Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten

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Rob:
Hallo zusammen,
so früh und schon meine zweite Frage :D....

Folgende Konstellation Gasversorgung:
Verbraucher fordert nach allen Regeln der Kunst den Nachweis der Billigkeit vom Versorger. Versorger verweigert sich nach allen Regeln seiner Kunst dagegen und zerrt den Verbraucher mit einer Zahlungsklage vor Gericht. Vor Gericht erbringt er den Nachweis, dass seine Preise der Billigkeit entsprechen.
Der Verbraucher muss nun die Kosten des Verfahrens und des Versorgeranwalts tragen.

Ist dies nicht eine gute Möglichkeit für die Versorger, wenn sie die Billigkeit nachweisen wollen und können, den Verbraucher öffentlichkeitswirksam ins offene Messer laufen zu lassen?
Kann der Zeitpunkt der Offenlegung dem Versorger als sagen wir mal, Böswilligkeit, ausgelegt werden?

Vielleicht sagt ja ein grosser Versorger mal zu einer kleinen Tochtergesellschaft:
Mach Du das mal so, damit einige der Protestler Angst bekommen und einknicken?
So wie ja auch ein \"Wettbewerb\" geschaffen wurde (Gas) und man den Widersprüchlern sagt, ihr könnt ja jetzt wechseln (was ja irgendwie der Wahrheit entspricht).

Hoffe niemanden auf dumme Gedanken gebracht zu haben... .

Schönen Tag noch,
der Rob

userD0010:
Hier würd ich aber mal meinen, dass ein Richter doch dem Kläger die Frage stellen wird (oder besser sollte ??), warum er dem Verbraucher nicht auf dessen mehrmalige Anforderung die Billigkeit nachgewiesen hat, sondern erst das Gericht bemüht, um einerseits Publicity zu erzeugen, andererseits aber durchaus böswillig dem Verbraucher zusätzliche Kosten aufzubürden.

Aber auch in diesem Falle gilt \"Vor Gericht und auf hoher See\" .....

Wusel:
tja wenn man bedenkt, dass EON und Konsorten ihre vielen regionalen Stadtwerke-Versorger ja ganz einfach dazu anhalten könnten, so zu wirtschaften, dass sie einer Billigkeitsprüfung standhalten?
Dann nach einiger Zeit von ausgewählten örtlichen Versorgertöchtern Musterverfahren gegen Preisverweigerer führen lassen und sich deren Billigkeit höchstrichterlich bestätigen lassen?
Der Endverbraucher hat das Nachsehen, muss die Verfahrenskosten bezahlen, Billigkeit bestätigt, und an die vorgelagerten eigentlichen Preistreiber EON & Co. kommen sie eh nicht heran, da sie nicht der direkte Vertragspartner sind.

Wer weiß, ob sowas nicht schon längst in großem Stil in Vorbereitung ist?
Das könnte erklären, warum in letzter Zeit viele Gaspreisverweigerer von den jeweiligen örtlichen Versorgern nichts mehr hören (wie ich auch).
Die Ruhe vor dem Sturm?

Netznutzer:
Gerade hier im Forum wird ja besonders von der juristischen Seite i m m e r wieder darauf hingewiesen, dass nur ein Gericht die Billigkeit feststellen kann.

Gruß

NN

RR-E-ft:
@Rob

Soweit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, entweder weil es bei Vertragsabschluss hinsichtlich der zu zahlenden Entgelte vereinbart wurde oder weil es sich gegenüber Kunden in der Grund- und Ersatzversorgung aus einem Gesetz ergibt, so steht dem Schuldener gegen einseitig festgesetzte Entgelte die Einrede aus § 315 III BGB zu.

Tatsächlich ist die Billigkeit dann durch ein Gericht zu prüfen.
Entspricht die Bestimmung nach dieser gerichtlichen Prüfung der Billigkeit, so befand sich der Kunde von Anfang im Verzug mit den entsprechenden Folgen. Entspricht sie nicht der Billigkeit so ist das gerade nicht der Fall. Eine unbillige Leistungsbestimmung führt gem. § 315 III 1 BGB zu keiner verbindlichen Forderung.

Der Verbraucher, der bereits vorprozessual einen Billigkeitsnachweis gefordert hatte, der nicht erbracht wurde, kann sich noch im gerichtlichen Verfahren, also nach Klageerhebung ein sofortiges Anerkenntnis vorbehalten für den Fall, dass der Billigkeitsnachweis erst im Gerichtsverfahren erfolgt.

Im Falle eines solchen Anerkenntnisses wird er durch Anerkenntnisurteil verurteilt, ohne dass das Gericht die Billigkeit weiter prüft oder noch über diese zu entscheiden habe. Im Falle eines zulässigen sofortigen Anerkenntnisses werden die gesamten Verfahrenskosten (Gerichtskosten und Anwaltskosten beider Parteien) dem Kläger auferlegt.

@Netznutzer

Wer sollte denn sonst die Billigkeit feststellen wenn nicht ein Gericht. Etwa die Schwiegermutter? ;)

Die Entscheidung über die Billigkeit ist immer eine Einzelfallentscheidung, weil gerade die beiderseitigen Interessen der Kontrahenten im ganz konkreten Vertragsverhältnis  gegeneinander abgewogen werden müssen, in die Ermessensentscheidung einzugehen haben (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Tz. 17):


--- Zitat ---dass es bei der Bestimmung der Billigkeit auf die Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks ankommt (Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183, unter III 1). Die Berücksichtigung der typischen Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks sind aber auch bei einem Massengeschäft möglich (vgl. BGHZ 115, 311 zu Abwasserentgelten und BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 zur Abfallentsorgung).
 
--- Ende Zitat ---

Schließlich steht es auch nicht in der Kompetenz des BGH als Revisionsgericht, Richtlinien für die Billigkeitskontrolle aufzustellen (vgl. aaO.,Tz 20):


--- Zitat ---Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensentscheidung versperrt hat (BGHZ 115, 311, 321; Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05, NJW-RR 2006, 133, unter II 2 m.w.N.).
--- Ende Zitat ---

Demnach erfordert jede gerichtliche Billigkeitskontrolle eine Prüfung im konkreten Einzelfall, weil es dabei auch um Einzelfallgerechtigkeit geht (so Held, NZM 2004, 169 ff.; m.w.N.).

Jeder Fall liegt möglicherweise etwas anders, was ja davon abhängt, inwieweit die Prozesspartei Vortrag bestreitet oder nicht (vgl. Heilbronner Fall, wo der Kläger angeblich das Bestreiten des  Bezugskostenanstieges als solchen in der II. Instanz nicht weiter aufrecht erhalten haben soll, so dass eine entsprechende streitige Tatsache schon nicht mehr vom Gericht zu prüfen war).

@Rob/ Wusel

Man könnte vor dem Einstellen verschwörungstheoretisch angehauchter Beiträge überlegen, ob nicht etwa statt dessen ein Spaziergang an frischer Luft vorzugswürdiger ist.  ;)

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