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Autor Thema: Tarifkunde oder Sondervertragskunde?  (Gelesen 39554 mal)

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Offline hugo00

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« am: 13. August 2010, 18:54:42 »
Zum Thema Tarifkunde oder nicht, stelle ich die Frage nach Jena:
Unsere Stadtwerke (100%iger Eigenbetrieb) deklarieren mich seit 20 Jahren (Vertrag: Grundversorgung II für 44.000 kWh/a) als Tarifkunden. Ich meine aber, weil ich nur Gas zur Heizung mit um die 44 MWh/a abnehme, macht mich das lt. BGH (welches Urteil?) zum Sondervertragskunden, dem das EVU kein Recht zur autom. Preisanpassung (s. AVBGasV, GasGVV...).
Stimmt das: ob es sich de facto und de jure um einen Sondervertrag handelt, ist bislang ungeklärte (strittige) Rechtsfrage? Unsere Stadtwerke meinen, dass sie berechtigt seien, die Gaspreise nach Belieben zu ändern, wenn ihnen auf Antrag sowohl die Genehmigung z.B. der Landesenergiebehörde gegeben bzw. die Stadtvertreter (lt. GemO und EigVO) zugestimmt haben. Dann entspräche der neue Preis auch der Billigkeit. Ignorierung auch des \"Innenverhältnisses\" zw. den Vertragspartnern EVU und Kunde besteht m.E.

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #1 am: 13. August 2010, 19:33:50 »
Die Frage wann ein Tarifkundenvertrag (nun Grundversorgungsvertrag) bei Heizgaskunden mit hohem Jahresverbrauch vorliegt,  ist nicht abschließend geklärt.

Bemerkenswert sind die Entscheidungen OLG Düsseldorf vom 24.06.09, OLG Dresden vom 26.01.10, OLG Dresden vom 13.07.10, allesamt besprochen: im Forum

Jene Entscheidungen sprechen ebenso wie die Entscheidung Kammergericht Berlin, Urteil vom 28.10.08, dafür, dass Kunden, die einen hohen Jahresverbrauch haben und denen - gegenüber Kleinabanehmern - ein günstigerer Tarif angeboten wird, keine Tarifkunden sind. Die rechtskräftige Entscheidung des OLG Dresden vom 13.07.10 nimmt dies auch dann an, wenn die betreffenden günstigeren Tarife unter der Überschrift \"Allgemeine Tarife\" öffentlich bekannt gegeben wurden.

Ein hoher Jahresverbrauch von 40.000 kWh deutet auf einen Sondervertrag hin.
Für ein Einfamilienhaus liegt der Jahresverbrauch etwa bei 20.000 kWh.
§ 3 Nr. 22 EnWG definiert den Haushaltskunden und spricht von einer Verbrauchsgrenze von 10.000 kWh im Jahr.
Ist man selbst kein Haushaltskunde im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG, wird man jedenfalls auch nicht gem. § 36 EnWG innerhalb der Grundversorgung beliefert.

Der BGH stellt auch auf die Bezeichnung \"Sondertarif\" ab (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 27). Ein Sondertarif und somit Sondervertrag kann demnach auch dann vorliegen, wenn der Versorger seine Kunden bei Vertragsabschluss nach (voraussichtlicher) Jahresverbrauchsmenge automatisch in einen günstigeren Tarif nach sog. Bestpreisabrechnung eingeordnet hatte (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 27).

Der BGH sellt dabei ersichtlich darauf ab, dass auch bei Sonderverträgen konkludente Vereinbrungen möglich seien, wenn der Verorger Sondertarife bzw. Sonderabkommen- Preise öffentlich bekannt gemacht hatte, was wohl einen konkludenten Vertrgsabschluss einschließt.  

Handelt es sich um einen Vertrag in der Grundversorgung besteht ein gerichtlich kontrollierbares gesetzliches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, das den Versorger im Umfange gestiegener Kosten zur Preiserhöhung berechtigt (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07 Rn. 39) und im Umfange gesunkener Kosten nach gleichen Maßstäben zur Preisabsenkung verpflichtet (VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Handelt es sich um einen Sondervertrag und wurden in einen solchen Preisänderungsklauseln bestimmten Inhalts wirksam einbezogen, so soll das gerichtlich zu kontrollierende einseitige Leistungsbestimmungsrecht auch dort gelten (BGH VIII ZR 225/07 Rn. 24, VIII ZR 56/08 Rn. 27, VIII ZR 246/08 Rn. 36).

Die wirksame Einbeziehung in einen Sondervertrag setzt bei einem Vertragsabschluss unter Abwesenden regelmäßig die Übersendung vor Vertragsabschluss voraus (OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10).

Die Stadtwerke können die Preise - sofern überhaupt zu ihren Gunsten im konkreten Vertragsverhältnis ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht - gerade nicht nach Belieben ändern, § 315 Abs. 1 BGB. Die Billigkeit wird gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich kontrolliert und auf eine behördliche  Genehmigung kommt es für die Beantwortung der Frage der Billigkeit grundsätzlich nicht an (BGH X ZR 60/04 unter II 1 b).

Ein einseitiges Leisungsbestimmungsrecht ob gesetzlich oder vertraglich vereinbart berechtigt  den Versorger zur Preiserhöhung lediglich im Umfange gestiegener Kosten (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07 Rn. 39, 43) und verpflichtet ihn  zugleich zur Preisabsenkung im Umfange gesunkener Kosten nach gleichen Maßstäben (VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Und dies kann gerichtlich kontrolliert werden, wenn den Preisänderungen oder darauf beruhenden Jahresverbrauchsabrechnungen vom Kunden widersprochen wurde (BGH VIII ZR 246/08].

Die genannten Entscheidungen finden sich in der Entscheidungsdatenbank des BGH: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/list.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288 und können durch Eingabe des Aktenzeichens aufgefunden werden.

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Regionale Vorliebe für gut abgehangene, gegrillte Miezen?

Offline hugo00

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #2 am: 14. August 2010, 11:07:30 »
Danke für die überraschend schnelle und viel Einsicht vermittelnde Antwort. Sind Sie evtl. bei der Post und nicht RA? ;-)
Wenig hilfreich und überraschend für meinen Fall ist, dass so viele wichtige und Grundsatz-Urteile (auch solche, die Richter Ball nicht \"ver\"leiten und auf BdEW-Seminaren über Kunden-Kujunierung
den versammelten EVU-Vertretern verklickern konnte), gefällt worden sind. Aber so ein, wie ich finde emminent wichtiger Aspekt, wie die Einstufung von - ich sage mal - privaten Energieverbrauchern bei den Versorgern wurde bisher nicht explizit entschieden, so dass die sog. \"Tat\"gerichte zum Wohl der Verbraucher, deren Rechte [Rot-Grün in 2004] so \"besonders schützenswert\" fand, entscheiden könnten. So aber ist jedes Verfahren vor AG, LG, OLG etc. zu diesem Thema eigentlich immer ein Ritt auf dem Eber, weil man der verfassungsmäßigen Unantastbarkeit des Richters und seinen höchst- persönlichen, ggf. unvollkommen recherchierten Einsichten hilflos ausgeliefert sind. Siehe: Vor Gericht und auf hoher See...
MfG
und schönes weekend

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #3 am: 14. August 2010, 13:52:04 »
Den letzten Beitrag habe ich nicht verstanden.
 
In einem Prozess ist es vornehmlich Aufgabe der Anwälte, die Argumente für und wider vorzutragen und sich dabei mit der bekannten und etwa unter http://www.juris.de veröffentlichten Rechtsprechung auseinanderzusetzen und so dem Gericht bei der Rechtsfindung zu helfen.

Durch die Vielzahl der Prozesse wurde die Rechtsprechung dazu zunehmend klarer und ausdifferenzierter.

Der Anwalt muss alle möglichen Weichenstellungen in einem Prozess im Voraus erkennen und seine Vortrag darauf einstellen, also - auf Verbrucherseite- ggf. zunächst ein einseitiges Leistungbestimmungsrecht in der Form des gesetzlichen Leistungsbestimmungrechts bestreiten(da Sondervertrag), dann ein vertragliches Leistungbestimmungsrecht (da ein solches vertraglich nicht vereinbart und eine Peisänderungsklausel nicht vertraglich einbezogen wurde) und ggf. die Wirksamkeit einer einbzogenen Klausel in Abrede stellen, um sogleich hilfsweise die  Billigkeit sowohl der Tarifgestaltung als auch der einzelnen Tarifänderungen zu bestreiten, also grundsätzlich immmer das volle Prüfungsraster bei Gericht abarbeiten lassen.

