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Autor Thema: Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken  (Gelesen 24801 mal)

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Offline ESG-Rebell

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BGH VIII ZR 138/07
LG Duisburg 5 S 76/06
AG Dinslaken 31 C 295/05

8. Zivilsenat: Ball, Frellesen, Hermanns, Milger, Achilles

Stadtwerke Dinslaken (SWD): RA Frau Dr. Ackermann
Ekkehardt Wrede: RA Prof. Dr. Nirk, Dr. Schott

----- 9:08 ---------------------------------------------------------------------------
Ball trägt die Sachlage vor.
Er verweist auf die Entscheidung 36/06 vom 13.06.07.
Die Kernfrage lautet: Was ist Gegenstand einer Billigkeitskontrolle?
(1) Nur die Erhöhung oder
(2) der gesamte erhöhte Preis inkl. dem Sockelbetrag, der bis zum 31.12.04 galt?
Falls (1) zu bejahen ist, dann wird wohl zu entscheiden sein wie in 36/06
Falls (2) zu bejahen ist, dann stellt sich die Frage, ob der bis zum 31.12.04
bezahlte und damit akzeptierte Sockelbetrag unbillige Preisbestandteile enthält.

In diesem Verfahren ist, anders als in 36/06, zu prüfen:
Was muss der Versorger zur Billigkeit vortragen und darlegen?
Problematisch dabei können geheimhaltungswürdige Fakten sein, wozu insbesondere
die Höhe der Bezugspreise als sensible Geschäftsdaten zählen, wenn das Unternehmen
in einem Wettbewerb steht.
Die SWD haben aber unstreitig eine tatsächliche Monopolstellung inne.
Daher ist dieses Problem hier unkritisch.

In diesem Verfahren ist, anders als in 36/06, ebenfalls zu prüfen:
Ist eine Billigkeitskontrolle nur durch eine Kostenkontrolle möglich?
Falls der Gaspreis ein Wettbewerbspreis ist, dann stellt sich die Frage, ob der
Vergleich mit den Preisen anderer Versorger als Vergleichskriterium ausreicht.

Zur Kostenkontrolle zitiert er ein Verfahren des Kartellsenats zum Strompreis:
Dort wird die Vergleichbarkeit von Anbietern durch Ausgleich struktureller Unterschiede
herbeigeführt um zu einer Art fiktivem Marktpreis zu gelangen.

Der Zivilsenat ist sich \"... ganz offen unschlüssig, ob noch ein Kostenpreis oder schon
ein Wettbewerbspreis als Billigkeitskriterium herangezogen werden kann\", so Ball.

----- 9:20 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Ackermann (SWD)

Die Billigkeitskontrolle ist kein Instrument der Vertragskorrektur.

Einseitige Preisfestsetzungen sind nicht per se schlecht sondern notwendig um andere
Mechanismen, wie bspw. Risikozuschläge, zu vermeiden.

Soll zukünftig etwa eine umfangreiche Bilanzprüfung bei jeder einzelnen Preiserhöhung
stattfinden? Dies wäre unzumutbar und in der Praxis nicht durchführbar.

Der Gesamtpreis ist nicht Gegenstand der Billigkeitskontrolle.

Die SWD haben zwar ein Monopol inne. Das war aber doch auch in der Entscheidung 36/06
so und hat den Senat nicht daran gehindert, der Zahlungsklage stattzugeben.
Die damalige Entscheidung des Senats war nicht einzelfallbezogen sondern
grundsätzlicher Art.

In der Entscheidung 36/06 hat der Senat ja selbst einen Substitutionswettbewerb erkannt.
Der Markt kann daher nicht auf \"leitungsgebundenes Erdgas\" abgegrenzt werden sondern
muss den gesamten Wärmemarkt aller Energieträger umfassen.
Des weiteren profitieren die Bestandskunden ja indirekt vom Preisdruck, den der Wettbewerb
um Neukunden auslöst, wie der Senat ebenfalls bestätigt hatte.

Der Kläger hat nur Einwand gegen die Erhöhung, nicht gegen den Gesamtpreis erhoben.
Zudem hat er weiterhin Abschläge auf der Basis des Preises von 2004 zzgl. 2% gezahlt.
Durch dieses Verhalten hat er den Preissockel von 2004 nachträglich anerkannt.
Die Preiserhöhung hat er zudem nicht in angemessener Frist gerügt.

Wie weit geht die Darlegungslast des Versorgers?
Er muss keine Bezugsverträge vorlegen und auch nicht seine Kalkulation offen legen.

Der §315 ist nicht auf vorgelagerte Lieferstufen anwendbar.
Dem steht ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen entgegen.
Die SWD haben sehr plausibel dargelegt, wie die Bezugspreiserhöhungen den Verkaufspreis
geändert haben. Zudem haben sie zwei Privatgutachten, die Erhebung eines gerichtlichen
Gutachtens sowie Zeugen angeboten.

Das Argument des unzulässigen Ausforschungsbeweises des LG Duisburg zieht nicht, da
dieser Begriff anders definiert ist als das LG ihn versteht.

Unternehmen haben einen Anspruch auf Wahrung ihrer Betriebsgeheimnisse und das Recht
auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Das LG hat in seiner Entscheidung nicht ausreichend
die Interessen des Kunden mit dem Grundrecht der SWD (Art. 12 GG) abgewogen.

Die Offenlegung der Kalkulation ist evtl. im Rahmen eines In-Kamera Verfahrens möglich.
Die SWD haben dem LG umfangreiche Unterlagen zugesandt, die dieses aber zurückgeschickt
haben. (Diese Passage konnte ich akustisch bedingt nur unvollständig verstehen).

Wenn nicht der enge Markt \"leitungsgebundenes Gas\" sondern der einheitliche Wärmemarkt
zu betrachten ist, dann ist eine Offenlegung der Kalkulation nicht erforderlich, da
dann eine Kostenkontrolle über den Marktpreis erfolgen kann.
Eine Billigkeitskontrolle scheidet in diesem Fall aus.

Die SWD sind vergleichsweise günstig \"... auf der nach oben offenen Skala\", so Ackermann.
(Anm.: Sie dachte wohl an die nach oben offene und - sogar logarithmische - Richter-Skala
 für Erdbeben. Mit dieser ließen sich nahezu unendlich hohe Preise noch mit griffigen
 Zahlen darstellen.)

Sie bemängelt die Äußerung des LG, dass alle Versorgerpreise überhöht sein könnten.

----- 9:42 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Nirk (Kunde):

Ohne eine Billigkeitskontrolle blieben nur Appelle an die Versorger.
Dies hat der Senat in 36/06 richtig erkannt.

Was ist Gegenstand der Billigkeitskontrolle?
Welche Marktstellung hat der Versorger?

Der Senat betrachtet das Schweigen eines Privatverbrauchers als Einverständnis
zum verlangten Preis. Dem kann ich nicht zustimmen.

Der Kläger hat bereits im Jahr 2005 (Feststellungs-)klage erhoben und bei seiner
Kürzung der Abschläge gerichtliche Schritte angekündigt. Von einer konkludenten
Anerkennung des Sockelbetrags (von 2004) kann daher keine Rede sein.

Der Zivilsenat befindet sich nicht im Einklang mit dem Kartellsenat.
Er zitiert: \"... Der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Preis soll
nach dem Willen der Vertragspartner ein einseitig festgelegter Preis sein ...\"

Dies bedeutet bei Vertragsabschlüssen zwischen Unternehmen und Kunden:
Der Kunde ist mit dem Anfangspreis und der einseitigen Preisfestlegung gerade
deswegen(!) einverstanden, weil dieser Preis einer Billigkeitskontrolle unterliegt.

Laut Kartellsenat ist der Sockelbetrag auf jeden Fall schon dann zu prüfen,
wenn das Unternehmen eine Monopolstellung einnimmt, was hier der Fall ist.

In der Entscheidung 36/06 sieht der Senat kein Monopol weil ein Substitutionswettbewerb
bestehe, von dem die Bestandskunden indirekt profitieren.

Ein Wettbewerb findet jedoch nur unter den Neukunden statt.
Das Neukundengeschäft kann den Gaspreis kaum bis gar nicht beeinflussen.
(Anm.: Das Neukundengeschäft macht ca. 2% aus. Dies dürfte auch bei den SWD so sein.
Die Behauptung müsste sich daher mit Zahlenmaterial substantiieren lassen.)
 
Die Entscheidung für oder gegen Gas findet gerade nicht über den Preis statt,
sondern wird durch Werbemaßnahmen und Baukostenzuschüsse gelenkt.
(Anm.: Ackermann bestreitet dies mit Nichtwissen, s. u.
 Auch dafür müssten sich wohl Belege finden lassen).

Gerade zwischen den Energieträgern Öl und Gas findet gar kein Preiswettbewerb statt,
weil diese ja durch die Ölpreisbindung aneinander gekoppelt sind.

Verweist auf den Kartellsenat: Es gibt keinen einheitlichen Wärmemarkt.
Er plädiert für eine Prüfung des Anfangspreises auch dann, wenn ein Monopol nur \"fast\"
besteht, weil eine scharfe Abgrenzung \"Jetzt noch Monopol - Jetzt nicht mehr\" nicht
möglich ist.

