Wir können nun über gelegte Eier reden und einige offene Fragen klären.
1. Gibt es überhaupt ein gesetzliches Preisanpassungsrecht? Frage von jroettges:
Frage an @Black: (3. Wiederholung)
Wo bitte kann man das \"gesetzliche einseitige Leistungsbestimmungsrecht\" nachlesen?
Das gesetzliche Preisanpassungsrecht ergibt sich gem. Randnummer 18 (jeweils BGH VIII ZR 56/08 (= KGU) aus § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV.
\"Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht weiter zu Recht angenommen, dass § 5 Abs. 2 GasGVV, auf den die streitige Preisanpassungsklausel Bezug nimmt und der bestimmt, dass Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen jeweils zum Monatsersten und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden, dem Grundversorger ebenso wie die Vorläuferregelung des § 4 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zuerkennt.\"
Diese Aussage des BGH ist wohl eindeutig.
Das von Kampfzwerg gesuchte Phantom ist gefunden – wer jetzt noch immer der Auffassung ist, dass es ein gesetzliches Preisanpasssungsrecht nicht gibt, dem ist nicht zu helfen. Das läuft dann unter Meinungsfreiheit.
Auch die Bedenken von Tangocharly, dass sich § 4 Abs. 2 AVBGasV und § 5 Abs. 2 GasGVV inhaltlich unterscheiden, sind damit aus der Welt.
2. Was bedeutet dies nun für die Möglichkeit eines vertraglichen Preisanpassungsrechtes?In Randnummer 21 steht:
„Rechtsfehlerfrei ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag, die das gesetzliche Preisanpassungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also nicht zum Nachteil des Kunden von der gesetzlichen Regelung des Preisänderungsrechts für den Grundversorger abweicht, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB darstellt.“
Das entspricht dem Wortlaut der Presseerklärung und ist eindeutig.
3. Ausgestaltung der vertraglichen Preisanpassungsregel:Herr Fricke ist ja vehement der Auffassung, dass die Übernahme des Wortlautes des § 5 Abs. 2 GasGVV nicht reiche und eine tatbestandliche Konkretisierung vorgenommen werden muss.
Dazu der BGH in Randnummer 27. Der BGH sieht in Randnummer 26 diese Problematik und führt aus:
„Dies steht der unveränderten Übernahme von § 5 Abs. 2 GasGVV in einem Sonderkundenvertrag unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteiligung des Sonderkunden (§ 307 Abs. 1 BGB) indes nicht entgegen. ... Der Gesetzgeber hat deshalb selbst mit der Regelung der Gasgrundversorgungsverordnung den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob ein Sonderkunde durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt ist. ...“
Auch hier ist die Aussage sehr eindeutig.
4. Verhältnis von § 307 zu § 315Zitat von Herrn Fricke:
Natürlich steht es den Parteien eines Sondervertrages frei, ein einseitiges Leistungsbestimmunsgrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich zu vereinbaren, also ausdrücklich zu vereinbaren, dass der Energieversorger nach Vertragsabschluss die Leistung einseitig bestimmen soll, worauf § 315 Abs. 1 und 3 BGB unmittelbare Anwendung findet. Geht der Wille der Vertragsschließenden jedoch nicht auf die vertragliche Vereinbarung eines solchen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (VIII ZR 138/07 Tz. 16), dann soll § 315 Abs. 1 und 3 BGB auch nicht unmittelbar anwendbar sein. Alles andere läuft dem Willen des Gesetzgebers in Bezug auf die bestehende gesetzliche Regelung des § 315 BGB zuwider:
Die gesetzliche Regelung des § 315 BGB setzt eindeutig voraus, dass sich die Vertragsschließenden noch nicht auf ein Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung geeinigt haben, sondern die zur Leistungsbestimmung gleichermaßen berechtigte und verpflichtete Vertragspartei erst ein der Billigkeit entsprechendes Äquivalenzverhältnis zu bestimmen hat, in dem sie nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmt. Diese Leistungsbestimmung ist für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Nur für den Fall, dass die zur Leistungsbestimmung berufene Partei die Bestimmung verzögert oder aber deren Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit entspricht, besteht dabei auf Antrag des einen oder des anderen Vertragsteils die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Dazu kurz und bündig der BGH in Randnummer 27:
„... Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Grundversorgungskunden eine Überprüfung von Preisänderungen nach § 315 BGB offen. ...“
So einfach (und so verbraucherfreundlich) kann man es auch sehen.