Wer nur die Billigkeit bestreitet, nicht aber schon das Preisändrungsrecht als solches, kann genauso auf die Nase fallen, wie derjenige, der nur das Preisänderungsrecht als solches bestreitet, nicht aber die Billigkeit.

Das muss jedem klar sein, ebenso wie klar sein muss, welche alternativen Verläufe ein Prozess aufgrund dieser möglichen Weichenstellungen nehmen kann, und worauf es in jeder Etappe dann entscheidend ankommt.

Der Ausgang jedes Prozesses im Einzelfall hängt -  von wenigen Willkürentscheidungen abgesehen - von der Qualität von Angriff und Verteidigung ab. Wer die möglichen Alternativen von vornherein in Erwägung zieht und sich auf diese einstellt, wird sich weniger als \"Spielball in einem kafkaesken Process\" erfahren, sondern mehr als aktiver Gestalter des Geschehens.

Beim Schachspiel ist man ja auch nicht hilflos augeliefert, sondern bestimmt möglichst vorausschauend  den eigenen Angriff und die eigene Verteidigung und darüber, wann man sich ggf. vorzeitig geschlagen gibt.

In einem kontradiktorischem Prozess ist es nicht viel anders. Es kommt darauf an, die Spielregeln zu beherrschen.

Offline hugo00

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #4 am: 14. August 2010, 16:40:06 »
Das ist ein Sprichwort und heißt vollständig: Vor Gericht und auf hoher See bist Du in Gottes Hand. Will heißen, dass es nicht in Deiner Hand liegt zu überleben oder zu gewinnen.

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #5 am: 15. August 2010, 21:50:25 »
Von so einem Sprichwort hatte ich auch schon mal gehört. ;)

Offline Black

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #6 am: 16. August 2010, 10:17:31 »
Zitat
Original von RR-E-ft

§ 3 Nr. 22 EnWG definiert den Haushaltskunden und spricht von einer Verbrauchsgrenze von 10.000 kWh im Jahr.
Ist man selbst kein Haushaltskunde im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG, wird man jedenfalls auch nicht gem. § 36 EnWG innerhalb der Grundversorgung beliefert.

Jetzt bin ich aber enttäuscht. Das Laien den § 3 Nr. 22 EnWG falsch lesen bin ich ja gewohnt, aber Sie als Anwalt?

Die Grenze von 10.000 kWh besteht nur für die gewerbliche Nutzung.

22.Haushaltskunden
Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10 000 Kilowattstunden nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen,


Daher gilt:

rein private Nutzung = immer Haushaltskunde

gewerbliche oder landwirtschaftl. Nutzung < 10.000 kWh = Haushaltskunde

gewerbliche oder landwirtschaftl. Nutzung > 10.000 kWh = kein Haushaltskunde
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #7 am: 16. August 2010, 11:14:14 »
Ich hatte das nicht anders gemeint.

Zunächst ist jedenfalls zu prüfen, ob der betreffende Kunde überhaupt Haushaltskunde im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG ist.

Offline hugo00

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #8 am: 16. August 2010, 12:28:34 »
also, Black, ich als der Fragende habe nicht mißverstanden und somit nicht angenommen, was Sie ihm \"unterstellen\" ;-)
Und, da ich ausschl. Gas für die Heizung abnehme, bin ich als Haushaltskunde einzustufen.

Offline uwes

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #9 am: 16. August 2010, 13:53:24 »
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft

§ 3 Nr. 22 EnWG definiert den Haushaltskunden und spricht von einer Verbrauchsgrenze von 10.000 kWh im Jahr.
Ist man selbst kein Haushaltskunde im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG, wird man jedenfalls auch nicht gem. § 36 EnWG innerhalb der Grundversorgung beliefert.

Jetzt bin ich aber enttäuscht. Das Laien den § 3 Nr. 22 EnWG falsch lesen bin ich ja gewohnt, aber Sie als Anwalt?

