Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

BGH-Urteil VIII ZR 240/11

<< < (3/4) > >>

berghaus:
Sollte man denn jetzt, nachdem man jahrelang tapfer auf den Anfangspreis oder wegen Rückforderungen sogar auf Null gekürzt hat, nun die Differenz zum '3 Jahre vorher Preis' für unverjährte Zeiträume fleißig nachzahlen?

Oder sollte man damit warten bis ein Mahnbescheid oder eine Klage kommt?

berghaus 31.10.12

bolli:
Wie immer dürfte das das individuelle Risiko jedes einzelnen sein. Auch kommt es ja darauf an, wann man seine Kürzungen vorgenommen hat. Schließlich gilt auch für Forderungen des Versorgers die Einrede der Verjährung. Insofern muss man seinen Fall in Ruhe betrachten, dass bisherige Verhalten seine Versorgers berücksichtigen und dann eine persönliche Entscheidung treffen.

Nur wer was riskiert kann mehr erreichen als die Allgemeinheit, die nur auf hundertprozentig gesicherte Positionen setzt.  ;)

berghaus:
Erinnert werden sollte in diesem Zusammenhang auch noch mal, dass ein Schriftverkehr mit dem Versorger z.B. darüber, man wäre nun bereit, den '3 Jahre vorher Preis' zu zahlen,
nach den §§ 203 BGB die Verjährung unterbrechen könnte.
z. B. Zitat: Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein.
BGH - 12.05.2011 - IX ZR 91/08

berghaus 31.10.12

Didakt:
@ berghaus,

welcher Art sind denn Ihre Verhandlungen mit dem Gläubiger/Versorger? Ist denn von einer Partei etwa ein Vergleichsangebot unterbreitet worden?

RR-E-ft:
Mit der ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend der Urteile des BGH vom 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11 und VIII ZR 113/11 ist es so eine Sache. Diese führt jedenfalls zu keinem Automatismus, da die Voraussetzungen im Einzelfall jeweils vom Gericht geprüft werden müssen. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht Sache der Parteien, sondern Sache des Gerichts.


--- Zitat ---BGH, B. v. 24.04.12 Az. VIII ZR 278/11, juris Rn. 6:

Die vom Senat für den Fall der Unwirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklausel entwickelte Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, unter II 3, und VIII ZR 93/11, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 4) kommt vorliegend nicht in Betracht, weil es hierzu an einem ausreichenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen fehlt. Die Klägerin hat - trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts - weder den vertraglich vereinbarten Ausgangspreis vorgetragen, noch hat sie dargelegt, dass sich aus den Zahlungen des Beklagten ergibt, dass dieser auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 52; vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO und VIII ZR 93/11, aaO).
--- Ende Zitat ---

Der auf Zahlung verklagte Kunde bestreitet in seiner Klageerwiderung die Zahlungsverpflichtung und macht geltend, dass Preise zur Abrechnung gestellt wurden, die vertraglich nicht vereinbart wurden und auf die der Versorger auch sonst keinen Anspruch hat.
Welcher Preis anfänglich vereinbart war, braucht der beklagte Kunde nicht vortragen. Entsprechender Vortrag ist Sache des klagenden Versorgers.

Im Falle einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung soll zunächst auch von Anfang an kein weiterer Zahlungsanspruch des Versorgers bestanden haben, erst nach Ablauf von drei Jahren soll der Kunde bei unterlassenen Widersprüchen fortan nicht mehr geltend machen können, dass die einseitigen Preisänderungen unwirksam waren.

Wie und wann dabei höhere Zahlungsansprüche des Versorgers, die über den vertraglich vereinbarten Anfangspreis hinausgehen, entstehen sollen, ist nicht recht nachvollziehbar.

Ansprüche können verwirken. Unter einem Anspruch versteht man das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.  Um einen solchen Anspruch handelt es sich beim vertraglichen Zahlungsanspruch des Versorgers. Auch der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des Kunden ist ein solcher Anspruch, der verwirken kann.

Ein nachträgliches Erwirken von Ansprüchen ist in der Rechtsordnung hingegen eigentlich nicht vorgesehen.
Denn wo nichts ist, da kann nichts werden. 

Das ist aber schon wieder eine weitere Problematik, die mit dem eigentlichen Thema des Threads (BGH, Urt. v. 26.09.12 Az. VIII ZR 240/11 bzw. Leitsatzentscheidung VIII ZR 249/11) nicht unmittelbar etwas zu tun hat.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln