Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 196529 mal)

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Offline RR-E-ft

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@reblaus

Reisen bildet.
Ich dachte allerdings, bei der Bahn belauschten allenfalls Mehdorn & Co.
Die etwaigen Ergebnisse unbefugter Lauschangriffe sollten hier nicht noch publik gemacht werden.
Deshalb mussten schon andere von der Bahnsteigkante zurücktreten bzw. sind weg vom Fenster.
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Offline tangocharly

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@RR-E-ft

Zitat
Nach wie vor kein Verständnis habe ich dafür, wenn vollkommen unbewiesene Behauptungen über die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgestellt werden, insbesondere die Frage von Rückforderungsansprüchen habe dabei eine Rolle gespielt.

Vielleicht nur ein \"Übertragungsfehler\", der aus der Lektüre der Entscheidung vom 19.11.2008 (Az.: VIII ZR 138/07) entstand. Denn dort hat sich der VIII. Senat schon sehr verdächtig mit \"pragmatischen rechtspolitischen\" Erwägungen beschäftigt, ohne diese rechtsdogmatisch kritisch zu beleuchten (Tz 23).

Zitat
Zudem hat der Gesetzgeber auch im Übrigen die Einbindung der Zivilgerichte in die Missbrauchskontrolle reduziert. Die in § 29 Nr. 1 GWB in der Fassung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 16/5847, S. 5) vorgesehene Darlegungs- und Beweislast der Energieversorgungsunternehmen dafür, dass im Vergleich zu anderen Versorgungsunternehmen ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen sachlich gerechtfertigt sind, ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Verfahren vor den Kartellbehörden beschränkt worden, um eine von den Energieversorgern befürchtete Prozessflut bei den Zivilgerichten zu verhindern (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Wirtschaft und Technologie vom 14. November 2007, BT-Drs. 16/7156, S. 9 f.; BT-Plenarprotokoll 16/126 vom 15. November 2007, S. 13169 f.). Der Anwendungsbereich der Vorschrift, die in ihrer ursprünglichen Fassung zu einer deutlichen Aufwertung der zivilrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten der Kunden gegenüber der Preisgestaltung von Gasversorgungsunternehmen hätte führen können, ist ausdrücklich so eingeschränkt worden, dass sie keine Grundlage für zivilrechtliche Auseinandersetzungen mehr bieten sollte (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/126, S. 13170). Angesichts der erklärten Absicht des Gesetzgebers, überhöhte Preise im Bereich der Versorgung mit Gas und Strom ausschließlich durch eine Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und nicht im Wege zivilrechtlicher Auseinandersetzungen bekämpfen zu wollen, sind die Zivilgerichte zu einer entsprechender Anwendung von § 315 BGB und einer darauf gestützten umfassenden Billigkeitskontrolle allgemeiner Tarife von Gasversorgungsunternehmen nicht legitimiert (vgl. BVerfGE 82, 6, 12 f.)
.

Würden diese rechtspolitischen Feststellungen dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt, dann kämen im Anhörungsstadium u.a. BJuM, BWiM zu Worte, insbesondere auch zu der Frage, was der Gesetzgeber wirklich wollte und schließlich gelangte man auch zu der Frage, ob dieses Wollen verfassungskonform sei. So aber schreibt der VIII. Senat halt doch Rechtsgeschichte. Gesetze bis an die Grenze dessen auszulegen, was noch vertretbar ist, ist die eine Sache. Einen gerechten und umfassenden Interessenausgleich zu suchen, das ist halt die andere Sache.

Wie hat das doch gleich der 1. Senat des  BVerfG am 29.7.2004 formuliert (BVerfG, 1 BvR 737/00, Tz. 11):

Zitat
Die Gerichte haben vor diesem Hintergrund zu prüfen, ob das Gesetz für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereithält. Sie sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen \"Recht\" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist (vgl.BVerfGE 82, 6 <12>).