Falls nur die Preiserhöhung zu prüfen wäre, so könnte der Versorger sagen:
\"Alles ist beim Alten geblieben, nur die Bezugspreise haben sich erhöht.\"
Woher wüsste denn dann der Richter, ob der Versorger überhaupt verpflichtet war,
diese Erhöhungen hinzunehmen? Dies kann er nur durch Einblick in die Verträge prüfen.
Der Versorger könnte für unterschiedliche Gebiete unterschiedliche Vorlieferantenpreise
akzeptieren. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass von Kunden in einem Gebiet
zugunsten derer in einem anderen Gebiet unbillig überhöhte Preise verlangt werden.

Der Anfangspreis könnte zudem bereits Rückstellungen enthalten, mit denen der Versorger
beabsichtigt hat, steigende Bezugspreise aufzufangen. Wäre dem so, so dürften die
Bezugspreiserhöhungen nicht oder nur teilweise weitergegeben werden.
Auch um dies zu prüfen, muss die Kalkulation vollständig offen gelegt werden.
(Anm.: Die SWD hatten die Bezugspreise angeblich nur teilweise weitergegeben und einen
       Margenverlust von 0,1 Ct/kWh freiwillig in Kauf genommen. Wie wird dieser
      kompensiert, wenn nicht aus Rückstellungen?)

Eine Kostenkontrolle ist vorzunehmen.
Schon aufgrund der Monopolstellung des Versorgers und wegen des nur rudimentären
Wettbewerbs. Der Senat (d. h. Ball) selbst hat ja den Begriff \"rudimentär\" in seinen
Ausführungen verwendet.

Die Energieversorger sind anders als andere Unternehmen den Bestimmungen des EnWG
unterworfen. Sie können also nicht nehmen, was der Markt hergibt; sofern ein Markt
überhaupt existiert. Ein Preisvergleich zwischen den Versorgern wird diesen
Bestimmungen nicht gerecht, weil er eine möglichst preisgünstige Versorgung nicht
herstellen kann.

Das EnWG ist auch zu Berücksichtigen bei der Abwägung der Geheimhaltungsinteressen.
Die Verpflichtung zur Einhaltung und Nachweises ergibt sich aus dem Gesetz.
Der Versorger kann sich dieser Verpflichtung also nicht durch Verweis auf
Geheimhaltungsinteressen entziehen.

Für Unternehmen lassen sich Geheimhaltungsinteressen stets mehr oder weniger konkret
darlegen. Würde dieses stets schwerer wiegen als der Unbilligkeitseinwand, so liefe
der §315 ins Leere.

----- 10:02 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Ackermann (SWD)

Kommentiert die Entscheidung des Kartellsenats. (Spricht aber wieder zu leise)

Die Billigkeitskontrolle und die Entscheidungen des Kartellsenats stehen nebeneinander.

Es besteht sehr wohl Wettbewerbsdruck durch das Neukundengeschäft.

Das Kunden ihre Entscheidung für oder gegen Gas nicht auf Grundlage des Gaspreises
treffen, wird bestritten.

Nicht nur die Vorlage der Bezugsverträge sondern auch Wirtschafsprüfertestate
und Rechnungen müssen als Beweise akzeptiert werden.

Die Vorschriften des EnWG werden schon dadurch gewährleistet, dass die SWD
unterdurchschnittliche Preise verlangen - sogar im bundesweiten Vergleich;
womit auch der Hinweis auf strukturelle Unterschiede bei Gasversorgern nicht greift.

Eine Wahrung der Geheimhaltungsinteressen hebelt §315 nicht aus, da ja dennoch
eine Abwägung der Grundrechte gegen die Interessen der Parteien stattfindet.

----- 10:07 ---------------------------------------------------------------------------
Ball resümiert

Nach dem EnWG müsste der Versorger bei extremer Auslegung auf jeglichen Gewinn
verzichten, was sicherlich unzumutbar und nicht machbar wäre.

Der Gesetzgeber hat wegen des Substitutionswettbewerbs bei Gas ja bewusst auf
eine Preiskontrolle verzichtet.
Dies liefe nun in der Praxis auf eine zivilgerichtliche Kontrolle der Gewinnmargen
hinaus. Wo aber sollen Zivilgerichte dann ihre Grenzen ziehen?
Bei 3%? 4%? 6.9 aber nicht mehr 7%?

Prof. Nirk: Aufgrund der noch vorhandenen Monopole ist eine Kontrolle aber noch
erforderlich. Schließlich geht es darum, grobe Abweichungen zu unterbinden, wenn
ein Versorger bspw. 15% Rendite macht und andere nur 2%.
Ja, der Gesetzgeber hat auf eine Preiskontrolle für Gas verzichtet.
Inzwischen hat er aber seine Meinung revidiert.
Er zitiert die Begründung der Regierung zur Novelle des Kartellrechts.

