Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: BGH lehnt richterliche Kontrolle von Strompreisen ab - VIII ZR 144/06 vom 28. März 2007  (Gelesen 11544 mal)

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Offline Fidel

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Offline RR-E-ft

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@Fidel

Die Überschrift muss zutreffend heißen:

Bundesgerichtshof:

Vertraglich vereinbarte Preise  unterliegen keiner gerichtlichen Billigkeitskontrolle, auch wenn sie Stromlieferungen betreffen.


So war es indes schon immer:

Der BGH hatte bereits in einem früheren Urteil (NJW-RR 1990, 1204) die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB selbst einer mit einem monopolistischen Stromversorger getroffenen vertraglichen Preisvereinbarung abgelehnt, so dass dies bei fehlender Monopolstellung offensichtlich erst recht gelten muss. (vgl. Energiedepesche Sonderheft, S. 4)

Insoweit ist an dem Urteil vom heutigen Tage überhaupt nichts Neues, nichts Überraschendes.

Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle setzt nun einmal voraus, dass eine dazu berechtigte Vertragpartei den vom anderen Vertragsteil zu zahlenden Preis einseitig festgelegt hat.

Wo kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, ist der Versorger nicht berechtigt, die Preise einseitig (neu) festzulegen und bedarf der Kunde deshalb auch keines Schutzes einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Wo hingegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wirksam vereinbart wurde, findet auch eine Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB statt, ohne dass es dafür auf eine Monopolstellung ankommt.



Der BGH hat tatsächlich vollständig an seiner langjährigen Rechtsprechung festgehalten:


http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2007&Sort=3&nr=39353&anz=40&pos=0&Blank=1

Zitat
Die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Parteien nicht vereinbart haben, dass die Klägerin die Leistung einseitig zu bestimmen hat. Sie haben vielmehr konkret festgelegt, welche Leistung der Beklagte zu erbringen hat.



Voraussichtlich kein Grundsatzurteil des BGH zu Strompreisen


Nach der Rechtsprechung des BGH waren immer schon nur einseitige Preisfestlegungen, die also nicht Gegenstand einer Einigung der Parteien über den Preis waren, gerichtlich überprüfbar.

Nach der Rechtsprechung des BGH unterlagen also noch nie Energiepreise generell der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB, sondern nur solche, die nach der Einigung der Parteien vom Energielieferanten einseitig bestimmt werden sollten in direkter Anwendung des § 315 BGB, weiterhin aufgrund einer Monopolstellung faktisch einseitig bestimmte Preise in analoger Anwendung des § 315 BGB.

Gegenstand des Urteils ist, dass die in einem Sondervertrag vertraglich vereinbarten Strompreise keiner Billigkeitskontrolle (mehr) unterliegen, weil es an der Monopolstellung fehlt.

Dass Preise von Versorgungsunternehmen, die nicht Gegenstand einer Einigung der Parteien wurden, mithin vom Versorger einseitig bestimmt wurden, einer Billigkeitskontrolle unterfallen, hatte der BGH in seinen Urteilen vom 15.02.2006 (NJW 2006, 1667, 1670 Rn. 28 ff.) und vom 11.10.2006 (VIII ZR 270/05 Rn. 18 f.) wiederholt bestätigt.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den einseitig bestimmten Energiepreisen um Fernwärmepreise, Gaspreise oder Strompreise handelt.

Soweit die Strompreise im konkreten Fall einseitig bestimmt sein könnten, weil der Sondervertrag etwa zum 31.04.2002 durch Kündigung endete und damit auch die Einigung der Parteien auf einen dann weiter zu zahlenden Strompreis nicht mehr bestand, hat der BGH das Verfahren an das LG Potsdam zurückverwiesen.

Über die eigentliche Frage hat er also noch nicht entschieden, sondern diese weiter offen gelassen.

Deshalb ist die verkürzte Darstellung und sind die entsprechenden Überschriften einfach nur Unverstand geschuldet.

Worum es im konkreten Fall ging:

Voraussichtlich kein Grundsatzurteil des BGH zu Strompreisen



Eine Rechtsprechung des BGH, wonach vertragliche Strompreise generell einer Billigkeitskontrolle unterlägen, bestand auch bisher nicht.

Vielmehr traf dies nur auf Tarifkunden gegenüber einseitig festgelegten Stromtarifpreise zu (BGH NJW 2003, 1449), wenn diese nicht Gesgenstand einer Einigung der Parteien wurden und den Preisen deshalb von Anfang an die Richtigkeitsgewähr fehlte, die generell aus einer Einigung der Parteien bei Vertragsabschluss über das zu zahlende Entgelt folgt.

Daran hat sich nichts geändert.


Entscheidend ist der zweite Teil des heutigen BGH- Urteils:

Ein vertraglicher Zahlungsanspruch eines Energieversorgungsunternehmens besteht nicht allein deshalb, weil das EVU dem Kunden einen Betrag für Energielieferungen in Rechnung gestellt hat. Dies ergibt sich auch nicht aus § 30 AVBEltV.

Den gerichtlich geltend gemachten Zahlungsanspruch für die Stromlieferungen ab dem dem 01.05.2002 hatten das Amts- und das Landgericht Potsdam bisher unzureichend geprüft und deshalb bisher zu unrecht der Zahlungsklage des Versorgers statt gegeben.

Nun hat das Landgericht Potsdam einen solchen erst zu prüfen.


Offline kamaraba

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Zitat
Allerdings hält VZBV-Fachmann Krawinkel den von den Gaskunden praktizierten Zahlungsboykott nicht mehr für zeitgemäß. «Der Wettbewerb im Gasmarkt ist im Entstehen. Heute können die Kunden deshalb nicht mehr argumentieren wie vor einem Jahr. Steigen die Preise, sollten die Kunden den Anbieter wechseln. Zahlungsverweigerung ist im Wettbewerb kein Mittel.»

Wessen Interessen vertritt der "Fachmann" Krawinkel  :oops:
Ist der auch schon gekauft  :?:
Welchen Wettbewerb meint dieser Mann  :?:

Wenn ich sowas lese  :twisted:  :twisted:  :twisted:  :twisted:
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
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Offline RR-E-ft

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@kamaraba

Kein Grund zum Aufregen.


Sicher ist Herrn Kollegen Krawinkel nicht bekannt oder aber entfallen, dass Verbraucherverbände im einzelnen und ein Verband im besonderen von Verbrauchern abgetretene Rückforderungsansprüche infolge unbillig überhöhter Strompreisforderungen nach 2000 auf dem Gerichtswege gegen Stromversorger verfolgt, was also gerade der Politik der Verbraucherverbände entspricht.

Die betroffenen Kunden wurden vom Verbraucherverband  gerade nicht darauf verwiesen, sich einen anderen Stromversorger zu suchen. :wink:

Zudem hat Herr Kollege Krawinkel ja in Berlin bei den Gaslieferanten die große Auswahl. Möglicherweise hat er vergessen, dass vielerorts immer noch nur Marktbeherrscher E.ON und dessen Kunden als Lieferanten zur Verfügung stehen.

Vielleicht ist er selbst auch gar kein Gaskunde und ist deshalb nicht betroffen. :wink:

Juristen wissen:

Fehlt in einem Energielieferungsvertrag eine wirksame Preisänderungsklausel und ist kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart, kann der Lieferant die Preise im laufenden Vertragsverhältnis  überhaupt nicht einseitig erhöhen. Besteht ein vertragliches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, findet auch die Billigkeitskontrolle statt, ist bis zum Billigkeitsnachweis insoweit nichts fällig.

Dies gilt vollkommen unabhängig davon, ob es Wettbewerber gibt.

Offline kamaraba

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@RR-E-ft

Sorry, aber da ging bei mir absolut der Gaul durch (Blutdruckthema) :wink:
Trotzdem, wie kann man überhaupt so eine Aussage tätigen :?:
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
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Offline RR-E-ft

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@kamarba

Einigen Verbrauchern platzt die Hutschnur, weil sie denken, der BGH habe sie der Abzocke als Freiwild freigegeben, weil sie vom zweiten Teil des Urteils bisher schlicht nichts erfahren haben:

http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~E36FF03F9392D4B81AEF95232D3B413BD~ATpl~Ecommon~Skomlist~Ak~E62755.html

Offline Cremer

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@kamaraba,

mir war dies Dank der hier heute erläuternden Worte in den Threads "Energiepolitik" als auch "Grundsatzfragen" von Herrn Fricke äußerst klar und verständlich von ihm zum widerholten Male dargelegt worden.

Besser kann man es nicht machen !!
MFG
Gerd Cremer
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Offline RR-E-ft

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@Cremer

Man muss eben folgenden Hintergrund kennen:


Bei Vertragsabschluss hatte sich der Kunde mit dem Versorger auf einen konkreten Preis geeinigt, wozu er nicht gezwungen war. Diese Einigung hindert eine gerichtliche Billigkeitskontrolle: Gerichte sind nicht klüger als die Partner bei Abschluss eines Vertrages, was wohl der "richtige" Preis sei.

Zugleich hat der BGH klar gemacht, dass für die Stromlieferungen ab dem 01.05.2000 ein vertraglicher Zahlungsanspruch nicht allein deshalb besteht, nur weil E.ON für die weiteren Lieferungen eine entsprechende Rechnung gestellt hatte.

Es kommt vielmehr darauf an, ob der alte Vertrag zum vereinbarten Preis fortbesteht, ob ggf. dessen Preis infolge eines einseitigen und somit kontrollierbaren (!) Leistungsbestimmungsrechts erhöht werden durfte oder ob infolge eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts etwa ein vollkommen neuer Vertrag zustande kam, dessen Anfangspreis dann ebenfalls einseitig bestimmt und deshalb kontrollierbar (!) wäre.

Gerade damit macht der BGH deutlich, dass der Kunde keinem Preisdiktat ausgesetzt ist, nicht jedwede Verbrauchsabrechnung zu diktierten EVU- Wunsch- Preisen zu zahlen hat. Leider berichtete die Presse über diesen zweiten Teil der Entscheidung zu wenig. Die Rechtsprechung änderte sich nicht.

@kamaraba

Statt mit Herrn Kollegen Krawinkel weiter zu schmollen, können Sie doch gern Kontakt zu diesem aufnehmen.

http://www.unendlich-viel-energie.de/fileadmin/Holger_Krawinkel_vzbv.pdf

Offline kamaraba

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Herr Fricke,

das habe ich bereits mit meinem dicken Hals gestern abend schon
gemacht..... :idea:
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Offline RR-E-ft

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@kamaraba

Bei Mumps (Ziegenpeter) sollen u.a. Halswickel helfen. :wink:

http://www.netdoktor.de/krankheiten/mumps-erwachsene-therapie.htm

Offline kamaraba

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@RR-Eft

Es gibt auch noch andere Mittel. :lol:
http://de.wikipedia.org/wiki/Abf%C3%BChrmittel

Das geht schneller.....
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
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Offline zimpel

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Ich habe im Zusammenhang mit dem o.a. Urteil zwei Fragen:

Wodurch ist eine Einigung der Vertragsparteien auf einen Preis konkret gekennzeichnet (oder im Gegensatz dazu eine einseitige Leistungsbestimmung)?

(Habe auch einen Wärmespeicherstrom-Sondervertrag, da war der Preis in die mir zur Unterschrift vorgelegten Exemplare in das Formular eingetragen. Ich habe den Sondervetrag seinerzeit unterzeichnet, aber ohne jede Verhandlungen. Es wurde auch nie gesagt, dass der Tarif des Sondervertrages zu verhandeln sei.)

Für Wärmespeicherstrom gibt es noch keine überregionalen Anbieter. In der Regel kann man diese Produkte nur vom regionalen Versorger beziehen. Ist dies eine Monopolstellung?

(Mein Versorger sagt, dass ich doch in den Grundtarif gehen kann und dort die Wahl zwischen mehreren Anbietern habe. Dass mir ein günstiger Sondertarif angeboten wurde, könne dem Versorger nicht zum Nachteil gereichen. Außerdem bestünde ein Wettbewerb mit den anderen Energieträgern wie Öl und Gas, weshalb es keine Monopolstellung gäbe.  :twisted: Mich wundert, dass mir noch nicht vorgeschlagen wurde, mein Haus zu verkaufen und mich dort anzusiedeln, wo der Versorger mit dem für mich günstigsten Tarif agiert...)
--
Danke und viele Grüße.

Offline Cremer

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@zimpel,

Wärmespeicherstrom ist nur vom örtlichen Netzanbieter erhältlich.

Damit ist dies eine Monopolstellung, auf welchem der § 315 anwendbar ist.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline RR-E-ft

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@Cremer

Unterlassen Sie bitte solche unqulifizierten Schnellschüsse.

§ 315 BGB ist auf keine Monopolstellung anwendbar.


@zimpel

Herr Cremer hat bis heute offen gelassen, welche rechtswissenschaftliche Fakultät er besucht hat....
Wenn es so einfach wäre, bräuchte es keiner Juristen mehr.


Wenn in diesem schriftlichen Sondervertrag ein Preis vereinbart wurde, dann ist dieser nicht einseitig festgelegt, sondern Gegenstand der Vertragsvereinbarung geworden, so wie in dem vom BGH nun entschiedenen Fall.

Eine Überprüfung des vereinbarten Vertragspreises scheidet deshalb aus.

Überprüfbar bleiben aber einseitige Preiserhöhungen nach Vertragsabschluss im laufenden Vertragsverhältnis.

Solche setzen voraus, dass dem Lieferanten überhaupt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wirksam eingeräumt wurde. Zumist fehlt es an einem solchen wirksam eingeräumten Recht. Preisänderungsklauseln in den AGB von Sonderverträgen unterliegen dem § 307 BGB.

Andernfalls verbleibt es bis zur Vertragsbeendigung bei dem bei Vertragsabschluss einmal vereinbarten Preis.

Wie der BGH bereits in seinem Urteil (NJW-RR 1990, 1204) entscheiden hatte, sind  Preise, welche auf einer Einigung bei Vertragsabschluss beruhen, auch dann nicht überprüfbar, wenn der eine Teil als Stromversorger eine Monopolstellung hat.

Nur einseitig festgelegten Preisen fehlt die "Richtigkeitsgewähr", die sonst aus der Einigung der Parteien darüber folgt.

Gibt es also die "Richtigkeitsgewähr" durch eine Einigung, scheidet eine Billigkeitskontrolle aus.

Besteht indes ein wirksam vereinbartes Leistungsbestimmungrcht des Lieferanten im Vertrag und übt er dieses aus, in dem er die Preise einseitig neu festlegt, so muss der erhöhte Preis der Billigkeit entsprechen, was gerichtlich überprüfbar ist.  

Auch Energiepreise sind nur soweit gerichtlich überprüfbar, wie sie einseitig festgelegt wurden und nicht Teil einer Einigung sind.

 

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