@Black

Hatten Sie denn die Ausführungen von RR-E-ft (als Anwalt?) richtig gelesen?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #10 am: 20. November 2010, 00:12:07 »

Offline tangocharly

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #11 am: 04. September 2011, 16:37:59 »
Im Jahre 1998, als das EnWG noch in der alten Fassung existierte (d.h. also noch kein § 3 Nr. 22 EnWG 2005), da meinte der BGH am 25.02.1998 Az.: VIII ZR 276/96, Tz. 43 (= BGHZ 138, 118 ff.):

Zitat
Tz 43.
Die Bildung einer Risikogemeinschaft zwischen Tarif- und Sonderkunden ist zwar - wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt - nicht zwingend geboten. Sie ist gleichwohl im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen beiden Kundengruppen zumindest zweckmäßig. Sonderkunden unterscheiden sich von Tarifkunden, wie die Revision zutreffend hervorhebt, in erster Linie durch eine vom \"Normalkunden\" abweichende Abnahmecharakteristik, nicht notwendigerweise jedoch - wie das Beispiel der Nachtstrombezieher und kleineren Gewerbebetriebe (vgl. Schmidt-Salzer in Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer aaO Rdnr. 372) zeigt - durch ein erhöhtes Schadensrisiko. Sonderkunde ist insoweit nicht etwa nur der Großkunde, sondern jeder Kunde, der von den allgemeinen Merkmalen des Tarifkunden abweicht.

Man könnte also annehmen, dass der Gesetzgeber im Jahre 2005 mit § 3 Nr. 22 EnWG in der Frage der Abnahmecharakteristik die \"Grobfeile\" angesetzt hätte und der Praxis dabei die \"Suche nach den allgemeinen Merkmalen des Tarifkunden\" abnehmen hätte wollen.
Denn wenn sich die Abnahmecharakteristisk im Unterschied  privaten zu gewerblichen Verbrauchs darin ausdrückt, ob der Verbauch von mehr als 10.000 kWh gewerblich abgenommen werde, dann müßte im Umkehrschluss angenommen werden, dass der private Verbraucher \"jede Menge\" Energie abnehmen könne, also z.B. 100.000 kWh, dies aber keinen Ausdruck seiner Abnahmecharakteristik darstellte. Wäre eine merkwürdige Logik !

Doch auch der Blick in § 41 Abs. 1 EnWG zeigt wiederum, dass der \"Haushaltskunde\" nicht generell ein \"Grundversorgungskunde\" ist, quasi von Gesetzes wegen. Denn dort ist geregelt was gelten soll, wenn Haushaltskunden (§ 3 Nr. 22 EnWG)  außerhalb der Grundversorgung versorgt werden.

Somit kommt es nach wie vor auf \"die allgemeinen Merkmalen eines Tarifkunden\" (respektive Grundversorgungskunden) an, die der BGH bereits am 25.02.1998 im Auge gehabt hat.

In diesem Zusammenhang hat vor einiger Zeit @RR-E-ft schon konkrete Ansatzpunkte für die Merkmale des Tarifkunden (bzw. Grundversorgungskunden) referiert:

Zitat
Zitat @RR-E-ft,  18:22h
Unzweifelhaft ist auch, dass der jeweilige Allgemeine Preis der Grundversorgung höher kalkuliert sein muss als ein im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotener Sondervertragspreis (KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06). Beim Gas folgt dies allein aus der höheren Konzessionsabgabe. Zudem können sich die Lieferanten im Rahmen der Vertragsfreiheit ihre Kunden aussuchen, unterliegen keinem Kontrahierungszwang. Der Grundversorger muss alle Haushaltskunden versorgen, auch wenn diese sich etwa durch schlechte Bonität und Zahlungsmoral auszeichnen, was entsprechende Risikoaufschläge rechtfertigen könnte.