Ball:
Es wäre Aufgabe - zunächst des Gesetzgebers - und der Kartellbehörden, sicherzustellen
dass systematisch überhöhte Preise nicht mehr möglich sind.
Es kann nicht Aufgabe der Zivilgerichte sein, mit Hilfe des \"altehrwürdigen §315\"
nun die Prüfung und Festlegung der Gewinnmargen in jedem Einzelfall durchzuführen.

Der Verkündungstermin wird voraussichtlich der 9. oder 16. Juli 2008 sein.

-------------------------------------------------------------------------

Man konnte förmlich sehen, dass der Zivilsenat momentan auf rohen Eiern tanzt.

(1) Einerseits möchte er der grassierenden Fehlentwicklung Einhalt gebieten.
    In vergangenen Prozessen hatte der - viel gescholtene - Vorsitzende
   Ball sehr viel Verständnis für die Lage der Gaskunden erkennen lassen.

(2) Andererseits kann sich der Senat nicht mit dem Gedanken anfreunden, eine
    grundsätzliche Rechtsprechung zu festigen, die in der Folge möglicherweise
   zu Tausenden Prozessen vor den AGs und entsprechend vielen vor dem BGH führen
   könnte.

In diesem zweiten Umstand sehe ich die Ursache dafür, dass der Senat in seiner
Entscheidung 36/06 zu den Strohhalmen \"Indirekte Nutznießung\" und \"Nachträgliche
Zustimmung durch Schweigen\", die die SWH ihm hingehalten hatten, gegriffen hat.
   
Es war klar, dass dem Senat sein Urteil vom 13.6.07 vorgehalten wird.
Nun muss er sehen, wie er seine Linie fortsetzen kann. Meines Erachtens
ist abzusehen, dass er sich weiter - über Jahre hinweg - an einen Kompromiss
heran tasten wird, der beiden o. g. Zielen gerecht wird.

Dieses wird nicht das letzte BGH-Verfahren zum Thema sein.
Ich glaube, wir können nicht mal von \"Halbzeit\" sprechen.

Gestattet mir noch eine Anmerkung zum Zivilsenat und seinem Vorsitzenden Ball:
Ich möchte Euch bitten, Euch erneute Verunglimpfungen zu verkneifen.
Diese sind nicht ziel führend sondern können sogar den Interessen aller
Gaskunden schaden.

Der Zivilsenat hat ein handfestes Praxisproblem:
Welche Grundsatzrechtsprechung kann das Problem der überhöhten Preise beseitigen
UND ist gleichzeitig in der Praxis umsetzbar und handhabbar?

Es sollte Aufgabe der kompetenten Mitstreiter unter uns sein, über Antworten
auf diese Frage nachzudenken!


Zum Schluss noch eine kleine Anekdote:
An der BGH-Pforte musste ich wie üblich sicherstellen, dass mein Handy
ausgeschaltet ist. Dabei erzählte mir der Beamte, kürzlich sei eine
Gruppe von auszubildenden Anwälten da gewesen. Dort habe man nicht
lange gefackelt und gleich alle Handys eingesammelt! Süß! :D

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline Pedro

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Danke für den Prozessbericht!! Ich möchte keine Richterschelte betreiben und schon gar nicht eine Entscheidung fordern, die meinen Vorstellungen entspricht, aber was ist eigentlich mit der Frage nach der Befangenheit von Richtern?? Die Erinnerung an die versorgerfreundlichen Aktivitäten des auch nun wieder Vorsitzenden Richters Ball (Verwertung seines umstrittenen Urteils vom 13.6.07: Vorträge gegen viel Geld u. lt. SPIEGEL Rüffel/Ermahnung des BGH-Präsidenten) lassen mich doch sehr an der richterlichen Unabhängigkeit dieses Herrn Ball zweifeln. Warum ist es möglich, dass er in einer so fundamentalen Entscheidung wiederum das Sagen haben darf??

Offline tangocharly

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Zwei Anmerkungen:

(1) der Präsident des BGH ist nicht der Dienstherr des Herrn B. aus K. Es handelte sich deshalb auch nicht um einen Rüffel, sondern um eine kollegiale Bitte.

(2) zur Befangenheit reicht das bisher festgestellte Geschehen nicht aus. Wenn Sie sich die älteren Entscheidungen des Kartell-Senats ansehen, dann werden Sie feststellen, dass dort die Kennzeichnung \"Ball\" als mitwirkender Richter häufig auftaucht. Meines Erachtens ist das, was wir derzeitig erleben, das Produkt eines Ehrgeizlings, der sich mal mit seinem damaligen Vorsitzenden reiben kann und vielleicht früher (was mir allerdings nicht bekannt ist !) gelegentlich in \"Dissenting-opinions\" lag. Das ist (wäre) nur menschlich; aber für Befangenheit reichts so nicht (viel schlimmer finde ich, dass die Energiekonzerne dem Bundestag die Gesetze aufgesetzt haben, die heute auf dem Prüfstein der Gerichte liegen und sich nun  beschweren, wenn sich ihre  Angreifer auf die Zielsetzungen der energiewirtschaftlichen Entscheidungen berufen, die von keinem Minderen kommen, als der Europäischen Legislative). Eigentlich warte ich darauf, dass sich die Rechtshändel vor den Europäischen Gerichtshof verlagern - oder gar die Kommission unsere Bundesregierung wegen Umsetzungsverzugs (der Europäischen Richtlinien) unter Kurantel nimmt.
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

In der Sache mag es Kritikwürdiges geben....
Es sollte jedoch nicht der Eindruck entstehen, hier würde zu einem Bundesrichter persönlich abwertend Stellung genommen.

@Pedro

Abgesehen davon, ob eine Befangenheit überhaupt angenommen werden kann...

Es hat ganz offensichtlich keine der am konkreten Verfahren beteiligten Parteien einen Befangenheitsantrag gestellt. Ein entsprechender Antrag kam weder von den Stadtwerken Dinslaken, noch von deren Kunden. Es hat sich auch kein an der mündlichen Verhandlung beteiligtes Mitglied des Senats selbst für befangen erklärt. Die Frage stellte sich also für keinen der Beteiligten. Einem nicht am konkreten Verfahren Beteiligten steht entsprechendes nicht an. Und somit darf das Thema als abgeschlossen gelten.

Offline Cremer

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@ESG-Rebell,

woher nehmen Sie nur die Zeit daran teilzunehmen und noch so eine Fahrtstrecke auf sich zu nehmen?

Einfach toll.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

info@bifep-kh.de
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gerd@cremer-kreuznach.de

Offline ESG-Rebell

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Zitat
Original von Cremer
woher nehmen Sie nur die Zeit daran teilzunehmen und noch so eine Fahrtstrecke auf sich zu nehmen?
Ich habe Gleitzeit und praktisch immer genug Überstunden um mir mal einen halben Tag frei zu nehmen. Und ein bis zwei Termine im Jahr sind ja auch nicht die Welt ;)

Des weiteren ist Waldbronn nur rund 15 km von Karlsruhe entfernt und hat eine recht gute Straßenbahnanbindung.

Auch wenn die mündlichen Verhandlungen i.d.R. nur gut eine Stunde dauern, finde ich es sehr spannend, diese zu beobachten.
Es macht schon einen Unterschied, die Argumente sachlich formuliert zu lesen oder sie - frei formuliert - zu hören.

Ohne meine Menschenkenntnis überbewerten zu wollen:
Insbesondere bei den Ausführungen des Herrn Ball glaube ich auch ganz gut \"zwischen den Zeilen\" hören zu können, wo \"ihn der Schuh drückt\" ;)

Findet sich später eigentlich ein detailliertes Verhandlungsprotokoll in den Akten wieder oder machen sich die Senatsmitglieder nur ihre eigenen Notizen? Bislang war der PC an der Senatsbank jedenfalls stets verwaist und niemand schien offenkundig zu Stenografieren.

Zitat
Original von Cremer
Einfach toll.
Danke für die Blumen ;)

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline tangocharly

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Zitat
Findet sich später eigentlich ein detailliertes Verhandlungsprotokoll in den Akten wieder (1) oder machen sich die Senatsmitglieder nur ihre eigenen Notizen (2)? Bislang war der PC an der Senatsbank jedenfalls stets verwaist und niemand schien offenkundig zu Stenografieren.

Zu 1.) =  nein (unüblich). Nur das per Diktat ins Protokoll gezogene Verhandlungsgeschehen wird dokumentiert. Da gilt auch für das Revisionsgericht nichts anderes, wie in den unteren Instanzen, § 555 ZPO. Dabei hat das Protokoll dann aber Beweiskraft über wesentliche Verfahrensvorgänge, z.B. für fallengelassenes Bestreiten, Sachanträge, etc.

Zu 2.) = Ja, der Vorsitzende kann (und wird in der Regel) auf einen Protokollanten (Urkundsbeamten) verzichten.
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Offline e-Stromer

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@ESG-Rebell

danke für Deine Mühe :-) !!

Zitat
Der Zivilsenat hat ein handfestes Praxisproblem:

Welche Grundsatzrechtsprechung kann das Problem der überhöhten Preise beseitigen
UND ist gleichzeitig in der Praxis umsetzbar und handhabbar?

Es sollte Aufgabe der kompetenten Mitstreiter unter uns sein, über Antworten
auf diese Frage nachzudenken!

Kurz & bündig meine unkompetente Meinung:
Wenn § 315 so angewandt werden würde wie im BGB,
dann würden langfristig kaum mehr Gerichtsverhandlungen nötig werden müssen.

