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Autor Thema: Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?  (Gelesen 112684 mal)

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Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #165 am: 15. Juli 2009, 18:16:11 »
@Black

Der Kartellsenat des BGH hatte festgestellt, dass gegenüber Tarifkunden eine gesetzliche Verpflichtung zur Preissenkung besteht und dass deshalb Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen unangemessen benachteiligend sind, wenn sie nur ein Recht zur Preiserhöhung und nicht auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkungen enthalten. Das war kein obiter dictum sondern Teil des Begründungsstrangs in der Argumentationskette.

Aus der heutigen PM des BGH:

Zitat
Danach ist die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung nach gleichen Maßstäben unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben.

Ich hatte schon die Entscheidung des Kartellsenats vom 29.04.2008 - KZR 2/07 so verstanden, dass die Zeitpunkte für Preisrevisionen in der Klausel selbst genannt - mithin bestimmt -  sein müssen.

Zitat
Ihr ist damit jedenfalls nicht mit der ein anderes Verständnis ausschließenden Eindeutigkeit zu entnehmen, nach welchen Kriterien die Beklagte den Preisänderungszeitpunkt zu bestimmen hat. Der Einstandspreis des Versorgers ändert sich typischerweise häufiger als sein Abgabepreis. So ändert sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch der von der Beklagten zu zahlende – an den Preis für leichtes Heizöl in einer bestimmten Referenzperiode gekoppelte – Arbeitspreis quartalsweise jeweils zum ersten Tag des ersten Monats, während die Beklagte den Vertragspreis in den Jahren 2005 und 2006 jeweils zweimal, jedoch zu unterschiedlichen Terminen, angepasst hat. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Einstandskosten umgehend, niedrigeren Einstandskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.

....

Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.

Offline Black

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« Antwort #166 am: 15. Juli 2009, 18:20:15 »
Nun, in der jetzigen Entscheidung waren sie wohl für den BGH \"bestimmt\" genug, denn er hat die Klausel nicht am fehlenden \"bestimmten Zeitpunkt\" scheitern lassen, sondern ja gerade zu verstehen gegeben, dass zwar der Zeitpunkt bestimmt ist, aber nicht die zugehörige Verpflichtung (sondern nur die Berechtigung).
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #167 am: 15. Juli 2009, 18:29:59 »
@Black

Wohl kaum.

Eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 I 1 BGB liegt schon dann vor, wenn keine spiegelbildliche Verpflichtung zur Preissenkung enthalten ist.

Daran scheiterten die Klauseln schon, ohne dass es noch auf Weiteres ankam.

Die Frage, ob Revisonszeitpunkte in der Klausel bestimmt  (mithin genannt) sein müssen, ist hingegen eine Frage der Transparenz gem. § 307 I 2 BGB.
Mit der Frage der Transparenz brauchte sich der Senat also - wieder einmal -  gar nicht befassen, so dass es auf eine solche Prüfung nicht ankam.

Zitat
Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Einstandskosten umgehend, niedrigeren Einstandskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen
.

Offline Black

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« Antwort #168 am: 15. Juli 2009, 18:41:13 »
Durch die Gleichstellung der Normsonderkunden mit Tarifkunden hat sich dieses Problem erledigt.

Der BGH sagt nun eindeutig, dass die unveränderte Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechtes \"einer Inhaltskontrolle stand(hält)\"
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #169 am: 15. Juli 2009, 18:44:19 »
@Black

Ich hatte doch gerade aus der heutigen PM des BGH zitiert, die auch von bestimmten Zeitpunkten spricht. Die Frage, ob die Zeitpunkte in der Klausel vorher bestimmt sein müssen, kann sich damit schwerlich erledigt haben. Schließlich wollte der Senat in dieser Frage ja auch nicht von der Entscheidung des Kartellsenats abweichen.

Offline Black

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« Antwort #170 am: 15. Juli 2009, 19:07:38 »
Im gesetzlichen Leitbild, der GVV sind keine Zeitpunkte benannt, bzw. Änderungen \"zum Monatsbeginn\" zugelassen.

