Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?

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Ronny:
(edit Evitel2004: abgehangen aus: Dritter Termin beim LG Itzehoe 15.01.2009 )

Hallo Herr Fricke,

ich finde es unglaublich interessant, dass Sie das BGH-Urteil vom 17.12.2008 bisher so gut wie gar nicht kommentiert haben. Hier im Thread findet sich folgende kurze Erwähnung:


--- Zitat --- Gleichwohl wurden alle Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt (BGH, Urt. v. 13.12.2006 VIII ZR 25/06; Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07; Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06)

--- Ende Zitat ---

Im eigentlichen Thread zum Verfahren findet man einzig dieses Fazit:


--- Zitat ---[/size]
Zitat: Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dass die vorgenannten Gaspreiserhöhungen wirksam sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsregelung in § 2 Nr. 2 des \"Gasversorgungs-Sondervertrages\" der Parteien, einem von der Beklagten vorformulierten Vertrag über die leitungsgebundene Versorgung von Sonderkunden mit Erdgas (im Folgenden nur: Sondervertrag), gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises steht der Beklagten daher nicht zu, sodass die streitigen Preiserhöhungen schon deshalb unwirksam sind. Auf die Fragen, ob die Preiserhöhungen einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB standhielten, kommt es somit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

Fazit:

In Sonderverträgen (alle die wo zu günstigeren als den als solchen öffentlich bekannt gemachten Allgemeinen Tarifen beliefert werden, vgl. KG Berlin, Urt. v. 28.10.2008 Az. 21 U 160/06) sind einseitige Änderungen der vertraglich vereinbarten Preise nur zulässig, wenn eine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbezogen wurde (§ 305 Abs. 2 BGB) und diese Klausel als Preisnebenabrede der Inhalstkontrolle standhält und wirksam ist. Liegt keine oder keine wirksame Preisänderungsklausel vor, kommt es nicht darauf an, ob die einseitige Preisänderung einer Billigkeitskontrolle standhielte.

--- Ende Zitat ---
[/size]


Es erstaunt mich doch, dass Sie die Randnummer 20 des Urteils nicht erwähnen (Randnummer 21 konnten Sie doch auch zitieren):


--- Zitat ---Die AVBGasV hat allerdings ebenso wie die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie (AVBEltV) eine \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\". Sie verkörpert eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich getroffen hat, und enthält somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern als angemessen zu betrachten ist. Diese Indizwirkung ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers des AGB-Gesetzes, durch die Regelung in § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG weiterhin eine Versorgung der Sonderabnehmer ganz oder teilweise zu den für Tarifabnehmer geltenden Bedingungen zuzulassen. Die damit angestrebte sachliche Gleichbehandlung von Tarif- und Sondervertragskunden beruht auf dem Gedanken, dass Sonderabnehmer regelmäßig keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer (vgl. zur AVBEltV BGHZ 138, 118, 126 f. unter Hinweis auf BR-Drs. 360/75, S. 42). Dies hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 310 Abs. 2 BGB, mit dem die Regelung des § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen worden ist, ausdrücklich bestätigt und ausgeführt, dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen müsse, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen zu gestalten (BT-Drs. 14/6040, S. 160).

--- Ende Zitat ---

Daraus ergibt sich doch sehr deutlich, unter welchen Bedingungen Preisanpassungsklauseln in Verträgen mit Sonderkunden wirksam sein können.

Eine Preisanpassungsklausel, die die Regelungen des § 4 Abs. 2 ABVGasV oder § 5 Abs. 2 GasGVV nachbildet, wird wirksam sein.

Warum informieren Sie die Forumsteilnehmer hier nicht neutral?


Ronny

RR-E-ft:
@Ronny

Ich weiß nicht, wer Sie ggf. nicht neutral informiert hat.

Ihre Folgerung ist nicht zutreffend.

Der achte Senat hat es ausdrücklich offen gelassen, ob solche Klauseln zulässig sein können. Aus der Pressemitteilung des BGH ist im dortigen Thread zitiert:


--- Zitat ---Der Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen einer Prüfung nach § 307 BGB standhalten, wenn sie entsprechend den Regelungen in § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) gestaltet sind, an deren Stelle ab dem 8. November 2006 die Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) getreten ist. Eine Entscheidung darüber war nicht erforderlich. Denn eine entsprechende Übernahme der Regelungen der AVBGasV lässt sich der von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklausel schon deshalb nicht entnehmen, weil keine Klarheit darüber besteht, in welcher Weise die Preisänderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erfolgen haben. Insbesondere folgt aus der Klausel nicht klar und verständlich, ob der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll, wie es sich aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ergibt (Urteil vom 13. Juni 2007, BGHZ 172, 315; Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07; dazu Pressemitteilungen Nr. 70/2007 und Nr. 211/2008.
--- Ende Zitat ---


Der Senat müsste - wenn er von der Rechtsprechung der anderen Senate abweichen wollte -  den Großen Senat anrufen.

