Stellungnahme des BDEWKommentar: Wider der WillkürNach Angaben des BDEW haben bundesweit 1,8 Millionen Kunden Gaslieferverträge abgeschlossen, die allermeisten davon seien Sonderverträge.
(Quelle:
Süddeutsche Zeitung vom 30.04.2008/hgn)
Darauf, dass die allermeisten Gaskunden Sondervertragskunden sind, hatten die Verbraucherverbände schon lange, erst recht nach dem Gaspreisurteil des BGH vom 13.06.2007 ( VIII ZR 36/06) hingewiesen, welches nur echte
Tarifkunden bzw. Kunden in der Grundversorgung betrifft. Die allermeisten Gaskunden sind jedoch Sondervertragskunden, für die andere rechtliche Rahmenbedingungen gelten.
Für die
allermeisten Gaskunden ist deshalb nicht das Urteil des BGH vom 13.06.2007, sondern das BGH- Urteil vom 29.04.2008 maßgeblich.
Der BDEW verschweigt, dass die Gasversorger die Kunden weit mehr belastet haben, als die Erdgasimportpreise laut
BAFA seit 2003 - und somit die Kosten für die Gaswirtschaft - überhaupt nominal gestiegen sind, zumal steigende Kosten der Erdgasbezüge aus dem Ausland zudem durch erhebliche Absenkungen der Netzkosten durch die Regulierungsbehörden teilweise kompensiert wurden. Unter anderem auf dieser Belastung der Letztverbraucher von Gas
\"über Gebühr\" gründet die Verschärfung der Preismissbrauchsaufsicht gegenüber Gasversorgern gem. § 29 GWB, wie der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu entnehmen ist.
Entgegen der Auffassung des BDEW schafft die Entscheidung des BGH gerade weitere Rechtssicherheit.
Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen von Gaslieferanten unterliegen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.Für Preiserhöhungsklauseln hatte der BGH wiederholt klargestellt, dass solche in
langfristigen Verträgen grundsätzlich zulässig seien, jedoch dabei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten müssen.
Besteht nach der vertraglichen Abrede für den Versorger das Recht, den Vertrag jederzeit oder unter Einhaltung einer kurzen Frist von einem halben Jahr
ordnungsgemäß zu kündigen, so dürfte eine Preisanpassungsklausel bereits deshalb unzulässig sein, weil es sich um keinen
langfristigen Vertrag handelt und es dem Versorger zumutbar ist, die Belieferung zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis durchzuführen (vgl. auch OLG Frankfurt/ Main, Urt. v. 08.02.2007 - 1 U 184/06). Dies gilt deshalb, weil es gerade dem
Kaufrecht entspricht, dass sich die Parteien bei Vertragsabschluss gem.
§ 433 BGB auf einen Preis einigen, an den sie dann beide gleichermaßen gebunden sind. Dies gilt gerade dann, wenn der
vereinbarte Preis maßgeblich für die Entscheidung des Kunden für den Vertragsabschluss war, was regelmäßig der Fall ist. Eine Abweichung vom genannten gesetzlichen Grundsatz des Kaufrechts
ohne innere Rechtfertigung stellt
allein eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gem. § 307 BGB dar (vgl. OLG Frankfurt, aaO.).
Eine Preisänderungsklausel in einem Energielieferungsvertrag weicht also immer von diesem gesetzlichen Grundsatz des Kaufrechts ab, was mithin immer einer eigenen (inneren) Rechtfertigung bedarf. Eine entsprechende Rechtfertigung kann nur dann vorliegen, wenn die Parteien sich auf eine lange Vertragsdauer geeinigt haben, so dass der Versorger bei Vertragsabschluss eine von ihm nicht zu vertretende und nicht beeinflussbare Kostenentwicklung während der vereinbarten Vertragslaufzeit nicht vorhersehen und bei der Kalkulation seines Preisangebots bei Vertragsabschluss somit nicht berücksichtigen konnte.
Zweck einer Preisänderungsklausel ist es nämlich, solchen
besonderen Umständen Rechnung zu tragen.
Von einem langfristigen Vertrag kann jedoch schon
nur dann die Rede sein, wenn sich die Vertragspartner auf längere Zeit als ein Jahr aneinander gebunden haben, ohne innerhalb dieser Vertragslaufzeit den Vertrag
ordnungsgemäß kündigen zu können.
Zu den Anforderungen, an die Ausgestaltung einer solchen Preisänderungsklausel, wo eine solche in einem
langfristigen Vertrag vom Ansatz her zulässig ist, hatte der BGH wiederholt klargestellt (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06, m.w.N.):
Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).
Nunmehr stellt der BGH zudem klar, dass eine Preisänderungsklausel in einem Gaslieferungsvertrag unabhängig vom vorgenannten Erfordernis an die Transparenz einer Preiserhöhungsklausel bereits dann wegen unangemssener Benachteiligung des Kunden gegen § 307 BGB verstößt, wenn der Klauselverwender sich nur Preiserhöhungen vorbehält, ohne eine Pflicht zur Preissenkung im Vertrag festzuschreiben.