Und das BVerfG wird in der zitierten Entscheidung noch deutlicher:

Zitat
Dabei haben sie unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden – zu denen auch die teleologische Reduktion gehört (vgl.BVerfGE 35, 263 <279>; 88, 145 <166 f.> ) - zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung zwischenzeitlich lückenhaft geworden ist. Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter dabei nicht Halt zu machen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zur wörtlichen Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Sind mehrere Deutungen einer Norm möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl.BVerfGE 8, 210 <220 f.>

Ein redaktionelles Versehen des Bundesgesetzgebers ? Hat halt vergessen, den § 315 BGB zu ändern, als er den § 29 GWB schuf ? {wie sagt der Lateiner: qui bono}
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Über das Verfassungsverständnis des 8. Zivilsenats mag ich nicht diskutieren, insbesondere als dieser meinte, der Gesetzgeber hätte die Billigkeitskontrolle aufwerten können, nachdem der Senat selbst diese mit der Entscheidung vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 mit der Begründung der fehlenden Monopolstellung auf einem Wärmemarkt (offensichtlich unhaltbar) und des eingeschränkten Feststellungsantrages gem. § 308 ZPO im konkreten Einzelfall nicht umfassend vorgenommen habe, worauf vom Gesetzgeber reagiert werden konnte, aus seiner Sicht wohl aber nicht reagiert wurde.

Dabei stellt sich im Verhältnis Gesetzgeber/ Gericht die Frage, wer eigentlich der Koch und wer nur der Kellner ist.

Aus seiner Sicht hätte es wohl einer gesetzlichen Klarstellung der marktbeherrschenden Stellung der Energieversorgungsunternehmen gegenüber Endkunden bedurft, obschon diese schon in der Gesetzesbegründung zu § 29 GWB klar zum Ausdruck kommt.

Mit § 29 GWB wurde die kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht im Energiebereich (zeitlich befristet) geschärft. Unter anderem kam es dabei auch zu einer Kehrung der Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Kartellbehörden gegenüber den Versorgungsunternehmen. Im letzten Moment wurde im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages aufgrund der unbestreitbar erfolgreichen Lobbytätigkeit der Energiewirtschaft entschieden, dass diese Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nicht auch in kartellzivilrechtlichen Verfahren gilt, es dort also bei der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich marktbeherrschender Stellung und Preishöhenmissbrauch wie bisher verbleibt.

Entscheidend ist jedoch, dass der Gesetzgeber aufgrund festgestellter gravierender Wettbewerbsdefizite insbesondere im Gasbereich die Notwendigkeit sah, die Energiepreise einer wirksameren staatlichen Kontrolle zu unterziehen. Dies hätte auch der 8. Zivilsenat zu berücksichtigen gehabt, hat den Willen des Gesetzgebers sogar in sein Gegenteil uminterpretiert.

Zitat
Der Anwendungsbereich der Vorschrift, die in ihrer ursprünglichen Fassung zu einer deutlichen Aufwertung der zivilrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten der Kunden gegenüber der Preisgestaltung von Gasversorgungsunternehmen hätte führen können, ist ausdrücklich so eingeschränkt worden, dass sie keine Grundlage für zivilrechtliche Auseinandersetzungen mehr bieten sollte (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/126, S. 13170).

Dies betrifft lediglich die Darlegungs- und Beweislast gem. § 29 GWB, nicht aber die Frage der Zulässigkeit kartellzivilrechtlicher Klagen der Endverbraucher, die vollkommen unangetastet blieb.

Seit der 6. Kartellrechtsnovelle haben die Endkunden als betroffene sonstige Marktteilnehmer (§ 33 Abs. 1 Satz 3 GWB) im Falle eines kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs einen eigenen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch, den sie im Wege eines Kartellzivilverfahrens verfolgen können. Der Gesetzgeber hat schon mit der 6. GWB- Novelle bewusst die Grundlagen einer Prozessflut der Endkunden marktbeherrschender Unternehmen (einschließlich Energieversorger) gegen diese geschaffen:

Zitat
§ 33 Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(2) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.
(3) Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. Bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 der Zivilprozessordnung kann insbesondere der anteilige Gewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigt werden. Geldschulden nach Satz 1 hat das Unternehmen ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.
(4) Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Schadensersatz begehrt, ist das Gericht insoweit an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Kommission der Europäischen Gemeinschaft oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft getroffen wurde. Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 ergangen sind. Entsprechend Artikel 16 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gilt diese Verpflichtung unbeschadet der Rechte und Pflichten nach Artikel 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
(5) Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Absatz 3 wird gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder die Kommission der Europäischen Gemeinschaft oder die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft wegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ein Verfahren einleitet. § 204 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.


