Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 191118 mal)

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
@reblaus

Der Zahlung als Erfüllungshandlung kann grundsätzlich kein weiterer Erklärungsgehalt entnommen werden. Unter besonderen Umständen kann eine Erfüllungshandlung jedoch außerhalb des Kausalgeschäfts den Abschluss eines Anerkenntnisvertrages durch Angebot und Annahme begründen, wofür  die besonderen Umstände festgestellt sein müssen.

Wenn die Erfüllungshandlung das zugrunde liegende Kausalgeschäft nachträglich beeinflussen könnte, wäre das Abstraktionsprinzip. welches § 812 BGB zu Grunde liegt (unzulässig) durchbrochen.

Nach dem geltenden Abstraktionsprinzip richtet sich die Erfüllungshandlung auf eine bereits bestehende Schuld oder aber auf eine Nichtschuld. Im letzteren Fall besteht ein Kondiktionsanspruch. Die Erfüllungshandlung begründet nachträglich keine Schuld im Kausalsgeschäft, allenfalls außerhalb des selben durch besonderen Anerkenntnisvertrag. Ein solcher Anerkenntnisvertrag zeitigt Wirkung regelmäßig für einen bereits abgeschlossenen Zeitraum, nicht aber für die Zukunft.

@Black

Der BGH stellt in VIII ZR 36/06 auf die gesetzlichen Bestimmungen der AVB ab, aus denen sich zum einen das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB als auch die nachträgliche Preisneuvereinbarung ergeben sollen. Bei Sondervertragskunden gibt es schon kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht. Auch die anderen Wertungen mit Rücksicht auf § 2 Abs. 2 AVBV lassen sich nicht übertragen, weil diese Bestimmungen auf Energielieferungsverträge außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht keine Anwendung finden, KZR 2/07 Tz. 26, VIII ZR 274/06.

Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Tz. 36
Der Berücksichtigung der etwaigen Unbilligkeit vergangener Preiserhöhungen im Rahmen der Überprüfung der hier streitgegenständlichen Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 steht aber entgegen, dass der Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresabrechnungen (vgl. § 24 Abs. 1 AVBGasV) unbeanstandet hingenommen hat. Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a). Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.

Das alles lässt sich auf Sondervertragskunden, für welche die gesetzlichen Bestimmungen der AVBV/ GGVV nicht gelten,  nicht übertragen, vgl. nur VIII ZR 240/90.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
In dem oben genannten Meinungsstreit ging es aber um die Deutung von BGH VIII ZR 36/06 und nicht um die Übertragung des dort festgeschriebenen \"Sockelpreises\" auf die Situation bei Sonderverträgen mit unwirksamen Preisbestimmungsklauseln.

Die BGH-Rechtsprechung ist nicht auf die Situation in Sonderverträgen übertragbar. In diesem Fall muss nicht nur ein Preis konkludent geändert werden, sondern es müsste konkludent eine wirksame einseitige Preisbestimmungsklausel vereinbart werden, und das zu einem Zeitpunkt zu dem beide Vertragsparteien irrigerweise davon ausgehen, dass eine solche Klausel bereits vereinbart sei. Diese Frage stand meines Wissens hier nie in Streit.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
BGH, Urt. v. 18.02.2009 - XII ZR 163/07 zur Darlegungs- und Breweislast im Rückforderungsprozess hinsichtlich negativer Tatsachenumstände (fehlender Rechtsgrund).

Zitat
Für den Bereicherungsanspruch trägt grundsätzlich derjenige die volle Darlegungs- und Beweislast, der den Anspruch - sei es im Wege der Klage, sei es zum Zwecke der Aufrechnung - geltend macht. Durch die den Bereicherungsschuldner für sog. negative Umstände treffende sekundäre Behauptungslast und durch seine Verpflichtung zum substantiierten Bestreiten des gegnerischen Vortrags ändert sich nichts an der grundsätzlichen Beweislast des Bereicherungsgläubigers.