In der Entscheidung vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Rn. 16 hatte der Senat noch ausdrücklich offen gelassen, ob einseitige Stromtariferhöhungen gem. § 4 AVBEltV der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen. Einige hatten aus dieser Entscheidung sogleich geschlossen, Strompreiserhöhungen unterlägen keiner Billigkeitskontrolle. Nun weiß man es - hoffentlich - besser, nachdem eine Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB bei Bestehen eines gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts Anwendung findet.  



1.

Bei Sonderverträgen besteht kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht. Wird bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf den zu zahlenden Preis vereinbart, unterliegt von Anfang an der Gesamtpreis einer Billigkeitskontrolle.

In Sonderverträgen wird aber regelmäßig kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart, sondern die Parteien einigen sich bei Vertragsabschluss auf einen Preis.

Dieser Preis kann nachträglich nur dann einseitig abgeändert werden, wenn es dafür eine vertragliche Grundlage gibt. Eine solche besteht nicht, wenn sich eine Preisänderungsklausel als unwirksam erweist.

Preisänderungsklauseln in Versorgungsverträgen unterliegen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 Tz. 13



--- Zitat ---Die Preisanpassungsklausel in § 2 Nr. 2 des Sondervertrages ist als Versorgungsbedingung in dem Vertrag eines Gasversorgungsunternehmens mit Sonderkunden nicht durch § 310 Abs. 2 BGB der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB entzogen (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG). Sie unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 21. September 2005 – VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 1 m.w.N.).
--- Ende Zitat ---


2.

Der weite Spielraum der Billigkeit genügt dabei nicht den Anforderungen, die dabei an die Konkretisierung zu stellen sind, vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2004 - KZR 10/03 unter II.6:


--- Zitat ---Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung
bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213).

Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
--- Ende Zitat ---

3.

Nichts anderes ergibt sich aus § 310 Abs. 2 BGB (früher § 23 AGBG), da dieser sich überhaupt nicht auf die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, 9 AGBG bezieht, noch nie bezog.

4.

Der Kartellsenat des BGH hat zutreffend entschieden, dass § 4 AVBGasV keine Leitbildfunktion für eine Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).


--- Zitat ---Entgegen der Auffassung der Revision steht der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel schließlich auch nicht entgegen, dass sie dem gesetzlichen Leitbild des (bis zum 7. November 2006 geltenden) § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entspräche.

Allerdings kann den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ebenso wie den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden, obwohl sie für Sonderverträge nicht gelten, \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" zukommen (BGHZ 138, 118, 126 ff.).

Indessen ist eine solche Funktion den Vorschriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden nicht pauschal beizumessen, sondern jeweils für die einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen. Damit wird auch dem Umstand angemessen Rechnung getragen, dass nach § 310 Abs. 2 BGB zwar die §§ 308, 309 keine Anwendung auf Verträge über die Versorgung von Sonderabnehmern mit Gas finden, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden abweichen, die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB jedoch nicht ausgeschlossen ist.

Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu.
--- Ende Zitat ---


5.

Die Anforderungen, die an Preisänderungsvorbehalte infolge nachträglich gestiegener Kosten zu stellen sind, ergeben sich aus den genannten Entscheiungen des BGH vom 11.10.2007 - III ZR 63/07 und vom 15.11.2007 - III ZR 247/06:


--- Zitat ---Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 - III ZR 63/07 - Rn. 19; BGH, Ur-teile vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05 - NJW-RR 2005, 1717 unter II. 2.; vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06 - NJW 2007, 1054, 1055 Rn. 20; jeweils m.w.N.).

Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Diesen Anforderungen wird die beanstandete Preisanpassungsklausel nicht gerecht. Sie verstößt zum einen gegen das aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Transparenzgebot. Sie ist deshalb zu unbestimmt, weil sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht näher umschriebenen Bereitstellungskosten anknüpft und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regelt. Insbesondere werden die Kostenelemente und deren Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Abonnementpreises nicht offen gelegt. Für den Abonnenten ist deshalb weder vorhersehbar, in welchen Bereichen Kostenänderungen auftreten können, noch hat er eine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.