Zitat
§ 19 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
1.ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder
2.eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; hierbei sind insbesondere sein Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässige Unternehmen, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen.
Zwei oder mehr Unternehmen sind marktbeherrschend, soweit zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und soweit sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllen. Der räumlich relevante Markt im Sinne dieses Gesetzes kann weiter sein als der Geltungsbereich dieses Gesetzes.
(3) Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie
1.aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 vom Hundert erreichen, oder
2.aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen,
es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat.
(4) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
1.die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt;
2.Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Diese Regelungen haben mit § 29 GWB gar nichts zu tun. Sie galten schon, bevor § 29 GWB überhaupt zeitlich befristet in Kraft trat. Ausdrücklich heißt es dort, dass §§ 19, 20 GWB unberührt bleiben.

Hierzu:


Prof. Dr. Dr. Peter Salje, Hannover
Das Wettbewerbs- und Kartellrecht als Maßstab einer Gaspreis-Billikgeitskontrolle durch Zivilgerichte
ET 2005, 278 ff. Hier lesen Beachte insbesondere Seite 280 \"Leitsatz 3\" unter nunmehriger Geltung des § 29 GWB.
Die gerichtliche Entgeltkontrolle bezieht sich immer auf den Gesamtpreis, sagt auch dieser Experte.

Prof. Dr. Ulrich Ehricke, Köln
Die Kontrolle von einseitigen Preisfestsetzungen in Gaslieferverträgen
JZ 2005, 599 ff. hier lesen

Prof. Dr. Gunther Kühne, LL.M., Clausthal/Göttingen
Vom Privatrecht zum Wirtschaftsrecht - Die Verdrängung der Monopolpreisrechtsprechung zu § 315 BGB durch Kartellrecht -
RdE 2005, 241 ff hier lesen

Berkner/Topp/Kuhn/Tomala
Das Verhältnis von § 30 AVBFernwärmeV zu § 315 BGB im Blickwinkel der neuen Rechtsprechung
ET 2005, 953 ff.

Prof. Dr. Gunther Kühne, LL.M., Clausthal/Göttingen
Gerichtliche Entgeltkontrolle im Energierecht
NJW 2006, 654 ff.

Prof. Dr. Günther Kühne, LL.M., Clausthal/Göttingen
Billigkeitskontrolle und Verbotsgesetze,
NJW 2006, 2520 ff. hier lesen

Prof. Dr. Ulrich Büdenbender, Dresden
Die Bedeutung der Preismissbrauchskontrolle nach § 315 BGB in der Energiewirtschaft
NJW 2007, Heft 41, 2945 ff.

Privatdozent Dr. Dan Wielsch, LL.M., Frankfurt am Main
Die Kontrolle von Energiepreisen zwischen BGB und GWB
JZ, Heft 2, 2008, S. 68 ff.

Der seit der 6. GWB- Novelle bestehende Anspruch des Endkunden wurde zwar mit der Kartellrechtsnovelle 2007 zu § 29 GWB nicht unbedingt  aufgewertet, aber auch nicht eingeschränkt.

Für die zivilgerichtliche Entgeltkontrolle des Gesamtpreises ist es im Grundsatz zunächst egal, ob diese im Wege einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB oder einer kartellzivilrechtlichen Kontrolle erfolgt. Beide Formen der zivilgerichtlichen Entgeltkontrolle sind ausdrücklich vom Gesetzgeber vorgesehen (vgl. nur § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV), wobei noch die vom Gesetzgeber gewollte  Konzentrationswirkung gem. §§ 102 EnWG zu beachten ist.  

Nach wie vor kann jeder Endkunde selbst einen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch zivilgerichtlich geltend machen. Sachlich zuständig ist das Kartellgericht.

Merkwürdig, dass der 8. Senat meint, die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene Fassung des § 29 GWB hätte die Reaktionsmöglichkeit des Kunden deutlich gestärkt. Denn die Berufung auf § 29 GWB hätte gem. § 87 GWB zur ausschließlichen Zuständigkeit des Kartellgerichts und in ein Kartellzivilverfahren geführt, welches von der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB auch nach dem Verständnis des Senats gerade unterschieden sein soll.

Allein deshalb vermag die Einschätzung des 8. Zivilsenats zu einer angeblichen Intention des Gesetzgebers nicht zu überzeugen, zumal Wassertarife und Flughafenbenutzungsentgelte keiner behördlichen Tarifgenehmigungspflicht, gleichwohl aber der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen (BGH, Urt. v. 30.04.2003 - VIII ZR 278/02; BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR  277/06).

