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Autor Thema: Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?  (Gelesen 4294 mal)

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Offline gary

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Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?
« am: 21. Januar 2008, 21:45:44 »
Hallo, Community!

Bin neu hier...

Bzgl. des rückwirkenden Einspruches gegen die Strompreiserhöhungen des Versorgers bzw. dessen Preise der letzten 3 Jahre habe ich eine Frage, da ich keine konkrete Antwort gefunden habe.

Kann (Darf/Sollte) ich (mich) nur nur auf dessen alte Preise von vor 3 Jahren zurückbeziehen oder auf angemessene Preise für vor 3 Jahren (etwa durch Gutachten des BdEV)?

Danke!
Gary

Offline RR-E-ft

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Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?
« Antwort #1 am: 21. Januar 2008, 23:21:31 »
@gary

Es geht nie um drei Jahre alte Preise.
Es kommt also nicht darauf an, wie alt ein vereinbarter Preis ist.

Ein vertraglich vereinbarter Preis gilt für beide Vertragsteile, ist für beide Teile gleichermaßen bindend, egal wie lang die entsprechende vertragliche Vereinbarung zurückliegt. Fragt Joopi Heesters.

Man kann, darf und sollte als Mitglied des Bundes der Energieverbraucher von dem Energieschutzbrief Gebrauch machen und seinen konkreten Fall durch einen spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen.

Nach dem Urteil des LG Dortmund vom 18.01.2008 soll man alle aufgrund unwirksamer Preiserhöhungen zuviel bezahlten Beträge zurückfordern können, wobei der Rückforderungsanspruch grundsätzlich der dreijährigen Verjährung unterliegt (so schon BGH, Urt. v. 05.02.2003 - VIII ZR 111/02).

Wenn man wegen dieser Verjährung auch möglicherweise nicht mehr alle Überzahlungen zurück erlangen kann (verlangen kann man alles), sondern nur entsprechend der unverjährten Ansprüche etwas zurückerlangen kann, so bedeutet das nicht automatisch, dass man nicht auf die ursprünglich vereinbarten Preise für die Zukunft kürzen kann, um nicht erst noch weitere Rückforderungsansprüche neu entstehen zu lassen.

Hatte man in 1998 bei Vertragsabschluss einen Preis, aber keine wirksame Preisänderungsklausel und auch später keinen  Vertragspreis neu vereinbart, dann gilt der 1998 vertraglich vereinbarte Preis noch heute, wenn sich nicht etwa im konkreten Fall ein Preisänderungsrecht aus einem Gesetz ergibt und wirksam ausgeübt wurde.


Weiß man erst einmal um die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen, so muss man wegen § 814 BGB kürzen und darf keine weiteren Überzahlungen leisten. Einem Rückforderungsanspruch wegen weiter überzahlter Beträge stünde nämlich sonst die Einrede aus § 814 BGB entgegen.

Ob und inwieweit bisher Zahlungen rechtsgrundlos erfolgten, inwieweit deshalb gekürzt und ggf. für die Vergangenheit etwas zurückverlangt werden kann und sollte, kann nur ein Rechtsanwalt im Einzelfall prüfen.

Der Einzelne ist damit regelmäßig überfordert, weshalb der Verein gerade die o. g. Hilfe für seine Mitglieder anbietet. Eine gute Sache. Man kann sich dieser Community anschließen, muss es aber nicht.

Offline gary

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Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?
« Antwort #2 am: 22. Januar 2008, 12:14:50 »
Danke RR-E-ft !

Nun, ja, sehe ich prinzipiell genauso. Da man keine Kenntnis von der Unrechtmäßigkeit der Preise vergangener Jahre hat, kann man prinzipiell bis zum Vertragsbeginn zurück klagen... Dabei trägt man aber die Beweislast selbst oder aber (aufgrund des geänderten / zu ändernden § 29 GWB n. F.) doch aktuell schon der Versorger?
Will man nicht aktiv bis zurück klagen, hat man m.E. darüber hinaus mit der Zahlung vorangegangener Jahresabrechnungen die für diese Jahre geltenden Preise akzeptiert, so daß man nur noch bei der letzten unbezahlten Abrechnung auf die (alten vor 3 Jahren geltenden) Preise abstellen kann. Wenn die Beweislast tatsächlich noch den Kunden selbst beträfe (s.o.), so ist es doch taktisch klüger den Versorger klagen zu lassen und dessen Argumentation der Angemessenheit seiner Preise zu beweifeln, oder?

Falls Teile dieser Fragen vielleicht doch schon mal beantwortet worden sind, reicht ein Link...  =)

Vielen Dank, gary

Offline berghaus

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Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?
« Antwort #3 am: 23. Januar 2008, 03:05:13 »
Ich habe einen über 30 Jahre alten Sondervertrag mit einem Anfangspreis von rd. 1,1 ct/kwh.

Ich habe auch schon seit 2006 gegen die Rechnungen ab 2005 Widerspruch eingelegt nach damaliger Musterbriefart: „....weil....die Gaspreise als unbillig nach § 315 BGB anzusehen sind. ....Sollten Sie zu einer einseitigen Preiserhöhung berechtigt sein, bindet mich eine solche nicht.  ......“

Der Anfangspreis der Abrechnungsperiode 2004/2005 betrug  rd.  3,4 ct/kwh. Auf diesen habe ich jährlich 2% draufgelegt, Abschläge selbst überwiesen,  aber wegen Unwissen, warmem Wetter und neuer Heizung nicht genug einbehalten.

Ich muss nun ab 2005 neu rechnen, Rückforderungen mit Fristsetzung (in Verzug setzen) abschicken und, so wie ich das sehe, den Anfangspreis von rd. 1,1 ct dabei zugrundelegen, und natürlich als Prozesskostenfondmitglied nach der Empfehlung von  RR-E-ft einen Energieanwalt meine Lage prüfen lassen. Bloß, wo finde ich einen, der soviel weiß wie das Forum. (Eine Empfehlung über PN wäre nicht schlecht. Raum Dortmund)

Da ich all die Jahre bis jetzt (Dortmunder Urteil?)keine Kenntnis von der Unrechtmäßigkeit der Preise hatte, (ab 2006 nur eine Vermutung!), würde mir schwindelig, wenn ich bei einem Verbrauch von über 40.000 kwh/Jahr mit ein wenig Aussicht auf Erfolg über 30 Jahre neu berechnen und verlangen dürfte. - Oder wäre ich dann auch ein Schwein? -

Allerdings macht mir folgender Passus in meinem Vertrag mit der Bezeichnung „Sonderabkommen“ ein wenig Sorge:

Die Preise der Sonderabkommen ... sind an die Tarife ...unserer ab ... gültigen Allgemeinen Tarifpreise gebunden. ....
Ist der Kunde mit einer Preisanpassung nicht einverstanden, so hat er Anspruch auf Einräumung der (etwas teureren) Allgemeinen Tarifpreise, ohne an eine Kündigungsfrist gebunden zu sein.

Habe ich nun all die Jahre jede Preiserhöhung anerkannt, weil ich von diesem (vorteilhaften?) Recht nie Gebrauch gemacht habe.

Kann mir da schon mal jemand Mut machen?
berghaus

Offline RR-E-ft

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Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?
« Antwort #4 am: 23. Januar 2008, 14:11:25 »
@berghaus

Sie sollten die Rechte und Pflichtenlage aus dem geschlossenen Energielieferungsvertrag und wegen etwaiger bisheriger Überzahlungen von einem Rechtsanwalt prüfen lassen. Wer den Energieschutzbrief des Bundes der Energieverbraucher in Anspruch nimmt, bekommt einen entsprechenden Anwalt mitgeteilt.

Durch Ausübung eigener Rechte mutiert man in keinem Fall zu einer anderen Lebensform. Selbst ein Rechtsmissbrauch ist nicht geeignet, eine entsprechende Mutation auszulösen. Um Getier ging es hier im Forum nie. Man sollte deshalb die genannte Möglichkeit nutzen. Man braucht keine Angst davor zu haben, hiernach in den Spiegel zu sehen. Wenn nicht schon vorher vorhanden, bekommt man dadurch weder Schweineohren noch etwa ein Ringelschwänzchen. Das sollte Ermutigung genug sein.  :D

Offline berghaus

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Unbedingt 3 Jahre alte Preise anzusetzen?
« Antwort #5 am: 23. Januar 2008, 14:43:22 »
Danke RR-E-ft für den Tipp und das bisschen hinter die Schweineohren.

Hatte es heute Nacht nicht mehr geschafft, an der Stelle einen diesbezüglichen Hinweis auf den Originalton von eislud in Stadtwerke Solingen - Nachtstromvertrag - letzter Beitrag vom 25.11.07 zu geben oder gar zu verlinken:

Zitat: \"Wenn sich die Versorger mit ihren Preiserhöhungen wie Schweine benehmen, müssen wir das ja nicht auch tun.\"

berghaus

 

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