Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!

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nomos:

--- Zitat ---Original von Black

--- Zitat ---Original von nomos
Gerichtlich festgestellte unwirksame Preisanpassungsklauseln sind kurzfristige Erfolge aber nicht das eigentliche Ziel. Solange der Preismanipulation und dem Missbrauch nicht wirksam begegnet wird und nicht fairer Wettbewerb faire Preise bewirken, ist nichts wirklich gewonnen.
--- Ende Zitat ---
Eine unwirksame Preisanpassungsklausel ist zumindest moralisch nicht gleichzusetzten mit Preismanipulation. Die unwirksame Preisklausel trifft auch den Versorger, der tatsächlich faire Preisanpassungen ohne Steigerung der Gewinnmarge vornimmt und nur eine fehlerhafte Klausel verwendet.
--- Ende Zitat ---
@Black, wer setzt das gleich? Falls bei Ihnen der Eindruck entstanden ist, dann kann ich Ihnen versichern, das wir von meiner Seite nicht gleichgesetzt. Vorausgesetzt, hinter der unwirksamen Preisklausel, die ja den Verbraucher benachteiligt, daher ist sie ja unwirksam, stand keine böse Absicht.

Ja, die Wirkung ist für den von Ihnen beschriebenen Versorger so. Ich kann nur wiederholen, bei klaren Bedingungen (Gesetze, Verordnungen) gäbe es diesen Fall kaum. Außerdem gibt es viele Verbraucher, die Probleme mit überhöhten Energiepreisen haben. Wer bedauert die?
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Versäumnisse des Gesetzgebers hätte man bei diesem zu monieren.
.....

--- Ende Zitat ---
Ja, auch das ist geboten, sogar vorrangig. Die bestehenden Gesetze und Verordnungen sollten aber unabhängig davon Anwendung finden, gerade vor Gericht ;).

uwes:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft

Zum Beispiel fehlt noch eine Verordnung gem. § 41 Abs. 2 EnWG zu den Bedingungen  für Verträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung...

Auch eine Verordnung gem. § 39 Abs. 1 EnWG, wie Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung  inhaltlich zu gestalten sind, fehlt bisher leider...
--- Ende Zitat ---

Ich möchte hier einmal eine Diskussion zur Frage dieser von Ihnen zu Recht angesprochenen Preistransparenz anstoßen, wenn diese nicht schon anderweitig begonnen oder geführt worden sein sollte:

Man sollte sich die Frage einmal stellen, ob die §§ 4 AVBGasV/AVBEltV bzw. 5 GasGVV/StromGVV nach AGB- oder einfachrechtlichen Maßstäben transparent genug sind oder aber eine \"Richtlinienkonforme\" Auslegung durch die Gerichte in der Weise erfolgen müsste, dass die verordnete Transparenz in der Preisgestaltung seit dem 1.7.2007 nicht mehr angenommen werden kann, wegen der Nichtbeachtung der Verordnungsermächtigung und das Nichtumsetzen der u.a. EU-Richtlinien.

Der VIII. Zivilsenat des BGH  (Urt. vom 15.7.2009 VIII ZR 225/07 (s.o.) sagt hierzu wohl – ja.

Aber was ist mit europarechtskonformer Auslegung? Siehe hierzu die Bestimmung des § 41 EnWG 2005 in der es in Abs. 2 heißt:

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Regelungen für die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung treffen, die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und insbesondere Regelungen über den Vertragsabschluss, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen. Hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Die jeweils in Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG (Elektrizitätsbinnenmarkt) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. EU Nr. L 176 S. 37- Elektrizitätsbinnenmarkt) und der Richtlinie 2003/55/EG (Erdgasbinnenmarkt) vorgesehenen Maßnahmen sind zu beachten.


In der Vorb. Nr. 22 der RiLi 2003/55 heißt es ähnlich wie in Nr. 24 der RiLi 2003/54

(22) Es sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Tarife für den Zugang zu Fernleitungen transparent und nichtdiskriminierend sind. Diese Tarife sollten auf alle Benutzer in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

RiLi 2003/54 (24)
„Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass Haushalts-Kunden und, soweit die Mitgliedstaaten dies für angezeigt halten, Kleinunternehmen das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu leicht vergleichbaren, transparenten und angemessenen Preisen haben.“

Weiter heißt es in Art 3 der RiLi 2003/55

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzes und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, wozu auch geeignete Maßnahmen gehören, mit denen diesen Kunden geholfen wird, den Ausschluss von der Versorgung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang können sie Maßnahmen zum Schutz von Kunden in abgelegenen Gebieten treffen, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Sie können für an das Gasnetz angeschlossene Kunden einen Versorger letzter Instanz benennen. Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren.


Wenn ich diese Richtlinien richtig verstehe, dann sind die wie folgt anzuwenden:

Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Juli 2004 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
(2) Die Mitgliedstaaten können die Umsetzung von Artikel 13 Absatz 1 bis zum 1. Juli 2007 zurückstellen. Die Anforderungen des Artikels 13 Absatz 2 bleiben hiervon unberührt.

Wenn sich jetzt ein Versorger auf Preiserhöhungsmöglichkeiten gem. §§ 4 und 5 AVBGasV, GasGVV AVBEltV/ Strom GVV stützt,
1.   Sind die Regelungen der Richtlinien heranzuziehen?
2.   Ist eine richtlinienkonforme Auslegung erforderlich und falls ja, wie müsste sie vorgenommen werden?
3.   Macht es bei der Anwendung der Richtlinien einen Unterschied, ob es sich um ein privates/kommunales oder kommunal beherrschtes Unternehmen handelt? (Eine Richtlinie ist keine Verordnung und wirkt nicht unmittelbar zwischen Privaten)
4.   Macht es einen Unterschied, ob es im Tarifkunden- oder im Sonderkundenbereich geschieht?
5.   Berücksichtigt man, dass der BGH auf diese Richtlinien keinen Bezug nimmt, hätte der BGH in den entschiedenen Fällen die Sache nicht dem EuGH vorlegen müssen?
6.   Ist den Richtlinien ein konkretes Gebot für transparente Preise zu entnehmen und beinhaltet dieses etwaige Gebot auch die Preisänderungsmechanismen? Falls ja, was folgt daraus für die Regelungen der AVBGasV/GasGVV/AVBEltV/StromGVV im Hinblick auf deren Regelungen zur „Preisänderungsbefugnis“?

Ich habe mir diese Fragen nocht nicht selbst beatwortet. Es soll - wie gesagt - ein Anstoß zur Diskussion darstellen.

Mit freundlichem Gruß

Uwes

RR-E-ft:
@uwes

Danke für die Anregung. Hierzu besonderer Thread angelegt.

Lothar Gutsche:
@ RR-E-ft

Mit folgender Passage in Ihrem Beitrag vom 04.02.2010 21:35 kann ich mich überhaupt nicht anfreunden:


--- Zitat --- Original von RR-E-ft
Möglicherweise war der Senat dabei auch von der Sorge vor der Belastung der Justiz dadurch getrieben, dass jeder grundversorgte Kunde die Angemessenheit (Billigkeit) seines von ihm geforderten Tarifs gem.§ 315 Abs.3 BGB gerichtlich kontrollieren lassen wollte. Möglicherweise lässt gerade eben jene Sorge nicht wenige Gerichte der Rechtsprechung des Senats \"blind\" folgen. Wer von uns wollte dem nicht ein gewisses Verständnis entgegenbringen?
--- Ende Zitat ---
Nein, dafür habe ich kein  Verständnis, weil es schlicht gesetzwidrig ist. Sowohl in der Bundestagsdebatte vom 15.11.2007 zu § 29 GWB als auch in den Urteilsgründen zum BGH-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 ist von \"Prozessfluten\" die Rede. Wörtlich heißt es in Randnummer 23 der Urteilsgründe \"um eine von den Energieversorgern befürchtete Prozessflut bei den Zivilgerichten zu verhindern\", vgl. auch die kleine Tabelle in Abschnitt 3.2 meines Beitrags zum Kartellrechts-Verständnis unter http://www.cleanstate.de/Kartellrecht_Energiepreise.html#_Toc253004405. Die Prozessflut wurde befürchtet, wenn es bei der umgekehrten Beweis- und Darlegungslast geblieben wäre, die der ursprüngliche Regierungsentwurf für § 29 Nr. 1 GWB vorgesehen hatte. Die Energieerbraucher hätten einen Verstoß gegen § 29 GWB behaupten können, und die Energieversorger hätten beweisen müssen, dass dem nicht so ist.

Aus dieser Befürchtung vor einer \"Prozessflut\" lässt sich aber für einen Richter kein Recht ableiten, die Anwendung von § 315 BGB irgendwie einzuschränken. Ein solches Recht ist weder in § 315 BGB zu erkennen noch in § 29 GWB. Ausführlicher ist das in Abschnitt 2.1 meines Beitrags zum Kartellrechts-Verständnis des VIII. Zivilsenates dokumentiert, siehe http://www.cleanstate.de/Kartellrecht_Energiepreise.html#_Toc253004387. In den Gesetzesmaterialien zu § 29 GWB findet sich kein Hinweis auf § 315 BGB. Warum auch?

Wenn nun ein Gericht wie der VIII. Zivilsenat des BGH eine solche Einschränkung des § 315 BGB vornimmt, um die befürchtete Prozessflut einzudämmen, dann ist das schlicht gesetzwidrig und rechtsbeugend. Das drücke ich so klar und eindeutig aus. Wenn \"Prozessfluten\" in Deutschland befürchtet werden oder gar schon existieren, dann muss der Gesetzgeber aktiv werden. Wenn Richter durch zu viele Billigkeitsprozesse bei Energiepreisen überlastet werden und wenn sich dann bei nahezu allen deutschen Gerichten die Prozessakten zu Energiepreisstreitigkeiten auftürmen, dann ist es Sache der Dienstaufsicht, für Abhilfe zu sorgen. Z. B. ist über die jeweiligen Landes- und Bundesjustizminister mehr Personal anzufordern, um die Justizgewährpflicht zu erfüllen, oder es ist auf parlamentarischem Wege eine Gesetzesänderung zu § 315 BGB zu suchen.

Vor wenigen Jahren drohte eine Prozessflut die Frankfurter Justiz zu überschwemmen, als um die Richtigkeit des Börsenzulassungsprospektes bei der Deutschen Telekom gestritten wurde. Tausende von geschädigten Anlegern stürmten die Gerichte und füllten die Richterbüros mit tonnenweise Schriftsätzen. Die Lösung bestand aber nicht darin, in gesetzwidriger Weise die Klagerechte der Aktionäre einzuschränken, wie es der VIII. Zivilsenat bei den Billigkeitsprozessen praktiziert. Nein, im Falle der Massenklage gegen die Deutsche Telekom wurde vom Deutschen Bundestag ein eigenes Gesetz geschaffen, das \"Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten\" vom 16.8.2005, auch Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz genannt, kurz KapMuG, siehe http://dejure.org/gesetze/KapMuG.

Ob das KapMuG jetzt gelungen ist und ob es für alle Beteiligten (Anleger, Telekom, Justiz) ein Erfolg war, ist umstritten. Aber die Existenz und Entstehung des Gesetzes zeigt einen demokratisch legitimierten Weg auf, \"Prozessfluten\" zu bekämpfen. Der Weg, den der VIII. Zivilsenat in seinem 1. Leitsatz und seiner Begründung im Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 beschritten hat, ist jedenfalls nicht von Recht und Gesetz gedeckt. Da fehlt mir jedwedes Verständnis. Mein Unverständnis für das Vorgehen des VIII. Zivilsenates unter Vorsitz von Richter Ball drückt sich dann auch so unverblümt und drastisch aus, wie es in der Pressemitteilung vom 4.2.2010 bei Cleanstate geschehen ist.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

RR-E-ft:
@Lothar Gutsche

Wenn ich von einem gewissen Verständnis spreche, dann meine ich das Verständnis für die Angst der Richterschaft, man käme im Falle einer Klageflut nicht mehr dazu, noch anderes entscheiden zu können. Richter sind auch nur Menschen. Da gibt es Amtsgerichte, denen lassen die Versorger wegen vermeintlicher Zahlungsansprüche hundertfach Anspruchsbegründungsschriften im Umfange von mehr als 50 Seiten, ergänzt um weitere mindestens 50 Seiten Anlagen auf den Richtertisch legen, ohne dass sich diesen zum maßgeblichen Zahlenwerk schon  etwas entnehmen ließe... Die Klageforderungen belaufen sich jeweils auf wenige hundert Euro. Vorsitzende Richter an Landgerichten beklagen öffentlich, sie würden bei Billigkeitsprozessen \"in Zahlen ersaufen\". Jene Klagen bleiben auch dem BGH nicht verborgen. Einer von den Bundesrichtern bezeichnete es wohl als \"Horrorvorstellung\", die Preiskalkulationen umfassend gerichtlich kontrollieren zu müssen, was auf eine Phobie hindeuten könnte. Aber wie bereits ausgeführt, kann es mit einer solchen- denkbaren -  Sorge nicht so weit her sein, weil der selbe Senat ja die Anwendung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle wohl sogar auszuweiten gedenkt. Natürlich darf auch eine solche menschlich verständliche Sorge nicht dazu führen, dass den Betroffenen Rechtschutzmöglichkeiten beschnitten werden. Da steht das Grundgesetz davor. Ich wollte damit auch gesagt haben, dass eine solche mögliche Sorge bei der Entscheidungspraxis des Senats mitgeschwungen haben könnte, was nichts damit zu tun hätte, dass der Senat die Interessen der Energievrorger im Blick hatte, denn vielmehr das Interesse der Justiz, auch zukünftig nicht \"verstopft\" zu werden. Ich übe mich auch dabei im Konjunktiv. Wenn ich von einem gewissen Verständnis für eine entsprechende Sorge rede, schließt das ja nicht das Verständnis dafür ein, dass eine solche das Entscheidungsergebnis beeinflusst.  So feinsinnig sind wir immer noch.

Billigkeitskontrollen sind hochkomplexe Angelegenheiten, die in ihrer Komplexität viele Richter vor neue Herausforderungen stellen, und die Schwierigkeiten dabei ergeben sich auch aus den genannten Versäumnissen des Verordnungsgebers. Und manche Kollegen nehmen ja - ebenso wie viele Versorger - auch den Unternehmensgewinn als (ersten) Maßstab, obschon es auf diesen nicht ankommt, sondern auf die Marge, nämlich den Gewinn je abgesetzte Mengeneinheit im konkret zu prüfenden Tarif, so dass auch ein insgesamt defizitär arbeitender Versorger unbillig überhöhte Tarife fordern kann und sich andererseits auch erweisen kann, dass bei einem Versorger, der hohe Gewinne ausweist, beim konkreten Tarifpreis jedoch bei energiewirtschaftlich effizienter Betriebsführung das Kostendeckungsprinzip hinreichend beachtet wurde.

Die Behauptung, es seien Entscheidungen \"im Namen der Energieversorger\" verkündet worden, hat deshalb aber keine Grundlage. Und auch wenn man die Rechtsprechung des Senats in diesen Fällen für nicht zutreffend hält, ist es ungehörig, von sogenannter \"Rechtsprechung\" zu reden.

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