Nicht anders verhält es sich mit den einseitigen Honorarfestsetzungen der Freiberufler (Architekten, Ärzte, Anwälte), soweit ein Gesetz diesen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräumt.

Nach BGH, Urt. v. 04.12.2008 - IX ZR 219/07 unterliegen schließlich auch die Ermessensausübungen eines Rechtsanwaltes bei der Honorarfestsetzung gegenüber dem Mandanten einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ebenso wie einseitige Honorafestsetzungen eines Arztes oder Architekten:

Zitat
Der Rechtsanwalt kann das ihm nach § 14 RVG eingeräumte Billigkeitsermessen nicht einseitig auf einen Dritten übertragen, sondern diese im anwaltlichen Dienstvertrag wurzelnde Befugnis lässt sich ebenso wie ein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB allenfalls durch eine Vereinbarung beider Vertragsteile an einen Dritten delegieren (vgl. Staudinger/Rieble, BGB 13. Aufl. Bearb. 2004 § 315 Rn. 89 f). Das Leistungsbestimmungsrecht nach § 14 RVG gehört in seiner Ausübung zum Entstehungstatbestand des Vergütungsanspruchs. Das hierbei bestehende Billigkeitsermessen kann daher jedenfalls nicht ohne Zustimmung des anderen Vertragsteils mit dem Abtretungsvertrag einem Zessionar zugeschoben werden. Stets bleibt der Rechtsanwalt wie der Arzt bei Einschaltung einer privatärztlichen Verrechnungsstelle trotz Zustimmung des anderen Teils auch zumindest dafür verantwortlich, dass der Dritte das Billigkeitsermessen (dort § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GOÄ) durch Kenntnis von der Leistungserbringung und ihren Besonderheiten sachgerecht ausüben kann (vgl. Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, Der GOÄ-Kommentar 2. Aufl. § 5 Rn. 26).


Siehe auch BGH, Urt. v. 08.11.2007 - III ZR 54/07.

Demnach kann jeder Privatpatient, Mandant usw. einseitige Vergütungsfestsetzungen innerhalb von Abrechnungen  gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen, was unschwer zu einer Prozessflut führen kann. Es ist das normalste von der Welt, dass immer dann, wenn dem einen Vertragsteil entweder vertraglich oder durch Gesetz ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Vergütung eingeräumt ist, die einseitig festgsetzte Vergütung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt, ohne dass es dafür überhaupt auf eine Monopolstellung oder nur marktbeherrschende Stellung ankommen kann. Das mögen sich vielschreibende Professoren wie Ehricke/ Kühne/ Salje usw. usf. getrost hinter die Ohren schreiben.

Wo jedoch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht weder vertraglich noch durch Gesetz eingeräumt ist, besteht ein solches nicht und  erfolgt allein deshalb auch keine gerichtliche Billigkeitskontrolle, selbst bei einer Monopolstellung, vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06.

Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Änderungen am Kartellrecht die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB vollkommen unberührt lassen. Denn die gerichtliche Billigkeitskontrolle einer einseitig festgesetzten Vergütung ist schon nicht von einer marktbeherrschenden Stellung abhängig, für welche die Bestimmungen des GWB überhaupt nur anwendbar sind.

Der Kartellsenat des BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2008 - KZR 2/07 zutreffend ausgeführt, dass der regionale Gasversorger gegenüber seinen HuK- Kunden eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, der Gastarif und dessen Änderung gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind, aus § 315 BGB zugleich eine gesetzliche Verpflichtung folgt, den Tarif abzusenken, wenn es die Kosten zulassen und dies den Kunden günstig ist,  ein kartellrechtswidrig überhöhter Preis nicht der Billigkeit entsprechen kann.

Demnach ist ein von Tarifkunden geforderter Gastarif, der von Anfang an an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist, immer das Ergebnis von Ermessensentscheidungen, den Gastarif zu erhöhen, abzusenken oder aber stabil zu halten und gerade nicht das Ergebnis einer vertraglichen Preisvereinbarung, vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 9, 10.

