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Autor Thema: Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten  (Gelesen 29792 mal)

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Offline Black

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #75 am: 13. August 2009, 13:00:25 »
Wenn der Kunde die \"Unbilligkeitseinrede\" dergestalt erhebt,

\"Ich widerspreche der einseitigen Leistungsbestimmung und rüge diese als unbillig gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.\"

gibt er damit zu verstehen, bereits von der Unbilligkeit überzeugt zu sein. Er verlangt also keinen Nachweis um die Billigkeit erst noch prüfen zu können, sondern gibt an, die geforderte Leistung endgültig und dauerhaft verweigern zu wollen. Für ein sofortiges Anerkenntnis ist dann ohnehin kein Raum mehr.

Im Übrigen besteht keine vertraglichen Nebenpflicht einen außergerichtlichen Billigkeitsnachweis führen zu müssen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #76 am: 13. August 2009, 13:15:13 »
Zitat
Original von reblaus

Das ändert nichts an der Behauptung, dass die Darlegung der Billigkeit und ein Beleg für Ihre Umstände nach Ihrer Ansicht eine Vertragspflicht ist. Das Verlangen diese Pflicht zu erfüllen wäre dabei lediglich eine Fälligkeitsvoraussetzung. Die Nichterfüllung dieser Vertragspflicht würde die beschriebenen Rechtsfolgen nach sich ziehen, die die Anwendung des § 93 ZPO entbehrlich machen würden.

Ergibt sich im Zahlungsprozess, dass die Leistungsbetimmung der Billigkeit entsprach, bestand von Anfang an eine entsprechende Verbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, die auch fällig war. Die Fälligkeit kann also nicht daran anknüpfen, ob vorprozessual die Billigkeit dargelegt und die die Umstände, die die Billigkeit begründen sollen, belegt wurden oder nicht, ob etwaig einem entsprechenden Verlangen (wenn es denn eines gab) Rechnung getragen wurde oder nicht. Das hat mit der Fälligkeit schlicht nichts zu tun.

Das Verlangen besagt, dass der Kunde eine für ihn nachvollziehbare Erklärung und ggf. auch Belege verlangt, um sich von der Billigkeit  überzeugen zu können. Wenn einem solchen Verlangen nicht entsprochen wurde, dann können ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorliegen.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #77 am: 13. August 2009, 13:22:32 »
Zitat
Original von RR-E-ft Ergibt sich im Zahlungsprozess, dass die Leistungsbetimmung der Billigkeit entsprach, bestand von Anfang an eine entsprechende Verbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, die auch fällig war.

Weil das genau so ist, kann es eine erweiterte vorgerichtliche Darlegungslast nicht geben. Diese würde das gesamte Rechtsgefüge des § 315 BGB auf den Kopf stellen.

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #78 am: 13. August 2009, 13:29:01 »
Man darf nun nicht die materiell- rechtlichen Voraussetzungen des § 315 BGB mit den prozessrechtlichen  Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO vermengen, bzw. durcheinanderwirbeln.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #79 am: 13. August 2009, 13:32:49 »
Man darf vor allem keine vertragliche Pflicht konstruieren, die keine rechtlichen Konsequenzen haben soll, außer dass sie die Anwendung des § 93 ZPO ermöglicht.

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #80 am: 13. August 2009, 14:35:15 »
Jedem Vertragsverhältnis wohnt eine Rücksichtnahmepflicht auch auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners inne. Bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht ist auf die Interessen des anderen Vertragsteils besonders Rücksicht zu nehmen, diese sind insbesondere schon bei der notwendig vorzunehmenden Abwägung zwischen den naturgemäß gegenläufigen objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile zu  berücksichtigen.

Der Vertragspartner der zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Partei kann verlangen, dass ihm eröffnet wird, was in die notwendige Abwägung bei der Ermessensentscheidung eingegangen ist, warum die getroffene Ermessensentscheidung der Billigkeit entsprechen soll und wohl auch Belege dafür verlangen, dass die Ermessensentscheidung auf zutreffenden Annahmen beruht.

§ 93 ZPO stellt nicht darauf ab, ob der streitgegenständliche Anspruch überhaupt besteht, erst recht nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht, sondern allein darauf, ob die Klageerhebung geboten und veranlasst war.

