Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
reblaus:
@nomos
Wenn der Versorger schreibt, dass die Gaspreise um 0,4 ct/kWh erhöht werden müssen, weil seine Gesamtkosten seit der letzten Preisanpassung mindestens in gleicher Höhe gestiegen sind, so ist das eine präzise und konkrete Darlegung des Grundes der Preiserhöhung. Wenn seine Kosten tatsächlich um 0,4 ct/kWh gestiegen sind, so ist die Preiserhöhung auch gerichtsfest vorgenommen worden.
Jetzt kann man natürlich wie RR-E-ft die Offenlegung weiterer Details der Kostensteigerungen verlangen. Dann kann der Versorger mitteilen, dass die Bezugskosten um 0,5 ct/kWh gestiegen sind, die Personalkosten um 0,2 ct/kWh gesunken sind, die Geschäftsführergehälter um 0,05 ct/kWh gestiegen sind, die Kosten für Bleistifte ebenfalls eine Steigerung um 0,05 ct/kWh erfahren haben und alle anderen Kosten unverändert geblieben sind. Dann kann man mitteilen, zu welchem Datum die Kostensteigerungen zum tragen kamen, ob die Mitteilungen per Brief E-Mail oder Fax eingegangen sind oder welche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Steigerungen getroffen wurden.
Was ich mich frage ist, warum ein Verbraucher die allgemeine Behauptung der Kostensteigerung anzweifelt, um dann diesen Detailangaben plötzlich Glauben zu schenken. Entweder hält man seinen Versorger für ein ehrbares Unternehmen oder für einen Straßenräuber. Dem ehrbaren Unternehmen wird man die allgemein gehaltene Behauptung abnehmen. Dem Straßenräuber sollte man aber nicht über den Weg trauen, und wenn er mit noch so blumigen Worten um Vertrauen heischt.
Die Anforderung an eine vorgerichtliche Erläuterungspflicht kann daher entweder sehr gering sein, oder aber es muss eine vorgerichtliche Beweisaufnahme erfolgen, wenn der Schuldner dies wünscht. Insoweit sind Sie, nomos, in Ihrer Haltung wenigstens konsequent, und schlagen nicht den untentschlossenen Mittelweg anderer ein.
Sie sollten aber bei Ihrer Ansicht bedenken, dass § 93 ZPO für alle Zivilrechtsstreitigkeiten gilt. Jeder Gläubiger ist dann aufgefordert, dem Schuldner bis ins Detail nachzuweisen, warum er auf seinem Anspruch bestehen kann. Das würde zum Festschmaus für findige Insolvenzverschlepper werden, die mit immer neuen Zweifeln ihre Zahlungspflicht ins Unendliche hinauszögern könnten. Wer schlussendlich die Kosten dieser Beweise wie Sachverständigengutachten etc. bezahlen soll, ist völlig unklar.
Ich denke es gibt gute Gründe, warum § 93 ZPO nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, und bei Gaspreisstreitigkeiten bisher keine Rolle gespielt hat.
nomos:
--- Zitat ---Original von reblaus
@nomos
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Was ich mich frage ist, warum ein Verbraucher die allgemeine Behauptung der Kostensteigerung anzweifelt, um dann diesen Detailangaben plötzlich Glauben zu schenken. Entweder hält man seinen Versorger für ein ehrbares Unternehmen oder für einen Straßenräuber.
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Das würde zum Festschmaus für findige Insolvenzverschlepper werden, .......
Ich denke es gibt gute Gründe, warum § 93 ZPO nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, und bei Gaspreisstreitigkeiten bisher keine Rolle gespielt hat.
--- Ende Zitat ---
@reblaus, lassen Sie mal den Glauben, Straßenräuber und Insolvenzverschlepper beiseite. Auch ehrbare Kaufleute werden nicht nur einmal geprüft. Der Staat selbst schickt Steuerprüfer und andere Kontrolleure.
Auch der Verbraucher hat ein Recht auf den Nachweis der Billigkeit. Auch er muss sich nicht mit Glauben begnügen.
Richtig § 93 ZPO gilt generell bei Zivilrechtstreigkeiten, also auch wenn es um die Billigkeit des Gaspreises geht. § 93 spielt da keine besondere Rolle, in keiner Richtung. § 93 ZPO gilt im Falle des Falles auch bei Gaspreisstreitigkeiten.
Im Lösungsvorschlag geht es um Weisungen an staatlich vereidigte Wirtschaftsprüfer mit vorgegebenem Testat. Falsche Angaben an die feststellende Behörde hätten selbstverständlich übliche Konsequenzen. Eine solche Feststellung könnte bundeseinheitlich bereits per Verordnung geregelt werden. Das würde den Anforderungen weit mehr genügen als der aktuelle Zustand.
Glauben reicht mir persönlich als Verbraucher auch angesichts der Erfahrungen schon lange nicht mehr.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von reblaus
@nomos
Wenn der Versorger schreibt, dass die Gaspreise um 0,4 ct/kWh erhöht werden müssen, weil seine Gesamtkosten seit der letzten Preisanpassung mindestens in gleicher Höhe gestiegen sind, so ist das eine präzise und konkrete Darlegung des Grundes der Preiserhöhung. Wenn seine Kosten tatsächlich um 0,4 ct/kWh gestiegen sind, so ist die Preiserhöhung auch gerichtsfest vorgenommen worden.
--- Ende Zitat ---
Wohl kaum. Mit Rücksicht auf §§ 2, 1 EnWG ist nicht jedweder beliebiger (tatsächlicher) Kostenanstieg auf die Kunden im Wege einer einseitigen Leistungsbestimmung abwälzbar. Sollte der Gesamtkostenanstieg um 0,4 Ct/ kWh auf einer entsprechenden tatsächlichen Erhöhung der Geschäftsführerbezüge beruhen, ist die Gerichtsfestigkeit mehr als zweifelhaft. An der Gerichtsfestigkeit fehlt es nach BGH VIII ZR 138/07 auch dann, wenn etwa ein entsprechender Bezugskostenanstieg im Vorlieferantenverhältnis etwa schon nicht zur Anpassung an die Marktverhältnisse notwendig und angemessen war. Einige meinen, ein Bezugskostenanstieg sei insbesondere dann nicht notwendig, wenn der Bezugsvertrag im maßgeblichen Zeitraum gem. Art. 81 EGV, § 1GWB, § 134 BGB nichtig war und beziehen sich dabei gern auf Rechtsprechung des EuGH. In diesem Forum tut sich einer u. a. damit besonders hervor.
--- Zitat ---Original von reblaus
Die Anwendung des § 93 ZPO ist jedoch der Ausnahmefall. Er ist nicht anwendbar, wenn der Kläger vorgerichtlich keine Beweise vorlegt.
--- Ende Zitat ---
Gerade dann ist die Anwendung von § 93 ZPO denkbar, gerade aber nicht, wenn der Kläger vorgerichtlich Beweise vorgelegt hat.
Die Begründung der Billigkeit einer getroffenen Ermessensentscheidung auf Verlangen ist vertraglich geschuldet wie auch überhaupt die Vornahme einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis.
reblaus:
@nomos
Sie müssen Ihrem Versorger auch nicht glauben. Ich glaube meinem Ex-Versorger auch nicht. Lediglich für den Fall, dass wir beide uns geirrt haben, und es sich doch um redliche Unternehmen gehandelt haben sollte, sind wir verpflichtet, die durch unser unbegründetes Misstrauen entstandenen Kosten zu bezahlen.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft Die Begründung der Billigkeit einer getroffenen Ermessensentscheidung auf Verlangen ist vertraglich geschuldet wie auch überhaupt die Vornahme einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis.
--- Ende Zitat ---
Das mag man ja so sehen. Die Frage ist nur, welche Anforderungen an eine solche Begründung zu stellen sind.
Folgender Satz ist eine Begründung:
Die Preiserhöhung erfolgt, weil unsere Bezugskosten um den gleichen Betrag pro kWh gestiegen sind, und an anderer Stelle keine Einsparungen erwirtschaftet werden konnten.
Folgendes hingegen ist keine Begründung:
Die Preiserhöhung erfolgt, weil unser Gaslieferant seine Preise für Kommunalgas pro kWh um den gleichen Centbetrag angehoben hat, und wir unsere sonstigen Kosten nicht senken konnten. Zum Nachweis dieser Tatsachen legen wir Ihnen ein Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers bei, weiterhin legen wir Ihnen mehrere eidesstattliche notariell beurkundetete und mit Siegel versehene Versicherungen des Geschäftsführers unseres Gaslieferanten, unserer Geschäftsführer sowie unseres kaufmännischen Leiters vor. Schließlich erhalten Sie zum Beleg obiger Tatsachen, auszugsweise Vertragskopien, mit den entsprechenden Preissteigerungsklauseln, aus denen sich die Preisbindung an Leichtes Heizöl Rheinschiene ergibt. Schließlich erhalten Sie Listen des Stat. Bundesamtes über die Preisentwicklung bei Leichtem Heizöl etc., etc. ...
Energie-Bündel:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Hier auch nicht. ;)
Ich rede doch hier gar nicht von einem Anerkenntnis nach Beweisaufnahme, sondern ausdrücklich von einem Anerkenntnis nach Klagezustellung und den notwendigen Substantiierungen, die erstmals im Prozess erfolgen, zB. hinsichtlich der zwischenzeitlichen Entwicklung der konkret preisbildenden Kostenfaktoren, die bei der Beurteilung der Billigkeit jedenfalls Berücksichtigung finden müssen.
