@Kampfzwerg
Beim vorliegenden Fall liegt der Sachverhalt meines Wissens so, dass Ben100 mit dem Versorger keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen hat. Insoweit ist es völlig unerheblich, ob die NGW bei anderen Kunden zusätzlich ergänzende Vertragsbedingungen verwendet oder nicht, da diese nur dann wirksam sein können, wenn sie in den Vertrag einbezogen wurden. Dies kann konkludent wohl kaum vereinbart werden. Bei Kunden, die nach solchen ergänzenden Vertragsbedingungen beliefert werden, liegt ein Sachverhalt mit einem entscheidenden Unterschied vor, der auch eine unterschiedliche Beurteilung erfordert.
Das OLG Düsseldorf geht in seiner (noch vorläufigen) Einschätzung davon aus, dass ein Sondervertragsverhältnis bereits dann vorliegt, wenn der Kunde zu Sonderkonditionen beliefert wird. Die Sonderkonditionen unterscheiden sich hierbei vom Grundtarif allein durch die Bezeichnung und einen Mengenrabatt. Da diese beiden Tatbestände bei Ben100 erfüllt sind, nimmt das OLG Düsseldorf an, dass ein Sondervertragsverhältnis vorliegt.
Die Rechtsfrage, ob ein Sondervertragsverhältnis allein aus diesen Unterschieden in den Tarifen hergeleitet werden kann, ist in der Rechtsprechung hoch umstritten. Das OLG Frankfurt neigt der gegenteiligen Ansicht zu.
Dass der nicht mehr zitierte Folgesatz des OLG Frankfurt in dem von Ihnen unterstellten Fall mit den ergänzenden Vertragsbestimmungen die entscheidende Rolle spielen dürfte, und auch dieses Gericht zu der Ihnen genehmen (wie kommen Sie darauf, dass mir das nicht genehm wäre?) Entscheidung finden dürfte, nutzt Ben100 überhaupt nichts.
Ich wurde kürzlich von Ben100 gefragt, ob sich diese abweichende Rechtsauffassung bereits in der Rechtsprechung der OLG niedergeschlagen hat, und habe deshalb auf dieses Urteil hingewiesen.
Eines der großen Probleme an unserem Gaspreisprotest ist, dass jede eine Zahlungspflicht des Kunden auslösende Rechtsauffassung von vorn herein als Feindpropaganda diffamiert wird, deren Ursache wahlweise in vorsätzlicher Rechtsbeugung oder abgrundtiefer Unfähigkeit verortet wird. Kunden verlieren ihre Prozesse nach dieser Auffassung nur deshalb, weil Richter viel zu bereitwillig den Einflüsterungen von „Big Gas“ folgen, statt der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen.
Nach meiner gegenteiligen Ansicht liegt die Ursache in den meisten von Kunden verlorenen Prozessen darin, dass die eigenen Anwälte kapitale Fehler begangen haben. Da werden Feststellungsklagen zur Unbilligkeit eingereicht, ohne überhaupt geprüft zu haben, ob ein Preisänderungsrecht nach § 315 BGB vereinbart wurde. Es wird seitenlang dargelegt, dass Versorger ihre Verträge und Kalkulationen offen legen sollen, und völlig vergessen, dass Kapitalgesellschaften seit Jahr und Tag gesetzlich verpflichtet sind, ihre Jahresabschlüsse zu veröffentlichen und diese von jedermann eingesehen werden können. Es wird über Kartellstrukturen im Gasmarkt räsoniert, und kein Anwalt kommt auf die Idee beim Bundeskartellamt nachzusehen, ob dort nicht schon längst die entscheidenden Schritte eingeleitet wurden, diesem Treiben ein Ende zu bereiten.
Wenn ich gelegentlich auf ungenehme Rechtsprechung hinweise, so geschieht das nicht, um Ben100 seine Freude zu vermiesen, sondern um ihn zu weiterer Vorsicht zu mahnen, damit er dennoch alles Nötige zu den Kartellstrukturen und den Finanzzahlen vorträgt. Vor dem BGH wird seine Schlacht vielleicht doch auf dem Feld des § 315 BGB oder Art. 81 EG entschieden werden. Auch falls Sie – Kampfzwerg den Unbilligkeitseinwand längst verloren gegeben haben sollten, so bin ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass man die Unrichtigkeit vieler WP-Testate durch die Gewinn- und Verlustrechnungen darlegen kann.
Wer seinen Gegner nicht ernst nimmt hat schon verloren.