Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?

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RR-E-ft:
@jofri46

Der BGH hatte das Massengschäft der Sparkassen im Blick, welches sich nicht grundsätzlich vom Massengeschäft anderer Branchen unterscheidet. Weil es sich um Massengeschäft handelt, finden überhaupt nur AGB statt individueller Vereinbarungen Anwendung und diese AGB wiederum unterliegen aus guten Gründen gesetzlichen Restriktionen, u.a. § 307 BGB.

Die jüngste Entscheidung BGH, Urt. v. 21.04.2009 [XI ZR 78/08] nennt mehrere Anforderungen für die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln.

Die Entscheidung knüpft an mehrere darin konkret  zitierte  Entscheidungen des BGH auch zu Preisänderungsklauseln und Preisänderungen in Energielieferungsverträgen an, weil es dabei um eine generell abstrakte Betrachtung geht, die im allgemeinen Vertragsrecht wurzelt, wonach ein bei Vertragsabschluss vereinbarter Preis grundsätzlich für beide Vertragsteile gleichermaßen verbindlich und verpflichtend ist. Der Lieferant hat sich bei Vertragsabschluss verpflichtet, zum vereinbarten Preis zu liefern und ist deshalb an diese vertragliche Verpflichtung gebunden und kann sich nicht einfach aus dieser stehlen.  

Vorbehalt des Rechts zur Preiserhöhung nur im Umfang konkreter Kostensteigerungen nach Vertragsabschluss (klar sonst nachträgliche Erhöhung des Gewinnanteils am Preis) und auch nur (quasi spiegelbildlich) gegen die - ohne jedwedes Ermessen -  eingangene Verpflichtung des Klauselverwendrs zur Preissenkung im Umfange von nach Vertragsabschluss eingetretener Kostensenkungen (weil auch Nichtweitergabe oder unvollständige Weitergabe  von Kostensenkungen zur nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am Preis führt).

Ein eingeräumtes Sonderkündigungsrecht oder die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle können aus dort zutreffend genannten Gründen keine Kompensation schaffen, was gefestigter BGH- Rechtsprechung entspricht.

tangocharly:
Der BGH betont in dieser Entscheidung wiederholt, dass es sich bei der Zinsanpassungsklausel nur um eine besondere Form einer Preisanpassungsklausel handelt. Dies halte ich für selbstverständlich. Dabei kommt es nicht auf die Unterscheidung zwischen Geschäfte der Daseinsvorsorge oder von Massengeschäften an.

Was der BGH aber erneut - und wie ich meine mit nicht zu überbietender Klarheit - heraustellt ist (Entscheidungsgründe, Tz. 32):


--- Zitat ---(3) Danach benachteiligt die angegriffene Klausel die Kunden auch insoweit unangemessen, als sie ein Zinsanpassungsrecht der Beklagten vorsieht. Auch ein solches benachteiligt die Kunden nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vor-sieht und eine Verpflichtung der Bank enthält, Kostenminderungen an die Kunden weiter zu geben, ohne dass die Bank insoweit ein Ermessen hat (siehe schon BGHZ 97, 212, 217 f.; vgl. auch Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2004), § 492 Rn. 30 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB nicht gerecht (siehe schon unter II 3 b cc).
--- Ende Zitat ---
.

Also, wenn dem VIII. Senat bei seiner RSpr. zu § 315 BGB die Wahrung des Äquivalenzprinzips nur genau so wichtig wäre, wie die Wahrung der Vertragsautonomie für Versorger im Umgang mit konkludenten (besser lethargischen) Verbrauchern ......

RR-E-ft:
@tangocharly

Tatsächlich spricht der XI. Zivilsenat des BGH nunmehr bisher unübertroffen Tacheles, nachdem Nobbe im Unruhestand ist.

§ 315 BGB ist m. E. jedoch eigentlich kein Instrument zur Wahrung eines bereits vertraglich begründeten  Äquivalenzverhältnisses (a.A. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).

§ 315 BGB steht als Alternative zur Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss und somit zur vertraglichen Begründung eines vertraglichen Äquivelenzverhältnisses zur Verfügung.

Man kann sich nicht auf einen Preis bzw. ein vertragliches Äquivalenzverhältnis einigen und zugleich dem einen Vertragsteil vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv § 315 Abs. 1 BGB einräumen. Dies verstieße gegen Denkgesetze (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).

Im Falle der vertraglichen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts unterliegt der Preis von Anfang an insgesamt der Billigkeitskontrolle (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007- VIII ZR 36/06 Tz. 32; BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 10).

Warum es anders sein sollte/könnte, wenn sich das einseitige Leistungsbetimmungsrecht eines Vertragsteils aus einem Gesetz ergibt, leuchtet mir nicht recht ein.

Erst recht darf § 315 BGB nicht dazu dienen, einen entgegen §§ 1 Abs.1, 2 Abs. 1 EnWG überhöhten Gewinnanteil (als vorgefasstes Äquivalenzverhältnis) für die Zukunft weiter zu sichern und zu erhalten (a.A. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).

Bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des einen Vertragsteils bezüglich der vertraglichen Hauptleistungspflicht seines Vertragspartners  ist der entsprechend Berechtigte jederzeit (aus § 315 BGB gesetzlich) verpflichtet, die Leistung (unter Berücksichtigung der naturgemäß gegenläufigen Interessen beider Vertragsteile und unter umfassender Würdigung des Vertragszwecks) der Billigkeit entsprechend festzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 Tz. 20;BGH, Urt. v. 07.02.2006 -KZR 8/05; BGH, Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04; BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90).

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft

Man kann sich nicht auf einen Preis bzw. ein vertragliches Äquivalenzverhältnis einigen und zugleich dem einen Vertragsteil vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv § 315 Abs. 1 BGB einräumen. Dies verstieße gegen Denkgesetze (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).
--- Ende Zitat ---

Wir haben Vertragsfreiheit. Zwei Parteien können sich auf alles einigen, was nicht verboten oder sittenwidrig ist. Es gibt daher keinen Grund, warum nicht vereinbart werden kann \"Preis X gilt jetzt (Anfangspreis) kann aber zu einem späteren Zeitpunkt des Dauerschuldverhältnis durch einen noch (einseitig) zu bestimmenden Preis ersetzt werden\"

RR-E-ft:
@Black

Ich meine, dass eine solche vertragliche Regelung wegen § 154 I BGB nichtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2007 - KZR 24/04)

a)

Eine Preisvereinbarung ist gem. § 433 II BGB  für beide Vertagsteile gleichermaßen bindend.

b)

Die vertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des einen Vertragsteils führt hingegen  zu dessen gesetzlicher Verpflichtung aus § 315 BGB, das vertraglich geschuldete Entgelt (erst noch) - unter Beachtungs der naturgemäß gegenläufigen objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile und umfassender Würdigung des Vertragszwecks -  zu bestimmen.

Die vertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hat immer zur Folge, dass der Gesamtpreis von Anfang an einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 III BGB unterliegt und für den anderen Teil insgesamt nur verbindlich ist, wenn er der Billigkeit entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Tz. 32; BGH Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 unter II 1; BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90).

c)

Ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht  ist deshalb mit der vertraglichen Bindungen eines vereinbarten Preises schlichtweg denknotwendig unvereinbar.

Denn:
Ein vertraglich vereinbartes Äquivalenzverhältnis lässt keinerlei Gestaltungsspielraum zu. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hat aber gerade einen bestehenden Gestaltungsspielraum zur Voraussetzung.

Beides zusammen geht deshalb denknotwendig nicht zugleich.

Die Vertragsfreiheit überwindet nicht die geltenden Denkgesetze.

d)

Und jedenfalls entspricht der weite Spielraum der Billigkeit  auch nicht den Anforderungen, die an die Beschränkung und Konkretisierung einer Preisänderungsklausel nach § 307 BGB zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08; BGH Urt. v. 13.07.2004 - KZR 10/03 unter II.6).

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