Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
BGH Entscheidung von heute 28.10.2015 i.Sa. Gas
RR-E-ft:
Der BGH räumt den Versorgern ein Preisänderungsrecht ein, welches nicht mit der EU- Richtlinie vereinbar ist, und greift damit selbstverständlich in die Rechte der Kunden ein.
Der BGH billigt den Versorgern ein Recht zu, welches bei Anwendung der EU- Richtlinie nicht zur Anwendung kommen darf.
Es ist doch wohl ein Unding, dass der BGH an die Stelle einer- laut EuGH wegen Verstoß gegen eine EU- Richtlinie unwirksamen - gesetzlichen Regelung im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine inhaltsgleiche Regelung setzen will, die slebstverständlich ebenso nicht mit der EU- Richtlinie vereinbar ist.
Dadurch wird die Anwendung der EU- Richtlinie wie auch die Rechtsprechung des EuGH im Ergebnis ausgehebelt. Wie weit lässt sich Recht eigentlich biegen?
Zudem:
Die unwirksame Regelung des § 4 AVBGasV verlangte immerhin noch eine öffentliche Bekanntgabe als Wirksamkeitsvoraussetzung, wovon bei dem Recht aus ergänzender Vertragsauslegung wohl erst gar keine Rede ist. Dann soll das Recht aus ergänzender Vertragsauslegung wohl weiter reichen als das ersetzte Recht aus der laut EuGH unwirksamen gesetzlichen Regelung...
tangocharly:
@Black
Es existiert im Recht, zumal im Zivilrecht, keine Selbstverständlichkeit, sondern existieren nur Normen, entweder gesetzliche oder vertragliche Regelungen.
Und da hat der BGH einen beliebten (oder besser beliebigen) Trick angewandt, indem er auf die gesetzlichen Regelungen gem. §§ 133, 157 BGB rekurriert hat. Genauso gut hätte der BGH, um die vom EuGH aufgezeigte "Lücke des Systems" aufzufüllen, auf die Präambel der Verfassung rekurrieren können.
Im vorliegenden Fall geht es um Rechtsanwendung und nicht um Rechts(er)findung.
Zu Letzterem haben wir eine andere Institution in unserem Lande. Und wenn dem BGH das Lamento der Versorgerwirtschaft gefallen haben mag, welches beim EuGH im Winde verhallt ist, dann dürfte auch dort aufgefallen sein, dass in dem eng begrenzen Bereich der Wirkungen des Spruchs des EuGH niemand "vor die Hunde geht", der sich über Jahrzehnte an den erzielten Gewinnen satt gefressen hat.
Black:
Übrigens verstehe ich diese Passage in der Pressemitteilung des Bundes der Energieveraucher nicht so ganz:
--- Zitat ---Es ist nun an den Landes- und Oberlandesgerichten, dieses Urteil erneut zum Gegenstand einer EuGH-Entscheidung zu machen. In rechtlichen Auseinandersetzungen, in der ein Gericht in letzter Instanz entscheidet, hat der Verbraucher sogar einen Anspruch auf eine solche Vorlageentscheidung, sofern Zweifel an der Europarechtskonformität der BGH-Entscheidung bestehen. Andernfalls würde der gesetzliche Richter entzogen, was einen Verstoß gegen Artikel 101 Abs (1) des Grundgesetzes darstellen würde.
--- Ende Zitat ---
Wer soll das was nochmal dem EuGH vorlegen? Die Landes- und Oberlandesgerichte?
userD0010:
Oh, wie elegant mogelt man sich aus dem Problem heraus. Da sollen Landes- und/oder Oberlandesgerichte dem BGH vor´s Schienenbein treten ob der gestrigen Entscheidung, und was geschieht mit all den Protestlnern, die gegenüber ihren Versorgern bereits das Nachsehen hatten?
Der Bürger ist ob der Entscheidung der "Großkopferten" der Gekniffene und den EVU ist mal wieder Tür und Tor für ihr Tun geöffnet bzw. widereröffnet.
RR-E-ft:
Nach Art. 267 AEUV kann jedes Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH beantragen, wenn es für die Streitentscheidung auf die Auslegung europäischer Rechtsnormen ankommt. Ein Gericht muss in einem solchen Fall die Sache zur Vorabentscheidung dem EuGH vorlegen, wenn gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist.
Es stellt sich wohl die Frage, ob die Bestimmungen der Gas-Richtlinie dahin auszulegen sind, dass die vom BGH nunmehr im Wege ergänzender Vertragsauslegung eingeräumte Regelung über Preisänderungen den Anforderungen der Richtlinie an das erforderliche Maß an Transparenz genügt.
Ein junger ambitionierter Amtsrichter könnte diese Frage in einem geeigneten Verfahren wohl dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen.
Es muss sichergestellt werden, dass durch nationale Rechtsakte (Gesetzgeber, Behörden, Gerichte) wie die Einräumung eines einfachen Preisänderungsrechts - etwa im Wege ergänzender Vertragsauslegung durch ein nationales Gericht - nicht gegen die Bestimmungen der EU- Richtlinie verstoßen wird.
Durch diesen Rechtsakt der Einräumung eines einfachen Preisänderungsrechts im Wege ergänzender Vertragsauslegung könnten die Versorger ihre Preise doch ändern ohne die von der Gas- Richtlinie verlangte Transparenz einzuhalten, welche laut EuGH nur dadurch gewahrt werden kann, dass die Kunden vorher informiert werden über Anlass und Umfang der Preisänderung, ein bestehendes Sonderkündigungsrecht und die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung.
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