Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
Black:
Im gesetzlichen Leitbild, der GVV sind keine Zeitpunkte benannt, bzw. Änderungen \"zum Monatsbeginn\" zugelassen.
Der BGH spricht von der Zulässigkeit einer \"unveränderten Übernahme\", das schließt auch die Notwendigkeit weiterer Ergänzungen, abweichend von der gesetzlichen Regelung hinsichtlich des Zeitpunktes aus.
RR-E-ft:
@Black
Bisher sehe ich keinen Anhalt dafür, dass der VIII. Senat insoweit von der Entscheidung des Kartellsenats abweichen will, der gerade die Möglichkeit der freien Wahl des Preisrevisionszeitpunktes in Erdgas- Sonderverträgen beanstandete, vgl. oben.
Ich halte mich da weiter an die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2009:
--- Zitat ---Denn in Verträgen mit Verbrauchern sind an die Ausgewogenheit und Klarheit einer Änderungsklausel hohe Anforderungen zu stellen. Klauseln, die dem Verwender eine Preiserhöhung nach freiem Belieben gestatten, sind unwirksam. Die Klausel muss Grund und Umfang der Erhöhung konkret festlegen, so dass der Kunde erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen sich die Preise ändern und nach welchen Kriterien der neue Preis berechnet wird. Außerdem muss verhindert werden, dass der Verwender nachträglich seinen im vereinbarten Preis enthaltenen Gewinnanteil erhöht und damit das Äquivalenzprinzip verletzt wird (BGH NJW-RR 2005, 1717; BGH, NJW 2007, 1054 = sog. Flüssiggasentscheidungen.).
Dieser Beurteilung lässt sich nicht der nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB einzubeziehende Rechtsgedanke entgegenhalten, die Preisanpassungsklausel entspreche dem gesetzlichen Leitbild der §§ 4 Absatz 1 und 2 AVBGasV.
Zwar hat die AVBGasV für die Versorgung von Tarifkunden eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" und verkörpert eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber in dem Tarifkundenbereich getroffen hat mit der Folge, dass sie einen gewichtigen Hinweis darauf enthält, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern zu beachten ist (BGH, NJW 2009, 321 ff.). Ob deswegen eine entsprechend den Regelungen in §§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV gestaltete Preisanpassungsklausel, damit auch eine vertragliche Einbeziehung von § 4 AVBGasV, einer Prüfung gem. § 307 BGB Stand hielte, hat der BGH bisher nicht entschieden (BGH a.a.O., Rz. 21). Die „Leitbildfunktion\" kann jedoch aus Sicht des Senats nur für die Bewertung von Preisanpassungsklauseln von Bedeutung sein, die in Bezug auf Maßstab, Anlass und Umfang einer Preisänderung eine klare und transparente Regelung enthalten. Für die hier entscheidungserhebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Preise gegenüber Sonderkunden erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen, gibt das Leitbild keine Antwort.
--- Ende Zitat ---
Obiter dicta sind noch keine Entscheidungen, sondern führen allenfalls in eine obiter dicta- tur.
Wenn der Versorger berechtigt und verpflichtet sein will, nachträgliche Kostenerhöhungen und Kostensenkungen nach gleichen Kriterien weiterzugeben, dann müssen diese Kriterien vorher feststehen und in der Preisänderungsklausel selbst benannt werden, weil sonst nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kriterien nachträglich eine interne Änderung erfahren. Zudem muss auch der Kunde bei Vertragsabschluss entscheiden, ob er mit der Einbeziehung einer solchen Preisänderungsklausel einverstanden ist, § 305 II BGB. Für diese Entscheidung muss die Klausel klar und verständlich sein.
Die Kriterien können und dürfen sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit von Tarifpreisänderungen ergeben.
Denn wenn alle weiteren preisbildenden Kostenfaktoren gleich geblieben waren, die Bezugskosten zum Zeitpunkt X um 100 Einheiten gestiegen sind, würde nach der Rechtsprechung des Senats eine Tarifpreiserhöhung zum Zeitpunkt X um 10 Einheiten ebenso der Billigkeit entsprechen wie um 90 oder 100 Einheiten.
Faktisch nicht kontrollierbar.
ben100:
Schon interessant wie ihr beiden miteinander kommuniziert *g*
Zu beachten ist aber auch das die AVBGasV dem Kunden mit übersandt werden. Passiert dies nicht sind sie auch nicht Bestandteil des Vertrages geworden. Dann wirds schwierig für den Versorger.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Denn wenn alle weiteren preisbildenden Kostenfaktoren gleich geblieben waren, die Bezugskosten zum Zeitpunkt X um 100 Einheiten gestiegen sind, würde nach der Rechtsprechung des Senats eine Tarifpreiserhöhung zum Zeitpunkt X um 10 Einheiten ebenso der Billigkeit entsprechen wie um 90 oder 100 Einheiten.
Faktisch nicht kontrollierbar.
--- Ende Zitat ---
Wenn ohne Kostensparungen in anderen Bereichen die Bezugskosten um 100 Einheiten steigen, dann wäre nach den geltenden Regeln der Billigkeit eine weitergabe von 100 Einheiten zulässig.
Wenn Sie jetzt davon sprechen, dass dadurch auch die Weitergabe von 10 oder 90 Einheiten billig wäre haben sie zwar recht, täuschen damit aber eine Unsicherheit für den Kunden nur vor. Das Ermessen des Versorgers ist ja nach oben hin auf 100 Einheiten begrenzt. Wenn er weniger anpasst würde das nur zum Vorteil des Kunden sein.
Nach ihrer Argumentation scheint es so, als wäre der Sonderkunde mit einer Gleichstellung mit Tarifkunden einer unkontrollierbaren Willkür ausgesetzt. Warum soll die Billigkeitskontrolle des Tarifkunden (die dem Tarifkunden vom Gesetzgeber zugemutet wird) plötzlich beim Sonderkunden unzumutbar werden. Der Sonderkunde ist nicht schützenswerter als der Tarifkunde. Eher ist es umgekehrt.
RR-E-ft:
@Black
Also nochmals:
§ 310 Abs. 2 BGB führt zu keiner Besserstellung der Versorger in Bezug auf § 307 BGB.
Die Benachteiligung des Kunden bei Preisänderungsklauseln besteht darin, dass der AGB- Verwender sich einseitig aus der gem. § 433 II BGB grundsätzlich bindenden Wirkung einer vertraglichen Preisvereinbarung löst oder sich eine solche Lösung vorbehält, was den geschlossenen Vertrag grundsätzlich gegenüber einem Vertrag ohne Preisänderungsklausel entwertet, weil die Kalkulierbarkeit für den Vertragspartner des Klauselverwenders verloren geht.
Deshalb können Preisänderungsklauseln nur hingenommen werden, wenn sie - als Ausgleich - dem Transparenzgebot entsprechen. Denn nur dann bleibt die weitere Entwicklung für den Vertragspartner des Klauselverwenders kalkulierbar.
Warum die Transparenz- Anforderungen an Preisänderungsklauseln nach § 307 BGB bestehen, bedarf keiner Erörterung mehr. Intransparente Preisänderungsklauseln in AGB benachteiligen den Kunden unangemessen, st. Rspr.
Durch instransparente Klauseln wird der Sondervertragskunde einem faktisch nicht kontrollierbaren Leistungsbestimmungsrecht ausgesetzt, das Willkür und nachträgliche Margenerhöhungen nicht sicher auszuschließen vermag. Allein das Verschaffen dieser Möglichkeit durch die Verwendung intransparenter Preisänderungsklauseln stellt die unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, st. Rspr.
Warum das so ist, lesen Sie bitte in BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08, dort insbesondere in Tz. 38.
Woher soll der Kunde wissen, in welchem Umfange wann Kostenänderungen wann eintreten, in welchem Umfange Kostenerhöhungen weitergegeben wurden, in welchem Umfange dies zulässig war und in welchem Umfange wann deshalb eine Verpflichtung zu Preissenkungen besteht?!!!
Der Tarifkunde unterwirft sich von Anfang an dem gesetzlichen Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht des Versorgers, wobei der Tarif an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist. Eine Preisvereinbarung besteht dabei aus genannten Gründen nicht. Der Versorger stuft den Kunden vielmehr in einen der bestehenden Grundversorgungstarife ein. Es besteht ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht. Im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht besteht zudem die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen.
Im Gegensatz dazu vereinbart der Sondervertragskunde bei Vertragsabschluss mit dem Versorger bewusst und ausdrücklich einen besonderen Preis. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht des Versorgers keine Anwendung.
Es wird vertraglich gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vereinbart, sondern ein besonderer Erdgas- Preis, an den beide Vertragsteile für die Vertragsdauer gem. § 433 II BGB grundsätzlich gleichermaßen gebunden sind, wenn nicht ausnahmsweise eine notwendig transparente Preisänderungsklausel in den Vertrag wirksam einbezogen wurde.
Hätten Lieferant und Kunde bei Vertragsabschluss keinen besonderen Preis sondern ein gerichtlich kontrollierbares einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten gem. § 315 Abs. 1 BGB vereinbaren wollen, dann hätten sie dies individulavertraglich tun können, haben sie aber gerade nicht, weil ihr Wille bei Vertragsabschluss ausdrücklich nicht darauf gerichtet war.
Der Versorger bedarf gegenüber einem Sondervertragskunden nicht des einseitigen Tarifbestimmungs- und -änderungsrechts, weil sein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung nicht gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV ausgeschlossen ist.
Die Rechte- und Pflichtenlage wie auch die Interessenlagen sind bei einer Belieferung innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht deshalb grundverschieden von denen bei einer Belieferung, die dem allgemeinen Vertragsrecht unterliegt, was insbesondere § 307 BGB mit einschließt.
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