4. Anwendung des Leitbildgedankens:Zitat von Herrn Fricke:
§ 5 GVV ist das notwendige Korrelat zu § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV. Nur deshalb weil der gesetzlich versorgungspflichtige Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG iVm. §§ 2, 1 EnWG Allgemeine Preise der Grundverorgung aufzustellen verpflichtet ist und zu diesen Allgemeinn Preisen liefern muss, wurde ihm vom Gesetzgeber das Tarifbestimmungs- und -änderunsgrecht eingeräumt. Letzteres ist notwendig, weil der Grundversorger auch bei gestiegenen Kosten den Grundversorgungvertrag wegen § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV nicht ordnungsgemäß kündigen kann, sondern die bestehenden Grundversorgungsverträge zu erfüllen hat und auch mit Neukunden Grundversorgungsverträge zu den von ihm bestimmten Allgemeinen Preisen abschließen muss. Ebenso notwendig ist dabei die bestehende gesetzliche Verpflichtung zur Preisabsenkung im Falle rückläufiger Kosten.
Nach der gestzlichen Regelung bestht nicht nur ein Tarifbestimmungs- und - änderungsrecht, sondern wegen der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit auch eine entsprechende gestzliche Verpflichtung zur Tarifbestimmung und - änderung, respektive Anpassung, wenn diese für die Kunden günstig ist.
Die Situation stellt sich bei freiwillig angebotenen und dem Allgemeinen Vetragsrecht und der Vertragsfreiheit unterliegenden Sonderverträgen grundsätzlich anders dar, jedenfalls dann, wenn das Recht zur ordnungemäßen Kündigung durch den Energielieferanten nicht entsprechend der Grundversorgungsverordnung ebenso vertraglich ausgeschlossen wurde.
Ist das Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung nicht wie bei der Grundversorgung ausgeschlossen, liegt darin bereits eine Schlechterstellung des Sondervertragskunden gegenüber dem grundversorgten Kunden. Von einer Ausgewogenheit der gegenseitigen Interessen, wie sie der Gesetzgeber vor Augen hatte und wozu auch § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV zählt, kann dann gerade keine Rede sein. Und selbst wenn das Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung in Sonderverträgen ausgeschlossen wäre, wäre der Lieferant nicht verpflichet, Neukunden die gleichen Verträge wie die mit Bestandskunden bereits bestehenden überhaupt nur anzubieten und solche mit Neukunden abzuschließen. Eine solche Verpflichtung verstieße gegen die Vertragsfreiheit.
Dazu der BGH in Randnummer 25:
„... Dem steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, dass den Versorger im Rahmen der Grundversorgung – anders als bei einem Sondervertrag – ein Kontrahierungszwang (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005) trifft und er nach § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV zu einer Kündigung des Vertrages nur berechtigt ist, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht. ...“
Auch dies wäre damit geklärt.
Der BGH teilt die Auffassung von Herrn Fricke anscheinend nicht und stellt Grundversorgungs- und Normsonderkunden hinsichtlich Schutzbedürftigkeit und Folgen gleich. Das war nach den Vorentscheidung eigentlich auch nicht anders zu erwarten.
6. obiter-dicta-turSo schön das Wortspiel ist, sowenig hat die Urteilsbegründung etwas von einem obiter dictum. Auch hier können wir die Luft mal rauslassen.
Mein Fazit:Der Bundesgerichtshof hat eine Vielzahl offener Fragen geklärt. Man mag mit diesen beiden Entscheidungen einverstanden sein oder auch nicht. Es wäre jedoch vernünftig, die Rechtsprechung des höchsten deutschen Zivilgerichtes zu akzeptieren. Dies bleibt aber natürlich jedem selbst überlassen. Es wäre nur sinnvoll, den Lesern dieses Forums nicht den Eindruck zu vermitteln, dass ganz wesentliche Fragen weiter völlig offen sind oder entgegen der Auffassung des BGH zu entscheiden sind.