Original von tangocharly
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der VIII. Senat mit zweierlei Maß misst.
An dieser Stelle möchte ich mich doch mal etwas als Hobby-Psychologe betätigen und versuchen, die Zwischenbemerkungen und Fragen des Vorsitzenden Ball in den mündlichen Verhandlungen zu deuten. Auch wenn als Zitat gekennzeichnet, ist folgendes aus meiner Erinnerung wiedergegeben.
Auf den Hinweis der Versorgerseite, der Kunde müsse zur Unbilligkeit substantiiert vortragen, sagte Herr Ball:
Sollte ein Kunde selbst die Unbilligkeit eines Preises nachweisen, so müsste er sogar einen wettbewerbsanalogen Preis benennen, wozu er die Kenntnis von Fakten benötigte, zu denen er keinen Zugang hat.
In der Verhandlung vor dem 36/06-Urteil kommentierte Herr Ball:
Die Vorstellung, dass ein Versorger nun die Rechtmäßigkeit aller Preisänderungen seit Vertragsabschluss beweisen soll, der möglicherweise bis 1984 zurück liegt, erschreckte den Senat. Wie soll dies denn in der Praxis zu bewerkstelligen sein?
Eine umfassende Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises läuft letztendlich auf eine Gewinnmargenkontrolle hinaus. Wie hoch soll die Gewinnmarge denn sein? Sechs Prozent? Sieben Prozent? Warum und wann nicht mehr oder weniger?
Soll jede Preiserhöhung eines jeden Versorgers zu einem Prozess führen - der dann letztlich hier landet?
Dies kann aber nicht Aufgabe des Gerichts sein. Hier ist die Politik gefragt, regulierend einzugreifen.
Aus der ersten Bemerkung kann man entnehmen, dass Herr Ball keineswegs damit einverstanden ist, dass die Energieversorger Geld drucken dürfen, indem den Kunden unerfüllbare Beweisauflagen aufgebürdet werden.
Die Äußerungen im Prozess 36/06 zeigen aber, dass der BGH wohl befürchtet, bei einer zu verbraucherfreundlichen Rechtsprechung könne eine erstickende Prozesslawine auf ihn zurollen. Außerdem fühlt er sich von der Regierung als Stoßfänger für eine fehlgeleitete Energiepolitik missbraucht.
Als Ausweg nimmt er den Kunden soweit wie es irgendwie geht, mit in die Verantwortung. Auch nach meiner Ansicht hat er dabei den Bogen überspannt. Schweigen kann bei Gewerbetreibenden als konkludente Zustimmung gewertet werden, bei Privatpersonen nicht unbedingt. Das hat seine Gründe.
Auch in anderen Bereichen ist es inzwischen ja Usus, Gesetze halbherzig und inkompetent zu stricken und den BGH und das BVG die Suppe auslöffeln zu lassen.
Und die aufrechten Bürger, die die Fehler des Staates zu korrigieren versuchen indem sie den exorbitant teuren Gang vor diese Instanzen wagen, dürfen die Spesen zahlen X(
Als Lichtblick sollte aber auch eine Bemerkung im aktuellen Verfahren nicht unerwähnt bleiben:
Die im Verfahren 36/06 geäußerte Ansicht des Senats ist ja keineswegs in Stein gemeiselt.
So ist es ja auch gekommen. Der VIII. Senat ist bei seiner Linie geblieben und hat seine Anforderungen präzisiert.
Auch wenn der Schutz des Sockelpreises durch den BGH sehr fragwürdig ist, bin ich davon überzeugt, dass er der Gaswirtschaft auch zukünftig keinen Freifahrtschein ausstellen wird. Sollte also ein Prozess vor dem BGH landen, in dem ein Landgericht die Abwälzung überhöhter Bezugspreise durch den Versorger verneint und den Kunden zur Zahlung verdonnert hat, obwohl die Beweislage (ggf. mit Zeugenbeweis) recht dürftig ist, dann kann es sehr gut sein, dass der VIII. Senat auch dieses versorgerfreundliche Urteil wiederum kassieren wird.
Gruss,
ESG-Rebell.