Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
Ronny:
@ Herr Fricke,
so viele Worte, aber alles immer nur Ablenkungsmanöver.
Nicht eine einzige Zeile geht auf das Stichwort der Leitbildrechtsprechung ein.
Meine Frage nochmal:
Warum zitieren Sie einseitig aus dem Urteil des BGH vom 17.12.2008 und lassen die wesentlichste Aussage des BGH, nämlich die Bestätigung der Leitbildrechtsprechung, unter den Tisch fallen?
Was haben die Forumsteilnehmer davon?
Ronny
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Es muss doch der Grundsatz des Kaufrechts gelten, dass der vereinbarte Preis gilt. Der Vorbehalt einer einseitigen Preisänderung ist nur ausnahmsweise zulässig und bedarf zutreffend der Einschränkungen, die sich aus § 307 BGB ergeben.
--- Ende Zitat ---
Nun, der BGH beschreibt es aber so:
--- Zitat --- BGH KZR 02/07 vom 29.04.2008
(Preisanpassungsklauseln) sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen zu si-chern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Ver-wender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertrags-schluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht.
--- Ende Zitat ---
Insoweit kann von einer „nur ausnahmsweisen“ Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln keine Rede sein.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Warum Energielieferanten dabei besser zu stellen sein sollten als andere AGB- Verwender, erschließt sich nicht. Eine Besserstellung in Bezug bauf § 307 BGB ist ausdrücklich nicht vorgesehen.
--- Ende Zitat ---
Ein Indiz zumindest für eine Sonderstellung von Energieversorgern ist die Regelung in § 310 Abs. 2 BGB.
--- Zitat ---§ 310 BGB
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
--- Ende Zitat ---
Nun kann man Einwenden, dass § 310 Abs. 2 die Anwendbarkeit von § 307 BGB nicht ausschließt. Der § 307 BGB ist aber eine sehr allgemein gehaltene Generalklausel. Die dort benannten Verbote für AGB sind:
- unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners
- Intransparenz
- Gefährdung des Vertragszweckes
- Unvereinbarkeit mit gesetzlichen Grundgedanken
Nun kann man feststellen, dass diese Merkmale auslegungsbedürftig sind, denn „Intransparenz“ oder „unangemessene Benachteiligung“ mag jeder subjektiv unterschiedlich empfinden.
Die Frage ist also, ob Klauseln – speziell Preisanpassungsklauseln – die § 5 GVV entweder direkt in den Vertrag einbeziehen oder inhaltsidentisch nachbilden gegen § 307 BGB verstoßen. Kann also eine vertragliche Regelung, die den gleichen Inhalt hat, wie eine gesetzliche Regelung „unangemessen“ i.S.d. § 307 BGB sein. Das ist die Kernfrage.
Der BGH sagt dazu:
--- Zitat --- BGH VIII ZR 274/06 vom 17.12.2008
Die AVBGasV hat allerdings ebenso wie die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie (AVBEltV) eine \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\". Sie verkörpert eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich getroffen hat, und enthält somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern als angemessen zu betrachten ist.
Diese Indizwirkung ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers des AGB-Gesetzes, durch die Regelung in § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG weiterhin eine Versorgung der Sonderabnehmer ganz oder teilweise zu den für Tarifabnehmer geltenden Bedingungen zuzulassen. Die damit angestrebte sachliche Gleichbehandlung von Tarif- und Sondervertragskunden beruht auf dem Gedanken, dass Sonderab-nehmer regelmäßig keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.
--- Ende Zitat ---
Der BGH bringt damit zum Ausdruck, dass eine Wertentscheidung des Gesetzgebers, was für Tarifkunden angemessen ist nicht plötzlich für Sonderkunden als unangemessen gelten kann. Der BGH bezeichnet es als „Indizwirkung“
Sie sagen nun:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
§ 5 GasGVV setzt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht voraus, welches sich m.E. aus § 36 Abs. 1 EnWG ergibt, wonach das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen. § 5 GasGVV nennt also keinen Anlass, wann das Recht entsteht, sondern regelt nur, wie eine Preisänderung durchzuführen ist (zum Monatsersten, öffentliche Bekanntgabe 6 Wochen vorher, zeitgleich briefliche Mitteilung an die Kunden und Veröffentlichung auf den Internetseiten des Versorgers), der Umfang ist nicht geregelt.
