@Free Energy
Es verhält sich genau andersrum, als Sie es sich gedacht haben.
Dilemma hin oder her:
Probleme sind dafür da, gelöst zu werden.
Man könnte den Eindruck gewinnen, da wolle sich jemand um eine ordentliche Auseinandersetzung rummogeln und wäre ganz froh darüber, dass der Kelch vorbeiginge.
Die Sache lässt sich einfach klären.
Schukow, Gesammelte Werke, Bd. 5:
Eine entsicherte Handgranate ist immer gefährlich, fraglich nur für wen. Es kommt darauf an, in welchem Graben sie landet, also auf welcher Seite der Front.
Es geht also darum, den anderen dieses Problem sauber zuzuspielen.
Grundsätzlich ist jeder, der keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen hat, bei dem also ein Vertragsverhältnis allein durch Entnahme von Gas aus dem Netz konkludent zustande kam, Tarifkunde und ist es mangels Kündigung dieses Vertrages oder Abschluss eines Sonderabkommens heute noch.
Logisch.
Es gibt also ein klares Regel- Ausnahme- Verhältnis, wonach der Tarifkundenvertrag die Regel ist.
Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahme von der Regel beruft, diese Ausnahme nachzuweisen hat.
Wer einen schriftlichen Sondervertrag abgeschlossen hatte, der an irgend einer Stelle etwas anders regelt als in §§ 2 bis 34 AVBGasV, der ist ein Sondervertragskunde und bei dem gilt das oben gesagte zu Sonderverträgen.
Auch logisch.
Wenn nun ein Erdgaskunde die Unbilligkeit der Tariffestsetzung rügt und konsequent zu kürzen beginnt, wird sich der Gaslieferant schon melden und auf den Abschluss des Sondervertrages hinweisen, auch wenn er womöglich dessen Inhalt selbst nicht mehr kennt. Darauf kommt es ja nicht an, sondern nur darauf, dass überhaupt jemals ein Sondervertrag abgeschlossen wurde und ungekündigt fortbesteht.
Dass der Tarifkunde vollständig kürzen darf, wissen auch die Versorger. Denn diese sind juristisch weniger unbedarft, als sie sich oft geben. :wink: Nur weil sie den Kunden vielen Unfug schreiben, folgt daraus noch lange nicht, dass sie davon auch selbst überzeugt wären.
Die Versorger werden also darauf hinweisen, dass ein Sondervertrag besteht und § 315 BGB deshalb nicht zur Anwendung kommt.
Damit werden sie zugleich Kunth/ Tüngler widersprechen, so dass klar ist, dass sich alles nach § 307 BGB regelt.
Daran müssen sie sich dann auch später festhalten lassen, wenn sie selbst einräumten, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB nie vereinbart worden war, ihnen ein solches Recht also gar nicht zustehen kann.
Dann fordert man dazu auf, den Abschluss des Sondervertrages nachzuweisen, also einen Beleg dafür.
Dann muss die Vertragsurkunde aus dem Archiv gekramt werden, welche die Unterschrift des Kunden enthält. Die wollte man selbst schon gern immer wiederfinden......
Meinen die Versorger hingegen, es bestehe zwar ein Sondervertrag, aber ihnen sei ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB eingeräumt, dann war der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt als der Folgepreis und auch der Sondervertragskunde kann wie ein Tarifkunde vollständig kürzen....
Auch gut.
Es kommt also darauf an, den Erdgaslieferanten zu stellen, so dass dieser sich eindeutig erklären muss.
Das wird man wohl am ehesten erreichen, indem man sich - soweit eine Unklarheit bestehen sollte - darauf beruft, wegen der Anwendung der Bestimmungen der AVBGasV Tarifkunde zu sein, die Tariffestsetzung insgesamt als unbillig rügt und sich insgesamt auf die Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB beruft (BGH NJW 2003, 3131) und eine Kürzung auf Null bis zum Nachweis der Billigkeit in Aussicht stellt.
Es wird dann schon zu einer entsprechenden Reaktion kommen.
Also einfach nur mutig beginnen und damit die andere Seite zwingen, ihre Karten zu zeigen.
Wie gesagt, entsicherte Handgranaten sind immer gefährlich.
Aber es kommt darauf an, in wessen Graben diese schon liegen oder landen. Wer so eine bei sich im Graben bemerkt, hält nicht stille, sondern muss reagieren. :wink:
Die mögliche (massenweise) Kürzung auf NULL ist der Punkt, an dem man sofort mit einer, ggf. vorerst hilflosen Reaktion rechnen darf. Das ist für die Gaswirtschaft der worst case.
Kurzum:
Die Unsicherheit geht zu Lasten der Versorger und gerade nicht der Verbraucher. Wenn der Versorger sich immer wieder auf § 4 AVBGasV beruft, darf man davon ausgehen, Tarifkunde zu sein, bis das Gegenteil nachgewiesen ist.
Der geduldige Kunde kann warten. Der Versorger hingegen kann nicht geduldig warten, weil er gerade ein massives Problem verspürt. Wer sich zu hektisch bewegt, macht dabei Fehler.
Nicht die Kunden stecken in einem Dilemma, sondern die Versorger.
Wie gesagt, nicht jeder muss den Berg an der steilen Wand selbst erklimmen. Einigen wird schon in der Seilbahn mulmig....
P.S.: Das " Schukow- Zitat" habe ich mir ausgedacht.