Damit stellen sich doch die grundsätzlichen Fragen:
(1) Warum werden von Versorgern (wie z.B: der EnBW, mit ihrem beispielslosen Tarifdschungel) Tarifgestaltungen angeboten, die dem Abnehmer suggerieren, dass in seinem Fall speziell die Abnahmemengen (z.B. 30.000 kWh) mit einem günstigeren Preis belohnt werden, als im Fall eines Kleinabnehmers (mit. z.B. 1.800 kWh) ?
(2) Warum wollen Versorger zum Ausdruck bringen, dass sie sich demjenigen Kunden gegenüber, dem sie wegen seines höheren Verbrauchs günstigere Konditionen bieten als dem Kleinkunden, zur Belieferung für verpflichtet halten ?
(3) Warum sollen Verbraucher, die wegen ihres höheren Verbrauchs angeblich belohnt werden sollen, nicht noch günstiger konditioniert werden, indem man ihnen eben noch die niedrigeren Konzessionsabgaben des Sonderkunden kalkuliert (spendiert) ?
(4) Warum wollen Versorger sich den Kunden gegenüber, die wegen ihres höheren Vebrauchs angeblich belohnt werden sollen, des (nach den GVV\'s nicht vorgesehenen) Kündigungsrechts begeben, welches dem Sonderkunden gegenüber ja besteht ?
(5) Welcher Vorteil bietet sich den Kunden, die wegen ihres höheren Vebrauchs angeblich belohnt werden sollen, indem ihnen eine Versorgungspflicht und ein Kündigungsverbot geboten werden ?
(6) Welcher Vorteil bietet sich dem Versorger, wenn er seinen Allgemeinen Preis im Wesentlichen allein durch öffentliche Bekanntgabe fordern darf und sich keine Gedanken über Preisänderungsklauseln machen muß ?

Zusammen gefaßt lassen sich diese Fragen auf einen Nenner konzentrieren:
Der Abnehmer soll davon abgehalten werden, sich über sein Versorgungsverhältnis zu seinem Versorger weitere Gedanken zu machen als diejenigen \"Wird mein Häuschen warm\" und \"Kommt Strom aus der Steckdose\".

Der BGH hat nun wiederholt in seinen jüngeren Entscheidungen betont, dass es ihm für die Frage der Einstufung in erster Linie darauf ankommt, wie das Versorgungsverhältnis aus der Sicht des Abnehmers verstanden werde.

Auffällig ist allerdings dabei, wenn man diese Entscheidungen des BGH zu dieser Problematik filtert, dass der BGH jeweils immer Anhaltspunkte aus den Vertragsunterlagen akribisch sucht, welche mit dem Wörtchen \"Sonder....\" beginnen.

Ein und derselbe BGH-Senat, der noch vor Jahren von \"den Merkmalen des Tarifkunden\" sprach, löst sich von seiner überkommenen Rechtsprechung, ohne ein Wörtchen darüber zu verlieren, warum es bei der Frage, wie aus des Verbrauchers Sicht dessen Versorgungsverhältnis einzustufen sei, (nur noch ?) auf Formulierungen des Versorgers maßgeblich ankommen soll (Indizwirkung) !

In diesem Zusammenhang noch ein Blick auf die Bestimmung gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 EnWG.

Dass der Gesetzgeber unter dem Begriff : \"die Zahlweise\" vielleicht nur Ratenzahlungen und /oder Abschlagszahlungen gemeint haben könnte, ist nicht anzunehmen.

Aber, wenn man auf die Masse von \"Grundversorgungsverträgen\" schaut, bei denen den Abnehmern von den Versorgern \"die bequeme Zahlungsweise auf dem Weg der Lastschrifteinzugsermächtigung\" angeboten und von den Abnehmern auch angenommen wird, wie sieht es dabei dann mit der vom BGH angesprochenen Indizwirkung aus ?

Man kann eigentlich allen \"grundversorgten\" Abnehmern nur empfehlen bei der Beantwortung des Angebotes auf Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren dem Versorger schriftlich mitzuteilen, dass man gerne von der Möglichkeit Gebrauch machen und dieser angebotenen Sondervereinbarung zustimmen werde. Denn wer ist für die Einordnung des VErsorgungsverhältnisses maßgeblich, wenn es auf das Kriterium der Sicht des Verbrauchers ankommen soll.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #12 am: 13. Oktober 2011, 09:46:08 »
Zum Zustandekommen eines Sondervertrages nach jüngster BGH- Rechtsprechung

Zitat
Original von RR-E-ft

Ganz gewiss erfolgen die Energielieferungen bisher auf vertraglicher Grundlage. Es gibt also einen Vertrag mit vertraglicher Lieferpflicht und vertraglichem Zahlungsanspruch.