Bindenende Preisvereinbarungen werden bei Vertragsabschluss nur mit Sondervertragskunden getroffen. Ob bei Vertragsabschluss vertraglich vereinbarte Entgelte, welche für beide Vertragsteile grundsätzlich bindend sind,   nachträglich einseitig abgeändert werden dürfen und wirksam abgeändert werden können, richtet sich ausschließlich danach, ob ein einseitiges Entgeltänderungsrecht (bei Vertragsabschluss) wirksam vereinbart worden ist, vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06; BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 199/04. Dies ist bei Preisänderungsklauseln, die gegen § 307 BGB verstoßen, nicht der Fall (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).  

Von den eindeutigen Wertungen des Gesetzgebers, dass eine vertragliche Vereinbarung zweier übereinstimmender Willenserklärungen gem. §§ 145 ff. BGB bedarf und eine einseitige Willenserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB kein auf Annahme gerichtetes Angebot darstellen kann, wurde ja bereits umfassend geschrieben.  Diese Erkenntnis hatte der Senat schließlich selbst in seiner Entscheidung vom 20.07.2005 - VIII ZR 199/04 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht.

@Black

Kontrollüberlegung:

Wenn es richtig wäre, dass durch eine Zahlung auf eine einseitig erstellte Abrechnung das gezahlte Entgelt neu vereinbart werden könnte, dann müsste in dem Fall, dass der Kunde der einseitigen Abrechnung des Versorgers schriftlich widerspricht, er einseitig eine schriftliche Gegenabrechnung aufmacht und auf diese sodann das gekürzte Entgelt zahlt, mit Rücksicht auf § 362 HGB erst recht eine vertragliche Entgeltneuvereinbarung auf das gekürzte Entgelt wirksam zustande gekommen sein.  

Denn das Schweigen des kaufmännischen Versorgers auf entsprechende Anträge gem. § 145 BGB gilt kraft Gesetzes als Annahme. So liegen die Fälle bekanntlich  massenweise. Unbestreitbar auch eine pragmatische Lösung, die zur Entlastung der Justiz beitragen kann.

Nichts ist leichter, als eine Lawine loszutreten, in denen den Versorgern zigtausendfach kundenseits schriftliche Vertragsangebote, gerichtet auf für die Kunden sehr vorteilhafte Vertragsänderungen, ggf. einschließlich Kunden- AGB zugehen, auf welche die Versorger dann ruckzuck reagieren müssten, z.B.  Gaspreise wie 1976 (all inclusive, fix) bei zweijähriger Vertragsbindung.

Zitat
Geht einem Kaufmann, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemand zu, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, so ist er verpflichtet, unverzüglich zu antworten; sein Schweigen gilt als Annahme des Antrags.

Durch diese massenweisen Anträge könnten die Versorger schnell und punktgenau erfahren, was sich die Kundschaft wünscht und sich entsprechende Marketingaktionen und Marketingaufwendungen ersparen.

Wer schreibt der bleibt und so könnte man auch im Falle rechtzeitiger  Widersprüche die schriftlichen Anträge immer wieder neu an die Versorger richten, monatlich, wöchentlich, täglich.  

Was dem einen recht ist, muss  dem anderen dann wohl auch billig sein.  ;)

Unser eigentliches Thema in diesem Thread ist jedoch nach wie vor das Entstehen und die Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden von  Energieversorgungsunternehmen.

Offline reblaus

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Original von RR-E-ft
Denn das Schweigen des kaufmännischen Versorgers auf entsprechende Anträge gem. § 145 BGB gilt kraft Gesetzes als Annahme. So liegen die Fälle bekanntlich massenweise. Unbestreitbar auch eine pragmatische Lösung, die zur Entlastung der Justiz beitragen kann.

Nichts ist leichter, als eine Lawine loszutreten, in denen den Versorgern zigtausendfach kundenseits schriftliche Vertragsangebote, gerichtet auf für die Kunden sehr vorteilhafte Vertragsänderungen, ggf. einschließlich Kunden- AGB zugehen, auf welche die Versorger dann ruckzuck reagieren müssten, z.B. Gaspreise wie 1976 (all inclusive, fix) bei zweijähriger Vertragsbindung.

RR-E-ft
Klingt irgenwie logisch. Vor allem wenn man weiß, dass Gaslieferungen und Banküberweisungen quasi identische Geschäftsvorfälle sind.