Der BGH spricht von der Zulässigkeit einer \"unveränderten Übernahme\", das schließt auch die Notwendigkeit weiterer Ergänzungen, abweichend von der gesetzlichen Regelung hinsichtlich des Zeitpunktes aus.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #171 am: 15. Juli 2009, 19:23:59 »
@Black

Bisher sehe ich keinen Anhalt dafür, dass der VIII. Senat insoweit von der Entscheidung des Kartellsenats abweichen will, der gerade die Möglichkeit der freien Wahl des Preisrevisionszeitpunktes in Erdgas- Sonderverträgen beanstandete, vgl. oben.

Ich halte mich da weiter an die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2009:

Zitat
Denn in Verträgen mit Verbrauchern sind an die Ausgewogenheit und Klarheit einer Änderungsklausel hohe Anforderungen zu stellen. Klauseln, die dem Verwender eine Preiserhöhung nach freiem Belieben gestatten, sind unwirksam. Die Klausel muss Grund und Umfang der Erhöhung konkret festlegen, so dass der Kunde erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen sich die Preise ändern und nach welchen Kriterien der neue Preis berechnet wird. Außerdem muss verhindert werden, dass der Verwender nachträglich seinen im vereinbarten Preis enthaltenen Gewinnanteil erhöht und damit das Äquivalenzprinzip verletzt wird (BGH NJW-RR 2005, 1717; BGH, NJW 2007, 1054 = sog. Flüssiggasentscheidungen.).

Dieser Beurteilung lässt sich nicht der nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB einzubeziehende Rechtsgedanke entgegenhalten, die Preisanpassungsklausel entspreche dem gesetzlichen Leitbild der §§ 4 Absatz 1 und 2 AVBGasV.

Zwar hat die AVBGasV für die Versorgung von Tarifkunden eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" und verkörpert eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber in dem Tarifkundenbereich getroffen hat mit der Folge, dass sie einen gewichtigen Hinweis darauf enthält, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern zu beachten ist (BGH, NJW 2009, 321 ff.). Ob deswegen eine entsprechend den Regelungen in §§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV gestaltete Preisanpassungsklausel, damit auch eine vertragliche Einbeziehung von § 4 AVBGasV, einer Prüfung gem. § 307 BGB Stand hielte, hat der BGH bisher nicht entschieden (BGH a.a.O., Rz. 21). Die „Leitbildfunktion\" kann jedoch aus Sicht des Senats nur für die Bewertung von Preisanpassungsklauseln von Bedeutung sein, die in Bezug auf Maßstab, Anlass und Umfang einer Preisänderung eine klare und transparente Regelung enthalten. Für die hier entscheidungserhebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Preise gegenüber Sonderkunden erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen, gibt das Leitbild keine Antwort.

Obiter dicta sind noch keine Entscheidungen, sondern führen allenfalls in eine obiter dicta- tur.

Wenn der Versorger berechtigt und verpflichtet sein will, nachträgliche Kostenerhöhungen und Kostensenkungen nach gleichen Kriterien weiterzugeben, dann müssen diese Kriterien vorher feststehen und in der Preisänderungsklausel selbst benannt werden, weil sonst nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kriterien nachträglich eine interne Änderung erfahren. Zudem muss auch der Kunde bei Vertragsabschluss entscheiden, ob er mit der Einbeziehung einer solchen Preisänderungsklausel einverstanden ist, § 305 II BGB. Für diese Entscheidung muss die Klausel klar und verständlich sein.

Die Kriterien können und dürfen sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit von Tarifpreisänderungen ergeben.

Denn wenn alle weiteren preisbildenden Kostenfaktoren gleich geblieben waren, die Bezugskosten zum Zeitpunkt X um 100 Einheiten gestiegen  sind, würde nach der Rechtsprechung des Senats eine Tarifpreiserhöhung zum Zeitpunkt X um 10 Einheiten ebenso der Billigkeit entsprechen wie um 90 oder 100 Einheiten.

