Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?

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RR-E-ft:
@Black

Auch das stimmt nicht.

Siehste hier.


--- Zitat ---Haben die Parteien hingegen vertraglich vereinbart, der Versorger solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen, so wird bei solchen Verträgen § 315 Abs. 1 und 3 BGB weiter unmittelbar anwendbar sein. Einer Preisänderungsklausel, die einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten muss, bedarf es bei solchen speziellen Verträgen nicht.
--- Ende Zitat ---

Ich war am Abschluss einiger Verträge beteiligt, wo dem Versorger bewusst die Bestimmung der Leistung nach Vertragsabschluss überlassen wurde.

Auch solche Fälle gibt es ja, zweifellos echte Sonderverträge.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black

In der genannten Entscheidung prüft der BGH sehr genau, ob und unter welchen Voraussetzungen § 315 BGB überhaupt Anwendung findet.

Als allererste Frage beschäftigte ihn dabei:

Besteht ein vertraglich vereinbartes  Leistungsbestimmungsrecht, auf welches § 315 Abs. 1 und 3 BGB unmittelbare Anwendnung findet?

Diese Prüfung ist bei jedem Vertragsververhältnis gesondert vorzunehmen.

Er verneint dies, weil die Parteien nicht vereinbart hatten, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung einseitig bestimmen, sondern sich bereits auf einen Preis geeinigt hatten.

Nächster Prüfungsschritt war die Frage, ob sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 Abs. 1 BGB aus einem Gesetz ergibt.

Im dortigen Fall eines Tarifkunden konnte § 315 BGB nur deshalb dennoch unmittelbar angewendet werden, weil sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 Abs. 1 BGB  gegenüber Tarifkunden aus einem Gesetz ergibt.

Das hilft jedoch bei Sondervertragskunden nicht weiter, da sich in Bezug darauf unbestritten kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 Abs. 1 BGB aus einem Gesetz ergibt (so schon BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07).

Nächster Prufungsschritt war die Frage, ob § 315 BGB wenn nicht unmittelbare, so doch wenigstens entsprechende (analoge) Anwendung findet. Diese Frage hat der BGH jeweils verneint, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen.

Man muss also genau diese drei Fragen hintereinander auf jedes betroffene Vertragsverhältnis anwenden, um zu wissen, ob § 315 Abs. 1 und 3 BGB darauf überhaupt unmittelbare oder entsprechende Anwendung findet.

Man darf nicht mit einer Billigkeitskontrolle loslegen, wenn deren Voraussetzungen im konkreten Vertragsverhältnis überhaupt nicht vorliegen.
--- Ende Zitat ---

Zu der Problematik, dass zunächst geprüft werden muss, ob überhaupt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, kann ich empfehlen:

Zenke/ Wollschläger, \"§ 315 BGB: Streit umd Versorgerpreise\", 1.Aufl., S. 35 ff.


--- Zitat ---\"Vorausgesetzt wird damit, dass sich die Vertragsschließenden nicht auf eine konkrete Leistung, sondern gerade auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Partei geeinigt haben. Die Norm geht also zunächst von einem Vertragsschluss aus. Da allerdings die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen eines Vertragsschlusses, die Einigung über die essentialia negotii, also den notwendigen Mindestvertragsinhalt eines Vertrages - Leistung und Gegenleistung wie der Preis einer Ware bzw. Leistung - fehlen, muss § 315 BGB gleichzeitig Abhilfe schaffen, soll der vorausgesetzte Vertragsschluss gegeben sein.

Das will er auch. Sinn und Zweck des § 315 BGB ist daher, die Ermöglichung eines Vertragsabschlusses, obwohl sich die Vertragsparteien über die Leistung eines Partners (hier das Entgelt) nicht geeinigt haben. An Stelle der Einigung über den Preis tritt also das Bestimmungsrecht, das durch eine spätere Erklärung des Bestimmenden (Abs. 2) und im Übrigen \"im Zweifel\" nach billigem Ermessen ausgeübt werden soll.

Es muss sich unbedingt vergegenwärtigt werden, dass § 315 BGB in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ein echter Ausnahmefall ist. Im Regelfall werden bei Verträgen, die in einem Geegenseitigkeitsverhältnis stehen, beide Vertragsparteien bereits bei Vertragsabchluss eine Einigung sowohl über die zu erbringende Leistung als auch über die Gegenleistung anstreben.

Daher ist in jedem Einzelfall stets zu prüfen, ob ein Bestimmungsrecht des Versorgers überhaupt vorgesehen war bzw. ist. Nicht ausreichend ist dabei, wenn ein unbefristet oder lang laufender Vertrag ein Recht zur Preisanpassung enthält. \"
--- Ende Zitat ---

Und weiter auf Seite 39:


--- Zitat ---\"Dass eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 315 BGB auf Energieversorgungsverträge regelmäßig nicht möglich ist, hat die Rechtsprechung zu Zeiten vor der Liberalisierung des Energiemarktes 1998 dazu bewogen, den § 315 BGB analog, d. h. entsprechend auf Sachverhalte anzuwenden, in denen zwar kein vertraglich eingeräumtes, aber faktisches Bestimmungsrecht besteht.\"
--- Ende Zitat ---

Die Kollegen weisen im weitern nach, warum die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 315 BGB nicht vorliegen.

