Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Sondervertragskunde und § 315 BGB
Free Energy:
Hallo eislud,
vielen Dank für Deine ausführliche Erklärung !
Jetzt habe ich diese Konstruktion (denke ich) verstanden ! :wink:
Natürlich könnten wir uns alle auch an einen Rechtsanwalt wenden, aber dann brauchten wir eigentlich dieses Forum nicht, oder ?
Wie man ja hier sieht, ist bei näherer Betrachtungsweise eben nicht immer alles sofort so klar. Dafür sind die Laien einfach zu unerfahren. :roll:
Da hilft es dann doch sehr, wenn andere Sachkundige mal etwas Licht ins Dunkel bringen. :D
So weis ich in diesem Fall auch nicht, ob hier eine Kürzung auf die Preise von 2004 im Grundtarif möglich ist, wenn der Kunde z. Bsp. erst 2005 oder 2006 diesen aus meiner Sicht seltsamen "Sondervertrag" abgeschlossen hatte.
Wir haben hier in diesem Zusammenhang aber noch eine andere komische Sache :
Die nach dem gleichen Muster gestrickten "Stromsonderverträge" dieses EVU wurden zu Ende 12/2006 gekündigt. Jetzt wurden neue geänderte "min-Max" Sonderverträge Strom angeboten, schau mal hier:
http://www.stadtwerke-ahaus.de
Ist das nicht eine unzulässige Änderungskündigung des alten Vertrages ?
Der alte Vertrag sah allerdings so aus, wie der schon beschriebene Gassondervertrag, der sich ja auf die Preise des Grundtarifes bezog und somit ja eigentlich kein "echter" Sondervertrag war.
Wie siehst Du das ?
Gruß
Free Energy
eislud:
@Free Energy
--- Zitat von: \"@Free Energy \" ---Natürlich könnten wir uns alle auch an einen Rechtsanwalt wenden, aber dann brauchten wir eigentlich dieses Forum nicht, oder ?
--- Ende Zitat ---
Sollte das weiter oben so erwähnt sein, ich habe nicht nachgesehen, dann zielt das sicherlich darauf ab, dass jeder Fall eines Versorgers und auch eines Verbrauchers einzigartig ist. Im Forum können nicht wirklich alle Details betrachtet und beachtet werden. In der Regel wird sogar nur ein kleiner Ausschnitt eines Falles behandelt, weil ja gar nicht alle Daten vorliegen. Sofern man sich also nicht sicher ist, sollte man durchaus in Erwägung ziehen, auch mal einen spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen. Insbesondere auch dann, wenn es sich um eine große Gruppe von Personen handelt, die gleichen oder zumindest ähnlichen Erklärungsbedarf haben.
--- Zitat von: \"@Free Energy \" ---So weis ich in diesem Fall auch nicht, ob hier eine Kürzung auf die Preise von 2004 im Grundtarif möglich ist, wenn der Kunde z. Bsp. erst 2005 oder 2006 diesen aus meiner Sicht seltsamen "Sondervertrag" abgeschlossen hatte.
--- Ende Zitat ---
Bei einer solchen Vertragskonstellation mit Bezug auf die Preise des allgemeinen Tarifes, kommt wie beschrieben der § 315 auf die gesamte Preisfestsetzung zur Anwendung, so wie bei einem Tarifvertrag. Ein Anfangspreis ist ja auch nicht vereinbart.
Es ist also nichts fällig bis die Billigkeit entsprechend nachgewiesen oder ein billiger Preis vom Gericht festgesetzt wurde. Es muss also vorerst nichts gezahlt werden.
Wenn man irgend einen Betrag zahlen will, obwohl er nicht fällig ist, dann liegt die Höhe des Betrages in eigenem Ermessen. Ich würde in diesem Fall ausschließlich darauf achten, dass ich die Höhe der Zahlung in irgendeiner Weise begründen oder herleiten kann, angemessen wird die Zahlung ja eher nicht sein.
Das heißt, ich würde mir eine plausible Erklärung schaffen, warum ich einen bestimmten Preis und keinen anderen zahle. Ich möchte also nicht zum Beispiel einem Richter erklären müssen, dass ich den Daumen nach oben gestreckt habe, ihn in mehrmaliger Procedur langsam zuerst nach links und dann nach rechts bewegt habe, um den zu zahlenden Preis zu ermitteln.
Warum anstatt eines Preises, der sich 2004 aus dem Vertrag ergeben hätte, lieber der um mehr als 3% höhere Preis laut allgemeinem Tarif gezahlt werden soll, kann ich im Moment nicht nachvollziehen.