Zum anderen führt die Klausel auch nach ihrem Inhalt zu einer unange-messenen Benachteiligung des Abonnenten, weil sie Preiserhöhungen nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird. Somit ermöglicht die Bestimmung der Beklagten, die Abonnementpreise ohne jede Begrenzung zu erhöhen und nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum will § 307 BGB verhindern.
--- Ende Zitat ---

6.

Wie eine Klausel, wonach der Versorger berechtigt sei, die Preise nachträglich der Marktentwicklung auf einem Wärmemarkt anzupassen, diesen Anforderungen auch nur ansatzweise genügen könnte, ist nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht schon einheitlicher Markt für Wärmeenergie.

Der Gasbezieher (Abonnent) kann weder zukünftige Änderungen abschätzen, noch hat er eine reale Möglichkeit, eine vorgenommene Änderung anhand der Klausel selbst zu kontrollieren.

Das dürfte wohl unstreitig sein.

7.

§ 307 BGB will durch die Erfordernisse der Konkretisierung gerade verhindern, dass eine gerichtliche Billigkeitskontrolle erforderlich wird.Deshalb passt der weite Spielraum der Billigkeit nicht in das enge Korsett, welches § 307 BGB voraussetzt.

Vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urt.  vom 13.12.2007.:


--- Zitat ---Nach der - vom Senat geteilten - Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 13. Januar 2005, NJW-RR 2005, S. 858; Urteil vom 12. Juli 1989, NJW 1990,S. 115 f.) besteht bei langfristigen, auf Leistungsaustausch gerichteten Vertragsverhältnissen ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauerim Gleichgewicht zu halten. Je nachdem, ob es darum geht, den Anstieg der Gestehungskosten für die künftige Leistung oder den Wertverfall der Gegenleistung auszugleichen, kommen hierfür Kostenelemente- oder Wertsicherungsklauseln in Betracht.

Solche Klauseln dürfen aber - bei Meidung ihrer Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB - nicht zu einer ausschließlichen oder überwiegenden Wahrung der Verwenderinteressen führen.

Das Kaufrecht geht in § 433 Abs. 2 BGB von einer grundsätzlich bindenden Preisbestimmung aus und misst somit der Vorstellung der Parteien von der Gleichwertigkeit der von ihnen zu erbringenden Leistungen entscheidende Bedeutung bei (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2006, NJW 2007, S. 1054, 1055; Urteil vom 22. Februar 2002, MDR 2002, S. 752 ff., juris Rn. 17; Urteil vom 21. September 2005, NJW-RR 2005,S. 1717; Urteil vom 12. Juli 1989, NJW 1990, S. 115 f. mit weiteren Nachweisen).

Deshalb sind Preisanpassungsklauseln gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, die dem Verwender nicht nur einen Ausgleich gestiegener Kosten, sondern eine zusätzliche Gewinnerzielung und damit eine nachträgliche Verschiebung des Preis-Leistungs-Verhältnisses zulasten des Vertragspartners ermöglichen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2006, NJW 2007, S. 1054, 1055; Urteil vom 21. September 2005, NJW-RR 2005, S. 1717; Urteil vom 12. Juli 1989, NJW 1990, S. 115, 116; Urteil vom 6. Dezember 1984, NJW 1985, S. 855, 856; Urteil vom7. Oktober 1981, NJW 1982, S. 331, 332).

Zudem muss eine Preisänderungsklausel nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB möglichst klar und so verständlich gefasst sein, dass ein aufmerksamer und sorgfältiger Vertragspartner (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Januar 2005, NJW-RR 2005, S. 858; Urteil vom 3. Juni 1998, NJW 1998,S. 3114, 3116) des Verwenders den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer vom Verwender vorgenommenen Erhöhungan der Ermächtigungsklausel selbst messen kann (vgl. Bundesgerichtshof, Urteile vom 19. November 2002, NJW 2003, S. 746, 747 und S. 507, 509; Urteil vom 26. Mai 1986, NJW 1986, S. 3134, 3135; Urteil vom 11. Juni 1980, NJW 1980,S. 2518, 2519).

Das Landgericht hat Ziffer 4 der für den Vario-Tarif der Beklagten geltenden Vertragsbedingungen zu Recht an den vorstehenden Grundsätzen gemessen.