Daran kann es fehlen, wenn auf ein entsprechendes Verlangen die Billigkeit der getroffenen Ermessensentscheidung für den anderen Vertragsteil zuvor nicht nachvollziehbar erklärt und belegt wurde, so dass dieser sich von der Billigkeit der getroffenen Leistungsbestimmung nicht vor der Klageerhebung überzeugen konnte, wie es ihm vielleicht durch den Inhalt der Klageschrift möglich ist. Schon aus der bestehenden Rücksichtnahmepflicht kann sich ergeben, dass dem Verlangen zunächst Rechnung zu tragen ist. Dann war eben nicht Klageerhebung, sondern zunächst eine entsprechende nachvollziehbare Erklärung der vorgenommenen einseitigen Leistungsbestimmung geboten.

Offline enerveto

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #81 am: 20. Dezember 2009, 21:47:47 »
Verständnisfrage zu § 93 ZPO i.V.m. § 315 BGB, sofortiges Anerkenntnis nach Zahlungsklage des Versorgers

Zitat
>Verfahrenskosten< RR-E-ft 12.12.2008: Ein sofortiges Anerkenntnis erscheint im Zahlungsprozess gegen einen Tarifkunden dann möglich, wenn der klagende Lieferant nach erfolgter Unbilligkeitseinrede erstmals im Prozess die Billigkeit nachweist. … Der Kunde hat dann keine Veranlassung zur Klage gegeben, wenn er vor dem Prozess einen Billigkeitsnachweis verlangt hatte und ihm ein solcher verweigert wurde. Das gilt dann, wenn der Kunde zu erkennen gegeben hatte, dass er erst nach einem nachvollzogenen Billigkeitsnachweis die geforderte Zahlungen leisten werden.

Zitat
>Verfahrenskosten< RR-E-ft 22.12.2008: … Selbst wer sich zur Zahlung entscheidet, muss und sollte damit nichts anerkennen, sondern kann auch ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen. …

Sind diese Voraussetzungen im Einwand-Musterschreiben vom Bund der Energieverbraucher gegeben?

Ist es in diesem Zusammenhang vorteilhafter oder sogar erforderlich, bei einer Zahlungsklage des Versorgers zunächst nur die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen, ohne einen konkreten Sachantrag zu stellen, um die Sachlage aus der Klageschrift eingehender zu prüfen?


Unabhängig von der Sinnhaftigkeit:
Ist mit dem Anerkenntnis oder einem Teilanerkenntnis (z.B. bei Verjährung)  der Zahlungsforderung – unter dem Vorbehalt der Rückforderung – auch die Billigkeit gem. § 315 BGB anerkannt?

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #82 am: 20. Dezember 2009, 23:35:02 »
Diesen Thread aufmerksam lesen, insbesondere die darin zitierte BGH- Entscheidung zu § 93 ZPO.

Ein Anerkenntnis unter dem Vorbehalt der Rückforderung gibt es nicht. Eine in einem gerichtlichen Verfahren anerkannte Forderung führt zu einem Anerkenntnisurteil. Die Forderung ist dann allein aufgrund des Anerkenntnisses geschuldet. Das Anerkenntnisurteil ist ein Titel, aus dem ohne Sicherheitsleistung zwangsvollstreckt werden kann.

Offline enerveto

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #83 am: 21. Dezember 2009, 16:36:49 »
@RR-E-ft
Hilfreich wäre - ausnahmsweise - eine konkrete Bezeichnung der BGH-Entscheidung zu § 93 ZPO.

Auf den Diskussionsseiten im Forum habe ich nicht feststellen können, ob das Musterschreiben des BdE die \"Voraussetzungen\" enthält.

Offline RR-E-ft

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Offline enerveto

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #85 am: 28. Dezember 2009, 13:33:55 »
@RR-E-ft, BGH-Beschlüsse gefunden - Danke!:
BGH Beschluss vom 01.02.2007 - IX ZB 248/05, vom 30.05.2006 - VI ZB 64/05, vom 17.03.2009 - VI ZB 14/08.

Abwendung einer streitigen Entscheidung und Verfahrenskosten:
Soweit - nachweisbar - vorprozessual mit dem Einwand gem. § 315 BGB auch prüfbare Nachweise verlangt wurden und diese erst mit der Klageschrift vorgelegt werden und keine Beweiserhebung verlangt wird ...

Zitat
@RR-E-ft: Ob der Beklagt dann erstmals überzeugt ist oder sich auch nur überzeugt gibt, ist doch vollkommen egal.

Verzugskosten
Durch Anwendung von § 93 ZPO wird die Billigkeit vom Gericht nicht mehr festgestellt.
Wann war die Forderung (einbehaltene Rest-Zahlungen) hier fällig?