Ob der Beklagte dann erstmals überzeugt ist oder sich auch nur überzeugt gibt, ist doch vollkommen egal.
Deshalb muss gewiss keiner zum Arzt, um sich den Schädel aufsägen zu lassen.
Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Vertragsverhältnis besteht, ist der bestimmungsberechtigte Vertragsteil nicht nur verpflichtet, eine Bestimmung zu treffen, sondern auch verpflichtet, auf Verlangen die Billigkeit der getroffenen Bestimmung nachvollziehbar zu begründen, zumal wenn die Billigkeit der Ermessensentscheidung von Umständen abhängt, die der andere Vertragsteil schon selbst nicht kennen kann (zB. interne Kostenentwicklung).
Erfolgt auf Verlangen eine solche Begründung nicht, erfolgt eine substantiierte Begründung erst in einem Prozess, besteht die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, weil der Kunde keine Veranlassung zur Klage gegeben hatte.
--- Ende Zitat ---
Es freut mich, dass \"RR-E-ft\" die Diskussion zum Thema Billigkeit / bzw. Annerkennungsurteil wieder aufgenommen hat und dass die Bedeutung seines ursprünglichen Textes vom 31.01.2008, nach dem lebendigen Wortwechsel der vergangenen Tage, jetzt glasklar vorliegt.
Es ist zweckmäßig, wenn sich die Diskussion nun auf § 93 ZPO konzentriert, wie das inzwischen auf der Fall ist.
Unter der von \"RR-E-ft\" genannten Voraussetzung, - daß der Kunde klarmachen kann, daß er vorprozessual keinen Anlaß zur Klage gegeben hat -, sehe ich keinen Grund warum er mit Hilfe von § 93 ZPO nicht zum Erfolg in der Kostenfrage kommen könnte.
§ 93: \" Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.\"
Für das qualifizierte \"sofort\" ist ein Widerspruch im Mahnverfahren unschädlich (hM; KG MDR 80, 942). Das \"sofort\" gilt auch noch im schriftlichen Vorverfahren.
Geht also die Klagebegründung zu, hat der Kunde nach § 276 zwei Wochen Erklärungsfrist. In dieser Notfrist hat der beklagte Kunde also noch Zeit, so wie es \"RR-E-ft\" am 9.8.09 vorschlägt, mit seinem Anwalt die Klageschrift auf ihren gerichtsrelevanten Gehalt, sprich Gewinn- und Verlierchancen, abzuschätzen und kann dann mit seinem Anwalt die konkreten Gegebenheiten seines vorprozessualen Verhaltens, im Hinblick auf das zu diesem Zeitpunkt noch mögliche Anerkenntnisurteil, eingehend prüfen.
Zumindestens in einem Fall, der meiner Anfrage zugrunde liegt, gibt es für mich kaum Zweifel, daß der Kläger bezüglich der Klageanlaßprüfung schlechte Karten hätte. Der Kunde hat wiederholt dargelegt, daß er ernstzunehmende Gründe für seine Unbilligkeitsvermutung hat. Er hat auch eindringlich und, zumindest für einen Unparteiischen, auch glaubhaft dargelegt, daß er sofort die angemahnten Beträge zahlen würde, wenn ihm detailiert und nachvollziehbar die Billigkeit des gesamten verlangten Gaspreises dargelegt würde.
Der Versorger hat es immer abgelehnt substantierte Begründungen zur Billigkeit vorzulegen und seine scheinbare Begründung nur mit völlig allgemeinen Floskeln über gestiegene Ölpreise / Kosten betritten.
Wie vor allem auch \"nomos\" anführt, ist es \"in der Praxis sehr wohl möglich vorprozessual zufriedenstellend die Billigkeit zu belegen. Dazu gehören alle notwendigen Daten und Fakten auf den Tisch\", es geht \"um einen hinreichenden Nachweis\".
Was spricht gegen die Verpflichtung eines Versorgers, der ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hat, seinen Begründungspflichten auf Verlangen auch substaniell nachzukommen? Vorallem da nur der Leistungsbestimmer seine interne Kostenentwicklung überblicken kann, wie \"RR-E-ft\" in diesem Zusammenhang wohl treffend argumentiert.
Ich glaube schon, daß sich mit dem § 93 ZPO alle die, die sich wegen mangelnder Rechtsschutzvorsorge mehr als andere Gedanken zum Risiko- / Nutzenverhältnis einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung machen müssen, noch einen zielstrebigen Notpfeil in den Köcher stecken können.
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