Die Rügen der Beklagten, die streitgegenständliche Klausel sei schon wegen ihrer „Strukturgleichheit“ mit § 4 Abs. 2 der Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizitätslieferungen (AVBEltV) unbedenklich, sie unterliege zudem alsPreisvorbehaltsklausel im Sinne von § 1 Nr. 1 Preisklauselverordnung (PrKV, jetzt: § 1 Abs. 2 Nr. 1 PrKG) wegen der Kontrollmöglichkeit des § 315 Abs. 3 BGB geringeren Transparenzanforderungen und dürfe auch zur Gewinnsteigerung verwendet werden, zumal die Wettbewerbssituation der Beklagten einen ausreichendenKundenschutz biete, sind unbegründet.
...

Auch beschränken sich die vom Bundesgerichtshof für Preisänderungsklauselnaufgestellten Grundsätze nicht - wie die Beklagte meint - auf Kostenelementeklauseln im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKG. Dies ergibt sich deutlich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 1980 (NJW 1980, S. 2518, 2519), das zu einer Preiserhöhungsklausel ergangen ist, die keine Bezugnahme auf Kostenelemente enthielt.

Auch in dem von der Beklagten herangezogenen Urteil vom 19. Oktober 1999 (NJW 2000, S. 651, 652) ist der Bundesgerichtshof nicht von den geschilderten Grundsätzen abgewichen. Vielmehr hat er ihre Geltung auf einen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen einseitigen Bestimmungsvorbehalt erstreckt: Auch eine solche Regelung könne nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisseals Instrument zur Anpassung notwendig sei und Anlass, Richtlinien sowie Grenzen des Bestimmungsrechts möglichst konkret angebe.

Als Instrument zur Anpassung ist eine Preisänderungsklausel - wie bereits unter aa. ausgeführt - nur dann notwendig, wenn sie der Wahrung des Äquivalenzverhältnisses dient.

Ferner hat der Bundesgerichtshof wiederholt klargestellt, dass die Kontrollmöglichkeit nach § 315 Abs. 3 BGB die notwendige Eingrenzung und Konkretisierung einer AGB-Klausel nicht ersetzen kann (vgl. Urteil vom 26. Mai 1986, NJW 1986, S. 3134, 3135; Urteil vom 7. Oktober 1981, NJW 1982, S. 331, 332; Urteil vom 11. Juni 1980, NJW 1980, S. 2518, 2519).

Ebensowenig kann sich die Beklagte darauf berufen, der Wettbewerb auf dem liberalisierten Strommarkt verhindere übermäßige Preiserhöhungen und biete damit bereits ein ausreichendes Korrektiv (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Oktober 1981, NJW 1982, S. 331, 332; Urteil vom 11. Juni 1980, NJW 1980, S. 2518, 2519). Entscheidend für die Wirksamkeit einer Preiserhöhungsklausel ist vielmehr, dass sie im Sinne des § 307 Abs. 1 und 2 BGB angemessen und transparent ist (ebenda).

Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Klausel - wie bereits das Landgericht eingehend und zutreffend ausgeführt hat - nicht. Die Formulierung „wird … in Anlehnung an die Preisentwicklung des liberalisierten Strommarktes für Tarifkunden … variabel halten“ gibt lediglich den Anlass einer Preisanpassung im Vario-Tarif der Beklagten wieder, bestimmt aber nicht, dass diese nur im Rahmen und zum Ausgleich etwaiger Kostensteigerungen zulässig ist. Dasselbe gilt für die Bezugnahme auf die „Marktpreise für vergleichbare Vertragsverhältnisse“ und die Formulierung „ggf. wird eine Anpassung der Preise im Vario-Tarif vorgenommen“in Satz 2 der Klausel. Auch bei einer Zusammenschau der beiden Sätze erlaubt Ziffer4 der Vertragsbedingungen der Beklagten eine von den Kunden nicht überprüfbare und auch nicht durch zwischenzeitliche Kostensteigerungen begrenzte Erhöhung desVario-Tarifs. Die damit ermöglichte nachträgliche Verschiebung des Preis-Leistungs-Verhältnisses zulasten der Sonderkunden verstößt - auch wenn sie nach Satz 3 der Klausel nach oben hin durch den Allgemeinen Tarif der Beklagten begrenzt ist -gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom12. Juli 1989, NJW 1990, S. 115, 116; Urteil vom 26. Mai 1986, NJW 1986, S. 3134,3135; Urteil vom 6. Dezember 1984, NJW 1985, S. 855, 856).
--- Ende Zitat ---

Es ist demnach nach der BGH- Rechtsprechung nicht angängig, einen Sondervertragskunden wegen der Kontrolle einer einseitigen Preisänderung auf eine gerichtliche Billigkeitskontrolle zu verweisen.

Mich wundert Ihre Frage dshalb, weil das Thema bereits an derer Stelle - auch mit Ihnen - bereits wiederholt diskutiert wurde. Möglicherweise ist auch Ihnen nicht entgangen, dass in der Entscheidung vom 17.12.2008 insbesondere auch die hier genannten Entscheidungen des 3.Zivilsenat vom Oktober/ Novemeber 2007 zitiert werden.

Entscheidend ist, dass aus der Klausel klar ersichtlich wird, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang nach welchen Richtlinien die Preise nachträglich erhöht werden können und nach gleichen Maßstäben eine Verpflichtung besteht, die Preise abzusenken, um das in der Preisvereinbarung liegende Äquivalenzverhältnis über die gesamte Vertragslaufzeit zu wahren.

Black:

--- Zitat ---Original von Ronny
Daraus ergibt sich doch sehr deutlich, unter welchen Bedingungen Preisanpassungsklauseln in Verträgen mit Sonderkunden wirksam sein können.

Eine Preisanpassungsklausel, die die Regelungen des § 4 Abs. 2 ABVGasV oder § 5 Abs. 2 GasGVV nachbildet, wird wirksam sein.

Warum informieren Sie die Forumsteilnehmer hier nicht neutral?


--- Ende Zitat ---

Ich halte das auch für möglich. Eine Entscheidung hierüber dürfte das anhängige Verfahren BGH, VIII ZR 56/08 ( mit mündlicher Verhandlung am 17.06.2009) bringen.

Dort geht es um die Klausel:

(EVU) darf den Festpreis und den Verbraucherpreis entsprechend § 5 Abs. 2 GasGVV anpassen. Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden. Soweit sich der Festpreis oder der Verbrauchspreis ändert, können Sie den Vertrag entsprechend § 20 GasGVV kündigen“,

Das OLG Celle hält die Klausel  für zulässig (Urteil vom 17.01.2008 - 13 U 152/07 ). Nun kann man  natürlich eine andere Ansicht vertreten als das OLG Celle, aber die Tatsache, dass sowohl das LG Verden, als auch das OLG Celle eine Klausel, die auf das Leitbild der GVV verweist, für zulässig halten, belegt dass eine ernstzunehmende Zahl von Richtern die Ansicht von Ronny teilt.

Leider hat RR-E-ft dieses Urteil des OLG Celle in der obigen umfassenden Darstellung der Rechtslage und der relevanten entscheidungen vergessen.  ;)

RR-E-ft:
@Black

Ich habe bewusst auf die Rechtsprechung des BGH abgestellt.

Zu der Entscheidung des OLG Celle vom 17.01.2008 (13 U 152/07) hatte ich wohl schon etwas im Forum geschrieben. Diese ersichtlich einzeln stehende Entscheidung  blieb an dieser Stelle ebenso unerwähnt wie OLG Hamm, Urt. v. 06.03.2008 - 2 U 114/07, OLG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2008 - 12 U 49/07, Kammergericht Berlin, Urt. v. 28.10.2008 - 21 U 160/06, die es alle ebenso sehen wie das OLG Frankfurt/ Main im Urt. v. 13.12.2007.

Soweit ersichtlich, stehen alle diese Entscheidungen zur Revision an.

Dass die Klausel, die Gegenstand des Verfahrens beim OLG Celle war, mit der Sondervertrags- Klausel der Stadtwerke Tornesch vergleichbar sein könnte, ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Immerhin kann der kgu- Kunde noch erkennen, dass sich der Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorbehalten möchte. Da es an einer ebensolchen Verpflichtung fehlt, darf man mit Rücksicht auf die Entscheidung des BGH Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 diesbezüglich gespannt sein.

Ich bin mir bis heute nicht schlüssig, ob kgu den Kunden im Falle von Preiserhöhungen nur ein Recht zur Teilkündigung einräumen will, nur soweit der Preis erhöht wird.

Black:
Es bleibt Ihnen natürlich selbst belassen wie Sie Ihre persönliche Rechtsauffassung untermauern möchten.

Wenn man aber den aktuellen Streitstand objektiv darstellen wollte (und dabei z.B. OLG Frankfurt erwähnt)  sollte man auch erwähnen, dass es eben auch anderslautende Entscheidungen gibt.

Wer nicht \"im Stoff\" steht, würde nach Ihrer sehr umfangreichen Drastellung der Rechtsprechung zum Ergebnis kommen, die Wertung von Ronny zum zulässigen Leitbild sei eine reine Fehlinterpretation ohne Widerhall in der Rechtsprechung.  In Wahrheit ist es aber ein juristisch nicht ausgeurteilter Meinungsstreit mit guten Argumenten auf beiden Seiten.

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