Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
RR-E-ft:
@Black
Ja, es gibt auch anderslautende Entscheidungen zum Leitbild, wie die vom LG Bonn, Urt. vom 07.09.2006 - 8 S 146/08, die der BGH mit Urteil vom 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 gerade aufgehoben hat. Regionalgas Euskirchen meinte auch, ein Leitbild würde für sie streiten und fühlte sich darin durch das Landgericht Bonn bestätigt. Zu unrecht, wie sich nun herausgestellt hat.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ich bin mir bis heute nicht schlüssig, ob kgu den Kunden im Falle von Preiserhöhungen nur ein Recht zur Teilkündigung einräumen will, nur soweit der Preis erhöht wird.
--- Ende Zitat ---
Ein \"wenn\" statt des \"soweit\" wäre schon besser gewesen... ;)
Ansonsten: Warten wir die Entscheidungen dieses Jahres zu dieser offenen Frage ab.
RR-E-ft:
BGH, Urt. v. 19.11.2002 - X ZR 243/01
--- Zitat ---Diese Regelung entspricht dem in der Rechtsprechung anerkannten und nunmehr in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. auch kodifizierten Grundsatz, daß es für die Wirksamkeit einer Preiserhöhungsklausel entscheidend darauf ankommt, daß der Vertragspartner des Verwenders den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen bei Vertragsschluß aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer von dem Klauselverwender vorgenommenen Erhöhung an der Ermächtigungsklausel selbst messen kann (BGHZ 94, 335; BGH, Urt. v. 26.5.1986 - VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134).
--- Ende Zitat ---
BGH, Urt. v. 21.09.2005 - VIII ZR 38/05
--- Zitat ---Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel deren Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und deshalb nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten hat das Berufungsgericht mit Recht jedenfalls darin gesehen, dass die Klausel weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Gaspreiserhöhung hinreichend bestimmt regelt, was zur Folge hat, dass die Vertragspartner der Beklagten die Berechtigung von Preiserhöhungen nicht verlässlich nachprüfen können und der Beklagten hierdurch die Möglichkeit eröffnet wird, das in dem ursprünglich vereinbarten Gaspreis zum Ausdruck kommende Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zu ihren Gunsten zu verändern.
--- Ende Zitat ---
Voraussetzung und Umfang einer Preisänderung müssen in der Klausel selbst hintreichend bestimmt geregelt sein.
Auch in der kgu- Klausel ist nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Preiserhöhung zulässig sein soll.
Black:
Ist schon interessant, wenn eine Klausel einerseits:
Preisanpassungen nur für den Fall von \"bei Vertragsabschluss nicht absehbaren nachträglichen Kostenerhöhungen\" vorbehalten soll, anderserseits aber bereits für diese \"nicht absehbaren Kostenänderungen\" die \"Voraussetzungen und den Umfang hinreichend bestimmt\" regeln soll.
Noch dazu in einer Situation in der das gesetzliche Preisanpassungsrecht der GVV absolut intransparent (für eine Klausel nach den Maßstäben der Rechtsprechung) formuliert ist.
--- Zitat --- Auch in der kgu- Klausel ist nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Preiserhöhung zulässig sein soll.
--- Ende Zitat ---
Unter denen des § 5 GasGVV.
RR-E-ft:
Es muss doch der Grundsatz des Kaufrechts gelten, dass der vereinbarte Preis gilt. Der Vorbehalt einer einseitigen Preisänderung ist nur ausnahmsweise zulässig und bedarf zutreffend der Einschränkungen, die sich aus § 307 BGB ergeben. Warum Energielieferanten dabei besser zu stellen sein sollten als andere AGB- Verwender, erschließt sich nicht. Eine Besserstellung in Bezug bauf § 307 BGB ist ausdrücklich nicht vorgesehen.
Das Transparenzgebot, welches bei § 307 BGB zu beachten ist, erfordert hingegen, dass der Kunde schon bei Vertragsabschluss später auf ihn zukommende Belastungen abschätzen kann und die Berechtigung einer Preisänderung (deren Anlass und Umfang) anhand der Klausel selbst kontrollieren kann.