Und weiter auf Seite 50:


--- Zitat ---\"Erst wenn die erste- hohe - Hürde der Anwendbarkeit des § 315 BGB, bezogen auf die konkrete Situation des Kunden, genommen wurde, so ist im Weiteren zu klären, ob der Preis für Strom, Gas, etc. der Billigkeit entspricht.\"
--- Ende Zitat ---

Da stimme ich mit den Kollegen von Becker Büttner Held doch völlig überein.

Ich bin nur der Auffassung, dass sich bereits aus § 4 Abs. 1 AVBV ergab, dass sich Versorger und Tarifkunde bei Vertragsabschluss auf keinen Preis einigen, sondern dabei ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vereinbart wurde, was m. E. auch BGH NJW 2003, 3131 belegt (so auch LG Gera, B. v. 08.11.2006 Az. 3 HK.O 81/05 zu § 4 AVBEltV und BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 bei Verweisung auf ein jeweils gültiges Preisblatt).

@Ronny

Vielleicht lesen Sie also noch einmal bei Zenke/ Wollschläger nach oder rufen die Kollegen bei Becker Büttner Held in Berlin an und fragen da nach, bevor Ihnen Black hier noch einen Floh ins Ohr setzt.

Ronny:
@ Fricke

Keine Sorge, ich habe meine eigenen Flöhe im Ohr. Auf Black bin ich da nicht angewiesen. Ich rekapituliere mal:

1.
Herr Fricke hat allem Anschein nach sein Herz für die Verbraucher verloren und argumentiert vehement und in deutlichem Gegensatz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung dafür, dass in Normsonderkundenverträgen in der Regel § 315 BGB keine Anwendung findet.

Was ihn dazu bewegt, ist nicht nachvollziehbar. Den Interessen der Verbraucher dieses Forums dient das gewiss nicht.

2.
Herr Fricke hat Schwierigkeiten mit dem Begriff \"unverändert übernehmen\". Statt dessen kreiert er neue Preisanpassungsklauseln, die vom Wortlaut des § 5 Abs. 2 GasGVV abweichen. Wozu diese Vorschläge gut sind, weiss niemand. Den Anforderungen, die Herr Fricke vor dem 15.07.2009 an das Transparenzgebot gestellt hatte, entsprechen sie ganz sicher nicht.

Sei´s drum.

RR-E-ft:
@Ronny

Eine Entscheidung, in der zu lesen steht, dass § 315 Abs. 1 und 3 BGB auf Normsonderveträge unmittelbare Anwendung findet, habe ich noch nicht gelesen. Wenn Sie eine haben, zeigen Sie  mir die bitte mal.

Ich habe mehrere Entscheidungen gelesen, wo der BGH sagt, dass § 315 BGB auf \"genormte\" Sonderkundenverträge keine Anwendung findet (KZR 2/07; VIII ZR 274/06; VIII ZR 225/07).

Ich habe gelesen, was der BGH zur Voraussetzung der unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 2 BGB sagt und dazu wann diese Voraussetzungen nicht vorliegen (BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16). Das prüft der Senat immer vorrangig. Davon ist der Senat bisher ersichtlich nicht abgerückt.

Wenn nämlich ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vertraglich vereinbart wurde, bedarf es schon keiner Preisänderungsklausel, die erst einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten müsste.

Und deswegen wäre es ein Fehler vieler Normsondervertragskunden, anzunehmen, § 315 Abs. 1 und 3 BGB fänden auf ihre Verträge unmittelbare Anwendung. Oft wird es an der Voraussetzung fehlen, dass die Parteien vereinbart haben, der Versorger solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen.

Haben Normsondervertragskunden jedoch bei Vertragsabschluss vereinbart, der Versorger solle nach Vertragsabschluss die Leistung einseitig bestimmen, so bin ich doch bekanntermaßen einer der ersten Befürworter der unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB.

Ich habe aber auch gelesen, dass der Senat auch Preisänderungsklauseln, die gegenüber  Normsondervertragskunden Verwendung finden, einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterzieht.

Preisänderungsklauseln folgenden Inhalts halten der  Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB jedenfalls nicht stand:


--- Zitat ---„kgu darf den Festpreis und den Verbraucherpreis entsprechend § 5 Abs. 2 GasGVV anpassen. Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden. Soweit sich der Festpreis oder der Verbrauchspreis ändert, können Sie den Vertrag entsprechend § 20 GasGVV kündigen“
--- Ende Zitat ---

Es handelt sich nämlich auch dabei um eine unangemessene Benachteiligung des Kunden.

Black:
@ RR-E-ft

Wie ist dann nach Ihrer Meinung weiter zu verfahren, wenn in einem Sonderkundenvertrag ein Preisanpassungsrecht nach § 5 GVV einbezogen wurde und eine (gerichtliche) Prüfung ergeben hat, dass die Einbeziehung (auch nach § 307 BGB) wirksam war?

RR-E-ft:
@Black

Dann ist möglicherweise die Einlegung eines Rechtsmittels zu erwägen, wenn die Preisänderung nicht nach den hinreichend konkret tatbestandlichen Regelungen der Klausel kontrolliert wurde, sondern ein anderer Maßstab gewählt wurde.

Vorrangig ist zu prüfen, ob die Vertragspartner ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht vertraglich vereinbart haben, das zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt.

Erst wenn diese Frage eindeutig verneint wurde, stellt sich die Frage, ob eine Preisänderungsklausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde und ob diese einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhält.

Das Ergebnis des ersten Prüfungsschrittes muss dabei weiter beachtet werden.

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