Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Gerichtsverfahren eines Sondervertragskunden der vorher als Tarifkunde eingestuft wurde  (Gelesen 56538 mal)

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Offline reblaus

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@ben100
Man müsste Ihnen ein Schreiben zugesandt haben, dass man Sie zu den und den Bedingungen (abweichend von der AVBGasV) beliefert. Dann könnte man aus ihrem weiteren Verhalten schließen, dass Sie diese Bedingungen akzeptiert haben.

Lediglich die Namensgebung \"Sondertarif\" oder \"Sonderkunde\" reicht nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht aus.

Liegt Ihr Verfahren eigentlich beim Kartellsenat des OLG Düsseldorf? Die haben nämlich die Entscheidung des Bundeskartellamts zu den kartellrechtswidrigen Gasbezugsverträgen abgenickt, und sind mit der Materie bestens vertraut.

Offline RR-E-ft

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Zitat
@ben100
Man müsste Ihnen ein Schreiben zugesandt haben, dass man Sie zu den und den Bedingungen (abweichend von der AVBGasV) beliefert. Dann könnte man aus ihrem weiteren Verhalten schließen, dass Sie diese Bedingungen akzeptiert haben.

Das stimmt so nicht. Etwas Schriftliches ist schon nicht erforderlich. Denn ein Sondervertrag muss ja nicht schriftlich abgeschlossen werden.

Entscheidend ist vielmehr, ob neben den Allgemeinen Tarifen gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. Allgemeinen Preisen gem. § 36 Abs. 1 EnWG - parallel - (günstigere) Sonderpreise angeboten wurden und eine Belieferung zu eben jenen besonderen Preisen  statt einer Belieferung zu den (teureren) Allgemeinen Tarifen bei Vertragsabschluss vereinbart wurde.

Auf solche Verträge kommen die Vorschriften der AVBGasV nicht zur Anwendung, § 1 AVBGasV, ebenso die Vorschriften der GasGVV, vgl. § 1 GasGVV.

Die Bedingungen müssten vielmehr gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB, § 305 II BGB wirksam in die Verträge einbezogen worden sein, wofür eine nachträgliche Übersendung nach Vertragsabschluss nicht genügt.

Selbst bei einer wirksamen Einbeziehung entsprechender AGB ergäbe sich daraus, gemessen an § 307 BGB, kein wirksames Preisänderungsrecht, vgl. nur OLG München Urt. v. 12.03.2009; KG Berlin, Urt. v. 28.10.2008; OLG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2008; OLG Hamm, Urt. v. 06.03.2008.

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Es geht bei diesem Beispiel nur darum ob ein Sondervertrag vereinbart wurde, nicht darum ob überhaupt AGB verwendet wurden, und wenn ja, ob diese dann auch in wirksamer Weise einbezogen wurden, oder einer Inhaltskontrolle standhalten würden.

Zu diesen Fragen können aus dem von mir gewählten Beispiel keinerlei Erkenntnisse gewonnen werden.

Offline Kampfzwerg

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Zitat
Original von reblaus
@ben100
Man müsste Ihnen ein Schreiben zugesandt haben, dass man Sie zu den und den Bedingungen (abweichend von der AVBGasV) beliefert. Dann könnte man aus ihrem weiteren Verhalten schließen, dass Sie diese Bedingungen akzeptiert haben.

Lediglich die Namensgebung \"Sondertarif\" oder \"Sonderkunde\" reicht nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht aus.

Macht ja nichts  ;)

Die NGW verschicken nämlich freundlicherweise regelmäßg Informationsschreiben an ihre Kunden, in denen diese darüber informiert werden, welche \"Sonderpreise für die Versorgung mit Erdgas für Sonderkunden\" unter Benennung der einzelnen Tarifbezeichnungen einerseits - andererseits natürlich zu den \"Allgemeinen Preisen für die Versorgung i. R. d. GV und der EV\"  und ebenfalls unter Namensgebung der Tarife - zu welchem Termin Gültigkeit erlangen, da die Bezugskosten leider gestiegen sind und die Erdgaspreise dementsprechend leider angepasst werden müss(t)en.
Was möchte der Kunde mehr.
Höchstens vielleicht noch ein Begrüßungsschreiben, in dem zum Abschluss eines Erdgaslieferungsvertrags herzlich gratuliert wird, zu dem die \"Sonderbedingungen und die Allgemeinen Bedingungen in der jeweils gültigen Fassung gehören\".
Für das wir uns heute noch recht herzlich bedanken  ;)

Offline reblaus

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@ben100
Es wäre auch denkbar, dass das OLG Düsseldorf Sie aus Gründen der Beweislast als Sondervertragskunde einstuft. Ihr Versorger muss nachweisen, dass er ein einseitiges Preisbestimmungsrecht hat. Dafür hat er dargelegt, dass Sie Tarifkunde seien, was Sie bestritten haben. Es muss nur die Möglichkeit bestehen, dass Sie auch Sondervertragskunde sein könnten, damit der Versorger den Nachweis erbringen muss, dass mit Ihnen ein Tarifkundenverhältnis vereinbart wurde. Und dies ist ihm wohl nicht gelungen. Damit konnte er auch den Nachweis eines vereinbarten einseitigen Preisbestimmungsrechts nicht führen.