Weiteres zum Thema bei verivox:
Einschätzung der Verhandlung vom Energieanwalt Hanno Blatzheim:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=24298

Offline ESG-Rebell

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Zitat
Original von e-Stromer
Kurz & bündig meine unkompetente Meinung:
Wenn § 315 so angewandt werden würde wie im BGB,
dann würden langfristig kaum mehr Gerichtsverhandlungen nötig werden müssen.
Das ist es ja - dem BGB ist eben nicht zu entnehmen, wie und in welchem Umfang eine Billigkeitskontrolle statt zu finden hat.

Die Auslegung und Anwendung der Gesetze ist ja gerade Aufgabe der Gerichte.

Marktwirtschaft und Wettbewerb sind meines Erachtens keine schleichenden Prozesse. Wenn eine gewisse Zahl konkurrierender Unternehmen in ein Marksegment eindringen kann und dabei eine Art kritische Masse überschritten wird, dann fallen die Preise auf breiter Front weil auch die teuren Anbieter mitziehen müssen um nicht weiter Marktanteile zu verlieren.

Ob dieser Umbruch innerhalb von Monaten oder Jahren vonstatten geht, hängt natürlich auch vom Werbeaufwand der Unternehmen und der Flexibilität der Energiekunden ab.

In Verfahren wie dem o.g. sind stets konkrete Preise für einen konkreten Zeitraum strittig. Und für diesen lässt sich jeweils sehr wohl die Tatsache prüfen ob ein Wettbewerb bereits stattgefunden hat oder nicht. Ebenso lässt sich die Tatsache prüfen, ob Konkurrenzunternehmen bereits versucht haben, in nennenswertem Umfang in den Markt einzudringen.

Solange beides zu verneinen ist, solange besteht meines Erachtens keine Gefahr, das marktbeherrschende Unternehmen durch Veröffentlichung seiner Bezugspreise der Gefahr eines Wettbewerbsnachteils auszusetzen.

Wenn und sobald mindestens zwei Anbieter auf dem Markt auftreten, die allen Kunden - nicht nur den Neukunden - eine reale Wechselmöglichkeit anbieten und dementsprechend vergleichbar große Marktanteile erobern, erst dann kann sich ein Kunde ggf. darauf verweisen lassen, die durch den Wettbewerb gebildeten Preise zu akzeptieren und die Möglichkeiten des Wettbewerbs (Anbieterwechsel) selbst zu nutzen.

Bei dem oben Gesagten ist allerdings das Problem von Preistreibereien auf der Stufe der Vorlieferanten und den Energiebörsen noch komplett ausgeklammert.

Insgesamt gesehen finde ich die Andeutung des BGH, er könne eine Billigkeitskontrolle evtl. bereits heute nur noch durch Heranziehung von Preisvergleichen auf dem Energiemarkt - anstelle einer Kostenkontrolle - zulassen, reichlich verfrüht.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline tangocharly

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Zu dem Terminsbericht des Kollegen von Verivox möchte ich zwei Dinge anmerken:

(1) Wenn ausgeführt wird:

Zitat
Der BGH stellte weiter fest, dass für Verträge der leitungsgebundenen Energieversorgung (Strom, Gas und Fernwärme) der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden muss, dass die Energieversorgung – unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung – so preisgünstig wie möglich zu gestalten ist. Er führte weiter aus, dass das Prinzip der möglichst preisgünstigen Energieversorgung nur dann eingehalten wird, wenn sich die Preise an den Kosten der Erzeugung, der Weiterleitung sowie an der Erzielung eines Gewinnes orientieren, der in angemessenem Umfang die Bildung von Rücklagen, die Vornahme von Investitionen und die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals erlauben. Eine solche Überprüfung ist nach der BGH-Rechtsprechung jedoch nur dann möglich, wenn die Preiskalkulation offen gelegt wird. Hierzu zählen insbesondere die Verträge mit Vorlieferanten, von denen beispielsweise die Stadtwerke Dinslaken ihr Erdgas beziehen.

so kann dies nur eine Wiedergabe der seit der Entscheidung des VIII.Senats vom 02.10.1991 manifestierten Auffassung sein (der VIII.Senat hat ja schon am 13.06.2007 begonnen, diese Linie zu brechen - ohne dies ausdrücklich zu erwähnen). Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Richter Ball so argumentiert hatte.

(2) Wenn ausgeführt wird:

Zitat
Es ist daher zu befürchten, dass ein rechtlicher Systembruch stattfindet, wenn der BGH ganze Preisbestandteile bei der Überprüfung nach § 315 BGB ausklammert oder sich schlicht nicht für zuständig hält, die Billigkeit entsprechend zu prüfen. Letzteres würde dazu führen, dass die bereits seit 100 Jahren bestehende rechtliche Überprüfungsmöglichkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB ad absurdum geführt würde.

so teile auch ich derzeitig diese Befürchtung und man fragt sich -- warum soll dies nötig sein ? Die Konsequenzen sind doch deutlich sichtbar, dafür braucht man schon keine Lupe (und warum da ausgerechnet der VIII. Senat dagegen Sturm läuft und in Kollision mit dem Kartellsenat geraten  will, erzeugt nicht nur Verunsicherung bei Verbrauchern).