Offline Black

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Original von reblaus
Zitat
Original von RR-E-ft
Denn das Schweigen des kaufmännischen Versorgers auf entsprechende Anträge gem. § 145 BGB gilt kraft Gesetzes als Annahme. So liegen die Fälle bekanntlich massenweise. Unbestreitbar auch eine pragmatische Lösung, die zur Entlastung der Justiz beitragen kann.

Nichts ist leichter, als eine Lawine loszutreten, in denen den Versorgern zigtausendfach kundenseits schriftliche Vertragsangebote, gerichtet auf für die Kunden sehr vorteilhafte Vertragsänderungen, ggf. einschließlich Kunden- AGB zugehen, auf welche die Versorger dann ruckzuck reagieren müssten, z.B. Gaspreise wie 1976 (all inclusive, fix) bei zweijähriger Vertragsbindung.

RR-E-ft
Klingt irgenwie logisch. Vor allem wenn man weiß, dass Gaslieferungen und Banküberweisungen quasi identische Geschäftsvorfälle sind.

Daran müssen Sie sich gewöhnen. Haushaltskunden mit Energie zu versorgen ist auch das gleiche wie eine gesetzliche Krankenversicherung zu betreiben oder Flughafengebühren zu verlangen.  :D

Und wenn die Beiträge von RR-E-ft so lang werden, dass Sie zum Lesen scrollen müssen verheißt das in der Regel auch nix Gutes.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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Im einen Fall fliest Geld und im anderen Gas. Wer wird da so pingelig sein.

Offline Black

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Unkontrollierter Geldaustritt an einer Entnahmestelle ist aber erfreulicher als ein vergleichbarer Gasaustritt.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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:D

@Black
Vielleicht sollten Sie statt Ihrem Gasversorger die Bank um die Ecke mit Überweisungen fluten, ausgestellt auf Ihr Privatkonto andernorts natürlich. Wenn die auch nur einen Überweisung vergessen abzulehnen, haben Sie den Jackpot geknackt.

Nur Idioten spielen Lotto, kluge Leute lesen RR-E-ft.

Offline RR-E-ft

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Die ersten bezifferten Rückforderungsklagen von Sondervertragskunden der Energieversorger sind mittlerweile bei verschiedensten Gerichten eingereicht und schon zugestellt, auch solche mit sog. Soll- Bruchstellen. Wir werden sehen.

Jeder Kunde, der meint, entsprechende Rückforderungsansprüche zu haben, muss diese detailliert berechnen und sollte seinen Versorger schriftlich  unter Fristsetzung zur Rückzahlung des errechneten Betrages auffordern. Natürlich müssen solche Ansprüche ggf. zügig gerichtlich verfolgt werden.

Im Falle einer vorherigen Versorgerklage kann dies auch im Rahmen einer Widerklage erfolgen.

Umso größer der eingeklagte Betrag, um so besser gestaltet sich das Verhältnis der entsprechenden Chance zum Kostenrisiko.
Dies kann sich jeder anhand der verfügbaren Prozesskostenrechner selbst ausrechnen.


Offline reblaus

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@RR-E-ft
Schon Ihre Überschrift ist falsch. Es müsste heißen, kein Anerkenntnis durch vorbehaltslose Zahlung ohne das Vorhandensein einer subjektiven Ungewissheit. Und dann bestätigt dieses Urteil nicht Ihre sondern meine Auffassung. Denn in der Jahresabrechnung bei unterjährig nach § 315 BGB erhöhten Preisen liegt immer eine subjektive Ungewissheit, ob die Preiserhöhung nach § 315 BGB der Billigkeit entspricht.

Offline Black

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Zitat
Original von RR-E-ft
BGH: Kein Anerkenntnis einer Forderung durch vorbehaltlose Zahlung

Zum hiesigen Meinungsstreit hinsichtlich Anerkenntnisfunktion der Zahlung auf eine Rechnung

Mag sein, dass der BGH das in einem Fall entschieden hat, dessen Tatbestand sich so liest:

Zitat
Der Kläger kaufte am 14. April 2005 von der Beklagten zu einem Preis von 27.500 € einen gebrauchten Pkw M. des Baujahres 1998 mit einer Laufleistung von nahezu 60.000 Kilometern. Das Fahrzeug wurde ihm am 20. April 2005 übergeben. Nachdem er weitere 12.000 Kilometer gefahren war, trat Anfang Oktober 2005 ein Getriebeschaden auf, der in der Werkstatt der Beklagten repariert wurde.(...)

