Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
RR-E-ft:
@reblaus
Möglicherweise haben sie die praktische Gleichstellung der Normsondervertragskunden mit den Tarifkunden nicht verstanden.
Bei Normsondervertragskunden wäre der Lieferant wie gegenüber Tarifkunden nach den Maßstäben der Billigkeit zur nachträglichen Preisänderung gleichermaßen berechtigt und verpflichtet, was eine entsprechende gerichtliche Kontrolle zur Folge hätte. Der Senat meint, aus § 310 Abs. 2 BGB ergäbe sich dabei eine Gleichbehandlung zwischen Normsonderkunden und Tarifkunden, was eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einschließen muss, weil Normsonderkunden ja sonst schlechter gestellt wären als Tarifkunden.
Wurde kein Preisänderungsrecht wirksam vereinbart, sind einseitige Preisänderungen per se unzulässig und unwirksam findet deshalb auch keine Billigkeitskontrolle statt (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 255/07).
Black:
Durch die Gleichstellung von Tarifkunden und (Norm)Sonderkunden wird künftig die Preisüberprüfung fairer.
Bisher war es doch das Ziel der Verbraucheranwälte in Verfahren den betroffenen Kunden möglichst als Sonderkunden darzustellen aber auf keinen Fall als Tarifkunden.
Selbst langjährig grundversorgte Kunden sollten ja nach den neuesten Vorstellungen mit dem Argument Bestabrechnung = Sonderkunde rechtlich aus der Grundversorgung herausgebrochen werden.
Bei Sonderkunden kam es nämlich nicht mehr wirklich darauf an, ob der Versorger Preise kalkulativ zu recht oder unrecht angehoben hatte. Mit dem Argument \"keine wirksame Preisanpassungsklausel\" war es viel erfolgversprechender Preisanpassungen für nichtig zu erklären (egal ob diese wirtschaftlich berechtigt waren oder nicht).
Mit der neuen Rechtsprechung des BGH ist es den EVU nun aber möglich auch in Sonderkundenverträge ein wirksames Preisanpassungsrecht aufzunehmen. Kommt es dann zum Streit mit Kunden greift die Billigkeitskontrolle. Der \"bequeme Weg\" ist damit freilich verbaut.
RR-E-ft:
@Black
Ich bin der Meinung, eine intransparente Preisänderungsklausel auch in den AGB eines Energieliefervertrages stellt eine unangemssene Benachteiligung des Kunden dar, ist deshalb nicht fair.
Tatsächlich war es bisher das Ziel der Versorgeranwälte, in Verfahren die betroffenen Kunden möglichst immer als Tarifkunden darzustellen, auch wenn Sonderverträge bestanden. Zuletzt hatte sich damit die Berliner Gasag in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH am 19.06.2009 hervorgetan.
Das war ja nur eine Äußerung obiter dicta des Senats.
Ich würde nicht darauf bauen.
Es stehen noch die Revisionen gegen die Urteile OLG Bremen, OLG Oldenburg und Kammergericht zur Entscheidung beim Senat an. Die Entscheidung über die Revision gegen OLG Düsseldorf vom 24.06.2009 könnte beim Kartellsenat des BGH landen.
Alle Oberlandesgerichte haben in ihren Entscheidungen umfassend das Transparenzgebot gem. § 307 BGB auch bei Einbeziehung von § 4 AVBGasV gewürdigt, womit sich der Senat deshalb wohl auseinandersetzen muss. Ich meine, die obiter dicta- Äußerung des Senats könnte noch nicht zu Ende gedacht gewesen sein, mit der Folge, dass es bei den Entscheidungen, bei denen es wirklich darauf ankommt, der Senat sich doch mit den umfangreichen Argumenten der OLG auseinanderzusetzen haben wird und dabei wohl auch die Entscheidung XI ZR 78/08 vom 21.04.2009 in das Blickfeld geraten kann.
Bei einem vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB - als Voraussetzung einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle - soll nach der Rechtsprechung des Senats der Umfang der gerichtlichen Billigkeitskontrolle anders ausfallen als bei einem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht. Da gegenüber Normsondervertragskunden unzweifelhaft kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht besteht, muss es sich um ein vertraglich vereinbartes Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB handeln, welches die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf die Preise zur Folge hat.
ben100:
Nach Auffassung des BAG-Vizepräsidenten Hans-Jürgen Dörner haben obiter dicta „die Schwäche, zur konkreten Rechtsfindung des Einzelfalls nichts beizutragen, die Leser regelmäßig zu verwirren und häufig späteren Erkenntnissen im Wege zu stehen.“ (Neues aus dem Befristungsrecht[1]). Im günstigsten Fall trägt ein obiter dictum zur Rechtsfortbildung bei. Abgesehen von dem von Dörner beschriebenen „Rechtsverwirrungsmoment“ besteht überdies die Gefahr der Missachtung des Prinzips der Gewaltenteilung. Das Gericht hat nur den jeweiligen Einzelfall, also betreffend den Streitgegenstand, zu entscheiden. Mit per obiter dictum geäußerter Rechtsauffassung greift es über seinen Entscheidungsauftrag hinaus der Gesetzgebungskompetenz der Legislative vor. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht: Ultima ratio seiner Kompetenz ist die Nichtigkeitserklärung gem § 31 Abs. 2 S. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz.↑ Hans Jürger Dörner: Neues aus dem Befristungsrecht. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht. Nr. 2, 2007, S. 57/58.
Quelle: Wikipedia
Black:
Ich würde mich nicht zu sehr an die Hoffnung der (bedeutungslosen) obiter dicta klammern.
Der BGH hat seine Erklärung zu eindeutig und unbedingt formuliert um davon wieder abrücken zu können. Noch dazu hat er dies gleich in zwei Entscheidungen parallel getan. Beide Pressemitteilungen enthalten gleichlautende Passagen.
Wenn es \"nur\" ein obiter dicta gewesen wäre, hätte es auch nicht Eingang in die Presseerklärung (zweimal) finden dürfen, die ja nur schwerpunkte der entscheidung wiedergeben soll.
Im übrigen handelt es sich nach meiner Auffassung bei der von Verbrauchern gern zitierten Aussage des Kartellsenates (KZR 2/07) zur Preissenkungsverpflichtung im Tarifkundenbereich auch nur um ein obiter dicta, da der Kartellsenat damals gar nicht über einen Tarifkundenvertrag zu entscheiden hatte, sondern nur im Rahmen einer Sondervertragsprüfung nebenher Vergleiche zur Grundversorgung angestellt hatte. Gleichwohl dient diese Entscheidung als zentrale Säule der Ablehnung des Preissockels, obwohl dieser mehrmals vom Kartellsenat bestätigt wurde.
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