Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?

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Black:
Nach wiederholter Rechtsprechung des BGH existiert im Grundversorgungsbereich bereits eine Kombination von vertraglich vereinbartem Anfangspreis und einseitigem (gesetzlichen) Preisänderungsrecht.

Wenn also eine Kombination von Vereinbarung und einseitiger Festsetzung bereits möglich ist, das kann dies auch auf rein vertraglicher Ebene erfolgen wenn das Festsetzungsrecht, dass beim grundversorgten Kunden aus dem Gesetz folgt hier einvernehmlich vereinbart wird.

Ein Verstoss gegen Denkgesetzte ist nicht erkennbar.

Man darf nicht vergessen, dass es sich beim Energieliefervertrag ja nicht um einen einmaligen Kaufvertrag nach § 433 BGB handelt, wo eine Preisvereinbarung mit einer einseitigen Preisbestimmung direkt kollidiert, sondern dass ein Dauerschuldverhältnis vorliegt.

Der Kunde kann also durchaus z.B. zunächst 1 Jahr Energie zum vereinbarten Preis beziehen bevor durch Ausübung des Preisfestsetzungsrechts ein veränderter Preis für die zukunft gilt.

RR-E-ft:
@Black

Dass der VIII. Zivilsenat mit seiner Rechtsprechung zur fingierten Einigung davor gefeit wäre, gegen Denkgesetze zu verstoßen, habe ich schon nicht behauptet.

Sie \"unterschlagen\" zudem die Aussage des VIII. Zivilsenats des BGH zum vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht in BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Tz. 32:


--- Zitat ---Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57).

An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte Preis für die Gaslieferung aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas ergab (vgl. § 10 Abs. 1 EnWG 1998; § 4 Abs. 1 AVBGasV).
--- Ende Zitat ---

Der BGH sagt klar, dass dann, wenn man sich bei Vertragsabschluss auf einen bereits feststehenden Preis geeinigt hat, gerade  kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vertraglich vereinbart wurde, wonach der eine Vertragsteil nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen soll !

Das verstieße ja auch gegen Denkgesetze. Es läge ein Dissens gem. § 154 BGB vor.

Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats ist folglich zwischen einem vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungsrecht und einem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht klar zu unterscheiden.

Ohne eine solche Unterscheidung hätte der Senat das gesetzliche einseitige Leistungsbestimmungsrecht wie ein vertraglich vereinbartes Leistungsbestimmungsrecht zu behandeln gehabt mit der Folge der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf den Gesamtpreis (VIII ZR 36/06 Tz. 32). Dies hätte ich für konsequenter gehalten. Letzteres entspricht zudem der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 10 f., Urt. v. 07.02.2006 - KZR 8/05; Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06).

Schließlich war das einseitige Leistungsbestimmungsrecht bei Tarifkunden von Anfang an Vertragsinhalt und somit das Leistungsbetimmungsrecht vertraglicher Natur (vgl. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 4 AVBGasV). Nicht anders verhält es sich in der Grundversorgung. Der VIII. Zivilsenat hat ganz  tief in die Trickkiste gegriffen. Zur Begründung hat er sich auch auf Entscheidungen des Bankensenats (XI. Zivilsenat) gestützt, die der Benkensenat nun aber ausdrücklich aufgegeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 55/08 und XI ZR 78/08].

Nach Auffassung des Kartellsenats des BGH unterliegt der Gastarif von Anfang an insgesamt dem Maßstab der Billigkeit, was die Verpflichtung zu Preissenkungen einschließt (vgl. nur BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26).


--- Zitat ---Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist
--- Ende Zitat ---

Siehe auch hier zum Dauerschuldverhältnis.

tangocharly:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
[...]Im Falle der vertraglichen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts unterliegt der Preis von Anfang an insgesamt der Billigkeitskontrolle (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007- VIII ZR 36/06 Tz. 32; BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 10).
--- Ende Zitat ---

Damit keine Mißverständnisse entstehen, sollte zum Zitat (\"BGH, Urt. v. 13.06.2007- VIII ZR 36/06 - Tz. 32\") klarstellend hinzugefügt werden, dass der VIII. Senat für die Tarifkunden dies gerade so nicht sagt, sondern dass man dies aus dessen Argumentation heraus lesen muß (Anm.: das Lesen zwischen den Zeilen ist die Kunst).