Über Geheimhaltungs- und Schutzbedürfnis der Versorger wurde andernorts auch schon höchstrichterlich nachgedacht und entschieden. Entweder findet eine Billigkeitskontrolle statt, dann müssen auch die Kalkulationsdaten bekannt gegeben werden oder man verzichtet auf Letzteres. Das bedeutet Abschied von dem Schutz der Interessen der Verbraucher auf die in der Daseinsvorsorge geltenden  Regeln (\"... die das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschen.... \").

Warum hier der VIII. Senat \"das Rad neu erfinden\" muß, erzeugt schon Verwunderung. Und warum die Verbraucherinteressen des jeweiligen Normalbürgers weniger gewichtig sein sollen, als die Interessen der vom Kartellamt zu schützenden Gesamtheit der Bürger, vermag schon im Ansatz nicht zu überzeugen. Wenn die Politik vom Grundsatz her die jeweilig betroffenen Normlaverbraucher in die Preiskontrolle zwingt, dann gebietet das Prinzip der \"Waffengleichheit\" keine Ungleichbehandlung. Und wie sich der Kartellsenat den Geheimnisschutz vorstellt, das wurde bereits in der Entscheidung vom 19.06.2007 (dort RdNr. 48 ) - wenngleich im verwaltungsrechtlichen Verfahren - zum Ausdruck gebracht.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline uwes

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Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken
« Antwort #10 am: 10. Juni 2008, 18:09:36 »
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Fragestellung anknüpfen, ob ein mehrheitlich staatlich beherrschtes Gasversorgungsunternehmen bzgl der Bezugskosten den grundrechtlichen Schutz von Betriebsgeheimnissen in Anspruch nehmen kann.

Diese Fragestellung stellt sich in dem Verfahren des Delmenhorster swd-Kunden vor dem VIII Zivilsenat des BGH (VIII ZR 314/07)
Die swd GmbH - Delmenhorst ist zu 100 % in kommunaler Hand.

Ob dies auch für den Dinslakener Gasversorger gilt, weiß ich nicht, da ich die Gesellschaftsverhältnisse nicht kenne.

Zur Sache:

Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 16.05.1989 (NJW 1990, 1783) die Grundrechtsfähigkeit einer Aktiengesellschaft, die sich zu 72 % in öffentlicher Hand befindet und der Stromversorgung dient, verneint. Es handelte sich dabei m.W. um die hamburgischen Elektrizitätswerke.

Dementsprechend kann sich die swd GmbH nicht auf einen grundrechtlich verbürgten Schutz der Geschäftsgeheimnisse berufen.

Uwes
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken
« Antwort #11 am: 10. Juni 2008, 18:45:54 »
@uwes

BVerfG NJW 2000, 1783 betraf die Grundrechtsfähigkeit der HEW Hamburgische Electricitätswerke AG, die das oberste Gericht verneint hat.  

Weitere Entscheidungen BVerfGE 45, 63 - Stadtwerke Hameln; BVerfGE 95, 172- Sparkassen; BGHZ 91, 84 - Verwaltungsprivatrecht; wohl zuletzt BGH, Urt. v. 10.02.2005 - III ZR 294/ 04 (ZNER 2005, 150).

Soweit ersichtlich sind Kommunen außerhalb des Art. 28 GG und mit ihnen kommunale Unternehmen, die sich im Bereich der Daseinsvorsorge betätigen, wohl nicht grundrechtsfähig. In jedem Falle sind die von einseitigen Leistungsbestimmungen betroffenen Bürger Grundrechtsträger.

Offline ESG-Rebell

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« Antwort #12 am: 11. Juni 2008, 10:10:52 »
Zitat
Original von RR-E-ft
BVerfG NJW 2000, 1783 betraf die Grundrechtsfähigkeit der HEW Hamburgische Electricitätswerke AG, die das oberste Gericht verneint hat.  

Soweit ersichtlich sind Kommunen außerhalb des Art. 28 GG und mit ihnen kommunale Unternehmen, die sich im Bereich der Daseinsvorsorge betätigen, wohl nicht grundrechtsfähig. In jedem Falle sind die von einseitigen Leistungsbestimmungen betroffenen Bürger Grundrechtsträger.
Und welche Rechte kann ich als Grundrechtsträger daraus ableiten?

Die fehlende Grundrechtsfähigkeit kommunaler Unternehmen soll wohl zumindest zur Folge haben, dass deren Geschäftstätigkeiten nicht der Geheimhaltung unterliegen können.