Faktisch nicht kontrollierbar.

Offline ben100

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #172 am: 15. Juli 2009, 20:35:05 »
Schon interessant wie ihr beiden miteinander kommuniziert *g*

Zu beachten ist aber auch das die  AVBGasV dem Kunden mit übersandt werden. Passiert dies nicht sind sie auch nicht Bestandteil des Vertrages geworden. Dann wirds schwierig für den Versorger.

Offline Black

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« Antwort #173 am: 15. Juli 2009, 20:39:24 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Denn wenn alle weiteren preisbildenden Kostenfaktoren gleich geblieben waren, die Bezugskosten zum Zeitpunkt X um 100 Einheiten gestiegen  sind, würde nach der Rechtsprechung des Senats eine Tarifpreiserhöhung zum Zeitpunkt X um 10 Einheiten ebenso der Billigkeit entsprechen wie um 90 oder 100 Einheiten.

Faktisch nicht kontrollierbar.

Wenn ohne Kostensparungen in anderen Bereichen die Bezugskosten um 100 Einheiten steigen, dann wäre nach den geltenden Regeln der Billigkeit eine weitergabe von 100 Einheiten zulässig.

Wenn Sie jetzt davon sprechen, dass dadurch auch die Weitergabe von 10 oder 90 Einheiten billig wäre haben sie zwar recht, täuschen damit aber eine Unsicherheit für den Kunden nur vor. Das Ermessen des Versorgers ist ja nach oben hin auf 100 Einheiten begrenzt. Wenn er weniger anpasst würde das nur zum Vorteil des Kunden sein.

Nach ihrer Argumentation scheint es so, als wäre der Sonderkunde mit einer Gleichstellung mit Tarifkunden einer unkontrollierbaren Willkür ausgesetzt. Warum soll die Billigkeitskontrolle des Tarifkunden (die dem Tarifkunden vom Gesetzgeber zugemutet wird)  plötzlich beim Sonderkunden unzumutbar werden. Der Sonderkunde ist nicht schützenswerter als der Tarifkunde. Eher ist es umgekehrt.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #174 am: 15. Juli 2009, 21:00:38 »
@Black

Also nochmals:

§ 310 Abs. 2 BGB führt zu keiner Besserstellung der Versorger in Bezug auf § 307 BGB.

Die Benachteiligung des Kunden bei Preisänderungsklauseln besteht darin, dass der AGB- Verwender sich einseitig aus der gem. § 433 II BGB grundsätzlich bindenden Wirkung einer vertraglichen Preisvereinbarung löst oder sich eine solche Lösung vorbehält, was den geschlossenen Vertrag grundsätzlich gegenüber einem Vertrag ohne Preisänderungsklausel entwertet, weil die Kalkulierbarkeit für den Vertragspartner des Klauselverwenders verloren geht.

Deshalb können Preisänderungsklauseln nur hingenommen werden, wenn sie - als Ausgleich - dem Transparenzgebot entsprechen. Denn nur dann bleibt die weitere Entwicklung für den Vertragspartner des Klauselverwenders kalkulierbar.  

Warum die Transparenz- Anforderungen an Preisänderungsklauseln nach § 307 BGB bestehen, bedarf keiner Erörterung mehr. Intransparente Preisänderungsklauseln in AGB benachteiligen den Kunden  unangemessen, st. Rspr.  

Durch instransparente Klauseln wird der Sondervertragskunde einem faktisch nicht kontrollierbaren Leistungsbestimmungsrecht ausgesetzt, das Willkür und nachträgliche Margenerhöhungen nicht sicher auszuschließen vermag. Allein das Verschaffen dieser Möglichkeit durch die Verwendung intransparenter Preisänderungsklauseln stellt die unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, st. Rspr.  