Denn der VIII. Senat sagt ja in Tz. 32: \"Nein, nein. Das sei ja hier ganz anders. Denn der Kunde der das Gasnetz des Versorgers anzapft, ist entweder Wunderknabe oder verfügt über hellseherische Fähigkeiten. Deshalb weil das so sei, wisse der Gaskunde ganz genau, nämlich in der berühmten \"juristischen Sekunde\" in der er den Gashahn aufdreht, wie die Tarifbedingungen des Versorgers lauten und wieviel Cent-Euronen er schon ab der nächsten kWh zu bezahlen hat. Und dass dies so richtig sei ergäbe sich daraus, dass das Tarifwerk des (Grund-)Versorgers ja öffentlich bekannt gemacht worden sei.\"

Hypothese auf Hypothese. Und schließlich ist der Gaskunde einfach der Dumme, weil er sich nicht vorher erkundigt hat. Warum wohl hat sich der Verordnungsgeber darüber Gedanken gemacht, dass es notwendig sei, dem Kunden den Vertragsschluß zu bestätigen ? Eben doch wohl, weil diese Hypothesen des BGH nicht der Lebenswirklichkeit entsprechen.

Im AGB-Recht läge der Versorger mit seinen nachgeschobenen Allg. Vertragsbedingungen völlig auf dem Bauch. Bei der Grundversorgung soll er einen vom Verordnungsgeber ausgestellten Freibrief haben (und das soll auch so gewollt worden sein ??).

RR-E-ft:
@tangocharly

Siehste hier.

So mancher ist noch in einem Land groß geworden, wo man permanent zwischen den Zeilen lesen musste, wenn man nicht beim (Zeitung-) Lesen einschlafen wollte.  ;)

Black:
Nun hat der BGH entschieden, ob in Sonderverträgen ein Preisanpassungsrecht nach dem Leitbild der AVB/GVV bzw. eine Übernahme des gesetzlichen Anpassungsrechts der Grundversorgung zulässig ist.

Die Verbraucherfraktion hatte dies bisher immer als undenkbar abgelehnt.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
--- Zitat ---Original von Ronny
Daraus ergibt sich doch sehr deutlich, unter welchen Bedingungen Preisanpassungsklauseln in Verträgen mit Sonderkunden wirksam sein können.

Eine Preisanpassungsklausel, die die Regelungen des § 4 Abs. 2 ABVGasV oder § 5 Abs. 2 GasGVV nachbildet, wird wirksam sein.

Warum informieren Sie die Forumsteilnehmer hier nicht neutral?
--- Ende Zitat ---
@Ronny

Ich weiß nicht, wer Sie ggf. nicht neutral informiert hat.

Ihre Folgerung ist nicht zutreffend.

Der achte Senat hat es ausdrücklich offen gelassen, ob solche Klauseln zulässig sein können. Aus der Pressemitteilung des BGH ist im dortigen Thread zitiert:

(...)

Der Senat müsste - wenn er von der Rechtsprechung der anderen Senate abweichen wollte - den Großen Senat anrufen.

In der Entscheidung vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Rn. 16 hatte der Senat noch ausdrücklich offen gelassen, ob einseitige Stromtariferhöhungen gem. § 4 AVBEltV der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen. Einige hatten aus dieser Entscheidung sogleich geschlossen, Strompreiserhöhungen unterlägen keiner Billigkeitskontrolle. Nun weiß man es - hoffentlich - besser, nachdem eine Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB bei Bestehen eines gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts Anwendung findet.

(...)

Der Kartellsenat des BGH hat zutreffend entschieden, dass § 4 AVBGasV keine Leitbildfunktion für eine Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).


--- Ende Zitat ---


Der BGH sagt nun:


--- Zitat ---BGH Pressemitteilung 153/2009

Nach Auffassung des Senats hält allerdings eine Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsonderkundenvertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhaltskontrolle stand. Den Vorschriften in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV kommt insoweit eine \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" auch im Hinblick auf Preisanpassungsklauseln in Normsonderkundenverträgen zu. Der Gesetzgeber des AGB-Gesetzes (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, jetzt § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB) wollte es den Versorgungsunternehmen freistellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten, weil Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.

--- Ende Zitat ---

und


--- Zitat ---BGH Pressemitteilung 152/2009
(Der Senat) hat weiter entschieden, dass eine Preisanpassungsklausel, die das im Bereich der Grundversorgung bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV unverändert in einen Normsonderkundenvertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhaltskontrolle standhält. § 5 Abs. 2 GasGVV kommt ebenso wie § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV für Sonderkundenverträge mit Haushaltskunden \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" zu. Der Gesetzgeber des AGB-Gesetzes (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, jetzt § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB) wollte es den Versorgungsunternehmen freistellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten, weil Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.
--- Ende Zitat ---

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