Zunächst könnte allein durch Energienentnahme ein Tarifkundenvertrag zustande gekommen sein, der mit Haushaltskunden seit Inkrafttreten des EnWG 2005 als Grundversorgungsvertrag fortzuführen wäre.

Möglicherweise war der Versorger jedoch entweder gleich zu Beginn oder erst im Verlauf der Durchführung dieses Tarifkundenvertrages einseitig und freiwillig im Rahmen der Vertragsfreiheit  dazu übergegangen, die Belieferung nicht mehr zu den Allgemeinen Tarifen, sondern nach davon zu unterscheidenden Sonderpreisen zu erbringen (vgl. BGH Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26 f., Az. VIII ZR 295/09 Rn. 22 ff., Az. VIII ZR 42/10 Rn. 32 f.).

In einem solchen Fall wurde der Kunde, der ursprünglich  Tarifkunde war, nach der Rechtsprechung des BGH fortan aufgrund eines  Sondervertrages beliefert und der Versorger kann sich deshalb  fortan nicht mehr für Preisanpassungen auf die gesetzliche Regelung zu Preisanpassungen (§ 4 AVBGasV/ AVBEltV, § 5 GasGVV/ StromGVV) stützen (BGH, aaO.), so dass Preisanpassungen, sofern nicht gesondert  wirkam vertraglich vereinbart, per se ausgeschlossen sind.

Soweit nichts anderes wirksam vereinbart wurde, regelt ein solcher Sondervertrag (der nicht schriftlich bestehen muss) nur die Lieferung von Gas/ Strom an der konkreten Abnahmestelle zu demjenigen Sonderpreis, zu dem der Sondervertrag anfänglich zustande kam (vgl. BGH Az. VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff.).

Ein derart zustande gekommener Sondervertrag endet erst durch ordentliche Kündigung.

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #13 am: 14. Oktober 2011, 09:18:37 »
Ist der Versorger dazu übergegangen, den Kunden im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig zu einem Sonderpreis zu beliefern, handelt es sich um einen Sondervertrag und kann der Versorger ein Preisanpassungsrecht nicht mehr auf ein gesetzliches Preisanpassungsrecht stützen (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.11 Az. VIII ZR 42/10 Rn. 32).

Fehlt es in einem Sondervertrag an einem Preisanpassungsrecht des Versorgers, sei es durch die nicht wirksame Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel, sei es wegen der Unwirksamkeit einer einbezogenen Preisanpassungsklausel, so führen auch widerspruchslose und ohne Vorbehalt geleistete Zahlungen des Kunden nicht zu Preisneuvereinbarungen (vgl. BGH Urt. v. 13.07.11 Az. VIII ZR 342/09 Rn. 35).

Folglich gilt der bei Beginn des Sondervertrages vereinbarte Anfangspreis fort.
Etwas anderes kann sich allenfalls daraus ergeben, dass der Kunde später einen höheren Preis ausdrücklich anerkannt hatte.

Ein solcher Sondervertrag bleibt bis zur ordentlichen Kündigung bestehen.

Insbesondere wird ein solcher Sondervertragskunde nicht dadurch zu einem grundversorgten Kunden, dass der Versorger einen bisherigen Sonderpreis später als Allgemeinen Preis der Grundversorgung fortführt.

Offline Black

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #14 am: 19. Oktober 2011, 18:20:43 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Ist der Versorger dazu übergegangen, den Kunden im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig zu einem Sonderpreis zu beliefern, handelt es sich um einen Sondervertrag und kann der Versorger ein Preisanpassungsrecht nicht mehr auf ein gesetzliches Preisanpassungsrecht stützen (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.11 Az. VIII ZR 42/10 Rn. 32).

(..)

Insbesondere wird ein solcher Sondervertragskunde nicht dadurch zu einem grundversorgten Kunden, dass der Versorger einen bisherigen Sonderpreis später als Allgemeinen Preis der Grundversorgung fortführt.

Warum nicht? Wenn nach Ansicht des BGH der Versorger einseitig dazu übergehen kann, aus einem Tarifkunden einen Sonderkunden zu machen, dann geht das auch in die andere Richtung.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

 

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