Original von tangocharly
Nein. In der Versorgerterminologie existieren dabei keine \"mehreren Tarife\" nebeneinander, sondern nur verschiedene Stufen ein und desselben Tarifs.
Schon da wäre ich mir nicht für jeden Fall unbedingt sicher, obschon ich auch viele Jahre Versorgerphrasologie studiert habe.
Versorgerterminologie ist eine Welt für sich.
Es geht hier um das Verständnis eines
durchschnittlichen Verbrauchers, der nicht zuvor Versorgerterminologie studiert hat.
Wir wollen es uns bei Lichte genauer betrachten:
Es gibt Versorger, die bieten in der Grundversorgung nur noch
einen einzigen Tarif an, Basistarif BT (zB. EWE Vertrieb).
Es gibt andere Versorger, die bieten in der Grundversorgung
nach wie vor mehrere Allgemeine Tarife
nebeneinander an, nämlich mindestens Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G (zB. Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH).
Bei Geltung der (1998 außer Kraft getretenen) BTOGas mussten Gasversorger bekanntlich als Allgemeine Tarife
mindestens einen Kleinverbrauchstarif und einen Grundpreistarif als Pflichttarife anbieten, deren Preisbildung zudem in der BTOGas reglementiert war. Wurde dieses Preissystem beibehalten, kann nicht davon die Rede sein, es handele sich dabei um einen
einzigen Allgemeinen Tarif, auch nach der
Versorgerterminologie nicht.
Werden vom Versorger ganz klar
mehrere Allgemeine Tarif
e unterschieden und öffentlich bekannt gemacht, dann handelt es sich eben nicht um einen
einzigen Allgemeinen Tarif.
Für den (konkludenten) Abschluss eines Grundversorgungsvertrages müssen sich Haushaltskunde und Grundversorger bei Vertragsabschluss auf einen eindeutig bestimmten Allgemeinen Tarif einigen (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 12, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 16).
Werden
mehrere Allgemeine Tarife
nebeneinander angeboten, kann der bei Vertragsabschluss eindeutig bestimmte und vereinbarte Tarif somit
entweder der Kleinverbrauchstarif K
oder aber der Grundpreistarif G sein.
Wurden mehrere
nebeneinander bestehende Allgemeine Tarife veröffentlicht, so kann der Kunde zwischen mehreren wählen und die Belieferung
zu einem bestimmten Allgemeinen Tarif verlangen. Darauf hat er einen gesetzlichen Anspruch, so war es nach der BTOGas.
Der so eindeutig vereinbarte Tarif würde dann grundsätzlich für die gesamte Vertragsdauer gelten, weil er eben bei Vertragsabschluss zwischen den Parteien vereinbart wurde.
Nicht gemeint sind sog.
Staffeltarife.
Bietet der Grundversorger - ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein - frewillig eine sog. Bestabrechnung zwischen mehreren nebeneinader bestehenden Allgemeinen Tarifen an, indem er den Kunden jeweils am Ende eines Verbrauchsjahres verbrauchsabhängig in einen der nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarife einordnet, dann ergibt sich diese Fragestellung.
Also aus dem
Preisblatt Grundversorgung Jena wüsste man wohl nicht unbedingt, welcher
eindeutig bestimmte Allgemeine Tarif bei Vertragsabschluss tatsächlich
vereinbart wurde.
Klar voneinander unterschieden werden dabei mehrere,
nebeneinander bestehende
Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung für Haushaltskunden.
Der Versorger hat jedoch gar nicht die Absicht, einen eindeutig bestimmten und bei Vertragsabschluss mit dem Kunden vereinbarten Allgemeinen Preis abzurechnen, sondern lässt statt dessen verlauten:
\"Innerhalb dieser Preisgruppe ermitteln wir bei der Verbrauchsabrechnung den für den Kunden jeweils günstigsten Preis (Bestabrechnung).\".
Dazu verpflichtet ist der Versorger nicht. Er macht das freiwillig.
Klingt für den Kunden auch erst mal gar nicht schlecht.
Wurde bei Vertragsabschluss eine Belieferung zum eindeutig bestimmten Kleinverbrauchstarif vereinbart oder zum eindeutig bestimmten, daneben bestehenden Grundpreistarif oder aber keiner der eindeutig bestimmten Allgemeinen Tarife verinbart, sondern vielmehr - abweichend - eine vom Versorger im Rahmen der Vertragsfreiheit
freiwillig angebotene Bestpreisabrechnung zwischen mehreren
nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarifen, so dass der tatsächlich zur Anwendung kommende Tarif im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eben noch gar
nicht eindeutig bestimmt ist?!
BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32
Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag).
Welcher eindeutig bestimmte Preis von mehreren wurde denn bei Vertragsabschluss eindeutig vereinbart?
Bei Vertragsabschluss ist vollkommen unklar, welcher Preis dereinst wohl auf der Verbrauchsabrechnung auftauchen wird. Eindeutig sagen kann das noch keiner, erst recht nicht auf Anhieb. Mal sehen, was die Zukunft wohl bringt. Der Versorger
ermittelt den abzurechnenden Preis erst später selbst undzwar bei der Verbrauchsabrechnung. Vor der Verbrauchsabrechnung steht der Preis noch nicht fest. Man weiß also noch nicht so recht, welcher Preis das sein wird, wenn ein Kunde, der ausschließlich mit Gas heizt, den Grundversorgungsvertrag im Juni abschließt und Ende August durch Kündigung beendet. Es ist für das Kaufrecht doch eigentlich vollkommen sonderbar, wenn sich der Preis erst bei der Abrechnung ermitteln lässt.
Mit dem bei Vertragsabschluss veröffentlichten Preis muss der - im Zeitpunkt der Erstellung der Verbrauchsabrechnung - erst ermittelte Preis schon lange nichts mehr zu tun haben, je nachdem wie lange die Abrechnungsperiode dauert und wie oft die Preise zwischenzeitlich geändert wurden. Bekanntlich kann der Versorger nach seiner Wahl den Verbrauch auch täglich oder monatlich abrechnen.
§ 40 Abs. 3 EnWG
Lieferanten sind verpflichtet, den Energieverbrauch nach ihrer Wahl monatlich oder in anderen Zeitabschnitten, die jedoch zwölf Monate nicht wesentlich überschreiten dürfen, abzurechnen.
Schon allein aus der Wahl der Abrechnungsperiode durch den Versorger können vollkommen unterschiedliche Preise zur Abrechnung kommen.
Erfolgt die Abrechnung jährlich, landet der Kunde, der mit Gas heizt und 30.000 kWh im Jahr verbraucht, wohl im Grundpreistarif. Wählt der Versorger eine monatliche Abrechnung, landet der selbe Kunde bei selbem Abnahmeverhalten in den Sommermonaten plötzlich jedoch wohl eher im Kleinverbrauchstarif, den sonst nur der Gaskunde hat, der lediglich ganzjährig einen Gasherd zum Kochen benutzt.
Wenn das mal nichts von
Willkür hat.
Von einem eindeutig bestimmten und vereinbarten Preis kann dabei also wohl gar keine Rede sein. Ein betroffener Kunde, der im Zeitpunkt des Gasverbrauchs deshalb noch gar nicht absehen kann, welcher Gaspreis deshalb später tatsächlich abgerechnet wird, befindet sich wohl eher in einer
besonderen vertraglichen Situation, die der Gesetzgeber gerade nicht wollte. Und auch der für Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH geht ja davon aus, dass der Tarifkunde einer sei, der im Zeitpunkt des Gasverbrauchs schon eindeutig wisse, welcher Preis dafür zu zahlen sei, da der Preis schließlich eindeutig bestimmt gewesen und als solcher vertraglich vereinbart worden sei.
Ganz speziell wird die Sache, wenn der Versorger im laufenden Vertragsverhältnis den Kleinverbrauchstarif oder den Grundpreistarif hinsichtlich Grund- und/oder Arbeitspreis unterschiedlich neu gestaltet.
Zu einer solchen
uneinheitlichen Änderung kann bzw. muss es nämlich zwingend kommen, wenn sich
ceteris paribus (!) nur die verbrauchsabhängigen Netzentgelte zwischenzeitlich verändern.
Widerspricht man dann der Änderung des Grundpreistarifes oder der Änderung des Kleinverbrauchstarifes, wenn es um die nachträgliche einseitige Änderung eines vereinbarten Tarifs geht?
Man kann wohl nicht erfolgreich der einseitigen Änderung eines Tarifs widersprechen, den man selbst nicht vereinbart hat und zu dem man auch nicht beliefert wird.
Wenn nach der
gesetzlichen Regelung bei Vertragsabschluss ein eindeutig bestimmter Tarif vertraglich vereinbart wird, dann handelt es sich bei einer Abweichung hiervon wohl nicht mehr um die
Belieferung nach der gesetzlichen Regelung.
Fazit:
Es lohnt sich, in jedem Einzelfall durchaus genauer hinzuschauen, was der Versorger da eigentlich treibt.