Das Recht und die Pflicht zu Preisänderungen müssen demnach dabei dem Transparenzgebot des § 307 BGB enstsprechen, weil Preiserhöhungen und Preissenkungen ausdrücklich nach
den selben Maßstäben geregelt werden sollen, vom Vertragspartner des Klauselverwenders
anhand der Klausel selbst auf ihre Rechtmäßigkeit hin kontrolliert werden können müssen.
Der
weite Spielraum der Billigkeit genügt den Anforderungen an Konkretisierung und Begrenzung, die § 307 BGB erfordert, nach der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht.
Wenn der BDEW deshalb weiterhin Preisänderungsklauseln in sog. Norm- Sonderverträgen für zulässig hält, die dem gesetzlichen Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 1 BGB \"nach billigem Ermessen\" entsprechen, so wird die lnagjährig bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung verkannt.
Das OLG Hamm hatte bereits mit Urteil v. 06.03.2008 - 2 U 114/07 entsprechende Klauseln in Sonderverträgen zurecht für unwirksam erklärt.
Zutreffend hat der BGH festgestellt, dass im Falle einer gem. § 307 BGB unwirksamen Preisanpassungsklausel die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht vorliegen , wenn sich der Versorger selbst durch ordentliche Kündigung aus dem Vertragsverhältnis lösen kann. Der BGH sieht es für einen Gasversorger als zumutbar an, die Gaspreise für eine vereinbarte Vertragsdauer von zwei Jahren nicht erhöhen zu können.
Schließlich hatte der BGH bereits für AGB- Preisänderungsklauseln in Flüssiggas- Lieferverträgen ähnlich entschieden.
Gerade wenn die Gaswirtschaft unentwegt behauptet, dass sie mit den Anbietern konkurrierender Energieträger auf einem gemeinsamen Markt in einem harten Wettbewerb stehe, lässt sich eine Besserstellung von Erdgaslieferanten gegenüber den Anbietern anderer Energieträger
durch nichts rechtfertigen. Im Gegenteil: Eine solche verbietet sich dann.
Für
Tarifkunden/ Kunden in der Grundversorgung lässt sich aus der heutigen Entscheidung mittelbar ableiten, dass eine der Billigkeit entsprechende Ermessensausübung eines Versorgungsunternehmens, welchem durch Gesetz ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Entgelte eingeräumt ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06, Tz. 20 ) auch eine Senkung der bisherigen Entgelte (Preise) erfordern kann.
Da der Gasversorger, wie der BGH mit Urt. v. 13. 6. 2007 ( BGHZ 172, 315 = NJW 2007, 2540 = NZM 2007, 890) entschieden hat, nach der Verordnung den allgemeinen Gastarif nach billigem Ermessen zu bestimmen habe, sei er bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, Kostensteigerungen wie Kostensenkungen nach gleichen Maßstäben Rechnung zu tragen.
Damit ist die These von einem \"
vereinbarten bzw. geschützten Preissockel\", die immer wieder vertren wird, aber unvereinbar.
Die Preise eines Versorgungsunternehmens, welchem durch das Gesetz ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Entgelthöhe eingeräumt ist, unterliegen somit der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB.
Dabei müssen die Preise
insgesamt der Billigkeitskontrolle unterliegen:
Denn es kann sich gerade als unbillige Ermessensausübung erweisen, dass die Preise bei zwischenzeitlich rückläufigen Kosten nicht oder nicht im möglichen Umfange vollständig abgesenkt wurden.
Um die Frage klären zu können, ob das Festhalten an der Entgelthöhe und ein Nichtabsenken der Preise der Billigkeit entspricht, bedarf es einer Offenlegung der zwischenzeitlichen Entwicklung aller preisbildenden Faktoren (Kosten).
Es ist nämlich jedenfalls auch unbillig, durch eine unvollständige Weitergabe zwischenzeitlicher Kostensenkungen nachträglich den Gewinnanteil an den Preisen zu erhöhen.
Die leitungsgebundene Energiewirtschaft sieht sich - wohl nicht vollkommen zu Unrecht - dem Verdacht ausgesetzt, gerade die durch die Regulierierungsbehörden teils erheblich abgesenkten Netzkosten nicht oder nicht vollständig an die Kunden weitergeben zu haben, weiter bestehende marktbeherrschende Stellungen auf den regionalen HuK- Gasmärkten bei der Preisgestaltung missbräuchlich auszunutzen, was aktuell die Einleitung zahlreicher Verfahren der Kartellbehörden gegen Gasversorger zur Folge hat
Muss jedoch geprüft werden, ob der Gewinnanteil am Preis nachträglich erhöht wurde, so ist dafür erforderlich, die Preiskalkulationen und den jeweiligen Gewinnanteil am Preis offen zu legen.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt