diskussion derzeit folgendermaßen.
Es ist noch nicht höchstrichterlich entschieden, welcher Preis bei einer unwirksamen Preisanpassungsklausel gilt. Nach der Versorgeransicht gilt die letzte unwidersprochen hingenommene Preiserhöhung als aktueller Vertragspreis (OLG Frankfurt, OLG Oldenburg etc.). Die Gegenauffassung sieht den anfänglichen Vertragspreis als vereinbarten Preis an (OLG Hamm). Nach der Versorgeransicht dürften sich Rückforderungsansprüche schon gar nicht ergeben. Nach der Verbraucheransicht können Rückforderungsansprüche in erheblichem Umfang entstehen, da unter Umständen Preise gültig sind, die weit im letzten Jahrhundert abgeschlossen wurden.
Bei der Frage der Verjährung dieser Ansprüche wurde auch hier im Forum bis vor kurzem die Meinung vertreten, dass diese nach drei Jahren verjähren. Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beginnt, nachdem man Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangt, oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Hier wurde angenommen, dass diese Umstände in der unwirksamen Klausel liegen, von deren Wortlaut der Verbraucher schon bei Vertragsschluss Kenntnis hatte.
Die Gegenauffassung wird vom AG Dannenberg Urt. v. 18. August 2009 - Az. 31 C 202/09 vertreten. Dieses ist der Meinung, dass auf die Kenntnis der unrichtigen Jahresabrechnung abzustellen sei. Dass die Jahresabrechnungen falsch sind, kann der Verbraucher aber frühestens wissen, wenn er ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel bekommt. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass er mit den Zweifeln noch keine sichere Kenntnis von der Unrichtigkeit der Abrechnung hat, da der BGH kürzlich entschieden hat, dass es grob fahrlässig ist, bei ernsten Zweifeln auf die Klärung dieser Frage zu verzichten. Ist die regelmäßige Verjährungsfrist nach Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung noch nicht abgelaufen, verjähren die Ansprüche des Kunden 10 Jahre nach Ihrer Entstehung, d. h. 10 Jahre nach Zahlung.
Die Ansicht des AG Dannenberg ist für mich überzeugend. Bei einem üblichen Kaufvertrag kann der Verkäufer den Kaufpreis aufgrund des abgeschlossenen Vertrages fordern. Dies ist beim Energieliefervertrag nicht so. Dort wird der Zahlungsanspruch des Lieferanten erst mit der Zusendung der Abrechnung begründet. Diese ist Voraussetzung damit der Anspruch fällig wird.
Wer abwarten möchte, wie der BGH die Fragen entscheidet, sollte in der Zwischenzeit seinen Sondervertrag nicht all zu zweiflerisch durchlesen. Blindes Vertrauen in den Versorger wird hier ausnahmsweise belohnt.