Angenommen ich würde ins Rathaus marschieren und mir die Vorlage sämtlicher Unterlagen zu sämtlichen Geschäftsvorgängen der Stadt und aller kommunaler Unternehmen zwecks Einsicht oder Anfertigung von Kopien verlangen.

Mit welchen Argumenten könnte mir die Stadt dieses Anliegen effektiv auch dann verwehren, wenn ich es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen ließe?

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline Kampfzwerg

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Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken
« Antwort #13 am: 11. Juni 2008, 15:22:35 »
Zitat
Original von ESG-Rebell
Angenommen ich würde ins Rathaus marschieren und mir die Vorlage sämtlicher Unterlagen zu sämtlichen Geschäftsvorgängen der Stadt und aller kommunaler Unternehmen zwecks Einsicht oder Anfertigung von Kopien verlangen.

Mit welchen Argumenten könnte mir die Stadt dieses Anliegen effektiv auch dann verwehren, wenn ich es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen ließe?

In NRW gibt es das

Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW)

§ 4 IFG NRW(Gesetz) - Landesrecht Nordrhein-Westfalen
Informationsrecht

(1) Jede natürliche Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.

(2) Soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Im Rahmen dieses Gesetzes entfällt die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit.


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Offline tangocharly

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Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken
« Antwort #14 am: 11. Juni 2008, 16:46:36 »
Wie sich in der Diskussion gezeigt hat, will sich der VIII. Senat nun mit der Frage der Offenlegungspflichten von Versorgern im Rahmen der Billigkeitsprüfung näher befassen (vgl. Terminsbericht über die mdl. Verhandlung vom 28.05.2008 ).

Da es in der gerade laufenden Sache nicht um E.ON,  RWE oder EnBW geht, sondern um ein Stadtwerk (der öffentlichen Hand  oder bei dem ich hier unterstelle - ohne Detailkenntnis - dass dieses Stadtwerk wenigstens von der Öffentlichen Hand beherrscht wird), müßte der VIII. Senat bei seinen Überlegungen die Entscheidung des IIII. Senats vom 10.02.2005  beherzigen.

In dieser Entscheidung differenziert der III. Senat zwischen den Privaten und den Betrieben der Öffentlichen Hand, die zwar als Private organisiert werden, aber zur Erfüllung Öffentlicher Aufgaben geschaffen wurden und von der Öffentlichen Hand beherrscht werden. Und warum dann diese Unternehmen zur Auskunftserteilung verpflichtet sind, ergibt sich aus Ziff. 3.b der Entscheidungsgründe:

Zitat
b) Da die Beklagte bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben unter
richtungsweisendem Einfluß der öffentlichen Hand steht, ist sie nicht in jeder
Hinsicht mit einem Unternehmen (völlig oder überwiegend) in privater Hand zu
vergleichen. Deswegen ist es gerechtfertigt, die Beklagte Auskunftspflichten zu
unterwerfen, denen ihre etwaigen privat beherrschten Mitbewerber nicht unterliegen.
Soweit bei \"gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften\", wie hier, auch
\"private (Minderheits-)Gesellschafter\" von der Auskunftspflicht tangiert werden,
haben deren private Interessen - vorbehaltlich eines Auskunftsverweigerungsrechts
(§ 4 Abs. 2 Nr. 3 NdsPresseG) - hinter den überwiegenden öffentlichen
Interessen zurückzutreten.

Warum geht der VIII. Senat bei der Frage der Offenlegungspflichten wohl schon wieder einen anderen Weg ?

Das Stichwort findet sich am Ende der obig zitierten Passage \"überwiegendes öffentliches Interesse\".

Wenn man dem EnWG schon keine \"staatstragende Bedeutung\" zumisst (denn dem VIII. Senat ist es ja völlig Wurst, was die Vorlieferanten mit den Verbrauchern {im Endeffekt} für Spielchen treiben, ebenso wie es ihm völlig Wurst ist, was mit dem Sockelpreis passieren soll (Stichwort: Niemand ist davon abzuhalten \"Kaufmann von Venedig\" sein zu wollen), dann kommt man schnell in der Frage der Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Belange der Stadtwerke von Art. 28 GG geschützt sein könnten.

M.E. entlarvt sich der VIII. Senat immer stärker, und zwar als Kind welcher Sache er steht. Nach meinem Eindruck haben einige andere Senate des BGH (einschließlich des VIII. Senats in seiner früherern Besetzung) in diesen Sachfragen schon längst gewürfelt und diese in Entscheidungen zementiert, die von dem VIII. Senat nun konterkariert werden sollen.

Es ist höchste Zeit, dass diese Fragen, und vornehmlich die Offenlegungsfrage, vor den Großen Senat des BGH wandern.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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