Zitat
a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Bereicherungsanspruch gegen den Kläger darzulegen und zu beweisen hat.

Wer einen Anspruch geltend macht, muss das Risiko einer Klagabweisung tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Hieraus folgt, dass grundsätzlich derjenige alle anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten und im Bestreitensfalle nachweisen muss, der den Anspruch - sei es im Wege der Klage, sei es zum Zwecke der Aufrechnung - geltend macht. Dieser Grundsatz gilt auch, soweit sogenannte negative Umstände anspruchsbegründend sind. Deshalb hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs derjenige, der einen Anspruch aufgrund § 812 Abs. 1 BGB geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für dessen negatives Tatbestandsmerkmal, nämlich dass die Vermögensmehrung, die der als Schuldner in Anspruch Genommene herausgeben soll, ohne Rechtsgrund besteht (BGH Urteile vom 18. Mai 1999 - X ZR 158/97 - NJW 1999, 2887 und vom 14. Dezember 1994 - IV ZR 304/93 - NJW 1995, 662, 663). Das gilt grundsätzlich auch in Fällen der Eingriffskondiktion (BGHZ 169, 377, 379 f. = FamRZ 2007, 386).

b) Hieraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, dass der Bereicherungsschuldner als Gegner des grundsätzlich darlegungs- und beweisbelasteten Bereicherungsgläubigers zu Sachvortrag im Hinblick auf den Rechtsgrund der erfolgten Vermögensmehrung überhaupt nicht verpflichtet sei. Mit seiner Weigerung, das Erlangte dem Anspruchsteller herauszugeben, bringt ein wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch Genommener zwar zum Ausdruck, sich auf das Bestehen eines Rechtsgrundes berufen zu wollen. Worauf sich dieser Wille gründe, wird allein hierdurch jedoch nicht erkennbar.

Ohne weitere Angaben des in Anspruch Genommenen müsste der Anspruchsteller daher alle auch nur entfernt in Betracht zu ziehenden Gründe durch entsprechende Darlegungen ausräumen. Das ist zwar nicht unmöglich, aber dann nicht zumutbar, wenn es andererseits dem Anspruchsgegner unschwer möglich ist, den Grund seiner Weigerung, das Erlangte zurückzugewähren, näher darzulegen.


Wenn der zu beurteilende Sachverhalt durch derart unterschiedliche Möglichkeiten gekennzeichnet ist, hat aus Zwecken der Prozessförderung zunächst die als Schuldner in Anspruch genommene Partei, hier also der Kläger, die Umstände darzulegen, aus denen sie ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen. Erst wenn sie diese Mitwirkungshandlung vorgenommen hat, kann und muss die für den Anspruch aus § 812 BGB darlegungs- und beweisbelastete Partei im Rahmen zumutbaren Aufwands diese Umstände durch eigenen Vortrag und - im Falle des Bestreitens - durch geeigneten Nachweis widerlegen, um das Fehlen eines rechtlichen Grundes darzutun. Danach obliegt dem Prozessgegner eine sogenannte sekundäre Behauptungslast, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH Urteile vom 14. Juli 2003 - II ZR 335/00 - NJW-RR 2004, 556 und vom 18. Mai 1999 - X ZR 158/97 - NJW 1999, 2887 f.).

c) Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts blieb danach die Beklagte für alle Voraussetzungen ihres Bereicherungsanspruchs, also auch für den mit der Zahlung verfolgten gemeinsamen Zweck, darlegungsund beweisbelastet. Dem Kläger als Bereicherungsschuldner obliegt zwar - sei es im Rahmen eines von ihm zu erwartenden substantiierten Bestreitens oder im Rahmen einer sekundären Darlegungslast - ein Vortrag zu den konkreten

Zum hiesigen Meinungsstreit dazu.