--- Ende Zitat ---
Der § 5 GasGVV setzt kein Recht voraus, er gibt dieses Recht selbst. So sieht es zumindest auch der BGH:
--- Zitat ---BGH VIII ZR 36/06, Rdn. 14
Ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB kann einer Vertragspartei nicht nur durch vertragliche Vereinbarung, sondern auch durch Gesetz eingeräumt werden. So verhält es sich hier. Die Beklagte hat als Energieversorgungsunter-nehmen, das die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführt, (…) Ferner gilt für die von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommene Preiserhöhung § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV; vgl. nunmehr § 5 Abs. 2 GasGVV. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AVBGasV stellt das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen all-gemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Änderungen der all-gemeinen Tarife werden gemäß § 4 Abs. 2 AVBGasV nach öffentlicher Be-kanntgabe wirksam.
--- Ende Zitat ---
Der BGH sieht also in § 5 GVV ein direktes Recht und keinen bloßen Verweis auf ein andererorts normiertes Anpassungsrecgt.
Der BGH sieht auch keine unterschiedlichen Interessenslagen im Rahmen von Preisanpassungen zwischen Grundversorger und Versorgung zu Sondertarifen:
--- Zitat ---BGH VIII ZR 36/06, Rdn. 22
§ 4 Abs. 2 AVBGasV beruht insoweit auf den gleichen Erwägungen, mit denen die Wirksamkeit von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Kostenelementeklauseln bei anderen langfristigen Lieferverträgen begründet wird.
--- Ende Zitat ---
Weiter im Text:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Bei Sonderverträgen ist das Unternehmen hingegen im Rahmen des Vertragsrechts frei. Es muss solche Verträge noch nicht einmal anbieten. Es kann auch auf entsprechende Angebote verzichten, bestehende Angebote einstellen und vom Markt nehmen.
--- Ende Zitat ---
In der freien Wirtschaft „muss“ niemand Verträge anbieten. Daraus kann aber keine Unzulässigkeit gefolgert werden, wenn ein Unternehmen es doch tut.
jofri46:
Einigkeit dürfte wohl darüber bestehen, dass Preisanpassungsklauseln in Dauerschuldverhältnisssen, und um solche geht es hier, grundsätzlich zulässig sind (vgl. z. B. schon § 309 Ziff. 1 BGB, 2. Halbsatz).
Zulässig sind nach der Rechtsprechung insbesondere sog. \"Kostenelementeklauseln\". Den in der Rechtsprechung dazu aufgestellten Anforderungen an eine solche Klausel genügt die Formulierung in § 5 GasGVV offensichtlich nicht.
§ 5 GasGVV kann als vertragliche Regelung in AGB m. E. dann der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterworfen sein, wenn sie isoliert in die AGB übernommen wird. Die \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" von der der BGH im Urteil vom 17.12.2008 spricht, bezieht sich ja nicht auf eine bestimmte Regelung, sondern auf die AVBGasV als Ganzes.
Andererseits: Wenn § 5 GasVV in vertraglichen AGB mit dem Kündigungsrecht gem. § 20 GasGVV verbunden ist, dürfte der Kunde wohl nicht schlechter gestellt sein als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weil er sich, sollten sich die Preise ändern, vom Vertrag kurzfristig lösen kann. Wo läge dann noch eine \"unangemessene Benachteiligung\"?
nomos:
Wie lange schaut die Politik, die Bürger und Verbraucher hier noch zu? Zitat folgt Zitat. Hickhack auf Hickhack. Chaos im gesamten Sektor der Haushaltsenergieversorgung!
Der BFH (Zivilsenat - u.a. Richter Ball) hat zu Kostenelementeklauseln und unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern schon mal im September 2005 festgestellt (Flüssiggas-Urteil):
--- Zitat ---Die von einem Unternehmer gegenüber Verbrauchern zum Abschluss von Flüssiggasbelieferungsverträgen verwendete Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.
.........
Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend erkannt hat, benachteiligt die Klausel die Vertragspartner der Beklagten schließlich auch insofern unangemessen, als sie – jedenfalls in ihrer im Verbandsprozess zugrunde zu legenden kundenfeindlichsten Auslegung (st.Rspr., z.B. BGHZ 139, 190, 199) – der Beklagten eine Preiserhöhung auch dann erlaubt, wenn ein Anstieg bei einem der Kostenfaktoren durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird und die Beklagte daher insgesamt keine höheren Kosten zu tragen hat, als dies bei Abschluss des Belieferungsvertrages der Fall war. Die Klausel stellt nicht auf die Gesamtbelastung, sondern ausdrücklich auf die Veränderungen der im Einzelnen benannten „Kostenfaktoren pro Liefereinheit“ ab.
Entgegen der Auffassung der Revision ist mit dieser Formulierung nach dem Verständnis eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbrauchers nicht hinreichend klargestellt, dass die Erhöhung einer oder mehrerer Kostenfaktoren nicht zu einer Erhöhung des Gaspreises führen kann, wenn es bei anderen Positionen Kostensenkungen gegeben hat, die die Erhöhung im Ergebnis ausgleichen. Eine derartige Klarstellung ergibt sich, anders als die Revision meint, auch nicht mit der gebotenen Klarheit aus dem Zusammenhang mit der in dem folgenden Absatz der Klausel enthaltenen Regelung des Rechts des Kunden, im Falle einer Kostenermäßigung die Neufestsetzung des Preises „im Rahmen der Veränderung der Kostenfaktoren“ zu verlangen.
--- Ende Zitat ---
Danach ist der Maßstab für eine Klausel das Verständnis eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbrauchers. Stellt die Klausel das in diesem Sinne nicht hinreichend klar .......... usw.
RR-E-ft:
@nomos
Ihre dauernden Hinweise auf die Politik etc. tragen die Diskussion ersichtlich inhaltlich nicht weiter.
@Ronny
Ich hatte Ihrer Frage eine umfassende Antwort gewidmet.
Ich meine dabei, konkret ausgeführt zu haben, was der Kartellsenat des BGH zur Leitbildfunktion entschieden hat. Um es auch für Sie ganz deutlich zu machen, habe ich sogar den Beitrag mit \"keine pauschale Leitbildfunktion\" überschrieben. Dass dazu keine einzige Zeile geschrieben worden sei - so ihr Vorwurf- vermag ich nicht nachzuvollziehen.
Vielleicht lesen Sie einfach noch einmal nach, ggf. langsam, laut und mit Betonung, insbesondere Ziff. 4 meines Ihnen persönlich gewidmeten Beitrages.
@Black
Wenn der BGH sagt, dass Preisänderungsklauseln nicht von vornherein unzulässig sind, sondern ein anerkanntes Instrument zur Wahrung des Äquivalenzverhältnisses in Dauerschuldverhältnissen über die gesamte Vertragslaufzeit sind, ist das auch klar.
BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07:
--- Zitat ---In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Preisanpassungsklauseln sind, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht grundsätzlich unwirksam.
--- Ende Zitat ---
Solche Klauseln weichen immer vom dispostiven Recht ab, welches grundsätzlich von einer bindenden Preisvereinbarung der Parteien ausgeht. Das dispositive Recht , von dem abgewichen wird, gibt somit die grundsätzlichen Wertentscheidungen des Gesetzgebers wieder. Der Grundsatz lautet, beide Vertragspartner sind an den vereinbarten Preis gebunden. Preiserhöhungklauseln, mit denen vom gesetzlichen Grundsatz der bindenen Preisvereinbarung abgewichen wird, stellen somit die Ausnahme dar und bedürfen an sich einer inneren Rechtfertigung, welche bei Dauerschuldverhältnissen jedoch von der Rechtsprechung anerkannt ist. Nichts anderes wollte der BGH auch in seiner Entscheidung vom 29.04.2008 - KZR 2/07 zum Ausdruck bringen. Bemerkenswert, dass Sie diesen Satz bei Ihrem Zitat \"unterschlagen\" haben. Wenn der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit diesen vom dispositiven Recht abweicht, dann indiziert dies, das er damit gegenüber seinem Vertragspartner die eigenen Interessenverfolgung in den Vordergrund stellen will, seinen Vertragspartner gegenüber der abdingbaren gesetzlichen Regelung schlechter stellen möchte, zum Beispiel durch Beschränkung bzw. Einschränkung der bindenden Wirkung der Preisvereinbarung der Parteien. Eine Preisänderungsklausel in den AGB an sich ist also bereits geeignet, den Vertragspartner des Verwenders gegenüber der abbedungenen gesetzlichen Regelung schlechter zu stellen. Dessen Recht, sich auf die grundsätzlich bindende Preisvereinbarung der Parteien zu berufen, soll damit eingeschränkt werden.
Die Vorschriften der Grundversorgungsverordnung sind übrigends kein dispostives Recht im vorgenannten Sinne. Sie gelten für Sonderverträge überhaupt nicht und sind im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung nicht abdingbar, vgl. § 1 Grundversorgungsverordnung (ebenso § 1 AVBGasV, AVBEltV)
BGH, Urt. v. 19.11.2001 - X ZR 243/01:
--- Zitat ---Die umstrittene Preisanpassungsklausel ist daher wie Preisanpassungsklauseln im allgemeinen eine das dispositive Recht, das grundsätzlich von einer bindenden Preisvereinbarung der Parteien ausgeht, ergänzende Klausel. Eine diesen Rahmen ausfüllende Klausel unterliegt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (§ 307 Abs. 1 BGB n.F.; vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1989- VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115).
--- Ende Zitat ---
Der BGH hat aber zugleich betont, welche Anforderungen jedoch bei Meidung ihrer Unwirksamkeit an solche Klauseln zu stellen sind.
Sie dürfen keine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders zur Folge haben.
Eine solche unangemessene Benachteiligung soll in Gaslieferungsverträgen dann vorliegen, wenn sich der Verwender nur Preiserhöhungen vorbehält, aber keine Verpflichtung zu Preissenkungen nach gleichen Maßstäben vorsieht, weil hierdurch Chancen und Risiken sich ändernder Kosten zwischen den Vertragspartnern ungleich verteilt werden (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).
Außerdem, so der BGH weiter, müssen solche Klauseln - bei Meidung ihrer Unwirksamkeit - dem Transparenzgebot entsprechen, so dass der Vertragspartner des Verwenders künftige Belastungen bereits bei Vertragsabschluss abschätzen und eine vorgenmmene Preiserhöhung anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung kontrollieren kann.
Hierzu hat der BGH mehrfach entschieden, dass der weite Spielraum der Billigkeit den Anforderungen, die nach § 307 BGB an die Konkretisierung zu stellen sind, nicht entspricht.
Auf die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise wird verwiesen.
Der BGH hat darüber hinaus mehrfach entschieden, dass ein eingeräumtes Lösungsrecht nicht stets zu einer angemessenen Kompensation führt (BGH, Urt. v. 13.12.2005 - VIII ZR 25/06; Urt. v. 10.11.2007 - III ZR 63/06; Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06; Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07; Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).
Wenn ein Kunde sich für einen längerfristigen Sondervertrag aufgrund des bei Vertragsabschluss angebotenen und vereinbarten Preis entschieden hat, dann hat auch dieser Kunde sicher eine eine längerfristige Kalkulation angestellt, sich zB. bewusst für eine Gasheizung statt für eine Beheizung mit Öl entschieden, seine Heizungsanlage mit entsprechenden langfristigen Investitionen darauf eingestellt. Nicht anders ist es bei einer Entscheidung für eine elektrische Fußbodenheizung.
Dieser Kunde hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Vertragspartner den Vertrag zu dem vereinbarten Preis erfüllt, zumindest das Äquivalnzverhältnis über die gesamte Vertragslaufzeit wahrt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine feste Vertragslaufzeit vereinbart wurde.
Dieses rechtlich anerkannte Interesse, welches im Grundsatz des Kaufrechts seine Grundlage findet, wonach die Parteien an den vereinbarten Preis grundsätzlich gebunden sind, wird konterkariert, wenn es dem Klauselverwender ermöglicht wird, eine intransparente Preisänderungsklausel zu vereinbaren und ein Sonderkündigungsrecht für den Fall von Preiserhöhungen einzuräumen.
Dadurch wäre jede intransparente Klausel zulässig. Die Preise könnten praktisch unkontrolliert erhöht werden. Der Vertragspartner findet u.U. gar kein anderes Vertragsangebot, dass seiner vor Vertragsabschluss angestellten längerfristigen Kalkulation gerecht wird.
@jofri46
Eine unangemessene Benachteiligung liegt gerade schon dann vor, wenn der Vertragspartner des Klauselverwenders bei Vertragsabschluss auf ihn zukünftig zukommende weitere Belastungen nicht abschätzen kann.
Abstrakt formuliert, wird der Vertragspartner des Klauselverwenders dadurch unangemessen benachteiligt, dass sein Recht, sich auf die bindende Preisvereinbarung zu berufen, eingeschränkt wird und die gesamte Vertragsdurchführung deshalb für ihn unkalkulierbar wird.
Die Einschränkung des dispositiven Rechts wäre für den Vertragspartner nur dann nicht unangemessen benachteiligend, wenn er die zukünftigen Belastungen bereits aus der Klausel bei Vertragsabschluss ersehen kann, weil nur dann die Zukunft für ihn kalkulierbar bleibt.
Das Transparenzgebot des § 307 BGB soll zudem gerade ausschließen, dass eine gerichtliche Billigkeitskontrolle auf Risiko des Vertragspartners des Klauselverwenders notwendig wird. Deshalb hat die Rechtsprechung seit langem das Erfordernis aufgestellt, dass sich eine vorgenommene Preisänderung vom Veretragspartner anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung kontrollieren lassen muss.
Sind die zukünftigen Belastungen für den Vertragspartner aber bei Vertragsabschluss nicht absehbar, ist die Zukunft für ihn deshalb nicht kalkulierbar, und kann er eine vorgenommene Preisänderung nicht anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung kontrollieren, so wird er durch eine solche Preisanpassungsklausel unangemessen benachteiligt, nicht erst durch die Preiserhöhung selbst, sondern bereits im Zeitpunkt des Vertragsabnschlusses durch die Beschränkung seines Rechts, sich auf die bindende Preisvereinbarung zu berufen - wofür er regelmäßig keinen adäquaten Ausgleich erfährt.
@Black
Die Grund- und Ersatzversorgung ist gegenüber Sonderverträgen eben nicht von Vertragsfreiheit geprägt, sondern von einem gesetzlichen Kontrahierungszwang des Versorgers. Das Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung ist für den Grundversorger folgerichtig gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung ausgeschlossen. Deshalb und nur deshalb muss es dem Grundversorger auch möglich sein, die dafür geltenden jeweiligen Allgemeinen Preise einseitig festzusetzen, wofür ihm folgerichtig ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wurde.
Eine solche besondere Interessenlage des Versorgers ist bei einem Sondervertrag gerade nicht gegeben.
Auch das lässt sich ja schon der Entscheidung des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 entnehmen.
--- Zitat ---Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu. Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist, und enthält damit gerade dasjenige zu einer ausgewogenen Regelung notwendige Element, das der von der Beklagten vorgegebenen vertraglichen Anpassungsklausel fehlt.
--- Ende Zitat ---
Bei einem Sondervertrag besteht keine gestzliche Versorgungspflicht und keine gesetzliche Verpflichtung zur Preissenkung. Der Abschluss eines langfristigen Sondervertrages auch ohne Preisänderungsklausel ist zulässig. Auch dadurch können Chancen und Risiken sich ändernder Kosten zwischen den Vertragspartnern gleichverteilt werden [vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 - 2 HK.O 95/08] Gerade darin besteht die Vertragsfreiheit, die sich von der gesetzlichen Versorgungspflicht deutlich unterscheidet.
Ich habe mal einen Gaskunden vertreten, der hat mit seinem Gasversorger wohl 2003 einen Sondervertrag abgeschlossen auf zehn Jahre, bekam dafür einen gehörigen Preisnachlass und der Vertrag enthielt keine Preisänderungsklausel. Sowohl für den Kunden als auch den Versorger war die Zukunft damit gut kalkulierbar. Es gibt also durchaus auch zufriedene Gaskunden, auch in Deutschland.
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