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #86 am: 28. Dezember 2009, 18:00:55 »
Wenn man das Recht des Versorgers zur einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 1 BGB anerkennt und zudem anerkennt, dass die gem. § 315 Abs. 2 BGB vorgrnommenen einseitigen Leistungsbestimmungen gem. § 315 Abs. 3 BGB der Billigkeit entsprachen und deshalb die darauf gestützten Forderungen (Rechnungsbeträge) als geschuldet anerkennt, dann kann man sich deshalb wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB von Anfang an in Verzug befunden haben, so dass man auch Verzugszinsen schuldet.

Wenn man den geltend gemachten Zahlungsanspruch inklusive eines gerichtlich geltend gemachten Verzugsschadens gerichtlich anerkennt, kommt es wegen des gerichtlichen Anerkenntnisses schon nicht mehr darauf an, weil sich die Schuld dann entsprechend des gerichtlichen Anerkenntnisses und in deren Folge aus dem Anerkenntnisurteil selbst ergibt.

Die Frage kann sich nur dann stellen, wenn sich das gerichtliche Anerkenntnis auf die geltend gemachte Hauptforderung beschränkt, die geltend gemachten weiteren Zahlungsansprüche (zB. Verzugszinsen) nicht anerkannt werden. Dann liegt jedoch in Bezug auf Letztere schon kein gerichtliches Anerkenntnis, erst recht kein sofortiges im Sinne von § 93 ZPO vor und über die geltend gemachten Nebenforderungen müsste das Gericht dann durch streitiges Teil- Endurteil entscheiden. Es gäbe dann nur ein Teil- Anerkenntnisurteil hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung, so dass über den Klageanspruch im Übrigen (hinsichtlich Nebenforderungen) noch gerichtlich durch Urteil entschieden werden muss. Dabei können die Nebenforderungen durch Urteil zugesprochen oder abgewiesen werden. Für diesen Teil der Klage verbliebe es bei der Kostenentscheidung gem. § 92 ZPO.

Offline enerveto

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #87 am: 28. Dezember 2009, 21:59:36 »
@RR-E-ft
Soweit verstanden (Danke!).
Nachfrage zum letzten Absatz:
Die möglichen Verzugskosten (Zinsen, Mahnkosten) werden nicht angegriffen.
In der Hauptforderung sind jedoch
a) eine Teil-Zahlung nicht berücksichtigt (als offensichtlicher Fehler erkennbar),
b) eine Rest-Betrag aus dem Abrechnungsjahr 2005 ist verjährt.
§ 93 ZPO?

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #88 am: 28. Dezember 2009, 22:47:38 »
§ 93 ZPO kann sich immer nur auf eine Klageforderung beziehen, die im Sinne der Rechtsprechung \"sofort\" anerkannt wird. Anerkannt ist anerkannt und bedarf deshalb grundsätzlich keinerlei gerichtlichen Prüfung mehr.

Soweit ein solches Anerkenntnis nur einen Teil der Klageforderung betrifft, kann sich dies nur auf die Kosten hinsichtlich des Teil- Anerkenntnis- Urteils beziehen, nicht jedoch für die Kosten des übrigen Rechtsstreits, der nicht durch das Anerkenntnis und das darauf gründende Anerkenntnisurteil endet, sondern über den dann ggf. durch weiteres streitiges Endurteil zu entscheiden ist. Ein Rechtsstreit kann durch Teil- Anerkenntnis- Urteil und weiteres Teil- Endurteil enden. Es ergeht grundsätzlich eine einheitliche Kostenentscheidung am Ende des gesamtes Rechtsstreits.

Wie es sich dabei konkret verhält, hängt sehr vom Einzelfall ab.

Wurde etwa ein Teil der Klageforderung ausdrücklich sofort anerkannt, der weiteren Klageforderung jedoch nicht innerhalb gesetzter Frist mit Klageerwiderung und Klageabweisungsantrag im Termin entgegengetreten, so kommt auch ein Teil- Anerkenntnis- und im Übrigen ein Teil- Versäumnisurteil in Betracht. Entscheidend ist auch dabei das Verhältnis der Ansprüche zueinander im Sinne von § 92 ZPO. Bei einem Teil- Anerkenntnis- Urteil wird § 93 ZPO insgesamt eher nicht greifen. Zu beachten ist doch, dass § 93 ZPO eine Ausnahme gegenüber § 91 ZPO darstellt.

Offline RR-E-ft

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