Warum das so ist, lesen Sie bitte in BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08, dort insbesondere in  Tz. 38.

Woher soll der Kunde wissen, in welchem Umfange wann Kostenänderungen wann eintreten, in welchem Umfange Kostenerhöhungen weitergegeben wurden, in welchem Umfange dies zulässig war und in welchem Umfange wann deshalb eine Verpflichtung zu Preissenkungen besteht?!!!

Der Tarifkunde unterwirft sich von Anfang an dem gesetzlichen Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht des Versorgers, wobei der Tarif an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist. Eine Preisvereinbarung besteht dabei aus genannten Gründen nicht. Der Versorger stuft den Kunden vielmehr in einen der bestehenden Grundversorgungstarife ein. Es besteht ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht. Im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht besteht zudem die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen.

Im Gegensatz dazu vereinbart der Sondervertragskunde bei Vertragsabschluss mit dem Versorger bewusst und ausdrücklich einen besonderen  Preis. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht des Versorgers keine Anwendung.

Es wird vertraglich gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vereinbart, sondern ein besonderer Erdgas- Preis, an den beide Vertragsteile für die Vertragsdauer gem. § 433 II BGB grundsätzlich gleichermaßen gebunden sind, wenn nicht ausnahmsweise eine notwendig transparente Preisänderungsklausel in den Vertrag wirksam einbezogen wurde.

Hätten Lieferant und Kunde bei Vertragsabschluss keinen besonderen Preis sondern ein gerichtlich kontrollierbares einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten gem. § 315 Abs. 1 BGB vereinbaren wollen, dann hätten sie dies individulavertraglich tun können, haben sie aber gerade nicht, weil ihr Wille bei Vertragsabschluss ausdrücklich nicht darauf gerichtet war.

Der Versorger bedarf gegenüber einem Sondervertragskunden nicht des einseitigen Tarifbestimmungs- und -änderungsrechts, weil sein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung nicht gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV ausgeschlossen ist.

Die Rechte- und Pflichtenlage wie auch die Interessenlagen sind bei einer Belieferung innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht deshalb grundverschieden von denen bei einer Belieferung, die dem allgemeinen Vertragsrecht unterliegt, was insbesondere § 307 BGB mit einschließt.

Offline Opa Ete

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« Antwort #175 am: 16. Juli 2009, 09:08:51 »
Moin zusammen,

1. die EVUs haben sich die Suppe selbst eingebrockt, indem sie die Verbraucher mit Lockangeboten -sprich Sonderverträgen- geködert haben.

2. Dieses Urteil ist für uns Protestler, die immer schon die Preiserhöhungen
beanstandet haben sehr gut. fast alle Preisanpassungsklauseln sind fehlerhaft, kenne keine wo die Pflicht zur Preissenkung beschrieben wird.

3. @Black hat Recht: die Versorger werden ihre Preisanpassungsklauseln jetzt wasserdicht machen, das macht für Protestler die Argumentation mit den fehlerhaften Preisänderungsklauseln sehr viel schwieriger.
Das betrifft aber nur die Zukunft, keine Verträge mit alten fehlerhaften Klauseln.

4. Ich kann mit einer Klausel leben, in der sich das EVU verpflichtet die Preise in dem Maß zu senken, wie die Einkaufspreise auch sinken, völlig klar Erhöhungen und Absenkungen nur 1:1, und wenn man die Senkung auch vor Gericht überprüfen lassen kann. Bisher sind die EVUs ja wie die Banken verfahren, die Zinserhöhungen der EZB sofort 1:1 weitergegebn haben und Senkungen vielleicht 0,1:1, z.B. müsste zur Zeit  die kwh bei Eon Avacon im Tarif Classic unter 2 cent liegen, wenn man wirklich, wie von der Avacon immer behauptet den Ölpreis als Vergleich heranzieht.

Gruß Opa Ete

Offline RR-E-ft

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« Antwort #176 am: 16. Juli 2009, 13:08:19 »
Zitat
Original von Opa Ete
4. Ich kann mit einer Klausel leben, in der sich das EVU verpflichtet die Preise in dem Maß zu senken, wie die Einkaufspreise auch sinken, völlig klar Erhöhungen und Absenkungen nur 1:1, und wenn man die Senkung auch vor Gericht überprüfen lassen kann. Bisher sind die EVUs ja wie die Banken verfahren, die Zinserhöhungen der EZB sofort 1:1 weitergegebn haben und Senkungen vielleicht 0,1:1, z.B. müsste zur Zeit  die kwh bei Eon Avacon im Tarif Classic unter 2 cent liegen, wenn man wirklich, wie von der Avacon immer behauptet den Ölpreis als Vergleich heranzieht.


Bei einer solchen Klausel wäre der Versorger nicht verpflichtet, bei gleichbleibenden Bezugskosten etwa gesunkene Netzkosten an die Kunden weiterzugeben. Bei der Grundversorgung besteht indes eine Verpflichtung, gesunkene Kosten über Preissenkungen an die Kunden weiterzugeben.

Offline Black

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« Antwort #177 am: 16. Juli 2009, 13:20:09 »
Bei einer Gleichstellung der Normsonderkunden mit dem Tarifkunden ist der Kunde praktisch nicht benachteiligt. Das ein Versorger gestiegene Bezugskosten weitergeben können muss dürfte wohl unstreitig sein. Zusätzliche Gewinne des Versorgers wären auch bei Gleichstellung nicht zulässig.

Wenn nun argumentiert wird, der Nachteil läge im Verstoss gegen § 307 BGB muss dem entgegegngehalten werden, dass der BGH einen solchen Verstoss gerade abgelehnt hat. Der Nachteil also rechtlich nicht besteht.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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« Antwort #178 am: 16. Juli 2009, 13:41:59 »
@Black

Es mag sein, dass der Senat tatsächlich  meint, die Klausel müsse, um der Inhaltskontrolle standzuhalten,  für Preiserhöhungen und Preissenkungen all jene Kriterien berücksichtigen und also benennen und beinhalten, die der Senat für die Preisänderungen gegenüber Tarifkunden aufgestellt hat.

Der Kartellsenat des BGH hatte zudem beanstandet, dass die Revisionszeitpunkte nicht in der Klausel festgelegt waren, so dass es dem Versorger überlassen blieb, wann er seine Preise neu kalkulierte, was die Möglichkeit zur nachträglichen Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses eröffnet. Solche vorfestgelegten Revisionszeitpunkte gibt es bei Tarifkunden nicht, was der Kartellsenat durch  die gesetzliche Versorgungspflicht als gerechtfertigt ansah.  

Eine Klausel, die die o.g. Kriterien benennt und zudem festgelegte Revisionszeitpunkte beinhaltet, könnte dann wegen der Leitbildfunktion einer Inhaltskontrolle standhalten. Auf dieser Linie liegt ja auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2009.

Es ist eine crux mit obiter dicta, die immer zur Rechtsverwirrung beitragen und auch sonst bedenklich sind.

Offline Black

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« Antwort #179 am: 16. Juli 2009, 13:58:53 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Es mag sein, dass der Senat tatsächlich  meint, die Klausel müsse, um der Inhaltskontrolle standzuhalten,  für Preiserhöhungen und Preissenkungen all jene Kriterien berücksichtigen und also benennen und beinhalten, die der Senat für die Preisänderungen gegenüber Tarifkunden aufgestellt hat.

Mag sein. Verschiedene Gerichte scheinen bereits davor dieser Auffassung gewesen zu sein. So zum Beispiel LG Konstanz 31.03.2009, 2 O 409/08 A, Seite 7 Abschnitt d.

Dagegen spricht aber der aktuelle Wortlaut des BGH, der von einer schlichten \"unveränderten Übernahme\" spricht, die eben auch durch eine simple Verweisung zu erreichen ist.
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