In diesem Falle braucht sich das Gericht nicht dafür zu interessieren, wie denn dieser Sondervertrag im Detail vereinbart worden sein soll.

So würde auch der Hinweis des Gerichts, dass es unklar ist, ob ein Tarifkundenverhältnis besteht, einen Sinn ergeben.

Offline energienetz

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erfreulich und wahr: das olg hat das urteil des lg aufgehoben und die preiserhöhung als unwirksam aufgehoben mit urteil vom 24. juni 2009, bitte in urteilssammlung nachsehen, dort ist es zu finden.

gruss von aribert peters

Offline RR-E-ft

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In der Urteilssammlung ist das OLG- Urteil derzeit leider nicht zu finden. Dort derzeit leider ebenso nicht zu finden ist auch das Urteil des AG Hohenstein- Ernstthal vom 22.06.2009.

Die derzeit dort letzte Entscheidung ist vom 11.06.2009 (AG Nordhorn):
http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/Urteilssammlung/Urteile-2009__2267/

NGW Sonderkunden

Offline RR-E-ft

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Hier lesen.

@ben100

Glückwunsch!

Offline AKW NEE

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BFH-Urteil vom 31.7.1990 (I R 171/87) BStBl. 1991 II S. 315

5. Werden für ein Gasversorgungsunternehmen Kleinverbrauchstarife für Haushaltsbedarf und Gewerbe und Grundpreistarife für Haushaltsbedarf und Gewerbe bekannt gemacht, ist ein daneben bestehender Tarif kein allgemeiner Tarif. Dies gilt auch dann, wenn nach diesem Tarif auch mit Kunden abgerechnet wird, die keine Sonderabkommen abschlossen und dem Tarif ein standardisiertes Vertragsmuster zugrunde liegt.

Offline DieAdmin

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Offline RR-E-ft

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Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Ein gesetzliches Preisänderungsrecht besteht nur bei Belieferung in der Grund- und Ersatzversorgung, gilt nicht für alle Gaskunden.

Es gilt nicht bei Sondergaspreisen.

Und wie bei so vielen felsenfesten Behauptungen, sollte man nicht vergessen, dass einige Gerichte dies bereits anders gesehen haben:


LG Augsburg, 27.01.2009, 2 HK O 1154/08, S. 21
Sonderpreise sind nicht mit Sondertrarifen gleichzusetzen.Zusammengefasst handelt es sich bei den Beklagten nicht um Sondervertragskunden sondern um Tarifkunden, für die wegen der höheren Abnahmemenge günstigere Preise als Sonderpreise gelten

Und was sagt Black nun zum gut begründeten Urteil des OLG Düsseldorf? Da hat sich ein Gericht einmal tatsächlich mit den Gesetzesmaterialien ausgehend von der BTOGas über EnWG 1998 bis EnWG 2005 auseinandergesetzt, wie man es von einer gem. §§ 102, 108 EnWG spezialzuständigen Kammer erwarten darf.

Offline ben100

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WOW!!!

Ich habe es hier gelesen! Supi!

Ich habe noch nichts schriftliches bekommen! Trotzdem bin ich froh gewonnen zu haben und das ich weiter gemacht habe.

Danke für die Vorabnachricht!!!

Denke es wird Revision vor dem BGH geben! Schade das die zugelassen wurde!

Offline RuRo

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@ben100
Auch aus dem bayer. Schwaben die herzlichsten Glückwünsche.

Ansonsten krieg\' ich, beim Lesen der Begründung, aufgrund der Augsburger Entscheidung, Schwindelgefühle und Brechreiz. Wenigstens dazu reicht das Urteil, um von bayernfernen OLG\'s zerrissen zu werden  :rolleyes:

Schau\'n mer mal was das OLG München dann zu bieten hat
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline ben100

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Wegen der Kostenentscheidung; Das ist mir egal, bin ich doch Rechtschutz versichert.   :D

Habs mal direkt an die örtliche Presse (Rheinische Post) gemailt. Mal sehn ob die das in einer der nächsten Ausgaben bringen.

Wie schätzt ihr die Chancen vor einer eventl. Verhandlung vor dem BGH ein?

Offline AKW NEE

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Original von ben100  
Trotzdem bin ich froh gewonnen zu haben und das ich weiter gemacht habe.

Auch ich (wir) sind froh, dass Du weitergemacht hast. Ein hilfreiches Urteil für unsere Arbeit hier!

Danke

 

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