Ich meine für die Schlüssigkeit einer Kondiktionsklage genüge es zunächst, eine erfolgte Leistung und Vermögensmehrung beim Bereicherungsschuldner darzulegen und unter Beweis zu stellen und vorzutragen, dass diese Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Es ist dann zunächst am Bereicherungsschuldner, einen Rechtsgrund für die erlangte Leistung darzulegen, deren Umstände der Bereicherungsgläubiger dann wieder bestreitet....

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Zitat
Original von reblaus
Die BGH-Rechtsprechung ist nicht auf die Situation in Sonderverträgen übertragbar. In diesem Fall muss nicht nur ein Preis konkludent geändert werden, sondern es müsste konkludent eine wirksame einseitige Preisbestimmungsklausel vereinbart werden, und das zu einem Zeitpunkt zu dem beide Vertragsparteien irrigerweise davon ausgehen, dass eine solche Klausel bereits vereinbart sei. Diese Frage stand meines Wissens hier nie in Streit.

Da muss ich mich korrigieren. Black bestreitet das. Er hat aber noch kein BGH-Urteil zu seiner Meinung vorgelegt, noch erläutert welche Erklärungen er für solch eine Preisänderung notwendig erachtet, und wie diese konkludent abgegeben worden sein sollen.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Zitat
Original von reblaus
Da muss ich mich korrigieren. Black bestreitet das. Er hat aber noch kein BGH-Urteil zu seiner Meinung vorgelegt, noch erläutert welche Erklärungen er für solch eine Preisänderung notwendig erachtet, und wie diese konkludent abgegeben worden sein sollen.

Siehe oben:
Zitat
Original von Black
BGH, VIII ZR 36/06, S. 19; BGH VIII ZR 138/07

Das hat sogar RR-E-ft zur Kenntnis nehmen müssen:

Zitat
Original von RR-E-ft
Der achte Zivilsenat des BGH hängt bedauerlicher Weise weiter seiner These an, durch einen unwidersprochenen Weiterbezug und vorbehaltslose Zahlungen des Tarifkunden käme es zu einer konkludenten Preisneuvereinbarung, die als solche keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliege.
BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde

Der BGH hat also in zwei Entscheidungen bestätigt, dass nach seiner Auffassung die vorbehaltslose Zahlung eine konkludente Preisvereinbarung darstellt. Das Gegenargument hierzu lautet, dass dies ja nur eine Entscheidung für Tarifkunden gewesen sei.

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der BGH zur Begründung dieser Preisneuvereinbarung in keinem Punkt auf eine Besonderheit des Tarifkunden verweist, die beim Sonderkunden nicht gegeben wäre. Natürlich gibt es generell Unterschiede zwischen Tarifkunden und Sonderkunden. Aber keiner dieser Unterschiede verhindert eine Übertragbarkeit der Rechtsauffassung zur Preisvereinbarung auf den Sonderkunden.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
@Black

Der BGH verweist in seinen Entscheidungen für Tarifkunden ausdrücklich auf verschiedene gesetzliche Regelungen der AVBGasV (BGH VIII ZR 36/06 Tz. 36), welche für Sondervertragskunden jedoch nicht gelten. Deshalb sind diese Entscheidungen auf Sondervertragskunden nicht übertragbar.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@Black
Soweit Sie beim Sondervertrag davon ausgehen, dass der Preisvereinbarung eine wirksame Preisänderungsklausel zugrunde liegt, stimme ich Ihnen zu. In diesem Fall ist die BGH-Rechtsprechung auch nach meiner Auffassung auf Sonderverträge übertragbar.

Ich teile Ihre Ansicht nicht, soweit Sie OLG Koblenz Urt. v. 12.02.2009 Az. U 781/08 Kart folgen. In diesem Fall liegt nämlich eine unwirksame Preisänderungsklausel zugrunde (in meinem obigen Beitrag war diese Unterscheidung nur aus dem Zusammenhang ersichtlich).

Im ersten Fall muss wie im Grundversorgungsverhältnis nur der zuvor einseitig veränderte Preis als Vertragspreis vereinbart werden. Alle anderen Vertragskonditionen bleiben gleich. Schon hierfür ist erforderlich, dass der Kunde
1.   die Jahresabrechnung bezahlt,
2.   weiterhin Gas aus dem Netz bezieht und
3.   nicht innerhalb „angemessener Frist“ Widerspruch (gegen was auch immer) einlegt.

Im Falle der unwirksamen Klausel reicht die einfache Vereinbarung eines neuen Vertragspreises auf Grundlage des zuvor einseitig erhöhten Preises nicht aus.

Wenn die Preisänderungsklausel unwirksam ist, liegt kein einseitiges Preisänderungsrecht vor. Neben der Preisfestsetzung muss daher zwingend auch ein wirksames Recht des Versorgers vereinbart werden, die Preise einseitig zu verändern. Dieser Wille kann im Verhalten des Kunden nicht gesehen werden, weil dieser irrtümlich von einem bereits vereinbarten einseitigen Preisänderungsrecht ausgeht. Auch der Empfänger kann die Handlungen des Kunden nicht dahingehend verstehen, da auch er zu dem Zeitpunkt keine Kenntnis von der Unwirksamkeit der vorhandenen Klausel hat.

In das Verhalten des Kunden kann auch keine abstrakte Preisvereinbarung interpretiert werden. Denn der zuvor einseitig erhöhte Preis wird erst mit angemessener Frist nach Zahlung der Jahresabrechnung rückwirkend zum vereinbarten Preis. Die Einseitigkeit der Preisbestimmung ist damit untrennbar mit der Vereinbarung verbunden, und deren Bestandteil.

Das OLG Koblenz beachtet diese nach meiner Auffassung erforderlichen Bestandteile einer Erklärungshandlung nicht.

Zitat
OLG Koblenz Urt. v. 12.02.2009 Az. U 781/08.Kart
Unter dem 19.11.2003 und 18.11.2004 rechnete die Klägerin jeweils den Gasbezug des vorangegangenen Abrechnungszeitraumes ab. Jede dieser Abrechnungen nahm der Beklagte beanstandungslos entgegen; er beglich die unter dem 18.11.2004 errechnete Nachzahlung und ließ die Klägerin jeweils nach Erteilung der Abrechnungen die dort zugleich festgesetzten Abschlagszahlungen des neu angelaufenen Abrechnungszeitraumes von seinem Konto abbuchen. Dasselbe gilt für die Abrechnung des Gasverbrauchs vom 18.11.2005, bezogen auf den Abrechnungszeitraum von 28.09.2004 bis 22.09.2005: Wiederum ließ der Beklagte sowohl die Abbuchung der errechneten Nachforderung als auch die Abbuchung der Abschlagszahlungen für Dezember 2005 und Januar 2006 zu.

All dies musste für die Klägerin den Eindruck erwecken (§§ 133, 157 BGB), der Beklagte sei mit den Abrechnungen vom 19.11.2003, 18.11.2004 und 18.11.2005 und den darin angesetzten Preisen, mögen diese auch gegenüber dem ursprünglichen Preisniveau angehoben worden sein, einverstanden. Keine entscheidende Bedeutung misst der Senat dabei dem Umstand zu, dass der Beklagte die Nachzahlungen und Abschläge nicht überwiesen, sondern nur deren Einzug durch die Klägerin geduldet hatte. Denn die Klägerin hatte mit der Abrechnung darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, von der ihr erteilten Einzugsermächtigung Gebrauch zu machen, und die erste relevante Abbuchung erst rund zwei Wochen nach der Ankündigung getätigt. In die Würdigung des Verhaltens des Beklagten ist daher auch die Tatsache einzubeziehen, dass er, wäre er mit den abgerechneten Preisen nicht einverstanden gewesen, die Gelegenheit gehabt hätte, die Einzugsermächtigung zu widerrufen, von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht hat.

Dem Einwand, ein Recht zur Preiserhöhung habe gar nicht bestanden, ist der Boden entzogen, wenn die Parteien den erhöhten Preis ausdrücklich vereinbaren oder aufgrund ihres Verhaltens so zu stellen sind, als sei er ausdrücklich vereinbart worden. Insoweit gilt, soweit nicht wegen einer Monopolstellung des Energieversorgungsträgers eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB eröffnet ist (dazu nachfolgend 3.), für den Energiebezugsvertrag in gleicher Weise wie für jedes andere Dauerschuldverhältnis, dass es den Parteien freisteht, vereinbarte Preise während der Vertragslaufzeit neu festzusetzen.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Die zitierte Entscheidung des OLG Koblenz- welche mit Revision angegriffen ist - steht  im offenen Widerspruch zu BGH, Urt. v. 20.07.2005 VIII ZR 199/04.

BGH, Urt. v. 28.03.2007 – VIII ZR 144/06 Tz. 20  
Zitat
Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an. Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.


BGH, B. v. 15.01.2008 – VIII ZR 351/06 Tz. 2
Zitat
Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages ist nach der Rechtsprechung des Senats, gleich ob das Angebot Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme betrifft, typischerweise der Grundstückseigentümer (Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, WM 2003, 1730, unter II 1 a und b) bzw. derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt (Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, WM 2006, 1442, unter II 1 d; Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, WuM 2006, 207). Diese Richtung kommt einem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens nur dann nicht zu, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (Senatsurteile vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089, unter II 1 b aa und bb sowie VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63, unter II 1 a und b; Senatsurteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450, unter II 2 a).

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Der BGH verweist in seinen Entscheidungen für Tarifkunden ausdrücklich auf verschiedene gesetzliche Regelungen der AVBGasV (BGH VIII ZR 36/06 Tz. 36), welche für Sondervertragskunden jedoch nicht gelten. Deshalb sind diese Entscheidungen auf Sondervertragskunden nicht übertragbar.

Nun der BGH hatte in den Entscheidungen über viele rechtliche Teilaspekte zu entscheiden. Ich finde jedoch keine Aussage, in der der BGH zur Begründung seiner Auffassung zur Preisnachvereinbarung auf die AVB verweist. Sie etwa?

Zitat
Original von reblaus
@Black
Soweit Sie beim Sondervertrag davon ausgehen, dass der Preisvereinbarung eine wirksame Preisänderungsklausel zugrunde liegt, stimme ich Ihnen zu. In diesem Fall ist die BGH-Rechtsprechung auch nach meiner Auffassung auf Sonderverträge übertragbar.

Im Falle einer wirksamen Preisanpassungsklausel ist ein Rückgriff auf die nachträgliche Preisvereinbarung unnötig, da die Preisänderung ja ohnehin wegen der wirksamen Preisanpassungsklausel wirksam ist.

Der BGH hat ja gerade inhaltlich gesagt \"wir überprüfen die Rechrmäßigkeit der Anpassung nicht, da der Kunde  diese ohnhin akzeptiert und bezahlt hat und diese dadurch zum vereinbarten Preis (wie der Anfangspreis einer war) geworden ist\"
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Siehste hier.

Der BGH verweist eindeutig auf § 10 EnWG 1998 und einzelne Bestimmungen der AVBGasV, mithin  sämtlichst auf gesetzliche Regelungen, die für Sondervertragskunden gerade nicht gelten.

BGH VIII ZR 144/06 und VIII ZR 351/06 ist zu entnehmen, dass dann, wenn die Belieferung bereits in ein anderweitiges Vertragsverhältnis (Sondervertrag) eingebettet ist, sich kein Leistungsangebot des Versorgers (Realofferte) an den anderen Vertragsteil richtet, welches von diesem überhaupt nur - wie auch immer - angenommen werden könnte.

VIII ZR 36/06 Tz. 36 stellt auf die Annahme einer solchen Realofferte ab.