Liegt es daran, dass es 2004 das Vertragsmodell noch nicht gab?
Welche Begründung oder welche Idee gibt es denn dafür?
--- Zitat von: \"@Free Energy \" ---Die nach dem gleichen Muster gestrickten "Stromsonderverträge" dieses EVU wurden zu Ende 12/2006 gekündigt. Jetzt wurden neue geänderte "min-Max" Sonderverträge Strom angeboten, schau mal hier:
http://www.stadtwerke-ahaus.de
Ist das nicht eine unzulässige Änderungskündigung des alten Vertrages ?
--- Ende Zitat ---
Ich gehe davon aus, dass dieser Strom-Sondervertrag gemeint ist?
http://www.stadtwerke-ahaus.de/min-MAX_Strom.htm
Solange sich der Versorger an die Kündigungsfristen und die notwendigen formalen Dinge gehalten hat, die es bei einer Kündigung zu beachten gibt, sollte die Kündigung meines Erachtens gerechtfertigt sein. Vielleicht ist es einfach so, dass der Versorger das alte Vertragsmodell nicht mehr verwenden möchte. Also kündigt er alle solchen Verträge fristgerecht und formal richtig und bietet jedem ein neues Vertragsmodell an. Meines Erachtens ist das völlig in Ordnung.
Man kann das natürlich aus der Ferne nur schwer beurteilen.
Das spiegelt natürlich alles nur meine persönliche Meinung wieder und ich bin auch nur einer von den Laien, die ihr vielfach nicht sachkundiges Wissen, ähh Unwissen, unter die Leute bringen. :mrgreen:
Gruss eislud
Kampfzwerg:
--- Zitat von: \"eislud\" ---@Free Energy
Entscheidend ist hier meines Erachtens, dass die Preisvereinbarung nicht individuell ausgehandelt wird.
Das ist natürlich zuerst einmal verwirrend, weil es sich ja mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Sondervertrag handelt (wie ja @RuRo schon ausgeführt hat) und wir gelernt haben, dass bei einem Sondervertrag der § 315 eben regelmäßig nicht zur Anwendung kommt.
Dies hier ist ein Ausnahmefall - keine Regel ohne Ausnahme.
Ich war beim ersten Durchlesen des Urteils des OLG Karlsruhe 7 U 194/04 [7-U-194-04] auch etwas verblüfft, dass tatsächlich für einen Sondervertrag der § 315 angewendet wurde. Meines Erachtens handelt es sich bei Ihnen um einen absolut vergleichbaren Fall.
Bitte schauen Sie sich mal das Urteil des OLG Karlsruhe 7 U 194/04 vom 28.06.2006 an. Dort den Punkt II.1.c. Hier ein Auszug:
... Die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB scheidet entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb aus, weil die Preisvereinbarung individuell ausge-handelt wurde oder individuell hätte ausgehandelt werden können. Es mag zwar zutreffen, dass die Beklagte als Energiedienstleistungsunternehmen ein Sonder-vertragskunde war. Die Möglichkeit über die Preiskonditionen zu verhandeln be-standen aber weder für die Beklagte beim Vertragseintritt noch für die früheren Vertragspartner (*.* GmbH und *.* GmbH), wie sich aus den zwischenzeitlich vor-gelegten Normsonderverträgen ergibt. Vielmehr gewährte die Klägerin Abneh-mern mit einer jährlichen Liefermenge ab *.* kWh einen Rabatt von 5 % auf den allgemeinen Erdgastarif 2 (Anl. K9). Dieser Tarif wurde aber einseitig von der Klägerin festgesetzt und verändert wie ein Vergleich der Entgelte ab 01.05.2002 und ab 01.01.2003 (Anl. K 5 und K 6) belegt. Gegen die Verhandlungsbereit-schaft der Klägerin spricht auch ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dort räumt sie selbst ein, dass Leistung und Gegenleistung der Erstlieferungsverträge nicht indi-viduell, sondern generell bestimmt waren und spricht von Preisvorgabe - allge-meiner Tarif abzüglich 5 % Rabatt - der nicht zur Disposition gestellt werden konnte. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte freiwillig in die bestehenden Verträge eingetreten ist und bei Vertragseintritt keinen Vorbehalt hinsichtlich der Entgeltbestimmung erklärt hat (BGHZ 164, 336, 339 ff.)...[/list:u]
--- Ende Zitat ---
@all ........ (:wink: an eislud)
Jeder Sondervertragskunde sollte sich m.E. zunächst einmal seinen
1. Vertrag und
2. die Anworten der EVU auf den Widerspruch
ganz genau ansehen!
(ggf. alle Unterlagen in Kopie vom Versorger anfordern)
Und zwar aus unterschiedlichen Gründen!
Die roten Markierungen im Beitrag von eislud sind von mir und nach meiner Meinung absolut wichtig.
Eine generelle Aussage, wie denn nun mit §315 und §307 zu argumentieren ist, kann man nämlich nicht für alle Fälle treffen, es kommt ganz entscheidend auf den Einzelfall an.
Daher ist eine "offizielle" Rechtsberatung auch oftmals durchaus sinnvoll.
Wie von Herrn Fricke des Öfteren empfohlen :wink:
Definitv falsch ist aber eine Aussage, nach der § 315 bei Sondervertragskunden generell nicht zur Anwendung kommt!
(siehe Ausgangsbeitrag - im Vgl. mit OLG Karlsruhe)
Zunächst heisst es ja lt. BGB zu
315 "Bestimmung der Leistung durch eine Partei"
Dann folgt
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Soll sie aber nicht, weil der Abschluss eines SV und Preisänderungsklauseln in denselben sonst wohl auch wenig Sinn machen würden. Ergo fehlende Berechtigung.
Dann folgt
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
Und dieser Satz könnte sich als gesicherte Handgranate erweisen, die der Versorger dem Kunden unbeabsichtigt an den Kopf geworfen hat und dieser jetzt nur noch entsichern und zurück ins gegnerische Feld werfen muss!
siehe noch einmal die Beiträge von RR-E-ft :wink:
ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite
Deshalb eingangs die Aufforderung, sich auch die Antworten der Versorger noch einmal genau anzusehen.
Wie Herr Fricke es schon auf den Punkt brachte: Viele Versorger wissen inzwischen schon selbst nicht mehr, welcher Art denn der Vertrag nun ist.
Noch besser ist aber, dass sie sich auch nach dem ersten Widerspruch überhaupt nicht die Mühe machen das herauszufinden bevor sie antworten.
Deshalb findet man in den Antworten und Textbausteinen die üblichen Verdächtigen: Ölpreisbindung ...
Fazit: Das EVU trägt mächtig dazu bei, die Unsicherheit Bin ich? oder bin ich nicht? SV-Kunde zu verstärken.
Man kann aber auch Munition folgender Art finden:
Sie, als Haushaltskunde, dagegen werden zu Preisen beliefert, die einseitig durch uns bestimmt werden
neben den Bedingungen aus diesem Vertrag gelten
M.E. ist das Verhalten seitens des EVU in solchen Fällen grob fahrlässig, beruht auf mangelnder Sorgfalt und stellt eine Täuschung durch Falschangaben dar, die sich z.B auf Verjährungsansprüche bei Rückforderungen auswirken könnte?
Schliesslich wird der Verbraucher durch Falschangaben davon abgehalten bzw. gezwungen
1. die rechtmäßig geschuldete Leistung zu erbringen, da er diese gar nicht kennt
2. hohe Überzahlungen zu leisten, an denen sich das EVU ungerechtfertigt bereichert
2. seine Rückforderung zeitlich genug geltend zu machen und auch durch die Verjährungsfrist einen noch höheren Schaden erleidet, als er ohnehin schon bestand
Es wäre interessant, zu diesen Hypothesen einmal eine fundierte Meinung unserer Rechtsexperten zu erhalten. 8)
zurück zu 315:
1. Viele Verbraucher (z.B. Hausbesitzer, womöglich sogar auch noch als Eigentümergemeinschaft) sind in bereits bestehende Versorgersonderverträge eingetreten, d.h. sie haben selbst keine Unterschriften geleistet und hatten auch keine Möglichkeit der Einflussnahme auf den Vertrag.
(wir erinnern uns: zweiseitige Willenserklärung)
Beispiel:
Ein Bauträger schliesst den Sondervertrag mit dem EVU.
In den vorformulierten Sonderbedingungen sind die Preise benannt, d.h. auch der Bauträger hatte keine Möglichkeit diese Preise individuell zu vereinbaren.
Zudem ist der Vertrag während der ersten 10 J. unkündbar. (Bedingung).
Nun wird das fertiggestellte Haus schlüsselfertig, inklusive Gasanschluss, innerhalb der erwähnten 10 Jahre verkauft.
Der Käufer hatte somit weder Einfluss auf die Art der Energieversorgung, noch auf den Vertrag des Bauträgers mit dem EVU, ist aber mit dem Hauskauf in dessen bestehenden Vertrag eingetreten.
§315 kommt zur Anwendung. (vgl. OLG Karlsruhe)
2. Weiterhin sind die Preisänderungsklauseln in den vorformulierten Sonderbedingungen gem. §307 unwirksam.
In meinem o.g. Bespiel kommen also sowohl 315 als auch 307 in Betracht.
3. Nun stellt sich dem Verbraucher/Hauskäufer die Frage, welche Leistung geschuldet ist.
Nach der Anwendung von 315 zunächst einmal keine, da die Forderung dann insgesamt unverbindlich wäre.
Da aber auch 307 greift und die Preise in den Sonderbedingungen benannt sind und in einen bestehenden Vertrag eingetreten wurde, kann nur bis zu den in den Sonderbedingungen benannten Preisen gekürzt werden.
Dabei ist es m.E. völlig unerheblich, wann der Vertrag geschlossen bzw. übernommen wurde bzw. wann Widerspruch eingelegt wurde.
Wichtig ist nur, dass eine entsprechende Kürzung nach Widerspruch vorgenommen wird.
Entscheidend ist m.E., dass einerseits keine Möglichkeit der Einflussnahme vorlag, also 315 , und andererseits die Preisänderungsklauseln unwirksam sind, also 307.
Wenn also, wieder beispielsweise, 1990 der Vertrag mit dem Bauträger geschlossen wurde und 1991 der Eintritt in den bestehenden Vertrag erfolgte und 2004 Widerspruch eingelegt wurde, sind die in den Sonderbedingungen benannten Preise von 1990 massgeblich.
Egal wann der Widerspruch erfolgte, aber erst danach wird gekürzt.
Und zurück gefordert, aber d a s Thema ist wieder ein anderes :wink:
Allen SV-Kunden seien daher die von Herrn Fricke kommentierten Urteile des OLG Karlsruhe und LG Bonn noch einmal ans Herz gelegt!
Diese Frage von Free Energy habe ich aber zugegebenermaßen überhaupt nicht verstanden!:
"Angenommen er war schon 2004 Sondervertragskunde, kann er dann auch nur auf die Sondervertragspreise 2004 kürzen, oder auch auf die Tarifkundenpreise aus 2004 ? "
Eigentlich sind die Sonderpreise doch immer günstiger als die Tarifpreise,das liegt doch in der Natur der Sache.
Der Meinung von eislud schliesse ich mich aus vollstem Herzen an:
--- Zitat ---Das spiegelt natürlich alles nur meine persönliche Meinung wieder und ich bin auch nur einer von den Laien, die ihr vielfach nicht sachkundiges Wissen, ähh Unwissen, unter die Leute bringen.
--- Ende Zitat ---
Free Energy:
Hallo kampfzwerg,
vielen Dank auch für deinen Beitrag zu diesem Thema.
Du hattest geschrieben:
--- Zitat ---Diese Frage von Free Energy habe ich aber zugegebenermaßen überhaupt nicht verstanden:
"Angenommen er war schon 2004 Sondervertragskunde, kann er dann auch nur auf die Sondervertragspreise 2004 kürzen, oder auch auf die Tarifkundenpreise aus 2004 ? "
--- Ende Zitat ---
Du hast recht, die Frage ist blöd formuliert.
Ich meinte damit, ob man 2004 bereits Sondervertragskunde gewesen sein muss, um auf Sondervertragspreise von 2004 kürzen zu können, oder umgekehrt, was die Verbraucher tun sollen, die 2004 Sondervertragskunde waren und es heute nicht mehr sind ? Das ist m. E. doch eine berechtigte Frage, oder ?
Können diese Kunden nur auf den allg. Tarif kürzen (wenn man denn überhaupt was zahlen will) ?
Gruß
Free Energy
Cremer:
@Free Energy,
ich war in 20045 auch Sondervertragskunde, dann Energieclubkunde. Da hat man nochmals 10% Rabatt bekommen.
Jettz bin ich nach "Lesart der Stadtwerke" wieder Sondervertragskunde, bzw. ab 1.1.07 nur Grundtarifkunde.
Ich lege trotzdem die Preise vom Sept. 2004 zu Grunde. Und siehe da, die Differenz der Jahresrechnung 2006 zwischen den SW und meiner Rechnung liegt bei 1600 €
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln