Energiepreis-Protest > Bundesweit / Länderübergreifend
Milliarden- Geschenk an Netzbetreiber
Lothar Gutsche:
Gestern weist Herr Dr. Peters in seinem Beitrag darauf hin, dass der Bund der Energieverbraucher (BdEV) in Brüssel eine Beschwerde zur Netzentgeltbefreiung eingereicht hat, siehe http://www.energieverbraucher.de/de/Energiebezug/Strom/Netzentgelte__370/ContentDetail__12277/ und im Detail http://www.energieverbraucher.de/files_db/1322487731_4987__12.pdf
Dort wird eine nach EU-Recht verbotene staatliche Beihilfe angezeigt. Der Vorteil der Netzentgeltbefreiung beträgt ca. eine Milliarde Euro und wird nach Ansicht des BdEV aus staatlichen Mitteln gewährt.
--- Zitat ---Zitat aus Schriftsatz vom 28.11.2011:
„Dabei ist es ohne Belang, dass der Fiskus kostenmäßig nicht unmittelbar belastet wird. Denn tatbestandlich im Sinne von Artikel 107 (1) AEUV ist auch die Vorteilsgewährung ‚über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung’ (‚PreussenElektra’, Rn. 58 ). Die Verwendung der Mittel kann daher in Bezug auf die Beihilfenatur dieser Mittel dem Staat zugerechnet werden (vgl. Kommissionsentscheidung K(2011) 1363 endgültig, Nr. 87).“
--- Ende Zitat ---
Weiter wird argumentiert:
--- Zitat ---Zitat aus Schriftsatz vom 28.11.2011:
„Die Befreiung kommt der Mehrheit der deutschen Wirtschaft nicht zugute, während einer dieser Wirtschaftszweige, nämlich die stromintensive Produktion von Gütern begünstigt wird. Die Befreiung wirkt de facto selektiv und belastet die gesamte mittelständische Industrie sowie vor allem private Verbraucher.“
--- Ende Zitat ---
Bei einer \"Beihilfe\" interessiert der Verbraucher nur am Rande. Denn der EU-rechtliche Begriff der Beihilfe umschreibt laut Wikipedia sämtliche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten direkten oder indirekten Vorteile jeder Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige (Branchen) den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und hierdurch der zwischenstaatliche Handel beeinträchtigt wird. Unter Beihilfe werden insbesondere öffentliche Gelder und Gewährleistungen für nichtöffentliche Unternehmen subsumiert, die hierfür keine oder keine adäquate Gegenleistung erbringen.
Mit den EU-Vorschriften zur Beihilfe wird zunächst nur der Wettbewerb geschützt, nicht der Verbraucher. Vielleicht profitiert der Endverbraucher vom Wettbewerb, vielleicht auch nicht, wie aktuell die Finanzmärkte demonstrieren. Aber der Verbraucher soll nicht direkt durch die Beihilfe-Vorschriften geschützt werden, der Verbraucher wird zumindest nicht direkt durch eine Beihilfe verletzt.
Wenn sich als Wettbewerber eines netzentgeltbefreiten Konkurrenten ein Unternehmen bei der EU beschwert, das wegen zu geringen Energieverbrauchs keine Netzentgeltbefreiung genießen kann, so könnte ich das verstehen. Wenn aber ein Verbraucherschutzverein so argumentiert, ist das für mich befremdlich. Denn der BdEV hebt mit seiner Beschwerde auf die Verwendung der Mittel ab und nicht auf die Finanzierung der Netzentgeltbefreiung. Bei der Frage, ob die Beihilfe rechtmäßig ist oder nicht, interessiert es überhaupt nicht, wie die Subvention finanziert wird.
Im vorliegenden Fall sind es die privaten Haushalte und die kleineren Unternehmen, die durch erhöhte Netzentgelte die Subvention bezahlen sollen. Die Herkunft der Mittel ist schon mit verfassungsrechtlichen Mitteln in Deutschland angreifbar, vgl. das Steinkohlepfennigurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1994 unter Aktenzeichen 2 BvR 633/86 z. B. unter http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091186.html. Entgegen der Beschwerdebegründung vom BdEV und entgegen den dort zitierten Entscheidungen wird die Netzentgeltbefreiung gerade nicht aus staatlichen Mitteln finanziert. Denn staatliche Mittel würden aus Steuern stammen, deren Höhe sich nach dem Einkommen und nach dem Vermögen der Steuerzahler richtet und nicht nach dessen Energieverbrauch. Details hatte ich vor rund drei Jahren in Abschnitt 2.3 meines Beitrags zur „Verfassungswidrigkeit der Quersubventionierung von öffentlichen Aufgaben durch überhöhte Energiepreise“ publiziert, siehe http://www.cleanstate.de/Energiepreise.html.
Natürlich begrüße ich die Aktivität des BdEV gegen die Netzentgeltbefreiung. Nur erscheint es mir seltsam, dass der Vereinsvorsotzende die Brille eines Unternehmeners aufsetzt, um die StromNEV anzugreifen und nicht die Sicht eines verletzten Verbrauchers einnimmt. Vielleicht hat sich bei der BdEV-Führung die Erkenntnis durchgesetzt, dass Verbraucherschutz in Deutschland und auf EU-Ebene überhaupt keinen Wert hat, sondern einzig und allein die freien Märkte und der Wettbewerb schützenswert sind. Wettbewerb dient in seiner neoliberalen Form nur der Ausbeutung der Bevölkerung. Wie dem auch sei, mir erscheint die Begründung der Beschwerde in Brüssel nicht passend nicht zur Philosophie des Vereins.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
RR-E-ft:
Die Netzentgeltbefreiung energieintensiver Industrie geht mittelbar zu Lasten auch der Verbraucher.
Es ist begrüßenswert, dass sich der Verein auch bei der EU dafür einsetzt, diese Regelung zu Fall zu bringen.
Dr. phil. Seltsam jedenfalls hat wohl selbst bisher noch nichts dagegen unternommen.
--- Zitat ---Original von Lothar Gutsche
Im vorliegenden Fall sind es die privaten Haushalte und die kleineren Unternehmen, die durch erhöhte Netzentgelte die Subvention bezahlen sollen. Die Herkunft der Mittel ist schon mit verfassungsrechtlichen Mitteln in Deutschland angreifbar, vgl. das Steinkohlepfennigurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1994 unter Aktenzeichen 2 BvR 633/86 z. B. unter http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091186.html.
--- Ende Zitat ---
Viel Erfolg!
jroettges:
Solche Umlagen muss niemand gut finden. Fest steht aber, der Netzausbau muss stattfinden und bezahlt werden.
Die stromintensiven Betriebe sollen nach dem Willen der Politik befreit, dem Rest soll alles aufgebrummt werden. Die Politik hofft so, die einschlägige Industrie hier im Land und konkurrenzfähig zu halten, sodass keine Arbeitsplätze wegbrechen.
Hätte man die Ausnahmen nicht beschlossen, hätten auch die stromintensiven Betriebe die neuem Kosten einpreisen müssen. Das bleibt ihnen nun erspart.
Der Rest der Gewerbetreibenden muss die höheren Kosten einpreisen. Die privaten Verbraucher können nix einpreisen, müssen aber zu den höheren Stromkosten auch noch die höheren Preise von Produkten und Dienstleistungen berappen.
So oder so, der Verbraucher ist immer der, der zahlt! :evil:
RuRo:
Nach § 19 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) sollen Unternehmen, die jährlich mindestens 7.000 Stunden Strom beziehen und mehr als zehn Mio. Kilowattstunden verbrauchen, vollständig von den Netzentgelten befreit werden. Hiervon würden voraussichtlich mehr als 500 Großunternehmen in Deutschland profitieren.
Mehrere Energieversorger haben bereits Anwälte betraut, die Gültigkeit der Neuregelung zu prüfen. Der BdE hat Beschwerde gegen die Neuregelung bei der EU-Kommission eingereicht haben.
Sukram:
Die einen melden zuwenig (damit 3% weniger gekürzt wird)- die anderen zuviel?
--- Zitat ---Geben Netzbetreiber zu hohe Photovoltaik-Zubauzahlen an?
Die EEG-Umlage für 2012 wurde schon im Oktober bekanntgegeben. Darin wurde die Annahme getroffen, dass die installierte PV-Leistung bis Ende 2011 auf 23,8 GW steigen werde. Doch konnten die Netzbetreiber Ende Oktober 2011 erst 20,4 GW nachweisen. Sollten die Annahmen also dennoch zutreffen, würde das bedeuten, dass bis Ende des Jahres noch 3,4 GW Photovoltaikanlagen ans Netz gehen müssten, obwohl in den ersten zehn Monaten des Jahres erst 2 GW installiert worden sind. Das deutet sehr darauf hin, dass die Zahlen für die Preiserhöhungen \"für EEG-Strom\" für Stromkunden falsch und zu hoch sind. ...
...Anlässlich der neuesten Aktualisierung der EnergyMap bezeichnet die DGS die Meldepraxis der Netzbetreiber deshalb als peinlich und mangelhaft. Bei der Festsetzung einer höheren EEG-Umlage sei man schnell mit einer Preissteigerung zur Hand gewesen. Die tatsächlich bisher gemeldeten Anlagen lassen aber auf weniger installierte Anlagen schließen und stellen damit die Höhe der EEG-Umlage in Frage.
--- Ende Zitat ---
Telepolis
So würde der Verbraucher von zwei Seiten abkassiert.
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