Offline jofri46

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 171
  • Karma: +0/-0
Ich kann mich hier mit den Argumenten, die gegen die Auffassung des OLG Koblenz vorgebracht werden, nicht anfreunden.

Ist im Vertrag eine wirksame Preisänderungsklausel vereinbart, bedarf es nach meinem Verständnis keiner Vereinbarung mehr über den neuen Preis. Dabei selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Versorger den neuen Preis auf der Grundlage und nach Maßgabe der wirksamen Preisänderungsklausel ermittelt hat. Welchen Sinn sollte eine wirksame Preisänderungsklausel machen, wenn ein so veränderter Preis noch(mals) \"vereinbart\" werden müsste?

Enthält der Vertrag eine unwirksame Preisänderungsklausel, so könnte man in der Preisänderung des Versorgers und dem vorbehalt- und widerspruchslosen Verhalten und der ebensolchen Zahlung des Kunden eine Bestätigung dieser unwirksamen Klausel durch die Vertragsparteien sehen mit der Folge, dass dann zu zahlen ist, wie wenn die Preisänderungsklausel von Anfang an gültig gewesen wäre. So abwegig dürfte dieser Gedanke im Hinblick auf § 141 Abs. 2 BGB nicht sein.

Mangels Fachliteratur und einschlägiger Kommentare lasse ich mich hier aber gerne eines Besseren belehren.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@jofri46
Wenn die Klausel wegen §§ 305 ff. unwirksam ist, geht das nicht. Die Parteien können ja nicht vereinbaren, dass sie sich über das Gesetz hinwegsetzen. Eine gesetzlich unwirksame Klausel kann nicht mittels privatrechtlichen Vertrages als wirksam erklärt werden. Abgesehen davon ist für die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts die Kenntnis von der Nichtigkeit erforderlich.

Bei Preisänderungsklauseln scheint hier schon allgemein die höchstrichterliche Entscheidung vorweg genommen worden zu sein, dass solche Klauseln mit § 307 BGB unvereinbar seien, wenn die Preisbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen soll. Solange der BGH dies nicht explizit entschieden hat, teile ich diese Auffassung nicht. Soweit aber ein auf billigem Ermessen beruhendes einseitiges Preisänderungsrecht wirksam vereinbart wurde, ist die BGH-Rechtsprechung zum Preissockel auch auf diese Fälle anwendbar.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Zitat
Original von reblaus
@jofri46
Wenn die Klausel wegen §§ 305 ff. unwirksam ist, geht das nicht. Die Parteien können ja nicht vereinbaren, dass sie sich über das Gesetz hinwegsetzen. Eine gesetzlich unwirksame Klausel kann nicht mittels privatrechtlichen Vertrages als wirksam erklärt werden. Abgesehen davon ist für die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts die Kenntnis von der Nichtigkeit erforderlich.

Die Parteien vereinbaren ja nicht, dass eine nichtige Preisanpassungsklausel \"nun doch\" wirksam sein soll, sondern einfach einen neuen Preis X für die Zukunft. Dies ist natürlich zulässig.

Andernfalls könnte auch der Tarifkunde bei unbilliger Preisfestlegung nicht - wie vom BGH bestätigt - einen neuen (vielleicht unbilligen) Preis vereinbaren, da dann ja auch § 315 BGB \"umgangen\" würde, der für den unbilligen Preis die Nichtigkeit vorsieht.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline jofri46

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 171
  • Karma: +0/-0
@reblaus

Da habe ich mich wohl mißverständlich ausgedrückt. Mir ging es nicht darum, eine von Gesetzes wegen unwirksame Klausel nachträglich als wirksam zu vereinbaren, sondern - wie es Black wohl auch meint - darum, dass eine aufgrund unwirksamer Anpassungsklausel nichtige Preisänderung durch übereinstimmendes Verhalten der Parteien doch Gültigkeit erlangt.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Wie war das denn bei einem ähnlich gelagerten Fall einer unwirksamen Änderungsklausel im Vertrag, VIII ZR 199/04  ?

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz