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Autor Thema: Podiumsdiskussion mit SWS, ZVB und Landeskartellamt  (Gelesen 5642 mal)

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Offline ESG-Rebell

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Podiumsdiskussion mit SWS, ZVB und Landeskartellamt
« am: 09. Juli 2007, 09:22:49 »
Am Donnerstag Abend, den 28.06.2007 um 20:00 fand in Donau-Eschingen eine Podiumsdiskussion mit Vertretern des Zweckverbands, der Stadtwerke und des Landeskartellamts statt. Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung durch die örtliche FDP.

Ich weiss nicht, wie der Termin zustanden gekommen ist. Vorgesehen war eine Dauer von etwa zwei Stunden. Davon nahmen die Vorträge der Podiumsteilnehmer bereits gut 90 Minuten ein, sodass die Zeit für eine anschliessende Diskussion etwas knapp bemessen war; insbesondere auch um mehr Fragen stellen und evtl. nachfassen und etwas bohren zu können. Es wäre ohne weiteres angemessen gewesen, einen ganzen Samstag Nachmittag für eine solche Veranstaltung anzusetzen - etwas schade drum.

Herr RA Käpple hat die Veranstaltung nochmal in

http://www.vsbd-gaspreis.de/archiv/zeitungsartikel/2007/forum_290607_stellungnahme_zu_weiblen.pdf

kommentiert. Seine Ausführungen dürften nicht nur für diesen Zweckverband sondern für alle Stadtwerke relevant sein, denen eine unzulässige Quersubventionuerung oder Geldverschwendung unterstellt wird.

Podiumsteilnehmer waren:
  • Ministerialdirigent Prof. Dr. Willi Weiblen und Verena Haiser vom Landeskartellamt
  • Thorsten Frei, CDU, OB Donaueschingen
  • Herr Gottschalk, Firma Enersys
  • Rudolf Kastner, EGT, Vorstand BDEW
  • Ulrich Köngeter, ZVB und SVS
  • Rainer Simon, Gasrebell
Herr Gottschalk hielt einen Vortrag, in dem er u.a. erklärte, was Erdgas ist.
Weitere Aussagen in diesem Vortrag:
  • der deutsche Gasmarkt beträgt ca. 100 Mrd qbm, ca. 60% davon in der Hand von E.ON Ruhrgas.
  • bis 2010 ist mit einer Verdopplung des Bedarfs zu rechnen
  • unterirdische Gasspeicher in Deutschland haben eine Kapazität von ca. 19 Mrd qbm, also 19% vom Jahresbedarf entsprechend 2,4 Monate Vorrat. Neue Mitbewerber benötigen Zugang zu diesen Zwischenspeichern.
  • ausländische Anbieter können bereits anbieten, wollen aber noch nicht
(wie auch; bei überhöhten NNE und ohne Zugang zu Zwischenspeichern?)
  • Über den Preis findet ein Wettbewerb zwischen den Energieträgern statt
(wie denn, solange Öl- und Gaspreis immer noch gekoppelt sind und 79% aller Haushalte mit einem von beiden beheizt werden?)
Herr Gottschalk lieferte - versehentlich - ein weiteres Argument, dass gegen einen rein preisbestimmten Wärmemarkt spricht: Erdgas verursacht erheblich weniger Feinstaub als etwa private Holzfeuerstellen. Würden also viele Verbraucher einer Gemeinde auf Holz umsteigen wollen, könnte die Gemeinde diesen aufgrund der zu erwartenden Feinstaubbelastung eine Genehmigung verweigern.
  • die Wechselrate der Verbraucher ist noch viel zu gering
(warum wohl; wenn nur E-wie-Einfach anbietet?)
  • auf den Wettbewerbsdruck will Enersys durch Abwerben von Ölkunden reagieren.
  • durch die - nun richterlich attestierte - Existenz des Substitutionswettbewerbs Strom / Gas bzw Gas / Öl hat die gerichtliche Preiskontrolle mit §315 hoffenlich bald ein Ende. (Träum\' weiter)
  • Mit Gas befeuerte GuD-Kraftwerke (Strom und Wärme aus einem Kraftwerk) sind technisch möglich, aufgrund der hohen Gaspreise aber nicht rentabel!
Der Vortrag von Herrn Simon ist auf seiner Webseite unter VSBD verfügbar.

Sowohl Herr Köngeter (ZVB und SVS) als auch Herr Weiblen gaben an, sie könnten die Berechnungen von Herrn Simon - seines Zeichens Diplom-Kaufmann - zur Eigenkapitalrendite nicht nachvollziehen.
Die ZVB gehört drei Gemeinden und ist eine öffentlich-rechtliche Institution. Das regionale Fernrohrnetz gehört übrigens dem ZVB. Dennoch stellt  offenbar auch dieser den Stadtwerken 16% Durchleitungskosten in Rechnung, die diese an die Kunden weitergeben.

Laut Herrn Köngeter ist die ZVB unterkapitalisiert, sodass ein guter Geschäftsabschluss bereits zu einer sehr hohen, aber irreführenden Eigenkapitalrendite führen kann. Die Gewinne würden doch im Ländle verbleiben und den Gemeinden zugute kommen. Ausserdem hätte das Kartellamt die ZVB und SVS gründlich durchleuchtet und nichts zu beanstanden (Weiblen nickt zustimmend). Die Margen der ZVB und SVS seien sehr eng. Es würden nur Kosten weitergegeben. Eine  Billigkeitsprüfung nach §315 sei bei Erhöhungen nun vom Tisch. Kunden könnten ja zu E-wie-Einfach wechseln.

Der OB von Villingen-Schwenningen, Herr Thorsten Frei (CDU) argumentierte, der ZVB habe in den Jahren vor dem von Herrn Simon untersuchten Zeitraum (1985 bis 2002) hohe Investitionen getätigt und kaum Erlöse erwirtschaftet. Daher hätte der ZVB ein Recht darauf, danach - ohne Obergrenze - Gewinne zu machen. Durch die Ausschüttung der Gewinne an die Mitglieder des ZVB (also die Gemeinden) bliebe das Geld ja in der Region und werde für die Bürger investiert.

Was denn die ZVB tue, um den hohen Bezugskosten bei der GVS zu entgehen und ob sie sich ihrerseits bereits mit Unbilligkeitseinwand gegen ihren Vorlieferanten GVS gewehrt hätten?
Antwort: Schulterzucken und das Versprechen, den Vorlieferanten zu wechseln, sobald dies möglich sei; vielleicht in zwei bis drei Jahren.

Ministerialdirigent Prof. Dr. Willi Weiblen, der oberste Landeskartell- und Landesregulierungsbeamte betonte zunächst die Neutralität seiner Behörde und wies Äußerungen zur Petition mit Hinweis auf das bereits laufende Verfahren zurück.
In der Diskussion lies er sich jedoch zu Einlassungen provozieren und äußerte seine Einstellung dabei schon recht deutlich. Er warb für die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen, die 2007 bis 2009 in Kraft treten werden (Preiskontrolle, Kartellrechtsverschärfung, Anreizregulierung, verbesserter Netzzugang, evtl. Netzunbundling).
Seine Behörde habe bereits begonnen, die Gasanbieter auf Landesebene zu prüfen und mache einen sehr guten Job. Er bat um Verständnis dafür, dass es seine Zeit dauere, bis alle GVU überprüft seien.
Zur ZVB sagte Weiblen: \"Bundesrecht bricht Landesrecht; egal was in der ZVB-Satzung steht.\" sowie \"Eigenkapitalverzinsung ist Quatsch.\"

Die Gaspreise der geprüften Stadtwerke setzen sich laut Weiblen wie folgt zusammen:
  • 50% Bezugskosten Vorlieferant (hier: GVS)
  • 29% Steuern und Abgaben
  • 16% Netzkosten
  • 5% Vertriebskosten

Der anwesenden ZVB und SVS erteilte er zugleich eine Absolution. Diese seien überprüft worden und eine Geldmacherei ausgeschlossen. Sie würden nur die Preise der GVS weiterleiten. Für die GVS wiederum sei aber das Bundeskartellamt zuständig.

Wann denn mit einem wettbewerbsfähigen Netznutzungsentgelt zu rechnen sei? Antwort - frei nach Weiblen: \"Keine Ahnung. Jedenfalls nicht vor 2009\".

Herr Kastner zur Rolle der EGT:
Die EGT ist ein potentieller Mitbewerber des ZVB, bietet aber noch kein Gas an, weil der Gasmarkt noch nicht genug liberalisiert ist. Die EGT prüft derzeit die Absatzmöglichkeiten für Gas und verkauft dieses Jahr 500 Mio kWh Gas.
Die Netznutzungsentgelte sind nicht hauptentscheidend für mehr Wettbewerb, sondern
  • ausreichend liquide Gasmengen an den Marktpunkten
  • Zugang zu den Gasspeichern für Dritte
Die ausländischen Weltkonzerne (BP, Shell, ...) bestimmen das Preisgefüge in Deutschland. Die \"großen Vier\" sind im Vergleich mit diesen nur kleine Lichter. Man darf bei der Betrachtung der Profite nicht die Geschäftsbereiche Strom und Gas vermischen.
(Dann müsste sich der Leidensdruck der \"großen Vier\" durch die hohen Bezugskosten doch auch in mageren Profiten und Konzernergebnissen äußern. Aber nicht nur das Strom-, sondern auch das Gassegment der EnBW AG schneiden seit Jahren hervorragend ab.)
In absehbarer Zeit werden die Russen ohnehin - bildlich gesehen - den \"Hebel\" jeweils nach Osten oder Westen drehen, je nachdem ob die Chinesen oder Europäer mehr zu zahlen bereit sind. Einen Ölpreis von über 100$/Barrel hält Kastner auch langfristig für möglich.

Auf die konkrete Frage, was ein Kunde den tun könne, kam vom Podium die einhellige Antwort (sinngemäß): \"Nun verlassen Sie sich mal darauf, dass die beschlossenen Maßnahmen Wirkung zeigen und dadurch andere Anbieter (außer E-wie-Einfach) auf dem Gasmarkt auftreten werden.\"

In einem Nebensatz erwähnte Herr Weiblen und seine Mitarbeiterin:
\"Uns ist schon klar, dass wir ein Problem haben, wenn an der Leipziger Börse so wie derzeit im wesentlichen nur zwei Stromanbieter liquide Kapazitäten anbieten.\"

Das gesamte Podium - einschliesslich Herr Weiblen - ließen Herrn Simon deutlich spüren, dass seine Petitions-Aktion doch nur eine \"zwecklose Ultima Ratio\" sei. Insofern braucht man keine große Phantasie, um den Inhalt der Stellungnahme des Kartellamts an den Landtag vorauszuahnen.

Resumee der Kernbotschaften:
Zweck der Veranstaltung: Den Ball flach halten und den Unmut der Gaskunden besänftigen.
  • Eine Petition ist Zeitverschwendung.
  • Das Kartellamt macht einen sehr guten Job - das wird schon irgendwann Wirkung zeigen.
  • Die regionalen GVU sind keine Kostentreiber sondern auch nur Opfer ihrer Vorlieferanten.
  • Auch die überregionalen GVU sind keine Kostentreiber, sondern die ausländischen Großkonzerne. Die \"großen Vier\" sind im Vergleich dazu auch nur kleine Lichter.
  • Innerhalb von Deutschland kann ein Wettbewerb derzeit nur um 0,4 Cent/kWh entbrennen; der Rest ist fremdbestimmt oder fix.
  • ZVB und Stadtwerke dürfen soviel Gewinn machen, wie sie wollen.
  • Wettbewerb wird sich einstellen, wenn genügend liquide Kapazitäten an der Leipziger Gasbörse angeboten wird und die Gasspeicher Mitbewerbern zur Verfügnung stehen.
  • Was die GVU fordern ist deshalb natürlich zu zahlen, bis sich ein Wettbewerb irgendwann einstellt.
Am 14. August soll über diese und evtl. andere Veranstaltungen in der Sendung Frontal21 berichtet werden. Mal sehen, welche Lesart dieser Bericht haben wird.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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Podiumsdiskussion mit SWS, ZVB und Landeskartellamt
« Antwort #1 am: 09. Juli 2007, 10:52:51 »
@ESG- Rebell

Kein einziger Versorger ist mehr verpflichtet, seinen gesamten Bedarf bei einem Vorlieferanten aufgrund eines Langfristvertrages zu decken, da solche Verträge kartellrechtswidrig und nichtig sind.

Viele Gasversorger haben  ihren Bezug bereits diversifiziert und beziehen das Gas nun gegenüber den alten Bezugsverträgen deutlich günstiger. Hinzu treten die durch die Regulierung abgesenkten Netzkosten.

Die gesunkenen Kosten müssen beim Verbraucher ankommen.

Viele bisherige Argumente der Gaswirtschaft haben sich längst überlebt.

Offline ESG-Rebell

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Podiumsdiskussion mit SWS, ZVB und Landeskartellamt
« Antwort #2 am: 09. Juli 2007, 11:48:04 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@ESG- Rebell
Kein einziger Versorger ist mehr verpflichtet, seinen gesamten Bedarf bei einem Vorlieferanten aufgrund eines Langfristvertrages zu decken, da solche Verträge kartellrechtswidrig und nichtig sind.
Viele bisherige Argumente der Gaswirtschaft haben sich längst überlebt.

Das ist mir sehr wohl bekannt.

Dies hindert die GVU freilich nicht daran, diese Argumente weiterhin herunterzubeten.

Meine Frage nach einem Unbilligkeitseinwand gegenüber der GVS enthielt übrigens auch den Hinweis darauf, dass der ZVB aus vertragsrechtlichen Gründen ja dazu verpflichtet sei um sich nicht selbst haftbar zu machen.

Dieser Aspekt wurde in der Antwort von Herrn Kastner und Herrn Köngeter beflissendlich übergangen.

Ärgerlich finde ich die \"Schützenhilfe\" seitens des Landeskartellamts. Dieses entlässt die Endverteiler vollständig aus ihrer Verantwortung.

Gruss,
ESG-Rebell.

 

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