§ 5 GasGVV setzt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht voraus, welches sich m.E. aus § 36 Abs. 1 EnWG ergibt, wonach das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen. § 5 GasGVV nennt also keinen Anlass, wann das Recht entsteht, sondern regelt nur, wie eine Preisänderung durchzuführen ist (zum Monatsersten, öffentliche Bekanntgabe 6 Wochen vorher, zeitgleich briefliche Mitteilung an die Kunden und Veröffentlichung auf den Internetseiten des Versorgers), der Umfang ist nicht geregelt. Die Beschränkung des Umfangs ergibt sich aus dem Gesetz. Zur Überprüfung steht dem grund- oder ersatzversorgten Kunden nur die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB zur Verfügung. Das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht rechtfertigt sich dabei allein aus der gesetzlichen Versorgungspflicht, weil das Unternehmen zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen liefern muss.
Bei Sonderverträgen ist das Unternehmen hingegen im Rahmen des Vertragsrechts frei. Es muss solche Verträge noch nicht einmal anbieten. Es kann auch auf entsprechende Angebote verzichten, bestehende Angebote einstellen und vom Markt nehmen. Soweit es im Vertrag nicht voreinbart ist, ist das Unternehmen - anders als in der Grundversorgung- auch nicht verpflichtet, die Preise bei rückläufigen Kosten abzusenken.
Die Regelung:
--- Zitat ---kgu darf den Festpreis und den Verbraucherpreis entsprechend § 5 Abs. 2 GasGVV anpassen. Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden.
--- Ende Zitat ---
beinhaltet eine unangemessene Beanachteiligung der Kunden allein schon deshalb, weil nur ein Recht zur Preisanpassung vorgesehen ist, jedoch keine korrespondierende Verpflichtung zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden vorgesehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).
--- Zitat ---Die Preisänderungsklausel benachteiligt die Kunden der Beklagten schon deshalb entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie nur das Recht der Beklagten enthält, Erhöhungen ihres Gaseinstandspreises an ihre Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Gestehungskosten den Preis zu senken. Hierdurch wird es der Beklagten ermöglicht, eine erhöhte Kostenbelastung durch eine Preiserhöhung aufzufangen, hingegen den Vertragspreis bei einer Kostensenkung durch einen geringeren Einstandspreis unverändert zu lassen. Risiken und Chancen einer Veränderung des Einstandspreises werden damit zwischen den Parteien ungleich verteilt; eine solche unausgewogene Regelung rechtfertigt kein einseitiges Recht der Beklagten zur Änderung des sich aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien ergebenden Preises.
Eine Preisanpassungsklausel muss das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren [BGHZ 82, 21, 25; 158, 149, 158] und darf dem Verwender nicht die Möglichkeit geben, nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (vgl. BGHZ 94, 335, 339 f.; BGH, Urt. v. 12.7.1989 – VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115; Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 38/05, NJW-RR 2005, 1717; BGH NJW 2007, 1054 Tz. 21; WRP 2008, 112 Tz. 19).
--- Ende Zitat ---
Auch die kgu- Klausel ermöglicht es dem Unternehmen, die Preise bei rückläufigen Kosten nicht entsprechend abzusenken und so nachträglich den eigenen Gewinnanteil zu erhöhen.
Erst recht ist nicht ersichtlich, was sich der Kunde bei Vertragsabschluss wohl unter einer zukünftigen Preisanpassung nach dem billigem Ermessen des Unternehmens vorstellen soll.
Geht es dabei tatsächlich um individuelle Billigkeit und Einzelfallgerechtigkeit?!
Wird sich der Versorger vor einer beabsichtigten Preiserhöhung beim Kunden erkundigen, wie sich dessen familiäre und wirtschaftliche Situation gerade entwickelt hat, um diese in die notwendig vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen beider Vertragspartner mit einzustellen? Wird also etwa von der Erhöhung nach billigem Ermessen Abstand genommen, wenn der Familienvater gerade seinen Job verloren hat und die Mutter gerade durch die Finanzkrise ihre Ersparnisse verlor, beim Versorger aber gerade wieder eine Dividendenerhöhung ins Haus steht? Fällt das billige Ermessen gegenüber der vielköpfigen Aussiedlerfamilie anders aus als bei dem Villenbesitzer, der mit Gas sein Schwimmbad im Keller heizt?
Das Unternehmen wird dabei für sich einen Spielraum in Anspruch nehmen wollen. Aber welchen?
Mit der Klausel delegiert der Versorger eine nachträgliche Preiskontrolle (auf Risiko des Kunden) an ein Gericht, was durch § 307 BGB gerade verhindert werden soll.
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