Aber die Übertragung fachfremder Rechtsprechung auf die Energiewirtschaft ist noch in den seltensten Fällen geglückt. Für die Energiewirtschaft bleibt es bislang bei der Aussage des BGH:

Wenn ein Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.

BGH, VIII ZR 36/06, S. 19; BGH VIII ZR 138/07

Das hat sogar RR-E-ft zur Kenntnis nehmen müssen:

Zitat
Original von RR-E-ft
Der achte Zivilsenat des BGH hängt bedauerlicher Weise weiter seiner These an, durch einen unwidersprochenen Weiterbezug und vorbehaltslose Zahlungen des Tarifkunden käme es zu einer konkludenten Preisneuvereinbarung, die als solche keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliege.
BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@reblaus

VIII ZR 265/07 befasst sich wie auch VII ZR 165/05 mit der Frage, unter welchen Umständen ein Anerkenntnisvertrag durch Angebot und Annahme (Einigung) zustande kommt.

VIII ZR 36/06 und VIII ZR 138/07 gründen ersichtlich nicht darauf, dass ein solcher Anerkenntnisvertrag durch Angebot und Annahme zustande gekommen sei, sondern dass ein bereits bestehender Tarifkundenvertrag selbst eine Neuvereinbarung durch Einigung, mit anderen Worten eine nachträgliche vertragliche Änderung durch Neuvereinbarung erfahren haben soll. Und dies obwohl ein entsprechendes  Erklärungsbewusstsein nicht ersichtlich ist, vgl. VIII ZR 199/04.

Das ist etwas grundlegend anderes.

@Black

In diesem Thread geht es um Rückforderungsansprüche von Sondervertragskunden. Für diese gelten die gesetzlichen Bestimmungen der AVBV schon nicht, vgl. KZR 2/07 und VIII ZR 274/06.

Die Sachlage ist eher mit VIII ZR 199/04 vergleichbar, wo beide Vertragsteile von einem vermeintlichen vertraglichen Recht zur einseitigen Entgelterhöhung ausgingen, welches tatsächlich wegen Gesetzesverstoß unwirksam war, so wie ein vertragliches Preisänderungsrecht oft wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam ist, vgl. KZR 2/07 und VIII ZR 274/06.

Die Bestimmungen des abstrakten Allgemeinen Schuldrechts über vertragliche Einigungen durch Angebot und Annahme gelten auch in Bezug auf Energielieferungsverträge, vgl. nur VIII ZR 240/90.

(Noch zu Zeiten der Geltung des Preußischen Allgemeinen Landrechts hätte man das Recht der Energielieferungsverträge möglicherweise konkret anders ausgestaltet und diese nicht den abstrakten Bestimmungen eines Allgemeinen Schuldrechts unterworfen. Jene Zeiten sind aber schon längst vorüber.)

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Sie vertreten hier doch vehement die Auffassung, dass der vorbehaltlosen Zahlung einer Rechnung keinerlei Erklärungsgehalt innewohnen könne. Und dies ohne wenn und aber. Die von Ihnen zitierte Entscheidung bestätigt aber gerade die gegenteilige Auffassung, dass in einer vorbehaltlosen Zahlung sehr wohl ein auf einen Vertragsschluss gerichtetes Angebot bzw. die Annahme eines Angebotes gesehen werden kann. Es kommt dabei nur auf die Umstände an.

Wenn durch die Zahlung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgeschlossen werden kann, dann ist es grundsätzlich auch möglich, durch eine Zahlung eine Preisänderung zu vereinbaren. Womit Ihre Theorie der ständigen Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichtes widersprechen würde.

Offline Black

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Original von RR-E-ft
@Black

In diesem Thread geht es um Rückforderungsansprüche von Sondervertragskunden. Für diese gelten die gesetzlichen Bestimmungen der AVBV schon nicht, vgl. KZR 2/07 und VIII ZR 274/06.

Ich kann nicht erkennen, dass die Aussage des BGH, eine vorbehaltlose Zahlung führe zu einer neuen Preisvereinbarung sich zur Begründung auf spezielle Normen der AVB/GVV stützt. Insoweit darf diese Aussage auch bei Sonderkundenverträgen herangezogen werden.
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